Was ich vom politischen Koordinatensystem Links – Mitte – Rechts halte

Aufgrund der Widerlegung der Hitler-war-Kommunist-Lüge wurde ich die vergangenen Tage wieder massiv gefragt, warum ich mich denn nicht als “Links” verstünde, ich sei doch “eigentlich nett”. Oder ob ich mich denn als “Rechts” einordnen würde, “obwohl ich doch Teil einer interkulturellen Familie sei”. Ob “Mitte” nicht nur “Wischi-Waschi” sei. Ob ich es “gleich schlimm” fände, dass auf X vor allem rechte Stimmen dominierten, auf Mastodon dagegen linke.

Und so weiter. Seufz.

Also: Ich verstehe die Notwendigkeit, politische Positionen auf ein simples, duales Schema zu vereinfachen. Das Problem ist nur: Das Links-Rechts-Schema entstand im 18. Jahrhundert und wird also immer unklarer – und damit dualistischer. Weil es immer schwerer wird, Links und Rechts inhaltlich zu füllen, wird die je eigene Position einfach als “gut” und “stimmig” gefühlt, was logischerweise die je andere Position zu “böse” und “widersinnig” verzerrt.

Wir haben es hier also mit dem Problem der Zeit und Begriffsarbeit zu tun – wir alle müssen etwa auch Verfassungsbegriffe wie “Pressefreiheit” immer wieder auf Medien aktualisieren, die nichts mehr mit Druckerpressen zu tun haben. Das gleiche Wort bedeutete im 18. Jahrhundert etwas Anderes als heute!

Dazu erlaube ich mir (ja, das ist wichtig!) auf die Zeit-Definitionen der Philosophin Jeanne Hersch (1910 – 2000) zu verweisen, die bereits 1972 erklärte (Hervorhebungen im Original):

“Die Vergangenheit ist der Raum, wo die Tatsachen sind.

Die Zukunft ist der Raum der Möglichkeiten, der Wahrscheinlichkeiten und der Folgen unserer Entscheidungen, nicht der Raum unserer Entscheidungen selbst.

Entscheidungen werden in der Gegenwart getroffen und nicht in der Zukunft.”

Das Cover des Sammelbandes "Erlebte Zeit. Menschsein im Hier und Jetzt" mit Texten von Jeanne Hersch. Es zeigt ein schmunzelnd-nachdenkliches Foto der Schweizer Philosophin.

Die zitierte Dreiteilung der Zeit stammte aus diesem Sammelband “Erlebte Zeit”, NZZ 2010, S. 56

Schon 1956 hatte die in der Schweiz und Paris wirkende Hersch in ihrem mehrfach übersetzten und aufgelegten Buch “Die Ideologien und die Wirklichkeit: Versuch einer politischen Orientierung” statt dem schon damals umstrittenen Links-Rechts-Schema fünf “Typische Ideologien – so, wie sie im Leben vorkommen” unterschieden: (1) Die faschistische Ideologie, (2) Die kommunistische Ideologie, (3) Die konservativ liberale Ideologie, (4) Die fortschrittlich demokratische Ideologie und (5) Die sozialistische Ideologie. Kritiker hielten ihr jedoch daraufhin vor, etwa die italienische, deutsche und niederländische Christdemokratie übersehen zu haben, die wiederum katholisch-soziale und evangelisch-freiheitliche Strömungen verband. Es war schon damals kompliziert. 

Also: Wir können historisch beschreiben, wie Links und Rechts zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten verstanden wurden (historische “Tatsachen”) und wie die Linken und Rechten sich jeweils die Zukunft vorstellten (“Raum der Möglichkeiten”). Aber unsere Verantwortung und Entscheidungen haben wir alle (!) in der Gegenwart zu treffen und sollten uns also nicht in einem feindseligen Dualismus verlieren.

Die Vergangenheit als Welt der Tatsachen

Historisch geht die Links-Rechts-Unterscheidung auf die Sitzordnung in der Französischen Nationalversammlung von 1788-89 zurück, in der sich Befürworter der Monarchie rechts vom Präsidium versammelten, Befürworter der Republik ohne König links. So war es dann auch noch in der Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848/49.

Im Zuge der fortschreitenden Säkularisierung, Ökonomisierung und Globalisierung wurde die Sitzordnung dann in Kontinentaleuropa nicht mehr an der Haltung zur Monarchie, sondern zur Wirtschaft gedeutet: Links Sozialisten, rechts Kapitalisten. In den älteren, angelsächsischen Parlamenten von Großbritannien, den USA und Kanada war diese Debatte jedoch schon gelaufen und wurde diese europäische Sitte also nur halb angenommen – hier setzten sich Befürworter einer stärkeren Besteuerung als “Liberals” links und einer schwächeren Besteuerung als “Conservatives” rechts.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wird nun auch im Deutschen vielfach mit Links = “progressiv” und Rechts = “konservativ” experimentiert.

Drei Reihen von stilisieren Parlamentarierinnen und Parlamentariern zu Zeiten des 18., 19. und 20. Jahrhunderts zeigen, dass sich das Verständnis von Links und Rechts seit 1789 immer wieder tiefgreifend verändert hat.

Wird das Links-Rechts-Schema aus dem 18. Jahrhundert dem 21. Jahrhundert noch gerecht? Symbolbild Michael Blume mit Leonardo.AI

2015 gelang dann Rabbi Jonathan Sacks (1948 – 2022) mit “Not in God’s Name. Confronting Religious Violence” ein interdisziplinärer Durchbruch, in dem er nachweisen konnte, dass alle (!) religiösen und auch politischen Strömungen unter der Gefahr des “pathologischen Dualismus” stehen: Durch einen übersteigerten Freund-Feind-Dualismus werden Rechte zu Rechtsextremistinnen und Linke zu Linksextremisten, aber auch Liberale zu Libertären und Religiöse zu Fundamentalistinnen.

Diese starke These habe ich vielfach überprüft und immer wieder bestätigt gefunden, sie half mir aus der damals noch gängigen “Hufeisen-These”. So konnte ich beispielsweise auch das selbst erlebte Umkippen liberaler Vereinigungen vom demokratischen Liberalismus zum demokratiefeindlichen (Rechts-)Libertarismus nachvollziehen. Ich spreche und schreibe jedoch zur Vermeidung der Pathologisierung lieber vom “feindseligen Dualismus”.

Das Buchcover von "Not in God's Name. Confronting Religious Violence" von Jonathan Sacks.

Leider noch immer nicht in deutscher Übersetzung vorliegend, aber religions- und politikwissenschaftlich unbedingt lesenswert: “Not in God’s Name. Confronting Religious Violence” von Oberrabbiner Jonathan Sacks, ab 2015.

Die Gegenwart als Welt der Verantwortung

Wir kommen damit zur heutigen Situation. Endlose Debatten sind geführt worden. Sind Mitweltschutz etwa des Waldes oder ist der Denkmalschutz etwa von Gebäuden nun konservativ = rechts oder progressiv = links? Sind ostdeutsche Punkbands wie “Feeling B” (Berlin) oder “AG Geige” (Chemnitz) auch als echte Punks anzuerkennen, obwohl sie nicht mit sog. Kapitalismuskritik im Kapitalismus reich wurden, sondern sich unter realen Gefahren gegen den real existierenden Sozialismus auflehnten? Wie steht es um Demografie und Familienpolitik? In Frankreich und Skandinavien galten diese als “progressive” Politikfelder, in Deutschland als “rechts”. Wie passt die erste und meinerseits sehr geschätzte WirtschaftsnobelpreisträgerIN Elinor Ostrom (1933 – 2012) mit “Jenseits von Markt und Staat” in das Links-Rechts-Schema?

Und, ganz aktuell, ist ein linkes Regime wie die fossile Diktatur in Venezuela plötzlich nicht mehr “links”, weil es eben nicht mehr “fortschrittlich” sei? Sind China, Nordkorea, Kuba, Südafrika nicht mehr links regiert?

Wer nur noch als “links” oder “rechts” anerkennt, was sich jeweils “richtig anfühlt” und für normativ “gut” gehalten wird, betreibt keine Wissenschaft mehr, sondern deren Verweigerung. Auf deutsch nennt sich dies Essentialisierung (die vermeintliche “Essenz” einer Position gegen jede Hinterfragung verteidigen) und auf Englisch den “No true Scotsman”-Fehler: So etwas tut ein echter Schotte nicht! Wenn er es doch tat, dann war er eben kein echter Schotte.

So gilt Hitler Rechten plötzlich als “links” und die chinesische KP Linken als “rechts”. Keine sinnvolle Debatte mehr möglich, Game Over.

Gerade “weil” die alten Begriffe immer unklarer werden, verlieren sich also immer mehr von uns in sog. Identitätspolitik. Rechte Leistungsverweigerer bestreiten sogar noch den Kindern von Eingebürgerten die Zugehörigkeit zum Staatsvolk. Linke Akademiker maßregeln Arbeiterinnen, wie diese zu sprechen haben. Liberale opfern Bürgerrechte für niedrige Steuersätze. Es herrscht Begriffsverwirrung. Selbst Wohlmeinenden gelingt es kaum noch, interdisziplinäre Wissenschaft und Solarpunk zu verstehen.

