Wie lehrt mensch den Medien- und Zeitenumbruch? KIT-Einführungsvortrag zur Aufmerksamkeitsökonomie WS 24 – 25

Auf den Blogpost von gestern zur Raum-Zeit-Medientheorie nach Harold Adams Innis erhielt ich wie erwartet eine Vielzahl emotionaler, erfreulicherweise aber überwiegend konstruktiver Rückmeldungen. Die meisten Menschen spüren ja selbst, dass sich derzeit Grundlegendes verändert – und das in einer rasenden Geschwindigkeit. In der digitalen Aufmerksamkeitsökonomie wird nicht mehr primär Geld, sondern das evolutionär sehr viel ältere und emotionalere Streben nach Thymos, nach Status verhandelt.

Der Reader vom KIT-Seminar für Berufs- und Medienethik im WS 2024 / 2025 von Dr. Michael Blume, mit einer Leitthese von Marina Weisband: "Was uns wirklich die Demokratie kosten wird, ist die Aufmerksamkeitsökonomie."

Der Reader zum KIT-Seminar Berufs- und Medienethik im Wintersemester 2024 / 25 steht hier barrierefrei zum Download zur Verfügung. Screenshot: Michael Blume

Vergleichen wir: Die schnellen Raummedien der Alphabetschriften haben Jahrtausende gebraucht, um die Hälfte der Menschheit zu erreichen. Beim Buchdruck waren es immer noch fünf Jahrhunderte. Die elektronischen Medien brauchten dafür noch etwa ein Jahrhundert. Vom World Wide Web (1989) bis zum Smartphone (2007) vergingen gerade noch 18 Jahre. Die erste global verfügbare KI, ChatGPT, wurde im November 2022 vorgestellt – vor rund zwei Jahren. Und derzeit verschmelzen das Fediversum und KI-Programme zum ersten Medium der Weltgeschichte, das gleichzeitig und vollständig die Innis-Dimensionen von Raum und Zeit erreicht.

Wer da nicht auch mal ins Schleudern gerät, fühlt gar nichts.

Machen wir uns bitte bewusst: Von den meisten meiner Studierenden werden KIen bereits sehr viel mehr erfahren, als wir jemals über Johann Wolfgang von Goethe oder Antoinette Brown Blackwell wissen konnten. Nicht mehr nur wenige “Promis”, wir alle werden nun medial dauer-gescannt. Und das geschieht – jetzt. Wenn Sie unter diesen Blogpost einen Druko setzen, wird dieser zum Guten oder Schlechten von verschiedenen KI-Crawlern erreicht, kopiert, ausgewertet werden. Dieser Blogpost sowieso.

Aber…

Wie lehrt mensch den digitalen Zeitenumbruch, der ja alle Lebensbereiche erfasst?

Für mich ist als Lehrender (und eben auch: Lernender!) ganz klar, dass ich meine Studierenden nicht belüge. Es wäre aus meiner Sicht absurd, Berufs- und Medienethik zu lehren, indem ich so täte, als hätte ich auf alles eine Antwort. Vielmehr bin ich zwar seit den Erfahrungen im Irak 2015 mit dem medialen und politischen Zeitenumbruch befasst, aber weit entfernt davon, alles zu verstehen. Tatsächlich ist einer der Gründe, warum ich diesen einen Lehrauftrag gegen alle Termin-Not aufrecht erhalte der, dass ich dabei auch jedes Semester von den Studierenden (wie auch von meinen Kindern) unfassbar viel lerne. Also sage ich das auch so.

Ein zweites “No-Go” für mich wäre, Panik unter den Studierenden zu verbreiten. Denn die sehe ich wahrlich nicht. Vielmehr bietet gerade auch die Verschmelzung aus KI und Fediversum grandiose Möglichkeiten für Bildung, Dialog und die Überwindung der Thymotisierung und Polarisierung durch antisoziale Medien. Dazu postete ich gestern auf Mastodon:

Wie nach dem Scheitern der deutschen wird nun auch dauer-empört über das Scheitern der Koalitionsverhandlungen in debattiert. Und (fast) alle beschuldigen die, die sie auch vorher schon parteipolitisch ablehnten.

Sorry, aber DAS ist das Problem. Auch „wir“ demokratisch Aktiven bewegen uns seit Jahren in digitalen Blasen, die uns vor allem bestätigen. Dadurch sinken Dialog- und Kompromissbereitschaft. Nicht nur bei „denen“. Bei „uns“, fast allen.

Zwei Personen - eine eher ökologisch, eine finanziell motiviert - erregen sich voneinander abgekehrt über ihren Smartphones.

Symbolbild für die Polarisierung durch antisoziale Medien. Michael Blume mit Leonardo.AI

Umgekehrt kommt aber selbstverständlich auch nicht in Frage, die Dinge rosiger zu malen, als sie sind. Ich fürchte, dass nicht alle Demokratien die kommenden Jahrzehnte überleben werden, sondern zu Thymokratien wie bereits in Ungarn oder gar Russland verfallen könnten. Sollte es den digitalen Oligarchen gelingen, auch noch das Fediversum abzuwürgen, dann würde es zudem wirklich finster.

Was also tun?

Ich versuche, die Studierenden dazu zu gewinnen, die neuen KI-Technologien aktiv auszuprobieren und die Ergebnisse sowie Erfahrungen in Seminargruppen und auch mit mir zu diskutieren. Entsprechend versuche ich Seminar für Seminar auch immer wieder einige neue Aspekte – auch wenn dies bedeutet, dass ich mich selbst immer wieder mal unsicher fühle und beispielsweise bis zum letzten Wintersemester nicht wusste, ob und wie KI-Klausuren funktionieren. Doch bisher war das Interesse und waren die Rückmeldungen der Studierenden immer wieder sehr positiv – denn wenn ein Seminar zu Berufs- und Medienethik in den Kommunikationswissenschaften nicht auch neue Wege ausprobieren dürfte, wer dann?

