Was ist Antisemitsmus und wie kann man ihn bekämpfen? Zum Strategiepapier des JFDA

Mit den digitalen Medien sind Verschwörungsglauben und Antisemitismus weltweit auf die politische Bühne zurückgekehrt – wie historisch auch bereits nach der Erfindung des Buchdrucks und nach der Einführung von Radio und Film. Populisten benutzen die “neuen Medien”, um Verschwörungsmythen anzugreifen und die liberalen Rechtsordnungen rassistisch und antisemitisch anzugreifen.

Erfreulicherweise ist es inzwischen der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken (IHRA) gelungen, eine Definition von Antisemitismus vorzulegen, die immer weitere Verbreitung findet und auch vom deutschen Bundestag angenommen wurde. Diese lautet:

„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die im Hass auf Juden Ausdruck finden kann. Rhetorische und physische Manifestationen von Antisemitismus richten sich gegen jüdische oder nicht-jüdische Individuen und/oder ihr Eigentum, gegen Institutionen jüdischer Gemeinden und religiöse Einrichtungen.“ Wie geschrieben und gesagt sehe ich die “bestimmte Wahrnehmung” im Kontext der Verschwörungsmythen: Während zum Beispiel Roma und Sinti, Muslimen oder Menschen dunkler Hautfarbe rassistisch zugeschrieben wird, qua Geburt kriminell oder weniger intelligent zu sein, so wird Jüdinnen und Juden vorgeworfen, Teil einer weltumspannenden “Systemverschwörung” zu sein. Deswegen glauben und behaupten Antisemiten allen Ernstes, sich gegen angebliche Verschwörung “nur zu verteidigen”. Die Bundesregierung erweitert diese Definition um den folgenden Satz: „Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“

Antisemitismus und “Israelkritik”

Bestimmt ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass es keinen Begriff der “Pakistankritik” (z.B. wegen des Konflikts um Kaschmir und der Verfolgung der Ahmadiyya) gibt, ebenso keine “Chinakritik” (z.B. wegen der brutalen Besetzungen Xinjangs oder Tibets), keine “Armenienkritik” (z.B. wegen der Besetzung von Berg Karabach) und schon gar keine “Russlandkritik” (z.B. wegen der Besetzung der Krim oder der brutalen Unterdrückung Tschetscheniens) – aber sehr wohl eine organisierte “Israelkritik”. Denn diese hat – wie ihre begrifflichen Pendants der “Kirchenkritik” und “Islamkritik” gerade nicht politische oder gar menschenrechtliche, sondern mythologische Gründe: Antisemiten können alle Arten von Kriegen und Besatzungen akzeptieren, nicht aber einen sicheren Staat Israel.

In Berlin konnte ich das Jüdische Forum für Demokratie und Antisemitismus e.V. (JFDA) besuchen und war beeindruckt von deren inhaltlicher und medialer Professionalität. So ist deren Berichterstattung etwa von antisemitischen Vorfällen und Demonstrationen oft von herausragender Qualität und auch auf ihrem YouTube-Kanal kostenfrei abonnierbar. Wer beispielsweise immer noch behauptet, Antisemitismus sei “nur” ein Problem von Altnazis und Muslimen, hat diesen Bericht von einer rechtsextremen Demonstration am Tag der deutschen Einheit 2018 in Berlin nicht gesehen…

Das Definitions- und Strategiepapier der JFDA vom Juli 2018 halte ich zudem für qualitativ herausragend und möchte es Interessierten hiermit gerne vorstellen sowie – wenn gewünscht – hier auch gerne diskutieren.

Das Strategiepapier der JFDA gegen Antisemitismus vom Juli 2018. Screenshot: Michael Blume, mit freundlicher Genehmigung

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

32 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Blume:

    Sie kritisieren auch de Begriff “Islamkritik”. Nur ist es eine Tatsache, daß es auch “liberale” Vertreter der “Islamkritik” wie Necla Kelek gibt. Dieser Frau kann man wohl kaum Rassismus vorwerfen.

    • @Rudi Knoth

      Ich würde grundsätzlich unterscheiden zwischen völlig legitimer, sachlicher Kritik an jeder Religion und jedem Staat und einer Form von „Kritik“, die auf die Konstruktion von Feindbildern abzielt. Kritik z.B. auch an konkreten zionistischen Positionen ist etwas anderes als „Antizionismus“, der die Existenz des Staates Israels negiert. Und Kritik an konkretem Verhalten von konkreten Muslimen ist etwas anderes als sog. „Islamkritik“, die Muslime pauschal unter Verdacht stellt. Übrigens ganz ebenso wie es der Antisemitismus gegenüber Jüdinnen und Juden tut. Ehrliche KritikerInnen wollen verbessern, Anti-Ideologen zielen dagegen auf völlige Ablehnung oder gar Zerstörung.

      Klar gilt „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“ sehr weit. Aber auch Kritik darf und muss kritisiert werden – insbesondere wenn sie Verschwörungsmythen enthält. Mit „Islam in der Krise“ habe ich ja auch selbst Kritik geübt und wiedergegeben, ohne zu verletzen und zu verallgemeinern. Das geht, wenn man sich anstrengt.

  2. Den Anfang des Papiers finde ich ja schon doof. 🙁 Die subjektive Befindlichkeit Betroffener als „wesentlichen Indikator für Lagebeurteilungen“ ernst nehmen, so weit kommt’s noch. Ich weitere mich, Menschen ernst zu nehmen, die sich vor einer Islamisierung des Abendlandes, Geburtenjihad und ähnlichen Unfug fürchten. Damit will ich nicht bestreiten, daß Antisemitismus im Islam ein Problem ist und insbesondere in Deutschland durch Erdogan zunimmt. Aber da brauchen wir schon objektive Daten für.