Daher nun also meine These:

Rechts, Liberal und Links bezeichnen heute eher psychologische Zustände als konkrete Inhalte

Nach meiner nun doch schon jahrelangen, internationalen und interkulturellen und immer wieder wissenschaftlich reflektierten Beobachtung verstärkt die Digitalisierung die Emotionalisierung (“Thymotisierung”) von Politik weiter, da nahezu alle politisch Engagierten mehrfach täglich spontan auf neue Informationen reagieren müssen. Die Orientierung dazu entstammt kaum mehr Parteiprogrammen oder gar dicken Ideologie-Büchern. Sie entstammt digitalen Blasen, in denen sich jeweilige psychologische Profile vernetzen und verstärken. Ihnen allen ist dabei noch gemeinsam das Zeitgefühl einer linear-säkularen Zeit, in der etwa Wirtschaftswachstum zu verteilen wäre.

So können wir m.E. positiv formulieren:

Demokratische Rechte wollen säkulare Traditionen bewahren, Liberale säkulare Freiheiten und demokratische Linke das säkulare Fortschrittsversprechen.

Aus der digitalen Gruppenpsychologie ergibt sich aber auch die schnellere Zuspitzung, bis etwa Kompromisse, Koalitionen und schließlich sogar Dialoge immer öfter misslingen:

Rechte drohen über psychologische Reaktanz, Liberale über Gier und Linke über selbstgerechten Historizismus in den feindseligen Dualismus abzustürzen.

Denken wir beispielsweise an die Energiepolitik, in der Rechte die Wälder und Landschaften vor Windrädern schützen wollen, Linke die Menschen vor atomarer Strahlung und Liberale die Wirtschaft vor hohen Preisen. Wenn sich das in Freund-Feind-Dualismus steigert, bestätigen sich alle in ihren medialen Blasen, inszenieren sich in der Öffentlichkeit gegeneinander und werden zur gemeinsamen Arbeit etwa in einer Koalition unfähig.

Das Gleiche können wir auch an der Demografie durchspielen: Rechte wollen “das Volk” erhalten, Liberale fordern günstige Arbeitskräfte und Linke die Aufnahme von Schutzsuchenden. Ein ruhiger, auch Emotionen berücksichtigender Dialog zwischen diesen Positionen ist kaum noch möglich und auch die realen Zahlen etwa zu verschiedenen Zu- und Abwanderungsbewegungen, Wirtschaft, Gesundheit, Kriminalität treten hinter “gefühlte Wahrheiten” zurück.

M.E. können wir dies quer durch die Politikfelder prüfen, gerne auch in den Drukos. “Enge der Zeit ist die Wurzel des Bösen.” warnte der Philosoph und Holocaust-Überlebende Hans Blumenberg (1920 – 1996). In der Alltagssprache nennen wir das “Hass und Hetze”, wobei sich Linke von Rechten, Rechte von Linken und Liberale von den Finanzbehörden verfolgt wähnen. So kippen wir mehr und mehr von der auf Dialog basierenden Demokratie zur digital empörungssüchtigen Thymokratie. Beobachte ich.

“Wie verstehen Sie sich selbst, Dr. Blume?”

Ich hoffe also, es ist deutlich geworden, warum ich mich im überholten Links-Rechts-Schema nicht einordnen kann. Ich glaube nicht an ein durch Menschen erkennbares Weltgesetz, wie es linke Historizistinnen so gerne tun. Wenn ich es mir auch wünschen würde – es gibt keinen Anspruch auf “Fortschritt” und Andersdenkende sind also auch nicht einfach rückständig und dumm. Wenn jemand also immer noch meint, mit Begriffen wie “Kapitalismuskritik” aus dem Markt-Staat-Dualismus des 19. Jahrhunderts heutige Probleme verstehen zu können, bin ich raus. Nicht einmal Marx selbst war Marxist.

Noch weniger als mit linkem und oft arrogantem Historizismus kann ich aber mit rechter Reaktanz anfangen, die sich auf eine völlig idealisierte Vergangenheit beruft und zu schnell in Hass und Hetze steigert. Denn wann genau war denn “alles gut” in Familien, Wirtschaft, Medizin, Mitwelt? Nie! Und auch noch die lauteste Rechtsdualistin oder der bärtigste Fundamentalist möchte aber doch gerne Smartphones und schnelle Autos. Technologie Ja, aber dialogische Wissenschaft Nein – das ist für mich Widerspruch pur.

“Mitte” träfe es also wohl am Besten, aber Geld ist nicht mein Hauptantrieb. Wäre es das, hätte ich nicht aus der Bank in die Religions- und Politikwissenschaft gewechselt. Erkenntnis und Kinder sind mir mehr “Reichtum” als ein Aktiendepot. Und gerade weil ich Menschenrechte und auch die Mitwelt so hoch achte, spreche ich mich für strenge Waffengesetze und ein Verbot privater Böllereien aus. Ich will Freiheit für, nicht gegen andere Menschen.

Wenn Sie mir also nur ein Wort zur Selbstdefinition zugestehen, dann nenne ich mich Evolutionär im Sinne der Erkenntnistheorie nach Karl Popper (1902 – 1994): Ich glaube, dass es nach Erreichen einer parlamentarischen Demokratie als “offener Gesellschaft” keine Revolution(en) mehr braucht, jedoch immer weitere, schrittweise Verbesserungen im Sinne von Evolution(en). Entsprechend achte und erkunde ich mit Begeisterung jede biologische, kulturelle und auch wissenschaftliche Tradition, die es bis zu uns Heutigen geschafft hat – und erkenne doch an, dass diese sich in jeder Generation auch neu entfalten, anpassen müssen. Konkret zum Beispiel: Wer im 21. Jahrhundert wie ich Familie und mehrere Kinder möchte, kann sich auch als Mann nicht aufführen, als lebten wir noch im 19. Jahrhundert. Weder beleidigte Reaktanz noch schrankenloser Individualismus taugen fürs Familienleben. Ist das nun “eher konservativ”, weil Traditionen ehrend, oder “eher progressiv”, weil schrittweise Veränderungen bejahend? Es ist nicht dualistisch, sondern dual. Also dialogisch und eben evolutionär.

Wenn Sie mir zwei Worte zugestehen, dann bin ich dialogischer Monist: Ich glaube an eine einzige, emergente und komplexe Wahrheit, die jedoch das Fassungsvermögen jedes einzelnen Menschen übersteigt. Wir können uns also dieser gemeinsamen Wahrheit nur im Dialog nähern – persönlich, kulturell (auch künstlerisch und v.a. musikalisch!), wissenschaftlich, religiös, spirituell, philosophisch. Dialogisch können wir die Wirklichkeit ertasten, auch wenn sie niemand von uns jemals besitzen kann.  

Wenn Sie mir drei Worte zugestehen, dann nenne ich mich christlich, demokratisch und Solarpunk. 

Christlich bezieht sich auf die religiöse Tradition, die wiederum aus dem Judentum hervorging, mit dem Islam und allen anderen Weltreligionen sowie dem Humanismus auf je bestimmte Weise verbunden ist. Ich entstamme einer wunderbaren, konfessionsfreien Familie und nahm als junger Erwachsener bewusst die evangelische Taufe an. Mir ist zum Beispiel völlig bewusst, dass es keine “wissenschaftlichen Belege” etwa für die Menschenwürde, die Gleichberechtigung oder das Recht auf Bildung geben kann, weil es hierbei um Normen (sog. “Werte”) geht. Wissenschaften beschreiben, Weltanschauungen bewerten. Aber aus Glaube, Liebe, Hoffnung sowie auch dem klärenden Dialog mit Religionen, Weltanschauungen und Wissenschaften gewinne ich mehr als genug Sinn, um daraus auch politisch zu leben. 

Demokratisch bezieht sich auf Rechtsstaatlichkeit und Parlamentarismus als Grundlagen von Dialog. Meine Eltern haben die real existierende Einparteien-Herrschaft der DDR erlebt, in der es also keine offenen und ehrlichen Debatten, keinen Austausch von Argumenten und also auch keine neuen Erkenntnisse geben durfte. Ob eine “geschlossene Gesellschaft” also sozialistisch, faschistisch oder religiös verbrämt wird, sie unterdrückt den Dialog und damit die lebensnotwendige Erkenntnis einschließlich der Wissenschaften. Ohne diese können wir uns aber nicht anpassen, nicht leben, nicht entfalten. 

Solarpunk wurde ich durch die zunächst im Irak 2015 gewonnene Einsicht, dass die Verbrennung fossiler Rohstoffe sowohl die Mitwelt beschädigt (globale Erhitzung, Klimakatastrophe, Wasserkrise), wie auch fossile und regelmäßig antisemitische Diktaturen und Terrorgruppen finanziert. Alle Politikfelder sind mit den Energie- und Mediensystemen vernetzt, so veränderten etwa Buchdruck und fossiler Ressourcenfluch die jeweiligen Religionen. Im Interview mit Nils Husmann zu den erneuerbaren Friedensenergien habe ich dies ausführlich dialogisch erläutert und mich um der gemeinsamen Zukunft willen als Solarpunk bekannt.

Das Interview von Dr. Michael Blume mit Nils Husmann vom 29.12.2024 steht unter dem Titel "Erneuerbare sind Friedensenergien". Auf dem Screenshot ist Blume als Redner auf einer Demonstration auf dem Stuttgarter Marktplatz zu sehen.