Habe die Herausforderungen mal so formuliert:

Demokratie braucht Zeit, die sie kaum mehr findet.

Dialogischer Monismus gedeiht nur in der Weite der Zeit.

Egozentrischer Relativismus leugnet die Relevanz von Zeit.

Feindseliger Dualismus wird von der Enge der Zeit befeuert.

Wenn Sie wollen, hier der Einführungsvortrag. Aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen bin nur ich zu sehen, aber der Saal war voll. 🙂 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

35 Kommentare

  1. Ein starkes Beispiel für parteipolitische Polarisierung auch im Fediversum brachte gestern Abend der geschätzte https://sueden.social/@sixtus@mastodon.social , laut Profil-Selbstangabe “Filmemacher, Drehbuchautor” mit einem öffentlich gestellten Mastodon-Post vom 05. Januar 2025, 20:27 Uhr.

    https://sueden.social/@sixtus@mastodon.social/113777392376914215

    Der Post bezog sich auf eine aktuelle Wahlumfrage und zielte darauf, das eigene Parteimilieu zu mobilisieren, alle mitbewerbenden Parteien dagegen abzuwerten. Der volle Text:

    32,2% wollen nur ihre Privilegien verteidigen.
    18,9% sind Faschisten.
    15,9% wissen nicht, was sie wollen, außer irgendwie mitzuregieren.
    13% wollen als einzige wirklich verhindern, dass uns die Zukunft um die Ohren fliegt.
    5,3% sind gegen alles, außer Putin.

    We are fucked!

    In der per Screenshot angezeigten Umfrage erreichten CDU/CSU als Union 32,2%, die AfD 18,9%, die SPD 15,9%, die Grünen 13,0%, das BSW 5,3%, die FDP 3,7% und die Linke 3,4%.

    Aus meiner Sicht sind solche rhetorischen Argumentationen zumal im Wahlkampf zwar selbstverständlich erlaubt, aber inhaltlich problematisch, weil thymotisch: Sie zielen auf die Emotionalisierung des je eigenen Milieus. Damit tragen sie zur Mobilisierung der Wählerschaft und den ja tatsächlich steigenden Wahlbeteiligungen bei, untergraben aber das dialogische Vertrauen und die Koalitionsbereitschaft zwischen den demokratischen Parteien.

    Wie schnell solche Zuspitzungen dann auch weitergehen, unterstreicht eine Antwort darauf vom 06. Januar 2025, 9:15 Uhr. Dort heißt es:

    @Gegenwind @sixtus und heute spricht sich Habeck dafür aus Syrer ohne Arbeit abzuschieben.

    Ich hasse alles an dieser extremen Mitte.

    https://sueden.social/@tommy@fediver.de/113780413398851531

    Mich besorgt als Demokrat, Religions- und Politikwissenschaftler diese digitale Rhetorik auch deshalb, weil doch gerade erst die deutsche Ampel-Bundesregierung auseinanderfiel und auch in Österreich die Koalitionsverhandlungen zwischen den demokratischen Parteien zusammengebrochen sind, dort nun ein rechtsdualistischer FPÖ-“Volkskanzler” droht. Wo sich Parteimilieus zu voneinander abgeschotteten und auch gegenüber ihren eigenen Spitzen verhärteten Glaubensgemeinschaften entwickeln, werden demokratische Dialoge und Koalitionen zunehmend erschwert. Leider scheint dies selbst im Fediversum noch nicht zu einer allgemeinen Besinnung auf die Tugenden von Dialog- und Koalitionsfähigkeit zwischen allen demokratischen Milieus geführt zu haben.

    Aus meiner hier berufs- und medienethischen Sicht sollten wir also alle raus aus den dualistischen Blame-Games & immer wieder üben, respektvoll für gemeinsame Ziele zu arbeiten.

    • Was die Besorgnis angeht, bin ich ganz bei Ihnen.

      Nur mir machen die 32,2 % Sorge!

      Was sind dagegen diese 13%?

      Auf die Gefahr hin, dualistisch geschimpft zu werden: Es ist Markus Söder, CSU, der jede Koalition mit den Grünen ablehnt. Seit Monaten! Der soweit geht, dass er mit den Grünen jeden Dialog ablehnt. Der ständig nur auf Robert Habeck verbal eindrischt.

      Arbeitet man so respektvoll für gemeinsame Ziele, wie den Erhalt der Demokratie?

      Jetzt mal ganz konkret gefragt: Wie kann ICH das ändern?

      Da ist doch der Rubikon längst überschritten.

      Und ja, Dialoge sind erschwert, vielleicht unmöglich – bereits heute.

      • Danke für Ihren konstruktiven Druko, @Marie H. 🙏

        Und, ja, ich habe auch das letztlich nicht nur gegen die Grünen, sondern auch gegen Friedrich Merz (CDU) gerichtete Poltern des bayerischen Ministerpräsidenten immer wieder kritisiert, auch heute morgen um 10:01 Uhr in der Debatte um den Sixtus-Post:

        @sixtus

        Ich muss @ralph da Recht geben. Gerade erst ist in Deutschland die #Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP zerbrochen, sind auch in Österreich Koalitionsverhandlungen zwischen demokratischen Parteien gescheitert – mit schlimmen Konsequenzen.