    • Sehe ich anders, @Alubehüteter: Ohne die Perspektive von Betroffenen lassen sich weder Rassismus noch Sexismus, Antiziganismus oder eben Antisemitismus erfassen. Auch wer beispielsweise wirklich erfassen will, wie pauschale Urteile über „die Sachsen“ oder gar „die Ossis“ wirken, muss dazu Betroffene anhören. „Hab Dich nicht so, Du bist nicht objektiv!“, verfehlt die zwingend auch soziale und emotionale Persektive bei allen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

  3. Um Himmels Willen, Herr Blume, ich bin doch nicht dafür, die Stimmen der Opfer wegzuignorieren! #Metoo und #Metwo waren, wie schon #Aufschrei, wirklich wichtige Debatten!

    Aber wenn wir uns verständigen wollen, was in unserer Gesellschaft wirklich los ist, wo was schiefzugehen droht, kann es nicht nur um subjektive Befindlichkeiten, gefühlte Wahrheiten gehen. Dann muß auch erhoben und ermittelt werden, wo da was dran ist, wenn Betroffene klagen und anklagen. Ich hatte vor einiger Zeit ein interessantes Gespräch mit einer AfD-Aktivistin aus Hagen, die sagt, Bevölkerungsaustausch, das erlebe sie schlicht in ihrem Stadtteil. Und da scheint wirklich vieles schiefzulaufen in dem Viertel. Aber deswegen mache ich doch ihre Wahrnehmung … Nicht einmal zum Maßstab meiner Wahrnehmung der AfD.

    • Nein, @Alubehüteter – aber wenn Sie die Resonanz einer Bewegung verstehen wollen, dürfen Sie über die Wahrnehmungen der Anhängerschaft auch nicht hinweggehen. Und genau das Gleiche gilt für Betroffene von Antisemitismus, Rassismus, Sexismus etc. Diese lassen sich nicht ohne die subjektiven Wahrnehmungen von Betroffenen verstehen.

      Der Schlüssel scheint m.E. im von Ihnen verwendete Begriff des „nur“ zu liegen: Selbstverständlich versteht sich kein soziales Phänomen „nur“ aus der Perspektive von Betroffenen, ohne diese aber auch nicht.

  4. Ich stimme Frau Hecht-Galinski zu: Kritik an einer Staatsführung des Landes Israel bedeutet nicht zwangsläufig Antisemitismus.

    • @donald mueller

      Wer hat denn wo behauptet, dass „Kritik an einer Staatsführung des Landes Israel zwangsläufig Antisemitismus bedeutet“? Auch das obige JFDA-Papier stellt vielmehr klar, dass Kritik an israelischer Politik nicht gleich Antisemitismus bedeutet…

  5. vollkommen unglaublich bleibt: wichtige und demokratiebefördernde diskussionen in Israel als antisemitisch zu befördern.

    Fast könnte man annehmen im Staate Israel habe sich eine Theokratie etabliert.

  6. “…und schon gar keine “Russlandkritik”

    Ja und “Antirussismus” gibt es ja auch nicht. Die Russen können wirklich froh sein, dass sie niemand kritisiert oder hasst wie Israel.

    • @Peter Müller

      Nun, die Ihrerseits verehrte, russische Regierung tut derzeit ja einiges, um die verbleibende, freie Welt durch inzwischen gut dokumentierte Geheimdiensteinsätze gegen sich aufzubringen. Und sie missbraucht gezielt auch das Internet, um liberale Demokratien & Diskurse durch Polarisierungen zu schwächen:
      https://euvsdisinfo.eu/viral-manspreading-video-is-staged-kremlin-propaganda/

      Faszinierend bleibt dabei der Umstand, dass die meisten glühenden Putinisten, Erdoganisten etc. zwar gerne für ihre Idole digital werben, analog aber doch eher nicht nach Russland oder in die Türkei auswandern wollen…

  7. Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die im Hass auf Juden Ausdruck finden kann.

    Antisemitismus ist eine bestimmte und idR derbe Art von Rassismus und mehr ist aus Sicht des Schreibers dieser Zeilen nicht los.
    Eine günstige Rassismus-Definition findet sich hier :
    -> ‘Racism is usually defined as views, practices and actions reflecting the belief that humanity is divided into distinct biological groups called races and that members of a certain race share certain attributes which make that group as a whole less desirable, more desirable, inferior, or superior.’ (unterschiedliche Quellen sind hierzu im Web verfügbar, es war mal die Definition der e-sprachigen Wikipedia, bis die dann, aus Sicht des Schreibers dieser Zeilen, “verschlimmbessert” oder “verhunzt” worden ist)

    Es macht aus diesseitiger Sicht keinen Sinn den Antisemitismus aus dem Rassismus herauszulösen, derart, dass etwas Eigenständiges vorläge.
    “Israelkritik” lehnt der Schreiber dieser Zeilen als antizionistisch ab, merkt aber gerne an, dass sog. Antizionisten sich (oft glaubhaft) als Gegner von Nationalstaatlichkeit verstehen und ihre Kritik, auch die an Israel, nicht antisemitisch sein muss.
    In praxi sind sog. Antizionisten manchmal bis oft auch Antisemiten, korrekt.

    MFG + schöne KW 41!
    Dr. Webbaer

    • Fast, @Dr. Webbaer. Zwar ist Antisemitismus regelmäßig auch rassistisch – aber die Mythen über eine jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung sind singulär. Antiziganische und antinegride Rassismen vermitteln für gewöhnlich andere Mythen und Stereotype. Insofern stimme ich dem JFDA-Papier zu, dass sich Antisemitismus im Kontext von anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit bewegt und bekämpft werden muss, aber nicht einfach im Rassismusbegriff auflösen lässt. Gegenüber einer Journalistin der Stuttgarter Zeitung habe ich einmal entsprechend formuliert, Antisemitismus sei eben auch eine “Mißtrauenserklärung gegen die gesamte Gesellschaft”, also immer gegen Jüdinnen und Juden, aber zum Beispiel auch gegen Medien, Gerichte und demokratische Parteien, vgl.
      https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.michael-blume-kaempft-gegen-antisemitismus-der-geborene-brueckenbauer.76460bde-3a1e-485b-9cff-7d2daabe6440.html

  8. Ach, Herr Blume, was antirussische Propagandamärchen angeht, sind Sie aber wirklich ziemlich naiv. Ich glaube denen sehr, sehr wenig.