Das Interview mit Nils Husmann vom 29.12.2024 steht unter der Überschrift “Erneuerbare sind Friedensenergien”. Screenshot von Mastodon: Michael Blume

Fazit

Danke, dass Sie mir Ihre Zeit geschenkt haben! Denn nicht zufällig hat dieser Blogpost mit der Philosophie von Zeit begonnen, hatte vor der “Enge der Zeit” als Absturz in den Dualismus gewarnt und endet mit meiner interdisziplinären Leitthese für 2025: Zeit emergiert, aber wiederholt sich nicht.

Was das bedeutet, wird längst im KI-Fediversum erkundet. In meiner Rede im Landtag von Baden-Württemberg am 9. November 2023 ging ich auf die Gemeinsamkeiten gegen jeden Antisemitismus und Dualismus ein. Aber ich denke, für einen Blogpost waren es nun wirklich genug der Worte. Ich freue mich auf einen gerne auch längeren und intensiven Blog-Druko-Dialog dazu mit Ihnen!

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

61 Kommentare

  1. Amen, @Michael !

    Mehr bleibt da tatsächlich nicht viel zu sagen. Habe zuvor noch den Film “von Göttern und Menschen “, dazu noch dein unerwarteter Blogpost, heute gibt es echt ein past gute Sachen! Das du dir dafūr noch die Zeit genommen hast, Hut ab 🙂

    Hoffe es passt das ich da das Sonntagliche Amen dafūr rausgehauen habe 😉

    Wūnsche einen Guten und erfolgreichen Morgen noch!

  2. Danke für dieses ausführliche sehr persönlichie Zeugnis, warum Ihnen die Begriffe links und rechts für den aktuellen politischen Diskurs als nicht hilfreich erscheinen.

    Es fällt mir jedenfalls leicht, Ihnen zu folgen – und Ihre aktuellen Schwerpunkte zu verstehen.

    Immer wieder, so weisen Sie ja auch weiteren Blogbeiträgen darauf hin, braucht es eine Vergewisserung zu den Begriffen. Und schnell kommt es um einen (teilweise aufgeregten) Kampf um Deutehoheiten. Das hilft dann oft nicht weiter – ist in einem Freund-Feind Schema verfangen.

    Vermutlich gäbe es weitere Begriffe, die ähnliches Potential haben, in Ihren Ausführungen, d.h. relativ unterschiedlich bei unterschiedlichen Gruppen gefüllt sind.

    In der Vergangenheit hatte mir ein Hinweis von Herrn Dovermann, in einem Interview, welches auf der Seite bpb.de zu finden ist, geholfen das Begriffspaar links-rechts so zu füllen, dass ich damit manches sortieren konnte.

    Er füllt das Begriffspaar – im Interview geht es um Extremismus – so:
    Der Unterschied: Rechtsextremisten denken und handeln exklusiv, Linksextremisten inklusiv. Rechtsextremisten wollen Politik, Rechte … auf eine “Rasse”, ein Volk begrenzen. Sie wollen Geschichte darauf zuschneiden, dass völkische Identitäten entstehen. Linksextremisten haben die Exklusionen dieser Welt als Ungerechtigkeit vor Augen und versuchen, sie aufzubrechen.

    Wer sich als dialogisch verstehen will, braucht ja für unterschiedliche Begriffe, auch wenn sie vielleicht gerade nicht mehr so passend erscheinen, eine Füllung, die er/sie in einem Dialog anbieten möchte.

    Das Gegeneinander ist weniger stark als Verbundenheit, ein Bild, welches die Bibel dazu nutzt, Licht als von anderer Qualität als Dunkelheit – das betonen Sie für sich ja, wenn Sie sich als Monist beschreiben und damit verbinden Sie sich mit vielen sich spirituell verstehenden Menschen. Und in diesem Feld wird sich auch etwas für ein Miteinander zeigen, was zukunftsfähig ist – unklar natürlich, wie zügig und durch wieviele Widerstände – das Christentum kennt ja dafür die Vorstellung von Tod und Auferstehung – vermutlich eine Vorstellung, die richtig fordernd ist, wenn sie in welcher Form auch immer ins eigene Leben aufgenommen werden möchte.

    • Einen ganz herzlichen Dank für den dialogischen Kommentar, @HG Unckell 🙏📚🖖

      Mir fällt auf, dass sich die Definitionen sehr nahe sind und erst in Feinheiten unterscheiden:

      “Der Unterschied: Rechtsextremisten denken und handeln exklusiv, Linksextremisten inklusiv. Rechtsextremisten wollen Politik, Rechte … auf eine “Rasse”, ein Volk begrenzen. Sie wollen Geschichte darauf zuschneiden, dass völkische Identitäten entstehen. Linksextremisten haben die Exklusionen dieser Welt als Ungerechtigkeit vor Augen und versuchen, sie aufzubrechen.”

      Die Ähnlichkeit der Begriffsarbeit besteht m.E. in der psychologischen Erkenntnis, dass Rechtsextreme säkulare Traditionen wie “Familie” und “Volk” gegen (!) “Fremdes” bewahren wollen (“exklusiv”), Linke das säkulare Fortschrittsversprechen einer geeinten und gleichberechtigten Menschheit (“inklusiv”) anstreben.

      Allerdings wird damit ja noch nicht erklärt, warum gerade auch Linke daran immer weiter scheitern und sich auch untereinander immer und immer wieder in marxistische, maoistische, trotzkistische usw. Gruppen und Grüppchen zerspaltet haben. Auch wage ich zu bezweifeln, dass wir etwa Josef Stalin (1878 – 1953), Mao Tse-Tung (1893 – 1976), Erich Honecker (1912 – 1994), Pol Pot (1928 – 1998), Ulrike Meinhof von der RAF (1934 – 1976) und aktuell Nicolás Maduro Moros (Venezuela) einfach zuschreiben können, sie hätten eben “die Exklusionen dieser Welt als Ungerechtigkeit vor Augen und versucht, sie aufzubrechen”. Sie alle waren zum Verhaften, Foltern und auch Töten von unbewaffneten Gegnern bereit, in einigen Fällen auch von Frauen und Kindern und bis hin zu millionenfachen Massenmorden. Derzeit ist ein Viertel des Volkes von Venezuela, unfassbare acht Millionen Menschen (!), auf der Flucht vor dem links-revolutionären Regime, während die Foltergefängnisse auch etwa in China und Nordkorea überquellen. Da verbietet sich jede Verharmlosung.

      Aus meiner Sicht erklärt sich auch dieses wiederholte, politische und moralische Scheitern aus dem “Elend des Historizismus” nach Karl Popper (1902 – 1994): Wen der eigene Anspruch auf die Verwirklichung einer bestimmten Fortschrittsverheißung wie Weltrevolution, kommunistisches Paradies, klassenlose Gesellschaft, umjubelter Zuspruch nicht eintritt, dann liegt eine Deutung über Verschwörungsmythen sehr nahe! Dann werden auch durch Linksextremisten immer neue “Schuldige” verschwörungsmythologisch identifiziert und inszeniert: Konterrevolutionäre, Saboteure, Agenten, Kulaken, “Sozialfaschisten” (Sozialdemokraten), Juden bzw. “Zionisten”, innerparteiliche Gegner usw.

      Mein Vater Falko Blume (1950 – 2012) erlitt im real existierenden Sozialismus der DDR Stasi-Haft und -Folter wegen “versuchter Republikflucht”, weil er in Freiheit leben wollte. Und die leicht selbstgerechte Behauptung, dies habe doch nur einem universalen “Inklusivismus” gedient, SED & Stasi hätten es “doch nur gut gemeint”, kippt allzu leicht ins Höhnische…

      Karl Popper selbst beschrieb in seiner Autobiografie “Ausgangspunkte” von 1974 seinen Abschied vom frühen Linksextremismus übrigens genau so:

      “Was mich vom Kommunismus abbrachte und was mich auch bald vom Marxismus überhaupt wegführen sollte, gehörte zu den wichtigsten Ereignissen meines Lebens.

      Es war kurz vor meinem siebzehnten Geburtstag. Während einer Demonstration machten junge, unbewaffnete Sozialisten, angespornt von den Kommunisten, den Versuch, einige Kommunisten zu befreien, die in der Wiener Polizeidirektion unter Arrest waren. Mehrere junge sozialistische und kommunistische Arbeiter wurden erschossen.

      Ich war erschüttert: entsetzt über das Vorgehen der Polizei, aber auch empört über mich selbst. Denn es wurde mir klar, daß ich als Marxist einen Teil der Verantwortung für die Tragödie trug – wenigstens im Prinzip. Die marxistische Theorie verlangte die dauernde Verschärfung des Klassenkampfes, damit das Kommen des Sozialismus beschleunigt werde.

      Ein Marxist wußte wohl, daß die soziale Revolution schreckliche Opfer fordern wird. Aber er wußte auch, und er wußte es mit der vollsten Sicherheit, daß der Kapitalismus an jedem Tag mehr gewaltsame Opfer fordert als die ganze soziale Revolution. Das war ein Teil der marxistischen Theorie – ein Teil des sogenannten ‘wissenschaftlichen Sozialismus’.

      Ich fragte mich jetzt, ob eine solche Behauptung je wissenschaftlich begründet werden könne. Diese Frage, und überhaupt das ganze Erlebnis, führte zu einer dauernden Abwendung vom Marxismus.”