        Aus meiner Sicht sollten Demokratinnen und Demokraten von #Söder bis zu Dir also die parteipolitische Polarisierung nicht noch weiter treiben, sondern Dialog und Koalitionsfähigkeit verstärken.”

        https://sueden.social/@BlumeEvolution/113780593316813885

        Mir geht es nachweislich gerade nicht darum, dass der demokratische, monistische Dialog keine Kritik enthalten solle, sondern dass dabei ein Bewusstsein auch für die eigenen Schwächen und vor allem die gemeinsame Verantwortung erhalten bleibt. Es werden sich angesichts von Hunderten Gewählten immer auch schräge Stimmen finden, über die wir uns empören könnten – bis schließlich gar kein Diskurs mehr bleibt.

        Dem von mir sehr geschätzten Rabbi Jehoschua / griechisch Jesus wird dazu in Matthäus 7:3 folgende, über zweitausend Jahre alte Aussage zugeschrieben:

        “Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?”

        Wer dagegen in der je eigenen, digitalen Blase immer weiter thymotisiert und empörungssüchtig geworden ist, landet dann unter dem diskutierten Mastodon-Post bei öffentlichen Aussagen wie dieser hier – heute morgen, 10:03 Uhr:

        @sixtus 32,2% Faschisten Schwarz
        18,9% Faschisten blau.
        15,9% haben garkeinen plan.
        13% wollen als einzige wirklich verhindern, dass uns die Zukunft um die Ohren fliegt.
        5,3% Lila Faschisten

        Leider sind die Gelben Faschisten draussen”

        https://sueden.social/@moppi@chaos.social/113780603876649629

        Ich kann vor solchem Dualismus, der im Übrigen auch auf eine völlige Verzerrung der Geschichte und Verharmlosung des realen Faschismus hinausläuft, nur deutlich warnen. Hier klaffen medienethische Abgründe.

        • Danke für die ausführliche Antwort.

          Ich halte es grundsätzlich für falsch, die Union als Faschisten zu bezeichnen.

          Dem zitierten Post von Ihnen von heute morgen kann ich zustimmen.

          Viele überspitzte Formulierungen sind letztlich auf teilweise beängstigende Äußerungen von Politikern zurückzuführen. Als ein jüngstes Beispiel die Forderung eines Politikers, ein Register für psychisch kranke Menschen einzurichten, das dann den Ermittlungsbehörden zur Verfügung stehen soll. Das halte ich für brandgefährlich, diese Idee. Wer so etwas äußert, will provozieren.

          Dem Politiker, der sich im DLF entsprechend hat verlauten lassen, mögen Depressionen etc erspart bleiben.

          Christlich ist die Stigmatisierung kranker Menschen nicht.

          • Danke für unseren intensiven und dennoch respektvollen Dialog, @Marie H.!

            Wir befinden uns hier genau im Bereich der “digitalen Aufmerksamkeitsökonomie” – also der Frage, wem wir unsere Aufmerksamkeit schenken. In der gegenwärtigen Medienlandschaft stärken scharfe Forderungen die Bekanntheit, wogegen ruhigere und freundlichere Stimmen kaum gehört werden. Das gilt auch, aber nicht nur für die Politik – denken wir nur an manche Auswüchse des Unterhaltungsfernsehens wie das sog. “Dschungelcamp”.

            Wir leben in einem Wettbewerb um die Frage, wie tief wir bereit sind zu sinken, um mediale Bekanntheit zu erlangen.

            Zudem ist mir aufgefallen, dass sehr viele engagierte und auch meinerseits geschätzte Stimmen strittige Äußerungen anderer Demokratinnen und Demokraten hoch empört thematisiert haben, gegenüber antisemitischen Ausfällen des Medienmilliardärs Elon Musk aber öffentlich stumm geblieben sind. Aus meiner Sicht wäre es dagegen doch eher wichtig gewesen, die Äußerungen mächtiger Menschen kritisch einzuordnen. Wenn ich Leute darauf aufmerksam gemacht habe – zumal ich ja selbst früh und wiederholt entsprechende Posts von Herrn Musk kritisiert hatte -, so wurde mir dazu meist erklärt, man(n) wolle diesen Akteur “nicht durch Aufmerksamkeit aufwerten”.

            Und tatsächlich postete ein Mastodon-Account gestern zu den Kritiken von Herr Habeck & mir an dem Medienmilliardär, dessen Verschwörungsglauben ich für sehr relevant und gefährlich halte:

            @BlumeEvolution Man hätte ja den Mann vom andern Ufer des Atlantiks in seiner Bubble mit seiner Meinung versauern lassen können.

            Es ist nämlich genau nur das – eine Meinung.

            Erst der Echauffinismus der Scheinmoraltäter bedient das Narrativ, Herr Musk könnte Recht haben und die aktuelle Regierung unterdrücke Meinungen.

            Aber es muss ja mittlerweile jedes Stöckchen übersprungen werden.

            Es ist Walkrampf.

            https://sueden.social/@Pco@troet.cafe/113774632111716126

            Ich verstehe das so, dass zum politischen Spiel der Bundesrepublik die gegenseitige Aufmerksamkeit und mediale Empörung gehört, insbesondere in Wahlkämpfen. Jeder und jede sei in der Verantwortung zu überlegen, welche Äußerungen durch Kritik eben auch aufgewertet würden. Demnach hätte ich also Herrn Musk keine oder zumindest nicht so viel “Aufmerksamkeit schenken” sollen.