    Neulich noch schienen wir da endlich aber wirklich so was von Handfestes zu haben.
    Einfach bißchen abwarten stellt sich das auch nur wieder als wahrscheinlicher Propagandakram raus. (Heute Mittag gelesen, darum komme ich da drauf.) Aber vielleicht liefern sie da noch Beweise.

    Grundsätzlich gilt, was Putin sagt: Wenn meine Leute den Bundestag etwa gehackt hätten, dann hätte man sie nicht erwischt. Die Russen teilen sich mit den Chinesen den Ruf, von den Fähigkeiten her führend zu sein (weit abgeschlagen zwar von den Israelis; die Amerikaner hingegen sind nicht gut, werfen nur unheimlich viel Geld darauf. Die Deutschen sind weder gut, noch werfen sie Geld drauf; außerdem stehen die wirklich Guten in Deutschland für sowas aus ethischen Gründen nicht zur Verfügung.).

    Immer noch das größte Problem sehe ich darin, daß die russischen Geheimdienste ihre bezahlten Edward Snowdens tief im NSA sitzen haben werden. Da werden sie weitaus mehr Informationen bekommen, als sie selber abschnorcheln können – Alleine schon, weil sie selber nicht an die transatlantischen Überseekabel rankommen. (Putin sagte schon zuvor, was Snowden erst Jahre später bestätigte: Der NSA weiß alles. Alles. Und offensichtlich wußte das wiederum Putin.) Aber den Amerikanern ist wichtiger, diese Informationen selber zu haben, als es ihnen wichtig ist, diese Informationen vor den Russen zu schützen, indem sie sie gar nicht erst erheben. Daß die Russen wiederum Propaganda betreiben auf Facebook, RT, Sputnik … pffff. Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist auch in der Ukraine unterwegs (Klitschko). So ist das nun mal.

    Und das mit den warum ziehen die Erdoganisten und Putinfreunde nicht zurück in diese jeweiligen Länder, wenn es da so viel besser ist, wird ja spätestens dann ein schwaches Argument, wenn man die selbe Frage stellt an die Netanjahu-Fanboys. Der Lebensstandart hier ist nun mal trotz enorm türkischen Wachstums unter Erdogan immer noch ungleich höher als im Ursprungsland. Wo sich in Israel schon weitaus besser leben ließe. Aber Türken und Rußlanddeutsche wie Juden haben sich nun mal auf Dauer hierzulande eingerichtet, haben hier ihren Beruf, ihre Freunde, Nachbarn. (Wobei mir persönlich Türken bekannt sind, die, wenn es wieder hart auf hart kommen sollte, inzwischen bereit sind, in die Türkei zu fliegen und Erdogan-kritische Demonstranten zu verprügeln 🙁 )

    Und an Chinakritik bzgl. Tibet herrscht hierzulande auch kein Mangel. Gut, die Uiguren sind Muslime, die haben hier keine allzu große Lobby.

    An die Mitdiskutierenden: Das sind doch aber alles nur Nebengleise. Die am Kern, am JFDA-Papier vorbeigehen. Ja, es gibt Rußlandkritik; ja, es gibt Chinakritik. Und letztere durchaus weitaus aggressiver, als Herr Blume wahrnimmt (hier noch weitaus ausführlicher). Und selbstverständlich gibt es auch legitime Israelkritik.

    Aber so, wie es die Islamkritik von Herrn Blume gibt auf der einen, eine “Islamkritik” eines Stürzenbecher oder gar Mannheimer auf der anderen Seite, die eigentlich schon Islamfeindlichkeit bis Islamhaß sind, so gibt es eben auch eine “Israelkritik”, die nicht selten im Letzten darauf zielt, die Juden wieder zurück ins Meer zu treiben.

    • Ja, @Alubehüteter – Sie haben ja schon an anderer Stelle Ihr Mißtrauen gegen die liberalen, demokratischen Institutionen und Ihren Hang zu Verschwörungsmythen ausgedrückt. Und aus dieser Perspektive sind westliche Demokraten, Wissenschaftlerinnen, Richter etc. selbstverständlich “naiv”, wogegen Sie exklusive Einblicke (“Gnosis”) in die Hinterwelten für sich beanspruchen und digital verbreiten können. Wollen Sie vielleicht nochmal ein wenig ausführen, wer Ihres Erachtens hinter den Anschlägen des 11. September 2001 steckt?

  9. Ja.

    Bevor Sie es mir auf’s Brot schmieren, Herr Blume: Habe ich völlig vermasselt. 🙁 😀

    Meine Kritik an der Rußlandkritik ist selbstverständlich eine an der Chinakritik. Denen unterstellt man auch ständig, sie würden uns ausspionieren, aber neuerdings schießt man sich ein mit den Gerüchten/Unterstellungen: Die Russen hacken uns softwareseitig, die Chinesen mit der von ihnen gefertigten Hardware.

    Beides Märchen. Das zentrale Problem ist der geheime im Intel-Chip verbaute proprietäre Code. Und der ist amerikanisch. Hatte ich einfach einen Dreher.