      Zitiert aus: Karl Popper (1974 /2018): Ausgangspunkte. Meine intellektuelle Entwicklung, Piper 2018, S. 40 – 41

      Wir könnten demnach eine Linksextremistin auch so definieren, dass sie bereit ist, für ihre säkularen Fortschrittsverheißungen Menschen und Mitwelt zu opfern. Die Tatsachen der Geschichte haben gezeigt, dass jene immer wieder die Hölle brachten, die mit Gewalt den Himmel auf Erden erzwingen wollten.

      Für unsere Debatte möchte ich zudem darauf hinweisen, dass mir bei vielen meiner linken Freundinnen und Freunde auch die Reflektion über das Scheitern sozialistischer Regierungen und Parteien gegenüber der Klimakrise fehlt. Wieder und wieder bekomme ich dualistisch zu hören, die fossile Verfeuerung sei Ausdruck “des Kapitalismus”. Allerdings gibt es kein Beispiel für eine wirklich erfolgreiche, sozialistische Umweltschutzpolitik – und auch seit Jahrzehnten amtierende Linksparteien wie der südafrikanische ANC sind ökologisch schlimm gescheitert.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/wer-traegt-die-fossile-schuld-doppelrezension-von-christian-stoecker-peter-sloterdijk/

      Aus meiner wissenschaftlich-empirischen Sicht ist jedoch jede auch ökonomische oder politikwissenschaftliche These abzulegen, die von vornherein nicht überprüft und also auch nicht widerlegt werden kann. Wer im 21. Jahrhundert immer noch meint, mit “Kapitalismuskritik” alles erklären zu können, betreibt m.E. keine analytische Wissenschaft mehr, sondern dualistische Mythologie.

      • Begriffe, da bin ich ganz bei Ihnen, müssen sich bewähren.
        In der Schule haben wir im Englisch-Unterricht Animal Farm gelesen, eine Illustration von den Entwicklungen, die Sie mehrfach belegen und durch Ihre persönliche Geschichte auch konkreter, leidvoller erfahren haben.

        Vielleicht – so möchte ich einbringen – reicht es nicht, inklusiv denken zu wollen, ohne den inneren Bezug zur Wahrheit, die uns überschreitet, bewusst zu pflegen. Immer wieder braucht es die Bereitschaft den eigenen Schatten anzuschauen, sich über blinde Flecken bewusst zu werden, persönlich zu wachsen.
        Sonst bekämpft man im anderen, was in einem selbst existiert und dort gewisser Maßen schon stört.

        Wir sind uns vermutlich einig, dass das Wesentliche nicht direkt (mit Gewalt) zu erreichen ist, sondern auf anderem Wege sich ereignet. Als Geschenk wird es dann erfahren und ist auch kein Besitz, kann also nicht behalten werden.

        • Ja, @HG Unckell – genau so!

          Ich finde das übrigens schon bei Rabbi Jehoschua, der im Griechischen als Jesus und im Arabischen als Isa übersetzt wurde.

          So warnt er eindringlich vor verkürzten Wahrnehmungen gerade auch unter “Gutmeinenden”, Matthäus 7:3:

          “Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders, den Balken aber in deinem Auge bemerkst du nicht?”

          Das mir wichtigste Wort von ihm verweist aber auf das Wunder der Auslegung – während wir aus einer Schatzkiste nur herausnehmen können, was zuvor hineingelegt wurde, bieten uns Texte immer neue und neuartige Interpretationsmöglichkeiten, Matthäus 15:32:

          “Darum gleicht jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, einem Hausvater, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt.”

          Deswegen wird aus meiner Sicht jede noch so “inklusivistische” Bewegung, Partei und Politik scheitern, die sich selbst für unfehlbar gut hält und für den Anspruch eines “wissenschaftlichen Materialismus” (also Historizismus, Geschichts-Determinismus) neue Erkenntnisse ausschließen möchte. Auch ein Karl Marx (1818 – 1883) konnte etwa vom Treibhauseffekt oder von Wikipedia noch nichts wissen. Entsprechend unmöglich waren und sind säkulare Fortschrittsgesetze. Für uns Menschen gibt es keine absolute Gewissheiten, aber sehr wohl Gründe zur Hoffnung. Das muss reichen, daraus speist sich unsere Verantwortung.

          Und die genannten Zitate entstammen selbst der ins Griechische übersetzten, jüdischen Tradition. Jesus hat nie in einer Kirche die Schrift ausgelegt, sehr wohl aber in einer Synagoge (Lukas 4: 16 – 31). Das Gemälde von des deutsch-jüdischen Malers Max Liebermann (1847 – 1935) zum zwölfjährigen Jesus im Tempel bringt mitsamt seiner Rezeptions- und Umarbeitungsgeschichte die deutsche Kultur auf den Punkt:

          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/verschwoerungsfragen-26-jesus-bei-max-liebermann-vom-arischen-weltenherrscher-zurueck-zum-juedischen-arbeiterkind/

          Aus meiner Sicht wäre es also geradezu fahrlässig, nicht jede verfügbare religiöse, philosophische und wissenschaftliche Perspektive als Chance zu begreifen, auch die eigene Erkenntnis weiter zu entwickeln. Erst neulich traf ich bei den Recherchen für eine bald zu haltende Rede auf eine Moses-Auslegung von Rabbi Jonathan Sacks, seligen Angedenkens, die mein gesamtes Verständnis der Exodus-Geschichte auf ein neues Verständnis von (Amts-)Zeit stellte:

          https://rabbisacks.org/covenant-conversation/chukat/why-was-moses-not-destined-to-enter-the-land/

          Wir können uns m.E. entscheiden, ob wir die Komplexität der emergenten Welt als Belastung, ja Überforderung erfahren. Oder ob wir sie dankbar als Chance annehmen, ein Leben lang im Dialog dazu zu lernen.

      • “Allerdings wird damit ja noch nicht erklärt, warum gerade auch Linke daran immer weiter scheitern und sich auch untereinander immer und immer wieder in marxistische, maoistische, trotzkistische usw. Gruppen und Grüppchen zerspaltet haben.”

        Wenn das passiert, werden aus Linken eben Linksextreme, als man überschreitet die Grenze vom Monismus zum Dualismus.

        Das ist ja auch in jüngster Zeit passiert, vor dem rechten Backlash, als “social warrior” begannen, eine linke Identitätspolitik zu betreiben und andere Linke angriffen, wenn die mal ein “falsches” Wort benutzt haben oder angeblich nicht genügend kritisches Bewusstsein gezeigt haben.

        • Ganz genau so, @Paul Stefan 🙏

          Ich finde das übrigens schon wunderbar persifliert im klugen Film “Leben des Brian” von Monty Python, 1979. Wenn sich die klägliche “Volksfront von Judäa” und die “Judäische Volksfront” gegenseitig als “Spalter” bezeichnen oder die rhetorische Frage aufgeworfen wird “Was haben denn die Römer jemals für uns getan?”, dann wird die Dualismus-These von Rabbi Sacks humoristisch vorweggenommen.

          Hier die dualistische Zerspaltungstendenzen der “Revolutionäre”:

          https://www.youtube.com/watch?v=vpthv3d30gs

          Und hier der völlig irreale und gegen Überprüfung immunisierte Historizismus:

          https://www.youtube.com/watch?v=FrMFE_RZJ2s

          Die damalige, dualistische Radikalisierung in Jerusalem, gegen die sich dann Rabbi Jochanan ben Sakkai (30 – 90) aus der belagerten Stadt den Römern auslieferte, bildet die Urszene des rabbinischen Judentums auch nach Rabbi Sacks. Der große Religionsgelehrte erkannte, dass sich jede Religionsgemeinschaft, auch seine eigene, den psychologischen Gefahren des feindseligen Dualismus immer wieder stellen muss. Deswegen bezieht sich “Confronting Religious Violence” eben immer auch auf die eigene Tradition. Das hat mich wissenschaftlich wie auch religiös und philosophisch überzeugt.

          Und also: Ja, “Leben des Brian” halte ich auch als Christ für einen zutiefst weisen, aufklärenden und dialogischen Film! 🙂

          • Und also: Ja, “Leben des Brian” halte ich auch als Christ für einen zutiefst weisen, aufklärenden und dialogischen Film! 🙂

            Kleine Anekdote: An meiner der Schule fiel einmal ein Wandertag wegen Dauerregens aus. Die Klasse beschloss stattdessen einen Videotag, an welchem “Das Leben des Brian” angeschaut werden sollte. Ich kannte den Film damals (2. Hälfte der 80er Jahre) nicht.

            Nach 10 min schritt unser Lehrer (evangelische Religion) ein, drückte den “Aus”-Knopf am VHS-Rekorder mit der Begründung: “Das ist Blasphemie!” 😲

            Als ich wenig später den Film in einer Sommerferienaufführung im Kino sah und mir so die Pythons geläufiger wurden, konnte ich über die Reaktion des Lehrers gleichsam nur lachen und den Kopf schütteln. 😀

          • Vielen lieben Dank, @RPGNo1

            Aus meiner Sicht – auch als evangelischer Christ – ist “Das Leben des Brian” kein blasphemischer, sondern ein Film weisen Humors. Ich gebe aber gerne zu, dass diese religiös-spirituelle Dimension bisher nicht zu den Schwerpunkten des deutschsprachigen Protestantismus zählte. Da war Ihr Lehrer wohl durchaus nicht alleine… 😉

            Mit Dank für die Anekdote und schmunzelnden Grüßen!