            Ich fürchte jedoch, dass diese verständliche Emotionalisierung von Politik durch die Digitalisierung in einen Dauer-Rausch eskaliert und immer mehr Menschen ernsthaft glauben, sie würden von politisch Andersdenkenden bedroht und verfolgt. Ich kenne Carsten Linnemann als Demokrat & als Christ persönlich und habe ihm auch schon ein Buchkapitel für einen Sammelband geschrieben. Mir scheint, dass er die rhetorische Zuspitzung als eine Aufgabe seines Amtes als CDU-Generalsekretär betrachtet. Wenn ich einmal die Gelegenheit habe, so möchte ich ihn gerne vertraulich auf die Wirkungen ansprechen, die solche Zuspitzungen in Zeiten digitaler Erregung eben auch auslösen.

            Er könnte und würde mir wahrscheinlich antworten, dass meine freundlichen und dialogischen Ausführungen zu den verschiedensten Themen doch kaum schnelle Reichweite erzeugten. Und das müsste ich dann wohl einräumen. Dem von mir auch als CDU-Generalsekretär wegen seiner Fairness und Sachkunde geschätzten Ruprecht Polenz – ebenso wie ich inzwischen Mitglied der KlimaUnion – wurde seinerzeit vorgeworfen, “viel zu nett” zu sein und damit “nicht durchzudringen.”

            In einem Interview zur Energiewende habe ich die erheblichen und konfrontativen Zwänge des derzeitigen Politikbetriebes im Spannungsverhältnis zur wissenschaftlichen Erkenntnis auch sehr offen benannt:

            “Hätte ich ein Amt, in dem ich mich alle paar Jahre öffentlichen Wahlen stellen müsste, hätten möglicherweise Vertreter der fossilen Wirtschaft ihren Einfluss geltend gemacht, um mir Hürden in den Weg zu stellen. Aber ich habe eben auch einen wissenschaftlichen Auftrag und soll qua Amt erklären: Was können wir gegen Antisemitismus tun?”

            https://energiewinde.orsted.de/koepfe-der-energiewende/michael-blume-antisemitismus-ressourcenfluch-oel-gas-konflikte-interview

            Das zunehmend digitalisierte Mediensystem, an dem wir alle mitwirken, belohnt und verlangt derzeit mehr Polarisierung, als sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes seinerzeit gewünscht haben. Ich hoffe, dass sich diese Sorge langsam herumspricht – auch ganz ohne schrille Töne.

  2. Man kann über die plakativen Formulierungen des Herrn Sixtus streiten. In der Tat sind solche Zuspitzungen einer gesitteten Debatte wahrscheinlich nicht unbedingt zuträglich.

    Wenn wir allerdings die Ebene des “wie” der Kommunikation verlassen und uns den Beitrag inhaltlich (das “was”) betrachten, kann ich darin bei aller Verkürzung nichts Falsches sehen. Oder? Wo ist der Fehler?

    Bei allem wichtigen Fokus auf Debattenkultur muss es doch auch möglich sein, einmal über Inhalte und Postionen zu sprechen.

    Wenn das nicht mehr geht, haben wir tatsächlich eine Situation, in der ein Luigi Mangione mehr zu nötigen Veränderungen beiträgt als 20 Jahre politischer Diskurs. Ich glaube nicht, dass wir als Demokrat*innen das wollen.

  3. Mit dem Begriff “Aufmerksamkeitsökonomie” allein lässt sich unsere Zeitenwende nicht erklären.
    Wir leben in einer überalterten Gesellschaft, das ist schon mal ein Plus ! (aus dieser Sicht)
    Und zweitens , so schnell wie die Medienstars von der Bühne verschwinden, genauso schnell wechseln die Meinungen und verschwinden auch wieder.

    Und drittens, die gegenwärtigen Verunsicherungen sind nicht nur den Medien geschuldet, sie beruhen auf strukturellen Schwachstellen in unserer demokratischen Verfassung.
    Es ist nicht mehr hinnehmbar, dass ein “Philosoph” Wirtschaftsminister werden kann. Und das bezieht sich auf alle Funktionsstellen in der Politik.
    Minister sein, darf nicht nur Status sein, sondern solche Posten müssen mit qualifizierten Personen besetzt werden.

    Und dann…….passieren solche Koalitionsbrüche seltener.
    Ein Flugzeug vertraut man auch keinem Politiker an, der vielleicht vorher nur Bäcker war.

    Fazit: Man kann dem “sonst verlieren wir” nur mit Sachlichkeit begegnen, indem die Institution selbst sich eine Struktur verordnen, die auf wissenschaftlich überprüfbaren Kriterien beruht.
    Das Ganze könnte man auch mit modernisierter Politikkultur bezeichnen.

    • Vielen Dank für Ihren Druko, @N 🙏

      Zunächst einfach nur der Hinweis, dass ich sehr bewusst nicht den politisch geprägten Begriff “Zeitenwende” verwende, sondern stärker wissenschaftlich orientiert auch im obigen Einführungsvortrag vom “Zeitenumbruch” spreche und schreibe.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/es-ist-die-zukunftsangst-stupid-die-zeitenumbruch-these-zur-wiederwahl-von-donald-trump-usa/

      Zu Ihrem offensichtlich gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gerichteten Vorwurf, seine Qualifikation als “Philosoph” sei “nicht mehr hinnehmbar” hatte er selbst ja im aktuellen SPIEGEL 2 / 04.01.2025, S. 10 und 11 wie folgt Stellung genommen:

      “Ich bin jetzt im zehnten Jahr Minister, ich war in Schleswig-Holstein für Energie- und Landwirtschaft zuständig. Ich bin seit Langem damit beschäftigt, gute Rahmenbedingungen für Märkte zu bauen, dafür zu sorgen, dass sich Firmen für die Zukunft aufstellen können. Richtig ist, dass ich als Autor freiberuflich tätig war, was übrigens ein wunderbarer Beruf ist. Richtig ist auch, dass ich deutsche Philosophen gelesen und darüber gearbeitet habe. Seltsam, dass man sich im Land der Dichter und Denker dafür rechtfertigen muss.”