  10. “So weiß ich als gelernter Finanzassistent, dass Banken im Sparkassenverbund einen Grundversorgungsauftrag erfüllen und Kontenschließungen also engen, rechtlichen Vorgaben unterliegen. Wir leben – Gott sei Dank! – nicht in einem Staat, in dem ohne juristische Prüfung auf politische Aufforderung Sparkassenkonten geschlossen werden können.”
    Lieber Herr Blume, Sie scheinen doch nicht alles zu wissen. Mir hat die Commerzbank unerwartet und ohne Begründung mein Konto nach 30 Jahren Kontoführung gekündigt und ich habe von der Kündigung erst erfahren, als sie in der Jerusalem Post durch Benjamin Weinthal bekanntgegeben wurde. Es wäre schön und notwendig, wenn Sie sich hier betätigen würden und dafür sorgen, dass sowas nicht mehr passiert.

    • @Abraham Melzer

      Selbstverständlich weiß ich nicht alles – wer hätte das je behauptet? Ich bin allerdings (auch) gelernter Banker.

      Dass die Commerzbank Ihnen Ihr Konto einfach(er) kündigen konnte, liegt daran, dass diese Bank eine Privatbank ist. Bei der Landesbank Baden-Württemberg handelt es sich dagegen um eine Bank im Sparkassenverbund, die gesetzlich mit einer Grundversorgung beauftragt ist und also Kontraktionszwängen unterliegt: Das Nichteinrichten oder Kündigen von Konten müssen Sparkassen rechtlich sehr viel strenger begründen können. Ob Benjamin Weinthal dieses rechtliche Detail tatsächlich nicht verstanden hat oder gar nie verstehen wollte, entzieht sich meiner Kenntnis – auf jeden Fall hielt er sich für berechtigt, mir die rechtswidrige Formulierung nach der Kündigung eines konkreten Sparkassenkontos in den Mund zu legen. Und dann auch noch zu versuchen, mich bis ins Privatleben hinein einzuschüchtern. Und seine “besten Beleidigungen” habe ich dabei noch gar nicht veröffentlicht…

      Sie sehen also: Auch im Falle der Ihrerseits geschilderten Konto-Auseinandersetzung mit dem Europakorrespondenten der früher liberalen “Jerusalem Post” braucht es keine Behauptung einer zionistischen Superverschwörung, um den Vorgang rechtlich zu verstehen. Und jetzt wissen Sie auch gleich, warum es fast überall Kreissparkassen gibt, aber keine “Kreissparkasse Stuttgart”. Die Landesbank bzw. ihre Tochter BW-Bank erfüllt nämlich auch diese Funktion.

      Voila.

      PS: Ich finde nicht, dass Sie irgendjemand bis in Ihr Privatleben hinein angreifen sollte. Aber viele Ihrer Äußerungen halte auch ich für klar antisemitisch. Und kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit dem rassistischen Quatsch, “Semiten” könnten keine Antisemiten sein. Sem ist eine zentrale Gestalt der Mythologie, nicht der Biologie. Entsprechend schützen auch arabische oder jüdische Vorfahren niemanden vor der Gefahr, sich in antisemitischen Überzeugungen zu verlieren.

  11. Israelkritik ist tatsächlich nicht selten Judenkritik und einige Israelkritiker vergessen in der Aufregung plötzlich den Unterschied zwischen Israel und den Juden. So beispielsweise als jemand am Mittagstisch sagte, “Was die Juden in Gaza tun, ist schweinisch”, wobei der betreffende wohl sagen wollte, “Was die Israeli in Gaza tun, ist schweinisch”. Wobei der Betreffende wohl in beiden Fällen letztlich das Gleiche meinte.

  12. Entschuldigung, lieber Herr Blume, aber ich las Ihre vorletzte Antwort auf mich mit Lachen und Stirnrunzeln. Ist es möglich, daß Sie mich verwechseln?

    Zum 11. September habe ich lediglich festgestellt, daß a) mir das Thema zu groß ist und b) die amerikanische Regierung versucht hat, einen unabhängigen Untersuchungsausschuß zu verhindern und ihn, nachdem ihn die Angehörigen der Opfer dann doch durchgesetzt hatten, mit absolut lächerlichen finanziellen und sonstigen Ressourcen ausgestattet haben. Offensichtlich haben sie eine Menge zu verbergen. Was auch immer. Es bräuchte jahrelange semiprofessionelle Recherchen eines Einzelnen.

    Ja. Ich habe ein faible für Verschwörungstheorien. Aber, wie Sie meinem Nick entnehmen können sollten, dabei kein gläubiges, sondern durchaus selbstironisches. Ich bemerke immer wieder, daß Dinge so nicht stimmen können, wie sie uns berichtet werden. Manchmal klärt sich das dann doch. Manchmal aber mehren sich die Hinweise, daß dann wirklich was nicht stimmt. Das ist dann aber noch nicht Teil einer Superverschwörung.

    Mich irritiert z.B. ganz simpel, wie die Medien die Bremer BAMF-Affäre herunterspielen zu “Hm. Da war wohl doch nichts”. Für mich bleibt immer noch offen: Ganze Busse voller Flüchtlinge nicht nur aus der Nachbarschaft aus Oldenburg, sondern aus Nordrhein-Westfalen sollen dort vorgefahren sein, und: Mehrere Flüchtlinge haben verschiedenen Medien berichtet, jahrelang hätten sie einen nieendenwollenden Kampf geführt um immer nur befristete Aufenthaltsverlängerungen, und dann hätten sie den richtigen Anwalt 1000 Euro gegeben, und alles war in Ordnung. Da steckt ja aber keine Superverschwörung des CIA / der Zionisten / Freimaurer hinter. Da wird gedeckelt, wie das BAMF über Jahre unbeobachtet vor sich hat hinschlampen können.