  3. Nur als Ergänzung:
    Es geht um ein politisches Koordinatensystem.
    Würde das nur im Kopf bestehen, dann hätten die Demagogen dieser Welt ein leichtes Spiel.
    Die Gegenwart baut auf der Vergangenheit auf. Und in der Vergangenheit wurden die Institutionen geschaffen und die Gesetzbücher geschrieben.
    (Sogar der künftige Präsident der USA muss sich dem Gesetz beugen.)

    Das zweite Fundament der Politik, das ist die Kultur, noch älter als die Gesetze und noch umfassender als alle Institutionen. Auch wenn sich die Europäer jahrhundertelang bekämpft haben, sie haben sich immer als Europäer gefühlt.
    Warum?
    Weil es eine geisltige Klammer gibt, das Christentum.
    Ohne Christentum gäbe es keine EU.

    Links, Mitte, Rechts finden im Christentum das gemeinsame Dach.
    Und so sieht man am Horizont den Hoffnungsschimmer, dass sich die römisch katholischen Christen in der Ukraine und die orthodoxen Christen in Rußland auf ihre Wurzeln besinnen und zu einem gerechten Ausgleich finden.

    Für die Tagespolitik sind solche Überlegungen nicht haptisch genug, aber sie bilden die Grundlage einer berechtigten Hoffnung auf Frieden.

    • Danke & von mir ein Ja, @N

      In Vortrag und Diskussion bei “Pulse of Europe” machte ich darauf aufmerksam, dass nicht einmal die Symbolik der Europäischen Union ohne die biblischen Hintergründe zu verstehen ist:

      “Die zwölf goldenen, fünfzackigen Sterne vor azurblauem Nachthimmel verweisen (zivilreligiös und also inoffiziell, klar) auf die zu Maria japhetitisch übersetzte Mutter Jesu, deren Halbmond auch längst in die Symbolik von Byzanz und der heutigen Türkei / Türkiye eingegangen war. Im Koran ist ihr als Meryem, Mutter von Isa, sogar eine Sure gewidmet.”

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/hinter-der-flagge-der-europaeischen-union-schimmert-die-juedin-mirjam-maria-meryem/

      Es gilt m.E. im Größten wie im Kleinsten: Wer die Tatsachen der Vergangenheit verleugnet, verliert jeden Kompass für die Zukunft und scheitert in der Gegenwart. Deswegen halte ich ein tiefes und dialogisches Verständnis von “Zeit” für den Schlüssel auch zu den Themen dieses Blogs.

  4. Danke für diesen Blogpost!

    Mir erschien das Rechts-Links-Denkschema schon immer sehr befremdlich. Notwendig ist das, was der Philosoph Thomas Kuhn (1922 — 1996) 1962 einen Paradigmenwechsel genannt hat: Weg von Links-Liberal-Rechts-Denken, hin zum Solarpunk.

    Paradigmenwechsel können Jahrhunderte dauern, beim Wechsel zum kopernikanischen Weldbild sogar 2000 Jahre. Wie lange das hier im konkreten Fall dauert, hängt vom Willen zur Selbstreflektion, Ausdauer und Geduld von uns Menschen ab.

    • Vielen Dank und volle Zustimmung, @Tilmann Schneider 🙏

      Im verlinkten Friedensenergien-Interview komme ich zum entsprechenden Schluss:

      “Letztlich ergibt es aber natürlich keinen Sinn, gegen Antisemitismus zu sein und gleichzeitig Antisemitismus zu finanzieren. Doch ich bin Realist geworden. Einfach nur gute Argumente vorzubringen, reicht in einer Demokratie nicht aus, sondern man muss hartnäckig sein und mit Widerstand klarkommen.”

      https://energiewinde.orsted.de/koepfe-der-energiewende/michael-blume-antisemitismus-ressourcenfluch-oel-gas-konflikte-interview

      In einem weiteren, interdisziplinären Sinn versuche ich das auch auszudrücken als: Zeit emergiert, aber wiederholt sich nicht.

      Die Zukunft ist offen und wir sind frei – wenn wir uns Zeit für Wissen, Dialog und Reflektion in der Gegenwart nehmen. Und das ist angesichts der digitalen Beschleunigungen unglaublich schwer…

  5. Dieser Blogpost kam für mich gerade zur rechten Zeit, um mich wieder in meiner eigenen Mitte und im Vertrauen auf mich selbst wiederzufinden.

    Nach einer sehr unangenehmen Auseinandersetzung, die auf der anderen Seite aufgrund meiner Argumente in Empörung und Wut ausartete, wurde mir ‚ökologischer Trumpismus‘ und ‚Grünen-Diktatur‘ vorgeworfen.
    Es ging um den ‚ökonomischen Unsinn‘, sich eine PV-Anlage aufs Dach zu setzen mit einem umfassenden Zahlenwerk und dem Hinweis, dass sich eine solche Anlage niemals rechnen würde. Außerdem sei der Planet sowieso nicht zu retten.
    Ich führe das jetzt hier nicht weiter aus.

    Meine Frage:
    Wo soll ich nun diese extrem feindliche Haltung gegenüber ökologischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen in Bezug auf die Klimakrise unseres Planeten einordnen?
    „Grün“ wird als Ideologie häufig in linke Ecke geschoben und nun auch noch in die rechte Ecke, auf alle Fälle von vielen mit Hass und Hetze belegt.

    • Vielen herzlichen Dank für diese Rückmeldung und Schilderung, liebe @Elisabeth K 🙏

      Aus meiner Sicht hattest Du es mit einem feindseligen Dualismus zu tun, der auf Reaktanz beruhte. Im Hintergrund stand die Angst um den Verlust von säkularen Traditionen – den Anblick von Landschaften, die Wertschätzung von Verbrennermotoren, Geschlechterrollen und Biografien. Entsprechend fühlt sich die Person durch eine PV-Anlage auf dem Dach emotional bedroht und reagiert mit emotionalen Eskalationen bis hin zu Verschwörungsmythen. Wie Du es schreibst: Es mündet in demokratiefeindliche “Hass und Hetze”.

      Die Person ist von der Regierungsform der dialogischen Demokratie bereits in die digitale Thymokratie übergegangen und wird auch zunehmend bereit sein, Rechtsdualisten zu wählen. Es ist der Zusammenbruch des Logos gegenüber dem medialen Thymos. Die Geschichte reimt sich (aufgrund der menschlichen Psychologie), aber wiederholt sich nicht.

      Inhaltlich kann ich Dir aus eigener Erfahrung dabei empfehlen, einfach als Solarpunk-Kurs zu halten. Als ich mir nach den Erfahrungen und Beobachtungen im Irak 2015 schwor, nie wieder ein Auto mit Verbrennungsmotor zu erwerben, stand anfangs fast nur meine Frau zu mir. Wir wurden mit Sorgen und Warnungen vor brennenden Batterien, “linksgrüner Ideologie”, in Kobalt-Minen schuftenden Kindern überschüttet und zugleich wurde versichert, “in wenigen Jahren” gäbe es doch ganz tolle, deutsche E-Automobile. Wir haben uns dann doch für den Erwerb eines französischen Elektroautos entschieden – und den Umstieg nie bereut!

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/batterien-fuer-elektroautos-laenger-haltbar-immer-mehr-fossile-luegen-werden-entlarvt/

      Inzwischen haben sich immer mehr Befreundete, Bekannte und Angehörige bei uns erkundigt und immer mehr stiegen und steigen selbst auf Elektroautos um. Die fossilen Lobbyisten haben mit ihrer rechtsdualistischen Reaktanz und Panikmache die Technologieoffenheit verzögert und damit für ihren kurzfristigen Profit riesigen Schaden für die Mitwelt und die deutsche Wirtschaft ausgelöst. Am Ende konnten und können auch sie die Entwicklung jedoch nicht aufhalten.

      Und so wird es auch bei Photovoltaik-Solarindustrie sein – obwohl auch diese 2012 für kurzfristige Einsparungen mutwillig zerstört und an China abgegeben wurde:

      https://www.n-tv.de/politik/Einbruch-bei-der-Photovoltaik-article7193576.html

      Inzwischen sehe ich auch in meiner Nachbarschaft immer mehr Balkon-Solarkraftwerke erblühen, Menschen fragen aktiv nach unseren PV-Erfahrungen und selbst die AfD-Kanzlerkandidatin wettert vor allem gegen Windräder. Schon jetzt höre ich auch von fossilen Lobbyisten, gegen günstige Solarenergie seien sie ja “eigentlich nie gewesen”. Spätere Rechtsdualisten werden sogar von den “guten, alten Zeiten” schwärmen, als auf den Bauernhöfen noch eigene Solarenergie produziert wurde…

  6. Erstaunlich. Hier kann ich jedem Wort zustimmen.
    Vieles, was Sie sonst schreiben, lese ich ja mit Kopfschütteln oder bisweilen Entsetzen. (Lese es aber häufig – denn die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden ist nicht nur Grundlage der Demokratie, sondern auch der kritischen Selbstüberprüfung.) Hier aber beschreiben Sie sehr treffend die Probleme, die auch ich in den letzten Jahren mit der unreflektierten und sich zudem drastisch wandelnden Verwendung der Worte “rechts” und “links” habe.
    Ich bin noch damit aufgewachsen, dass “links” gleichbedeutend war mit “sozialistisch”, und dieses wiederum definiert war durch eine bestimmte Wirtschaftsform, durch Ablehnung des Kapitalismus, durch Eintreten für Arme und Arbeiter und internationale Solidarität. Daher schüttelt es mich, wenn heute amerikanische Republicans Biden oder Harris als “sozialistisch” bezeichnen, oder Vielen die Grünen als “links” gelten. Aber natürlich war auch die alte Definition arbiträr, und statt mit linearen Koordinaten sollte man immer besser inhaltlich argumentieren.
    Eine kleine Ergänzung: M.E. gibt es nicht nur fünf oder sechs Ideologien, sondern theoretisch unendlich viele. Und jede davon kann totalitär übersteigert werden. Wie das geschieht, hat Paul Watzlawick im Denkrahmen des Konstruktivismus sehr gut herausgearbeitet: Angesichts der Unvollkommenheit der Welt entwickeln Leute ein Modell, wie die Welt funktioniert und wie sie zu verbessern sei. Sie haben aber niemals vollständige Welterkenntnis, daher ist jedes Modell unvollständig. Wenn es darum nicht funktioniert, weigern sich seine Anhänger, den Fehler beim Modell zu suchen, sondern beschuldigen Andersdenkende, oder sie verfallen in den Fehler des “mehr desselben”: Das Modell ist schon richtig, man hat es nur noch nicht radikal genug umgesetzt. Und wenn es dann nicht funktioniert, dann muss man es noch radikaler umsetzen. Etc. Aktuell kann man des sehr schön (na ja, “schön”) bei den Neoliberalen beobachten.
    Ich wünsche ein sonniges neues Jahr!