      Nun gehöre ich selbst einer anderen demokratischen Partei als Herr Habeck an, die sich derzeit in der Opposition gegen die noch amtierende Bundesregierung einschließlich des Vizekanzlers befindet. Dennoch scheint mir sein Argument valide zu sein: Unser Grundgesetz knüpft die Wählbarkeit von Politikerinnen und Politikern bewusst nicht an bestimmte Qualifikationen (wie etwa ein Studium der Politikwissenschaft), sondern lässt uns als Wählerinnen und Wähler über die verschiedenen Parteien und Personalangebote entscheiden. So bin ich beispielsweise der ganz persönlichen Auffassung, dass die promovierte Physikerin Angela Merkel als Bundeskanzlerin einen insgesamt guten Job gemacht hat, zumal sie in ihrer aktuellen Autobiografie “Freiheit. Erinnerungen 1954 – 2021” – mit Beate Baumann – auch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten und Fehlern einräumt.

      Zudem möchte ich darauf hinweisen, dass während der Covid19-Pandemie die demokratische Politik nicht nur in Deutschland mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, die Stellungnahmen von Virologen wie Christian Drosten (Deutschland) oder Anthony Fauci (USA) zu stark (!) gewichtet zu haben. Daher habe ich Prof. Drosten auch bewusst gegen antisemitische Verschwörungsmythen verteidigt und meinen juristischen Zwischenerfolg beim LG Frankfurt dem schon damals von Elon Musk bedrohten Dr. Fauci gewidmet. Ich begründete dies am 16. Dezember 2022 hier auf dem Blog wie folgt:

      “Bewusst habe ich diesen daher auch meinem Kollegen als Wissenschaftler und Staatsbeamter Dr. Anthony Fauci gewimdet, der gerade von Elon Musk via Tweet getrollt worden war. Dass die Vereinigten Staaten von America noch immer keinen effektiven Rechtsschutz für wissenschaftlich und demokratisch Engagierte – auch nicht etwa für Wahlhelfer:innen – hinbekommen haben, trägt nach meiner Auffassung sehr zur bedrohlichen Destabilisierung der US-Demokratie bei.”

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/erfolg-gegen-twitter-und-antideutsche-fuer-europa-und-anthony-fauci/

      Bei der Wertschätzung von fachlicher Expertise bin ich also – auch als selbst promovierter und lehrender Wissenschaftler – ganz bei Ihnen! Allerdings bestehen Dialog und Demokratie gerade auch aus dem Verbinden unterschiedlichster und auch interdisziplinärer Perspektiven und eine Pandemie hat beispielsweise sowohl virologische wie ökonomische und psychologische Aspekte. Deswegen finde ich es richtig, dass die freiheitliche Demokratie die Einschätzung von Kandidierenden einschließlich ihrer fachlichen Qualifikation der informierten Öffentlichkeit und schließlich den Wählerinnen und Wählern überlässt. Falls Sie ein anderes Wahl- oder Berufungssystem vor Augen hätten, würden mich Ausführungen dazu aber durchaus interessieren!

  4. “Falls Sie ein anderes Wahl- oder Berufungssystem vor Augen hätten, würden mich Ausführungen dazu aber durchaus interessieren!”

    Gut , jetzt sind wir bei einer grundsätzlichen Überlegung, der der Eignung.
    Eine brauchbare Lösung bietet Frankreich an, die Teilung der Executive in Präsident und Ministerpräsident.
    Der Präsident steht für die weltanschauliche auch politische Ausrichtung.
    Der Ministerpräsident, der macht die Tagesarbeit und der tritt zurück, wenn die Tagespolitik aus den Fugen gerät.

    In den USA vereinigt der Präsident alle Macht und deshalb wird es gefährlich , wenn die Kontrollgremien Senat und Repräsentantenhaus von einer Partei dominiert werden.

    Für Deutschland wäre es überlegenswert, dem Präsidenten mehr Executivgewalt zu geben , ein Regierungswechsel würde dann nicht mehr von den Medien als Unfähigkeitsbeweis einer Partei oder eines Ministers hochstilisiert werden zu können..

    Ganz allgemein, bleiben Sie auf Kurs, mit Begriffen eine Rote Linie im Geschichtsablauf sichtbar zu machen, das ist Schwerarbeit.

  5. Es ist gar nicht so leicht, nach dieser sehr engagierten Debatte, auf andere Themen, die im Studienbrief angeregt werden, einzugehen.

    Ich möchte es trotzdem versuchen.

    Mich spricht die Erkenntnis an, dass Menschen durch den Zustrom vieler oft schlechter Nachrichten ihrer Psyche nichts Gutes tun – schon Ignatius, ein guter Kommunikator in einem wichtigen Umbruch vor 500 Jahren hat Menschen geraten: *Nicht das Vielwissen sättigt die Seele, sondern das Verkosten der Dinge von innen her*.
    Das ist für mich ein wichtiges Argument für eine persönliche Hygiene von dem, was ich aufnehme.

    Die allgemein wahrgenommene Beschleunigung braucht also persönliche Entscheidungen, die dazu führen, das diese Zeitwahrnehmung nicht das persönliche Leben bestimmt. Hier hat für mich Hartmut Rosa wegweisendes zu sagen mit seinem Hinweis auf Resonanz.