    Wir hatten hier das Thema Silvester Köln 2015/16. Da hatte ich (mit Links) zu festgestellt: a) ging es nicht nur um unsere Frauen, sondern auch um unsere Religion; schon der Gottesdienst am Frühabend war unter Silvesterraketenbeschuß genommen worden; b) wird uns das Selbe für diesen Abend berichtet aus Nürnberg und in Ansätzen auch aus Hamburg; c) hat sich dergleichen nicht wiederholt, nicht zu Karneval, nicht zum darauf folgenden Silvester, obwohl uns die Kölner Polizei uns anderes vorgelogen hat (was sie später zurücknehmen mußte). Und dann mache ich einen Punkt. Wer da hinter steckt? Was weiß ich? Verfüge ich über gnostisches Geheimwissen, Ihnen unzugängliche Geheimdienstakten, Freimaurerprotokolle? Ich habe keine Ahnung. Frau Lopez erinnerte daran, daß das die Handschrift trägt der Vorgänge in Kairo, mithin der Muslimbruderschaft; fand ich sehr hilfreich, macht ja aber noch keine Evidenz.

    Berlin Breitscheidplatz. Das stimmt hinten und vorne nicht. Zu meiner eigenen Verblüffung gibt es nicht einmal Beweise dafür, daß Anis Amri in der Fahrerkabine des LKWs gesessen hat (was ich nämlich angenommen hätte). Und hier gibt es eine ganze Reihe von Hinweisen, die nach einem Tiefenstaat in den deutschen Geheimdiensten riechen, die an Gladio erinnern, an Stay Behind.

    Also. Drei mal ein “da stimmt was nicht”. Beim ersten Mal sehe ich nur ein Deckeln von Behördenversagen; beim zweiten Mal liegt für mich offensichtlich eine Verschwörung vor, habe aber keinerlei Hinweis auf die Hintermänner; beim dritten Mal meine ich sehr wohl, ausmachen zu können, in welche Richtung man da zu suchen anfangen müsste (und da ist es immer noch nicht der CIA, wie Hans-Christian Ströbele mit guten Gründen vermutet, die aber ebenfalls noch keine Evidenz, nur Plausibilität ausmachen, geschweige denn MossadCIABlutlinienReptiloide). Ich würde mich als Hobby-Verschwörungstheoretiker bezeichnen, aber nicht als Verschwörungsgläubiger.

    • @Alubehüteter

      Aufgrund welcher Intuitionen kommen Sie zu Ihren Einschätzungen zur Deutung der jeweiligen Ereignisse? Und welche Art von Belegen würde Sie denn überzeugen, dass der 11. September und Anis Amri wirklich entlang der offiziellen Version abliefen? 🤔

  13. Dieser Antisemitismus scheint mir doch zuerst aus dem arabischen Bereich zu kommen. Dort scheint es Staatsreligion zu sein: Die Juden ins Meeer treiben wollen…Da jetzt Millionen Migranten aus diesem Kulturkreis nach Deutschland strömen, scheint es mir logisch, dass diese -antisimitisch Erzogenen- ihre Vorstellungen von den Juden und Israel hier weiter leben. Die Juden sind wahrscheinlich für viele Araber das Feindbild schlechthin.Wer solche Ideologien verinnerlicht hat, wird sich auch nicht durch irgendwelche Integrationsversuche davon abbringen lassen. Alles anderezu denken wäre naiv….

  14. Meine Intuition ist anfänglich immer eine ganz einfache: Das ist merkwürdig. Das ist so nicht plausibel, wie sie uns berichten.

    Beispiel Chemnitz. Eine Gruppe junger Rußlanddeutscher, von denen bei einigen ermittelt wird, ob und wie sie verbandelt sind mit der örtlichen rechtsradikalen Fußball-Hooliganszene, soll nachts um drei abgehangen haben mit einem Farbigen, der sich auf Facebook der Antifa zurechnet? Das hätte ich mal gerne genauer erklärt, vor allem: Belegt. Intuitiv sollte man meinen, der war eher mit den Kurden zusammen und wäre dann von den Rußlanddeutschen erstochen worden.

    Beim Breitscheidplatz machte mich stutzig, daß der Täter überlebt hat und flüchtig war. Die Assoziation war ja: Nizza. Ein LKW brettert in eine Menschenmenge rein, bis zum Schluß; der Täter verschießt noch ein ganzes Magazin einer Pistole, fängt sich schließlich den finalen Rettungsschuß. Hier biegt der Truck schon vor der Hälfte der Strecke ab, statt möglichst viele Menschen zu töten, der Täter springt raus und flieht? Dann war das kein islamistisches Selbstmordattentat? Oder ein islamistisches Attentat neuen Stils, kommt da etwas Neues?

    Dann präsentierten sie uns als Täter einen Flüchtling aus Pakistan, wohnhaft Berlin-Tempelhof. Mich erinnert und kurz gegoogelt: Doch, das ist plausibel. So, wie Menschen dort in Massenhaltung stecken (Wort einer Flüchtlingshelferin), das ist tatsächlich kein islamistisches Attentat, das ist Lagerkoller. Wird uns kein AfDler glauben, aber ist so.

    Und dann aber kamen sie raus mit Anis Amri. Und das ist hinten und vorne nicht plausibel. Nach allem, was wir inzwischen über ihn wissen: Der hätte die Nummer durchgezogen bis zum Ende; zumindest, bis der Truck zwangsläufig zu Stehen kommt. Dann wäre frühestens der Moment der Besinnung, ob er wirklich bis zum Ende weitergehen und die Pistole leerschießen will. Und dann fällt einem immer mehr auf.

    Wer war denn eigentlich jetzt der zweite Fahrer?
    Der polnische Spediteur des Trucks berichtet, über GPS habe er verfolgt, wie der Truck am Zielort zu stehen kam; dann aber sei er auf dem Parkplatz auffällig, nämlich dilettantisch bewegt worden. Seitdem habe er versucht, seinen Fahrer fernmündlich zu erreichen.