    • Vielen herzlichen Dank für die intensive Rückmeldung, @Konrad Lehmann – die mir zeigt, dass es für diese (Er-)Klärung wohl wirklich “höchste Zeit” war…

      Gerne gehe ich daher auch etwas intensiver auf Ihre Druko-Ansagen ein:

      M.E. gibt es nicht nur fünf oder sechs Ideologien, sondern theoretisch unendlich viele. Und jede davon kann totalitär übersteigert werden.

      Genau so sehe ich das auch. Schon bei der Kritik an Jeanne Herschs Einteilung, sie habe (6) Christdemokratie “vergessen”, wird ja deutlich – es hört nie auf. Denn selbstverständlich lagen etwa zwischen der katholischen Christdemokratie in Italien, der calvinistischen Christdemokratie in den Niederlanden und der ökumenisch-dialogischen Mischform in Deutschland riesige Unterschiede! Und durch die mediale, vor allem digitale Beschleunigung laufen wir alle Gefahr, immer mehr Ideologie(n) zu produzieren, die dann nur noch in unserer je eigenen Blase bestätigt wird. Und damit kann dann, ja, jede, ausnahmslos jede Ideologie “totalitär übersteigert” werden, wie es Rabbi Jonathan Sacks im Begriff des “pathologischen / feindseligen Dualismus” erfasste.

      “Wie das geschieht, hat Paul Watzlawick im Denkrahmen des Konstruktivismus sehr gut herausgearbeitet: Angesichts der Unvollkommenheit der Welt entwickeln Leute ein Modell, wie die Welt funktioniert und wie sie zu verbessern sei. Sie haben aber niemals vollständige Welterkenntnis, daher ist jedes Modell unvollständig.”

      Auch hierzu meine volle Zustimmung! Das Paradigma des Konstruktivismus bildete ja auch die Grundlage meiner Doktorarbeit. Auch durch die mediale Beschleunigung sehe ich dieses Paradigma inzwischen jedoch als überholt: Wir finden kaum noch die Zeit, unsere individuellen Modelle zu “konstruieren”. Stattdessen sind wir nahezu täglich der vor allem digitalen Beobachtung ausgesetzt und gehen also dazu über, unsere “niemals vollständige Welterkenntnis” füreinander und miteinander zu “inszenieren”. Daher spreche ich vom Übergang vom Konstruktivismus zur Performativität – und der kreative Prof. Dr. Inan Ince hat aus einen kleinen Mehrzeiler von mir dazu via KI einen Song gebastelt, der die Chancen wie auch Abgründe von “Performativität” gleichzeitig zum Klingen bringt:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/songtext-performativitaet-von-inan-ince-nach-text-von-michael-blume/

      Wenn es darum nicht funktioniert, weigern sich seine Anhänger, den Fehler beim Modell zu suchen, sondern beschuldigen Andersdenkende, oder sie verfallen in den Fehler des “mehr desselben”: Das Modell ist schon richtig, man hat es nur noch nicht radikal genug umgesetzt. Und wenn es dann nicht funktioniert, dann muss man es noch radikaler umsetzen. Etc.

      Auch hierzu volle Zustimmung! Das ist ja geradezu die psychologische Essenz des feindseligen Dualismus: Es habe nur nicht funktioniert, weil “die” dagegen gearbeitet haben! Also wird es funktionieren, wenn wir es “noch entschiedener” machen und “die” Beseitigen! Und so wird aus dem versprochenen Himmelreich eine reale Hölle, wieder und wieder…

      Das Mutige am Dialog ist dagegen, dass wir das Sterben von Ideen riskieren, um das Töten von Mitmenschen zu stoppen.

      Aktuell kann man des sehr schön (na ja, “schön”) bei den Neoliberalen beobachten.

      Hier sehe ich dann doch eine Differenz, da der Begriff des “Neoliberalismus” ebenfalls bereits mehrfach die Gestalt gewandelt hat. Ursprünglich bestand die neoliberale Schule etwa aus Freiburg ja gerade aus der Abkehr vom plumpen Marktradikalismus und erforschte die nicht-marktwirtschaftliche Eigengesetzlichkeit etwa von Staaten, Familien, Verbänden, Religionen. Deswegen wird auch ein früher Neoliberaler wie Friedrich August von Hayek (1899 – 1992) heute von beinharten Rechtslibertären als “Sozialdemokrat” geschmäht, wogegen ihn Linksdualisten etwa wegen seiner zunehmenden, reaktionären Reaktanz im Alter als “Faschisten” schmähten. Während der Begriff “Neoliberalismus” in der Ökonomie also eine bestimmte, historische Strömung meint, erlebe ich ihn im heutigen Diskurs als sehr deutsche und wenig passende Bezeichnung für Rechtslibertarismus.

      Ihnen noch einmal herzlichen Dank für den überaus starken Druko – und ich freue mich schon jetzt auf weitere Dialoge auf diesem hohen Niveau!

      • “Das ist ja geradezu die psychologische Essenz des feindseligen Dualismus: Es habe nur nicht funktioniert, weil “die” dagegen gearbeitet haben! Also wird es funktionieren, wenn wir es “noch entschiedener” machen und “die” Beseitigen!”

        Das erinnert mich gerade an die aktuelle FDP mit ihrem Wahlspruch “Alles muss sich ändern”, obwohl damit nur die Rückkehr zum alten Wirtschaftsmodell gemeint ist und nicht die eigene Partei und die Grünen zum Feindbild erkoren werden.

        Diese Haltung findet sich auch bei einigen Spitzenpolitikern der Union.

        Am schlimmsten und gefährlichsten ist es natürlich bei der AfD.

        • Danke & dennoch Vorsicht, lieber @Paul Stefan: Liberale und Rechte könnten ebenso bemerken, dass die SPD mit einem gerade erst gescheiterten Kanzler antritt oder das BSW mit der Benennung nach einer Person und Putin-Romantik in den feindseligen Dualismus abgleite. Die verführerische Psychologie des Freund-Feind-Denkens kann Menschen in allen politischen Milieus erfassen, zumal wir dazu neigen, uns digitale Bestätigung zu holen.

          • Ja, natürlich. Ich bin kein Scholz-Fan, vor allem wegen seines Zauderns in der Ukraine-Politik und BSW halte ich für äußerst problematisch, da stimme ich Ihrer Analyse voll zu, siehe aktuell Sevim Dağdelen:

            “Sevim Dağdelen (BSW) hat den Abzug aller US-amerikanischen Truppen aus Deutschland gefordert. “Wir können uns die 37.000 US-Soldaten in Deutschland schlicht nicht mehr leisten”, sagte Dağdelen beim Bundesparteitag des Bündnisses Sahra Wagenknecht in Bonn. “Deshalb sagen wir auch: Ami go home.”

            Auch die amerikanischen Atomwaffen sollten weg aus Deutschland, sagte Dağdelen, die sich erneut gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen aussprach. “Wir wollen keinen Krieg gegen Russland von deutschem Boden, wir wollen Frieden mit Russland”, sagte sie vor rund 600 anwesenden Mitgliedern. “Die Vasallentreue deutscher Regierungen gegenüber den USA, diese Vasallentreue gegenüber den USA, die muss endlich ein Ende finden.””

            http://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-01/bundestagswahl-2025-kandidaten-umfragen-liveblog#cid-73675567

          • Danke, @Paul Stefan – genau so ist es! In der Ablehnung der demokratischen USA und der Sehnsucht nach einem vermeintlich urtümlichen Russland trafen sich gerade auch deutsche Rechts- und Linksdualisten seit jeher. Auch etwa Antideutsche wanderten über ihre Ablehnung der Bundesrepublik vom linken Sozialismus rüber in den rechten Ethnonationalismus. Negative Identitätsentwürfe sind und bleiben fragil.