    Der Zugewinn, ein Stichwort im 3.letzten Abschnitt des Studienbriefes, kann ja nicht fortwährend materieller Natur sein – das wiederspricht der endlichen Erde. D.h. die materielle Endlichkeit ist auch hier etwas, das bedacht und produktiv gemacht werden will. Ein Psalmwort sagt es (in der Lutherübersetzung) so: Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

    Heute am Epiphaniastag lege ich auch einen Gedanken dazu, den ich der Predigt eines evang. Pfarrers verdanke. Er weist darauf hin, dass in der Kindheitserzählung bei Matthäus, also dem Bericht von den Weisen / Sterndeutern, die zum neugeborenen König der Juden, zu Jesus, kommen 2 Typen von Wissenschaftlern gegenüber gestellt werden.
    – Menschen, die staunen können, und durch ihre Erkenntnis sich verändern lassen
    – Menschen, die zwar das Richtige wissen, aber nicht ins Staunen kommen.

    Staunen wiederum ist gut beforscht – hier im Podcast von SWR-Wissen mehr dazu.
    Mich würde interessieren, wie andere die Perspektive auf die KI einschätzen:
    Kann eine KI staunen?

    Auf jeden Fall wünsche ich allen, die an diesem Kurs teilnehmen und dann auch forschen, also wissenschaftlich arbeiten, Erfahrungen des Staunens.

    • Vielen herzlichen Dank für den schönen und dialogischen Kommentar, @HG Unckell 🙏

      Und ich bin da in vielem sehr nahe, insbesondere über die Philosophie von Jeanne Hersch (1910 – 2000). Sie schrieb oft und tief zur Philosophie der Zeit und verfasste auch das noch immer lesenswerte “Das philosophische Staunen. Einblicke in die Geschichte des Denkens.”, Zürich 1981, München 1989.

      Zur Frage: “Kann eine KI staunen?” würde ich einschätzen, auf absehbare Zeit nicht. Staunen hat m.E. eine Empfindungsdimension und Empfindung emergiert nach meiner Auffassung aus der Integration körperlicher und geistiger Wahrnehmungen zu einem Bewusstseinsraum. So sehr ich KIen auch als Assistenzprogramme schätze, so sehe ich doch, dass sie bisher statistische Mittelwertberechnungen anbieten, viel Botshit produzieren und keine eigene Kreativität entfalten. Ich würde dennoch dringend vorschlagen, die Entwicklung und Anwendung von KIen nicht wenigen Oligarchen zu überlassen, sondern ein breites und möglichst dezentrales Angebot an spezialisierten Anwendungen auf Fediversum-Basis zu schaffen. Das ist nicht nur sicherer, sondern auch energiesparender und es verhindert sowohl die Machtkonzentration bei wenigen Eignern wie auch die unkontrollierbare Entwicklung sog. “Superintelligenzen”.

      Nochmal herzlichen Dank für den konstruktiven Druko und herzliche Einladung zum weiteren Dialog! 🙂

    • HG Unckell
      Danke für die Innenschau.
      “*Nicht das Vielwissen sättigt die Seele, sondern das Verkosten der Dinge von innen her*.
      Oder wie es ein israelischer Politiker einmal gesagt hat “empört Euch”
      Anmerkung: Wenn wir den Mut dazu behalten.

      Und jetzt kam etwas zum Staunen, “kann eine KI stauen”
      Meine Voraussage. KI hat die Form von Schwarmintelligenz. Wenn man einem Fisch das Hirn herausoperiert, dann setzt er sich an die Spitze eines Fischschwarmes……..und alle anderen Fische schwimmen hinterher.

      Und……was auch passieren wird…….eine KI, die von einem Medienmogul gekauft worden ist, die wird Wahrheiten aber auch Unwahrheiten verbreiten…….und wir werden nicht mehr wissen, was wahr ist und was falsch ist.
      Der Turm von Babel, diesmal digital.

  6. @Polarisierung

    Die parlamentarische Demokratie sollte doch eigentlich eine ganz unaufgeregte Interessenvertretung sein. Koalitionen und hin und wieder mal komplette Regierungswechsel sorgen doch gerade dafür, dass viele Interessen dann über die Jahrzehnte tatsächlich auch mal bedient werden.

    Die Idee mit den Bürgerräten, die aus zufällig ausgewählten Bürgern bestehen, könnte hier durchaus sehr unterstützend werden. Die Parlamente sind überwiegend von gut ausbildeten Besserverdienern besetzt, und werden zudem von Lobbyisten aus der ebenso exklusiven Wirtschaft belagert.

    Beides kann zu Politik führen, die an den wirklichen Interessen der Bürger vorbeigeht. Diese Bürgerräte könnten das zumindest teilweise ausgleichen.

    Was ich aber nur empfehlen kann, ist dass man Parteien wählt, die sich wirklich für die eigenen Interessen dann auch einsetzen. Andere mögen gerne andere Interessen haben, das ist einfach die Wirklichkeit. Da müssen wir uns letztlich zusammenraufen, und eben Kompromisse machen, die möglichst viele Interessen berücksichtigen.

    • Was ich aber nur empfehlen kann, ist dass man Parteien wählt, die sich wirklich für die eigenen Interessen dann auch einsetzen

      Dem kann ich nur bedingt zustimmen. Politisches Handeln sollte in erster Linie dem Gemeinwohl dienen und nicht reine Interessenvertretung sein. Daran sollten wir politisches Handeln messen.

      Dieses “wenn jeder sich um sich selber kümmert, ist für alle gesorgt” und die “unsichtbare Hand des Marktes regelt” führt ja eben nur dazu, dass diejenigen mit Medienmacht und Einfluss andere davon überzeugen, für sie zu sprechen.

      AfD, BSW und CDU spielen dieses Spiel meisterhaft.