    Der den Truck dilettantisch auf dem Parkplatz bewegt hat, ist aber nicht derselbe wie der, der ihn sehr präzise, ohne die erste Bretterbude auch nur zu schrammen, in den Weihnachtsmarkt eingefädelt hat. Das war ein Profi, einer, der das kann. (Bei der Gelegenheit, ich könnte das nicht. Will man nach links fahren, muß man so ein Monster ja erst einmal nach rechts einschlagen, um den Wendekreis zu vergrößern. Das muß man üben. Woher soll Amri das gekonnt haben?) Der polnische Trucker war es auch nicht, der war zu dem Zeitpunkt schon vier Stunden tot.

    Welche Art von Belegen würde Sie denn überzeugen, dass der Fall Anis Amri wirklich entlang der offiziellen Version ablief?

    Interessante Frage, da vom Ende her. Utopisch: Ein Foto/Video frontal vom Truck am Weihnachtsmarkt, mit eindeutig Amri am Steuer. Mir ist klar, daß die Zeugen in die entgegengesetzte Richtung um ihr Leben gerannt sind.

    Aber genau so gut: Ein Selfie von Amri unmittelbar vor Fahrtantritt, gerne noch mit Textnachricht aus der Fahrerkabine. Wenn Sie das googeln, werden Sie auch aus seriösen Quellen erfahren, daß es das gibt. Wenn Sie das aber genauer googeln, dann werden Sie feststellen, daß das geschlampt ist: Was es gibt, das ist ein Foto vom Amaturenbrett in der Fahrzeugkabine, versandt mit einer Textnachricht von Amris Handy aus. Das Selfie hätte man veröffentlicht.

    Starkes Indiz, müßte ich mich mit zufrieden geben: Einen Beweis, daß Amri zur Tatzeit am Tatort war. Ein Handyvideo, eine Überwachungskamera. Gibt es nicht, trotz Aufruf der Polizei. Schon weniger starkes Indiz, aber immerhin: Ein Video von Amri in Tatortnähe. Das würde zwar noch nicht zwingend seine Täterschaft beweisen, sondern streng genommen nur seine Neugierde (Mitwisserschaft). Tatsächlich wurde vermeldet: Ein solches Video gäbe es, von Überwachungskameras am Berliner Bahnhof Zoo. Ist nie geliefert worden.

    Und dann diese Sachen, die keinen Sinn ergeben: Sein Handy und seine Papiere sind, voneinander getrennt (vor dem Truck, in der Fahrzeugkabine) gefunden worden. Eines kann ich zufällig verlieren. Wenn aber beides gefunden wird, dann will ich, daß es gefunden wird; daß meine Identität so schnell wie möglich bekannt wird; etwa im Falle eines Selbstmordattentäters. Das aber ergibt keinen Sinn bei einem, der vor hat, zu fliehen.

    Lutz Bachmanns Glaskugel: Bachmann hat noch vor der Berliner Polizei gewußt, daß man einen Tunesier suchen würde.

    Amri war dabei, hätte es vermutlich gerne selber gemacht. Aber er war es nicht.

    Inzwischen ist auch die Vorschau-Funktion kaputt.

  15. Zu Amri zwei Dinge noch zu Protokoll:

    Zum einem stand er unter höheren Schutz. Wir hatten ja schon diskutiert bei Richard Gutjahr, ab wie vielen Zufällen man doch von einer möglichen, gar mutmaßlichen Verschwörung sprechen darf. Daß eine Staatsanwaltschaft eine notwendige Festnahme, u.U. auch durch Kommunikationsprobleme mit der Polizei verbosselt, mag passieren. Und wenn das bei zwei Staatsanwaltschaften passiert? Hm … wenn es sich dabei bei den Staatsanwaltschaften NRW und Berlin handelt … auch. Aber auch die Staatsanwaltschaft in Baden-Würtemberg hatte sowohl mehrere gefälschte Ausweise bei Amri als auch Drogen im erheblichen Umfang sichergestellt; Grund genug, ihn zumindest in U-Haft zu nehmen.

    Geradezu bizarr aber ist die Geschichte des Tunesiers Bilal B. (oder welche seiner Identitäten man als die wahre nimmt), einem islamistischen Gefährder, gegen den auch schon ermittelt worden war; einem Freund Anis Amris, der noch am Tag vor dem Attentat ausgiebig mit diesem essen war, der noch am Tag des Attentats elektronisch mit ihm Nachrichten tauschte. Gegen ihn wurde nun ermittelt wegen möglicher Mitwisserschaft oder gar Beihilfe, was sich aber zuerst nicht zu bewahrheiten schien. Egal; da er unter mindestens drei verschiedenen Identitäten drei mal Sozialhilfe kassierte, hat man ihn erst mal einkassiert. Dann stellt sich heraus: Auf seinem Smartphone sind Bilder, mit diesem geschossen, von April 2015: Fotos vom Breitscheidtplatz. Und zwar nicht etwa die Sehenswürdigkeiten (Gedächniskirche!), sondern die Zu- und Abfahrten, Poller etc. Was würden Sie, Herr Blume, mit so einem machen? Genau. Und was glauben Sie, was man mit ihm gemacht hat? Ach was, das glauben Sie mir ohnehin nicht.

    Eine Blitzabschiebung hat man ihm verpaßt, nach Tunesien. Aufenthaltsort unbekannt.

  16. Das wird ja zu einer Amri-Truther-Geschichte hier, spannend! 🙂

    Hätten Sie für Ihre Ausführungen ggf. auch überprüfbare Quellenangaben? 😏

    Da haben Sie mich auf dem falschen Fuß erwischt; Sie haben sich noch nie für meine Quellen interessiert 😉 Da mußte ich mich erst einmal wieder hineinfuchsen. (Interessant, wie man nach über einem halben Jahr dann doch viele Dinge anders sieht. Mit Lutz Bachmanns Kristallkugel habe ich z.B. inzwischen kein Problem mehr, nach allem, was man inzwischen weiß.) Ich zitiere im Folgenden nicht nach wissenschaftlichen Standarts.