            Auf Mastodon wird gerade diskutiert, ob wir nicht doch “Links” bzw. “progressiv” mit dem Streben nach Gleichberechtigung (Isothymia) und “Rechts” bzw. “konservativ” mit dem Streben nach Ungleichheit (Megalothymia) identifizieren könnten. Ich hatte dazu ja schon an Weihnachten gebloggt:

            https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/weihnachten-als-auch-saekulares-fest-der-liebe-und-isothymia/

            Und leider widersetzt sich die historische “Welt der Tatsachen” auch hier wieder der Essentialisierung. Als die Französische Revolution unter dem Schlachtruf “Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (!)” erfolgte, war eine Gleichstellung von Frauen und schwarzen Menschen noch nicht mitgedacht. Zwei Jahre, nachdem sie die “Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin” (1791) veröffentlich hatte, wurde Olympe de Gouges (1748 – 1793) von einem “linken” Revolutionstribunal verurteilt und öffentlich hingerichtet. Sie hatte den Männern unter anderem – zu Recht – vorgehalten, Frauen zu unterdrücken und “die Revolution für sich allein zu nutzen.”

            https://de.wikipedia.org/wiki/Olympe_de_Gouges

            Auch die Schwarzen mussten sich ihre Gleichberechtigung sowohl in Frankreich, Haiti wie auch in den USA erst unter hohen Verlusten erkämpfen. Bis ins 21. Jahrhundert blieben die meisten sozialistischen und erst Recht kommunistischen Parteivorstände Veranstaltungen fast ausschließlich alternder Männer. Dagegen wurden etwa die ersten Regierungschefinnen in Großbritannien und Deutschland, auch die erste EU-Kommissionspräsidentin von “Konservativen” gestellt und gewählt.

            Ich verstehe also die Versuchung, die komplexe Geschichte doch wieder auf ein einfaches Gut-Böse-Schema reduzieren zu wollen. Aber die Geschichte war und ist eben nicht so einfach – und wir sollten dies auch dialogisch respektieren. Finde ich.

      • Was mir noch durch den Sinn ging: Natürlich können auch vermutlich alle Religionen ideologisch pervertiert werden. Spätestens, seitdem Indien und Thailand in den letzten Jahren leider vorgeführt haben, dass sogar Hinduismus und Buddhismus – von denen ich es zu allerletzt erwartet hätte – extremistisch werden können, habe kaum noch Hoffnung, dass es eine Religion gäbe, die dagegen gefeit wäre.
        (Ich bin, nebenbei, trotzdem, obwohl Atheist, kein Religionsfeind. Ohne Religionen wäre die Welt ärmer, aber nicht friedlicher.)

        Danke für die Aufklärung zum Begriff “neoliberal”. In ökonomischer Begriffsgeschichte bin ich schwach. Ich verwende das Wort in der heute üblichen Bedeutung, als Bezeichnung für die Ideologie, dass durch Steuersenkungen (für Reiche), Sozialabbau und Privatisierung ein funktionierendes Wirtschaftssystem erreicht werden könnte. Das hat nun seit mehreren Jahrzehnten nicht nur nicht funktioniert, sondern sogar zu grassierender Armut, Ungleichheit und Verunsicherung geführt. Und trotzdem – oder eben gerade deswegen – versuchen Leute wie Milei, Musk, Merz, Lindner es jetzt weiterhin mit “mehr desselben”.

        • Vielen Dank und erneut Zustimmung, @Konrad Lehmann

          Unter allen im Studium verschlungenen Büchern hat mich keines so bedrückt und zugleich aufgeklärt wie “Buddhism Betrayed? Religion, Politics, and Violence in Sri Lanka” von Stanley Jeyaraja Tambiah, Chicago Press 1992. Darüber wurde mir klar, warum der sri-lankische Regierungschef S. W. R. D. Bandaranaike (1899–1959) aufgrund von Friedensverhandlungen (!) von einem buddhistischen Mönch (!) ermordet wurde, ebenso wie der bis zur Erschöpfung gewaltlose Mahatma Ghandi (1869 – 1948) von einem radikalen Hindu, der Kommunist Leo Trotzki (1879 – 1940) von einem Stalinisten, der US-amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. (1929 – 1968) von einem Christen, der ägyptische Friedensnobelpreisträger Anwar as-Sadat (1918 – 1981) von einem Muslim, der israelische Friedensnobelpreisträger Yitzhak Rabin (1922 – 1995) von einem Juden oder die mutige Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai erst jetzt unter großem Sicherheitsaufwand in ihr Herkunftsland Pakistan einreisen kann. Die Risse zwischen den wenigen dialogischen Monistinnen und Monisten, den vielen egozentrischen Relativistinnen und der wachsenden Zahl feindseliger Dualisten geht quer durch alle Völker, Kulturen, Religionen und Weltanschauungen hindurch. Wer das Böse wirklich überwinden möchte, tut gut daran, bei sich selbst und im eigenen Milieu damit zu beginnen.

  7. Gute Morgen, @Michael Blume.

    Das ist ein wirklich sehr lesenswerter Blogpost und eine wunderbare Einbettung in das Thema „Zeit“!

    Ich möchte nur die kurze Anmerkung machen, dass bei mir spätestens seit der Corona-Pandemie das „Links-MItte-Rechts-Schema“ komplett zusammengebrochen ist. Ich rechnete mich bislang eher dem linken Spektrum zu, musste aber damals die bittere Erfahrung machen, dass ich in einem Umfeld, das ich als eher „links-progressiv“ erlebt habe, mit Verschwörungsmythen und pseudowissenschaftlichen Ansichten konfrontiert wurde. Auf ihrer Facebookseite postete jene Person, mit der ich „aneinandergeraten“ bin, auch Inhalte der FPÖ und andere rechtsradikale Seiten. Keinen der Tausenden von Followern (Musikszene) schien das zu stören. Ist das noch naiv? Unreflektiert? Leichtgläubig? Ich weiß es nicht.

    Und niemand von denen, die damals in derselben (Künstler-)Gruppe zugegen waren, unterstützte mich. Niemand hatte ein Problem damit. Das war einer der seltenen Fälle im Leben, wo ich eine Freundschaft und eine ehrenamtliche Tätigkeit beendet habe.

    Ich habe das mal aufgeschrieben.

    Dann hat mir sehr geholfen die der Begriff des Libertären Autoritarismus, um das zumindest für mich einzuordnen.

    Ich habe Perplexity dazu mal gefragt, die Einordnung von Perplexity ist:

    Der Begriff des Libertären Autoritarismus steht in einem komplexen Verhältnis zum erodierenden Links-Rechts-Schema in der Politik. Er repräsentiert eine Denkrichtung, die traditionelle politische Kategorien durchbricht und sich nicht eindeutig in das klassische Spektrum einordnen lässt[5]. Während der Libertarismus grundsätzlich individuelle Freiheit betont, kombiniert der Libertäre Autoritarismus dies paradoxerweise mit autoritären Tendenzen[5]. Diese Entwicklung zeigt, dass das herkömmliche Links-Rechts-Schema zunehmend an Erklärungskraft verliert[4]. Stattdessen entstehen neue politische Strömungen und Konfliktlinien, die quer zu den traditionellen Kategorien verlaufen und die Komplexität gegenwärtiger politischer Entwicklungen besser abbilden[2].

    Citations:
    [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Libertarismus
    [2] https://www.soziologie.uni-wuppertal.de/fileadmin/soziologie/DGS_Call_linksrechts.pdf
    [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Gekr%C3%A4nkte_Freiheit
    [4] https://www.focus.de/experts/andreas-herteux-menschen-in-links-und-rechts-aufzuteilen-ist-veraltet-und-sogar-gefaehrlich_id_259640028.html
    [5] https://www.blaetter.de/ausgabe/2023/februar/libertaer-und-autoritaer
    [6] https://ozp-journal.uibk.ac.at/OEZP/article/download/1147/842/1139
    [7] https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783748942696-353.pdf?download_full_pdf=1&page=1
    [8] http://janfuhse.de/Linksrechts_oezp_2004_02.pdf
    [9] https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/6063/ssoar-oezp-2004-h_2-fuhse-links_oder_rechts_oder_ganz.pdf?sequence=1&isAllowed=y
    [10] https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/279819/jenseits-von-links-und-rechts/

    Ende der Antwort von Perplexity.

    Ich lege seitdem umso mehr Wert darauf, wie glaubhaft, vertrauenswürdig und mutig mir Menschen, denen ich begegne, erscheinen – welche demokratische Partei auch immer sie unterstützen. Ich bin stark dafür, dass gerade jetzt die Menschen aus den demokratisch orientierten Parteien nach Gemeinsamkeiten suchen und zusammenarbeiten. Das ist in Österreich bekanntlich nicht gelungen.

    • Vielen Dank für Deine tiefe, auch biografische und dialogische Rückmeldung, @Peter Gutsche! 🙏

      Und, ja, ich erlebte die Covid19-Pandemie ja bereits als Antisemitismusbeauftragter “an vorderster Front”, sprach und schrieb auch schon 2021 zur “libertären Verschwörungsmythologie des Geldes” und halte “Gekränkte Freiheit. Aspekte des libertären Autoritarismus” (2022) von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey für ein herausragend gutes Buch!

      Gleichwohl erlebte ich von Dir m.E. richtig beobachtete Querfront schon früher. So begegneten mir die ersten, vermessenen, gelben “Judensterne” nicht erst mit der Aufschrift “Ungeimpft”, sondern schon 2019 auf Demonstrationen in Stuttgart gegen ein lokales Feinstaub-Fahrverbot mit der bizarren Aufschrift “Dieselfahrer”!