      • @Mina

        Wer AfD, BSW und CDU (aber nicht die CSU?) in eine Reihe stellt und ihnen vorwirft, “dieses Spiel meisterhaft” zu spielen, demonstriert damit, von Demokratie, Dialog und “Gemeinwohl” keine nachvollziehbare Definition parat zu haben. Und da es hier ja gerade in einem insgesamt sehr sachlichen und dialogischen Ton um die Gefahren der digital befeuerten Polarisierung ging: Keine dieser drei genannten Parteien war Teil der letzten, selbsternannten und vorzeitig gescheiterten “Fortschrittskoalition”. Ich verstehe den Reiz darin, sich die Politik durch ein einfaches Freund-Feind-Schema erklärbar zu machen. Es passt nur einfach nicht und ist mithin auch unangemessen gegenüber den Hunderttausenden Christdemokratinnen und Christdemokraten etwa in der Kommunalpolitik, die sich oft seit Jahren und Jahrzehnten für das Gemeinwohl engagieren.

        Aber ich bin Dir sehr dankbar dafür, dass Du meine Warnungen gegenüber jeder Form des selbstgerechten Dualismus und auch linkem Historizismus eindrucksvoll bestätigt hast.

        Mit den besten Wünschen für einen schönen Abend! 🙂

  7. @Mina 06.01. 19:33

    „Politisches Handeln sollte in erster Linie dem Gemeinwohl dienen und nicht reine Interessenvertretung sein. Daran sollten wir politisches Handeln messen.“

    Unter meinen Interessen bezüglich meinen Wünschen an die Partei, die ich eventuell wähle, gehören offenbar auch meine ganz konkreten Vorstellungen von tatsächlichem Gemeinwohl.

    In der Tat wäre ein reiner Egoismus von Seiten des Wählers schlecht für das ganze Gemeinwesen. Von mir aus mag hier sogar eine konkrete Regierung durchaus mal sogar mehr Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen wie die eigenen Wähler.

    Damit werden sie dann bei der nächsten Wahl womöglich abgestraft, könnten allerdings auch wieder andere Wähler gewinnen. Von mir aus gehört auch das zu einer funktionierenden Demokratie.

    Jetzt würde ich aber eine tatsächliche Gewissensentscheidung der Regierung nicht mit weniger hilfreichem Lobbyeinfluss verwechseln.

    Wobei man beim Lobbyismus auch wieder gucken muss, der ist nicht immer destruktiv und illegitim. Das hier auch reguläre Verbände wie Haus und Grund oder der Mieterbund bei Gesetzesvorhaben rund um Mietverhältnisse angehört werden, ist ja nun überaus sinnvoll. Erst wenn z.B. derjenige bekommt was er will, der die meisten Parteispenden locker macht o.ä., wird es kriminell.

    Ein grundsätzlicher Faktor dürfte aber sein, dass die Parlamentarier größtenteils gut ausgebildete Besserverdiener sind, denen die Lebenswelt vieler nicht so privilegierter Menschen recht fern sein kann. Da verspreche ich mir viel von den Bürgerräten.

    • @Mina & @Tobias

      Nun habe ich in einer bemerkenswerten Auslegung der Moses-Exodus-Geschichte durch Rabbi Jonathan Sacks (1948 – 2020) folgende sehr bemerkenswerte Anmerkung zu Anführerschaft gefunden. In Englisch und mit deutscher Übersetzung:

      Leadership is a function of time. There is a famous dispute about Noah, whom the Torah describes as ‘perfect in his generations’. According to one view, had Noah lived in a more righteous age, he would have been greater still. According to another, he would have been merely one of many. The fact is that each generation yields the leadership appropriate to it. The Talmud (Sanhedrin 21b) says that Ezra was worthy of bringing the Torah to Israel, had Moses not preceded him. In another passage (Menachot 29b) it says that Moses himself asked God to give the Torah through Rabbi Akiva rather than himself. One can speculate endlessly about the might-have-beens of history, but we are each cast into the world at a time not of our choosing, and we have no choice but to live within its particular challenges and constraints. For that reason, we do not compare leaders – for there are no timeless standards by which to judge them. “Jerubaal in his generation was like Moses in his generation; Bedan in his generation was like Aaron in his generation; Jepthah in his generation was like Samuel in his generation.”

      In deutscher Übersetzung:

      Führung ist eine Funktion der Zeit. Es gibt einen berühmten Streit über Noah, den die Tora als “vollkommen in seinen Generationen” beschreibt. Einer Ansicht zufolge wäre Noah, wenn er in einem gerechteren Zeitalter gelebt hätte, noch größer gewesen. Einem anderen zufolge wäre er nur einer von vielen gewesen.

      Tatsache ist, dass jede Generation die ihr angemessene Führung abgibt. Der Talmud (Sanhedrin 21b) sagt, dass Esra würdig gewesen wäre, die Tora nach Israel zu bringen, wenn Moses ihm nicht vorausgegangen wäre. An einer anderen Stelle (Menachot 29b) heißt es, Moses selbst habe Gott gebeten, die Tora durch Rabbi Akiva und nicht durch sich selbst zu geben.

      Mensch kann endlos über die möglichen Ereignisse der Geschichte spekulieren, aber wir alle sind in die Welt geworfen, zu einer Zeit, die wir uns nicht ausgesucht haben, und wir haben keine andere Wahl, als innerhalb ihrer besonderen Herausforderungen und Zwänge zu leben. Aus diesem Grund setzen wir Führungskräfte nicht gleich – denn es gibt keine zeitlosen Maßstäbe, an denen man sie messen könnte. “Jerubaal in seiner Generation war wie Moses in seiner Generation; Bedan in seiner Generation war wie Aaron in seiner Generation; Jephtah in seiner Generation war wie Samuel in seiner Generation.”

      https://rabbisacks.org/covenant-conversation/chukat/why-was-moses-not-destined-to-enter-the-land/

      Die Geheimnisse der Zeit, auch hier…

  8. Hallo Herr Blume,

    haben Sie es schon gehört? Zuckerberg unterwirft sich Trump:
    ¨
    http://www.zeit.de/digital/2025-01/meta-facebook-instagram-threads-zuckerberg-mark-faktencheck-ende

    “”Wir werden zu unseren Wurzeln zurückkehren, Fehler reduzieren, unsere Regelwerke vereinfachen und die freie Meinungsäußerung auf unseren Plattformen wiederherstellen”, sagte Zuckerberg.”