    (I/IV)
    Daß es zwei Fahrer gegeben haben muß, wußte man schon sehr früh von den polnischen Spediteuren, die in viele Kameras berichteten. Ich folge hier der ZEIT:

    Drei Tage ist Lukasz U. mit der Ladung Stahl von Turin nach Berlin unterwegs. Am Montagmorgen gegen neun Uhr biegt er in das Friedrich-Krause-Ufer im Berliner Stadtteil Moabit ein, eine ruhige Straße am Nordhafen. Hier hat ThyssenKrupp eine Niederlassung. Lukasz U. will seine Ladung dort löschen und mit einer neuen Fuhre weiter nach Dänemark fahren. Doch die Mitarbeiter von ThyssenKrupp weisen ihn ab. Der Konzern wird später angeben, dass das Lager noch nicht bereit gewesen sei, um das Material aufzunehmen. Zudem habe die polnische Spedition die Ladung einen Tag zu früh geliefert. Der Transportleiter von Żurawski, Lukasz Wasik, bestätigt, dass ThyssenKrupp den Fahrer abgewiesen hat. “Man hat ihm gesagt, er solle am nächsten Tag kommen”, sagt Wasik.

    Lukasz U. steuert den Lastwagen vom Gelände von ThyssenKrupp herunter und parkt ihn unweit der Niederlassung. Danach hat die Firma offenbar nur noch Telefonkontakt zu ihrem Fahrer. Im polnischen Fernsehen wird der Chef der Spedition, Ariel Żurawski, später sagen, dass er bis gegen 15 oder 16 Uhr noch gewusst habe, was mit dem Lastwagen los sei. “Lukasz hat mir sogar ein Foto aus dem Döner-Laden geschickt, in dem er gegessen hat.” Danach bricht der Kontakt zu dem Mann im Truck vollständig ab.
    Was in diesen Nachmittagsstunden geschieht, ist bisher unklar. Die GPS-Daten der Spedition liefern jedoch Anhaltspunkte. Demnach versucht um 15.44 Uhr jemand, den Lkw zu starten. Von 16.32 Uhr bis 17.34 Uhr ist der Motor wieder in Betrieb. Danach wird der Lkw noch mehrmals gestartet und bewegt. “Es sieht so aus, als ob jemand versuchte, sich mit dem Fahrzeug vertraut zu machen. Ein erfahrener Fahrer macht es nicht. Auch nicht, um die Kabine zu wärmen. Dafür gibt es andere Systeme”, heißt es seitens der Spedition.

    Um 19.37 Uhr macht sich der Truck schließlich auf seine Fahrt ins Stadtzentrum. Eine Stichstraße nach Süden hinunter, vorbei an Fabrikgebäuden, vorbei am Berliner Tiergarten, über mehrspurige Straßen, durch dichten Verkehr. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Fahranfänger diese Strecke mit einem Sattelschlepper zurücklegen kann. Um 20.02 Uhr rast der Sattelschlepper schließlich in die Menschenmenge am Breitscheidplatz.

  17. (II/IV)

    Anis Amri wird gedeckt.
    Beispiel Baden-Würtemberg: Telepolis zitiert Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:

    “Am 30. Juli 2016 um 0.11 Uhr wies sich Amri bei einer Kontrolle durch Beamte der Bundespolizei im Rahmen einer Identitätsfeststellung mit einer italienischen ID-Karte aus. Das war in diesem Fernbus. Bei der fahndungsmäßigen Überprüfung der Ausweisnummer wurde durch eine Treffermeldung in der INPOL-Sachfahndung festgestellt, dass bereits am 13. Mai 2013 eine italienische ID-Karte mit identischer Ausweisnummer, jedoch anderen Personaldaten als Totalfälschung festgestellt wurde. Im Weiteren wurde bei der Durchsuchung des Amri eine weitere italienische ID-Karte gefunden. Beide Karten wiesen identische Ausweisnummern und identische Personaldaten aus. Ausgestellt waren sie auf Anis Amri, geboren am 22. Dezember 1995 in Rom. 

    Aufgrund des Antreffens des Amri am 30. Juli 2016 in Friedrichshafen wurden durch die Bundespolizeiinspektion Konstanz am 30. Juli 2016 mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet. Konkrete Vorwürfe waren: Urkundenfälschung, § 267 Absatz 1 StGB, Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen, § 276 Absatz 1 StGB, unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln, § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 BtMG, Verdacht des unerlaubten Aufenthaltes ohne Pass bzw. Passersatz, § 95 Absatz 1 Nummer 1 Aufenthaltsgesetz, Verdacht des unerlaubten Aufenthaltes ohne Aufenthaltstitel, § 95 Absatz 1 Nummer 2 Aufenthaltsgesetz. 

    Nach Abschluss der strafprozessualen Sofortmaßnahmen und Sachdarstellung bei der zuständigen Staatsanwaltschaft wurde der Gesamtvorgang zuständigkeitshalber dem Landespolizeirevier Friedrichshafen übergeben. Zudem wurden durch die Bundespolizei Erkenntnismitteilungen an das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Berlin gesteuert. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz wurde über die Festnahme des Amri unterrichtet. 

    Aus dem Aufgriff des Amri erwuchs ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Ravensburg, über dessen Inhalt grundsätzlich die Landesbehörden Auskunft erteilen müssen. Das Verfahren wurde am 7. September 2016 von der entsprechenden Landesbehörde dort gemäß § 154f StPO eingestellt.” 

    Dokumentenfälschung, Drogenhandel. Bis zu fünf Jahre Haft wären dringewesen. 6 Monate hätten sie ihn in Untersuchungshaft stecken können. Und sie lassen ihn mal wieder laufen. Wie in Berlin, wie in NRW.