    “Zudem sollen die Moderationsteams und die Teams um Vertrauen und Sicherheit von Kalifornien nach Texas verlagert werden, sagte Zuckerberg, um den Vorwurf von Befangenheit zu reduzieren.
    Und schließlich plane Meta, gemeinsam mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump, gegen Regierungen weltweit vorzugehen, “die amerikanische Unternehmen angreifen und darauf drängen, mehr zu zensieren” – auch in Europa.”

    Die Zeiten werden immer schlechter.

  9. @ Paul Stefan 07.01.2025, 19:15 Uhr

    Ich bin für die Meinungsfreiheit wie es sich Zuckerberg vorstellt. Hauptsächlich aus ökonomischen Gründen. Kontrollmechanismen sind einerseits sehr teuer und sollten andererseits auch juristische Angriffe abwehren können.

    Ich nehme an, diese sehr hohen Kosten haben ehemals Musk nach der Übernahme von Twitter gestört….

    Allenfalls sollte es reichen, wenn eine KI nach Beleidigungen oder Aufrufen zu Verbrechen scannt und diese Texte unterbindet.

    Andererseits sollten zusätzlich andere, neue Konkurrenzplattformen, angenommen „Facebook Fakt“ oder Facebook Objektiv“ die gleichen Rechte haben….

    So könnte sich der Bürger, für Dinge die ihn wirklich interessieren, objektiv und umfassend informieren….

    So wie ich mir gelegentlich Zeitungen kaufe, von denen zu erwarten ist, dass sie gleiche Sachverhalte völlig diametral beschreiben….

    • Danke für Ihren Druko, @Realo

      Von mir dazu nur die Anmerkung, dass jede Zeitung eine redaktionelle Verantwortung trägt und nicht einfach Geld mit dem Abdrucken von Beleidigungen, Verleumdungen und Drohungen verdienen kann.

      Wenn Sie die Auffassung vertreten, Digitalkonzerne dürften zwar Werbung in Milliardenhöhe erzielen, aber Moderationskosten sparen, dann verlagern Sie das Thema letztlich auf das Rechtssystem und die Steuerzahlenden: Schon jetzt finden Tausende Prozesse statt, oft durch mehrere Instanzen. Das kostet Abermillionen!

      Hier das Beispiel eines Verfahrens durch zwei Instanzen, in dem ich wegen eines Tweets verklagt wurde und nach enormen Kosten weitgehend Recht bekam:

      https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.urteil-in-mannheim-rechter-blog-scheitert-vor-gericht.d4eab64c-5502-4a8c-b27e-432858eb1dbe.html

      Im Fediversum – auf Mastodon oder auch auf Blogs wie diesem – erfolgt die Moderation dagegen ehrenamtlich und es kommt nur selten zu Ermittlungs- und Gerichtsverfahren. Auch deswegen wünsche ich mir für Europa 🇪🇺 ein starkes Fediversum anstelle einer Übermacht kommerzieller und oft antisozialer Medien.

  10. Another essential reason to switch to solar power could be the financial savings it gives. Solar panel systems are designed for generating electricity for businesses, reducing or eliminating the need for traditional sourced elements of energy. This might end in significant savings on energy bills, particularly in areas with a high energy costs. Furthermore, there are various government incentives and tax credits accessible to businesses that adopt solar technology, rendering it much more cost-effective and affordable.

    The technology behind solar power is simple and easy, yet highly effective. Solar power panels are made of photovoltaic (PV) cells, which convert sunlight into electricity. This electricity may then be stored in batteries or fed straight into the electrical grid, with respect to the specific system design. To be able to maximize the many benefits of solar technology, it is vital to design a custom system that is tailored to your particular energy needs and requirements. This may make sure that you have just the right components in position, including the appropriate number of solar energy panels while the right style of batteries, to increase your time efficiency and value savings.

  11. In der Stuttgarter Zeitung von heute, dem 20. Januar 2025, vermerkt Thomas Spang im Leitkommentar der Titelseite:

    Ein neuer Wind weht in Amerika

    […] Der deutschstämmige Investor und Trump-Förderer Peter Thiel hat richtig beobachtet, dass die Technologie-Eliten aus dem Silicon Valley die Banker von der Wall Street im Ringen um Einfluss auf die Regierung verdrängt haben. Dass einer, dessen Programm Ausgrenzen, Abschotten und Abreißen ist, jetzt Vorkämpfer der Cyberlibertären sein soll, mutet absurd an. […] TrumpS zweite Vereidigung könnte eine Zeitenwende markieren. Keine, die große Hoffnungen weckt – sondern eine neue Oligarchie etabliert.“

    Die digitale Aufmerksamkeitsökonomie pflügt die Politik um, macht aus Demokratien digitale Thymokratien und Oligarchien. Auch in den USA 🇺🇸…

  12. Der amerikanische Journalist Chris Hayes (u.a. MSNBC Host) hat zum Thema Aufmerksamkeit jetzt ein Buch geschrieben. “The Siren’s Call: How Attention Became The World’s Most Endangered Resource”.

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