    Hier kann definitiv nicht mehr von Panne die Rede sein, nicht von Versagen. Nicht in so vielen Bundeländern und Bundesbehörden. Hier hält jemand eine schützende Hand über Amri. Und Amri weiß das auch, so oft sie ihn wieder haben laufen lassen.

    Allgemein nimmt man an, daß er als abzuschöpfende Quelle zu wichtig sei. Er führt viele Telefonate zum IS Syrien.

  18. (III/IV)

    Der Kronzeuge/Mitbeschuldigte wird außer Landes verbracht.

    Wieder verweise ich auf Telepolis:

    Nach FOCUS-Recherchen wurde der Tunesier Bilal Ben Ammar in den frühen Morgenstunden des 1. Februar 2017 abgeschoben, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch Ermittlungen wegen Mordes gegen ihn liefen.

    Den Akten der Bundesanwaltschaft zufolge hatte Ben Ammar bereits im Februar 2016, also zehn Monate vor dem Anschlag, Bilder vom späteren Tatort Breitscheidplatz gemacht und dabei insbesondere Zufahrten fotografiert.

    In den Unterlagen der Ermittler heißt es wörtlich: „Bei den am 6. Februar 2016 gefertigten Bildern fällt auf, dass sie den späteren Anschlagsort zeigen und weniger auf Gebäude als auf die Straße und Begrenzungspoller gerichtet sind.“

    Ben Ammar traf nach Erkenntnissen der Polizei noch am Abend vor dem Anschlag Anis Amri in einem arabischen Lokal und telefonierte mit ihm gut fünf Stunden vor dem Anschlag.

    Seit der Abschiebung ist Ben Ammar in Tunesien abgetaucht. Sein Berliner Anwalt Ralf-Peter Fiedler sagte dem Magazin: „Ich habe keine Ahnung, wo er ist.“ Der Strafverteidiger weist darauf hin, dass sein Mandant drei Monate vor dem Anschlag in Berlin zu einer Bewährungsstrafe wegen Diebstahls verurteilt worden sei.

    Hier verweisen sie auf den FOCUS

  19. (IV/IV)

    Dies & das, Nützliches, Beifang

    Einblicke in Amris Persönlichkeit:

    Anis Amri stellte einer Flüchtlingshelferin nach 

    Sie wollte Anis Amri helfen, als sie sich Ende 2015 um ihn kümmerte: Um den Mann, der ein Jahr später, am 19. Dezember 2016, auf dem Breitscheidplatz zwölf Menschen tötete und etwa 70 weitere verletzte. Schon Monate vor dem Anschlag war auch die Frau im Fokus der Sicherheitsbehörden. Doch vernommen wurde sie nicht. Aus heutiger Sicht ein Versäumnis, sagen Sicherheitsexperten.

    Zwei Tage nach dem Anschlag ging die junge Frau aus eigenen Stücken zur Polizei und erzählte, was sie über den Terroristen wusste. Das Protokoll der Vernehmung, das der Berliner Zeitung vorliegt, gibt einen weiteren Einblick in das wirre Weltbild eines Anis Amri, der einer jungen Frau nachstellte.

    Amri war der TOP1-Gefährder, kein Leichtgewicht
    Mit keinem Ausländer hat sich das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) mehr befasst, als mit Anis Amri, der den Lkw-Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin 2016 begangen haben soll. Das sagte ein Mitglied des GTAZ als Zeugin vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin.

    Es gibt keine höhere Plattform des Sicherheitsapparates, als das GTAZ. Der spätere Attentäter war dort TOP 1. Nach der Chronologie der Bundesregierung war Amri insgesamt ein Dutzend Mal Thema in dem Sicherheitsforum, von Februar 2016 bis November 2016.

    Auf die Idee eines LKW-Attentats kam ein V-Mann des LKA NRW. Ohnehin schillernde Figur.

    Die meisten Gruppenmitglieder hätten nicht über Anschläge in Deutschland gesprochen, da sie nach Syrien zum Kämpfen ausreisen wollten. VP-01 habe mehrmals zu Mitgliedern der Gruppe gesagt: “Komm, du hast eh keinen Pass, mach hier was, mach einen Anschlag.” Die Vertrauensperson des LKA sei häufig mit Amri unterwegs gewesen und habe ihn in seine Unterkünfte gefahren. Bekannt war bisher nur, dass er Amri nach Berlin gefahren hatte.

    Man hat die gelöschten Daten von Amris Handy rekonstruiert. Und dem Rechercheverband NDR/WDR/Süddeutsche zugespielt. Georg Mascolo gibt das Ganze Gelegenheit, eine ganz große Erzählung auszurollen.

    Kürzer hier: Tagesschau

    und ausführlicher: Süddeutsche

    Wie das LKA Berlin die Beobachtung Amris sabotiert hat

    Laut Ermittlungsakten aus dem Sommer, die “Kontraste” vorliegen, wollte die Generalstaatsanwaltschaft Amri zweigleisig verfolgen: Amri sollte nicht nur wegen Terrorverdachts, sondern auch wegen bandenmäßigen Drogenhandels verfolgt werden. Ein Ermittlungsrichter beschloss die “längerfristige Observation” bis zum 21. Oktober 2016.

    Nach Recherchen von “Kontraste” stellte Berlins Polizei die Observation des Gefährders jedoch ein halbes Jahr vor dem Anschlag auf eigene Faust einfach ein.

    Der zuständige LKA-Mitarbeiter zerstreute jedoch den Verdacht des bandenmäßigen Drogenhandels. “Kontraste” liegt ein Dokument vom 20. Oktober 2016 vor, in dem der zuständige LKA-Mitarbeiter ausführt: “Im Rahmen der (…) durchgeführten Observationsmaßnahmen konnten keine Handelstätigkeiten des Amri festgestellt werden.” Doch anders als in diesem Vermerk behauptet, wurden gar keine Observationsmaßnahmen durchgeführt.

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