      Verfügbare Daten zeigen auch einen weltweit zunehmenden Verschwörungsglauben / feindseligen Dualismus ab etwa 2012. Aus heutiger Sicht würde ich also deuten: Die digitale Thymotisierung wurde durch die Covid19-Pandemie enorm beschleunigt. Linke, Rechte und Bürgerliche begannen, “den Staat und die Demokratie” digital als kränkend, feindselig und schließlich verschwörerisch zu erzählen und vernetzten sich schnell mit schon sehr viel älteren Traditionen antisemitischer, rassistischer und sexistischer Dualisten. Der Fernsehbeitrag über meinen damaligen Protest-Ausstieg aus Facebook 2019 hat nach dem thymokratischen Umkippen von Meta gerade wieder manche neuen Abrufe erhalten…

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/warum-ich-facebook-und-instagram-verlasse-gedanken-zur-medienethik/

      Die Überzeugung, dass Demokratinnen und Demokraten dialogisch viel mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes haben, stammt aus meiner Jugend als Orts- und später auch Kreisvorsitzender der Jungen Union. Schon damals gab es eine sog. Politikverdrossenheit und wir jungen Engagierten in JU, Jusos, Julis und GAJ waren so wenige, dass wir nur gemeinsam öffentliche Wirkung erzielen konnten. Erfahrungen als Jugendgemeinderat und dann (damals jüngster) Gemeinderat in Filderstadt haben mich fürs Leben gelehrt, dass es in allen demokratischen Parteien ehrliche, anständige und bemerkenswerte Menschen gibt. Deswegen hat es mich auch nie gestört, sondern eher motiviert, mit Karl Popper einen Sozialliberalen, mit Jeanne Hersch eine Sozialdemokratin und mit Hans Blumenberg einen Liberal-Konservativen zu lesen. Von der Politik über die Religion bis zur Philosophie sollte m.E. niemand nur im eigenen Milieu schmoren…

      Dir nochmal vielen Dank für Deine starken Kommentare und auch Gast-Blogposts, die mich gerade auch beim Zentralthema “Zeit” enorm weitergebracht haben! 🙏📚🤖☕🖖

  8. Vielen Dank für die Erklärungen, woher diese “Einteilung” in links, rechts und Mitte kommt und auch für Ihre sehr persönlichen Einlassungen zum Thema.

    Ich kann Ihnen ohne Abstriche zustimmen.

    Ein paar Gedanken noch von mir.

    “Wir können uns also dieser gemeinsamen Wahrheit nur im Dialog nähern – persönlich, kulturell (auch künstlerisch und v.a. musikalisch!)” Auch über Kunst und Musik lässt sich trefflich streiten. Sie bringen zusammen, aber sie spalten auch.

    Die Wählerinnen und Wähler aus der sog. (bürgerlichen) Mitte sind das Ziel vieler Parteien und zwar egal ob wir sie dem eher linken oder dem eher rechten Spektrum zuordnen. Mitte – was ist das? Fast jeder scheint dazugehören zu wollen, aber wieviel Beliebigkeit steckt darin? Sie nennen es “Wischi-Waschi”.

    Zu Jeanne Hersch: Ich sehe diese Einteilung in Ideologien kritisch, halte ihr aber zugute, dass sie ihre Erkenntnisse schon vor vielen Jahren zu Papier gebracht hat.
    Ideologie ist m.E. negativ behaftet. Ich denke zum Beispiel daran, dass die Klimakrise/der Klimawandel von manchen als Ideologie bezeichnet werden – übrigens auch von Wissenschaftlern.

    Wer das amerikanische Mediensystem derzeit verfolgt, stellt fest, dass das Denken in rechts und links stark ausgeprägt ist. Brian Tyler Cohen oder auch Mary Trump beklagen immer das Fehlen eines Mediensystems “on the left”, wenn man es mit den vielen “rechten” Medien vergleicht. Nachdem ich Ihren Blogpost gelesen habe, frage ich mich, ob da die sog. “progressiven Linken” nicht zu konservativ denken.

    Eine wahre Demokratie muss Widerspruch aushalten. Politikerinnen und Politiker sollten zumindest ansatzweise auch das Wohl des Landes, der darin lebenden Menschen im Auge haben. Und es sollte weniger Show gemacht werden. Vor ein paar Tagen hörte ich in einem Interview mit einem Politikwissenschaftler auf phoenix, dass die harte Haltung von Markus Söder gegenüber den Grünen auf seine Befürchtung zurückgeführt werden könne, dass die FW erstarken würden, wenn er betreffend einer Zusammenarbeit mit den Grünen zu konziliant wirken würde.

    Was die Thymotisierung betrifft, merke ich das an mir persönlich derzeit wieder sehr stark. Ich bin deshalb auch eher selten auf meiner Social Media Plattform unterwegs. Politikerinnen und Politikern fehlt übrigens zunehmend etwas, das auch in der Gesellschaft immer weniger wird: Anstand!

    Da Sie heute beim Neujahrsempfang in Filderstadt sind, wünsche ich Ihnen ein paar schöne Stunden. Die Begegnung mit Menschen aus unterschiedlichen demokratischen Parteien ist wichtig, und eine solche Veranstaltung eignet sich bestens dazu.

    • Vielen Dank, liebe @Marie H.

      Ja, bei Jeanne Hersch fasziniert mich gerade auch die persönliche, philosophische und politische Entwicklung, die von der engagierten Schülerschaft bei Karl Jaspers (1883 – 1969) über die Begeisterung für den Lehrberuf und frühen Sozialismus bis zur internationalen Menschenrechtsarbeit im Auftrag der UNO und zur kritisch-liberalen Sozialdemokratie reichten. Jeanne Hersch war m.W. die erste Philosophie-Professorin der Schweiz und vermochte es, ein Leben lang dialogisch und lernend zu bleiben. Schon damit und mit ihrem Themenschwerpunkt “Zeit” ist sie mir bleibendes Vorbild. Als die fünf bedeutendsten Stimmen der Philosophie des 20. Jahrhunderts in meinem Leben würde ich einschätzen: 1. Karl Popper, 2. Jeanne Hersch, 3. & 4. Martin und Paula Buber und 5. Hans Blumenberg.

      Wichtig ist mir, dass ich die politische Mitte nicht “Wischi-Waschi” genannt, sondern auf den entsprechenden Vorwurf reagiert habe. Aus meiner Perspektive wäre es grundfalsch, die politische Mitte nur als halb-links und halb-rechts zu definieren, sie braucht vielmehr eine eigene, erkenntnistheoretische Perspektive. Diese habe ich mit der evolutionären Erkenntnistheorie und dem dialogischen Monismus zu benennen versucht.

      Was das politische Verhalten von Markus Söder (CSU) angeht, habe ich ja sehr bewusst schon früh die kluge Ansage der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zitiert, die schon im SPIEGEL vom 23.11.2024 dazu sagte:

      „Ich finde es nicht in Ordnung, dass Markus Söder und andere in CSU und CDU abfällig über die Grünen sprechen. Klar haben die Grünen sehr andere Ansichten, und ich bin ja mit Bedacht nicht dort Mitglied, sondern in der CDU. Aber eine Bündnisfähigkeit muss erhalten bleiben, zumal schwarz-grüne Koalitionen in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg funktionieren, und das sind ja nicht die erfolglosesten Bundesländer.“

      Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob der bayerische Ministerpräsident vor allem dem FW oder auch Robert Habeck schadet bzw. schaden möchte. Für mich sieht es so aus, als ob Söder sehr gezielt gegen die Kanzlerkandidaturen von Armin Laschet (CDU) und jetzt Friedrich Merz (CDU) agitiert, diese vor sich hertreibt und als schwach erscheinen lässt. Ich kann sagen, dass schon jetzt Fassungslosigkeit und auch Wut auch innerhalb der Union über solche Szenen wachsen.

      CDU-Chef Friedrich Merz sagte zum Abschluss der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im oberbayerischen Kloster Seeon auf Nachfrage zu dem Disput der beiden: “Ich gehe davon aus, dass sich Markus Söder und Daniel Günther nach wie vor freundlich begegnen.” Als Söder scherzend “Echt?” fragte, bekräftigte Merz: “Ich gehe davon aus, dass ihr das tut.” Er rief dazu auf, “dass wir hier wirklich uns auf die wichtigen Themen konzentrieren”.

      https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100568806/markus-soeder-streitet-mit-daniel-guenther-friedrich-merz-greift-ein.html

      Aus meiner Sicht ist es richtig, dass sich auch demokratische Politikerinnen und Politiker medial inszenieren. Aber sie sollten dies dialogisch und konstruktiv tun, nicht feindselig und destruktiv. Ich denke, ich habe dies nun auch oft genug verdeutlicht und bin auch nicht Pressesprecher von Friedrich Merz oder gar Markus Söder.

      Und von wegen allgemeine Polarisierung: Meine Frau ist bei den Grünen aktiv und wir kommen prima damit klar. Wir bekommen ja auch zwei unterschiedliche Weltreligionen und Herkunftskulturen zusammen – Liebe baut Brücken! 🙂

      Seit Jahren wirklich große Sorgen macht mir der Zusammenbruch des US-amerikanischen Mediensystems, der in eine dualistische Polarisierung mündete und die große Demokratie derzeit in eine mediale Thymokratie mit digitaler Oligarchie (auch “Broligarchie” genannt) verwandelt. Das macht mir große Sorgen auch im Hinblick auf die internationale Ordnung, etwa den Zerfall der Nachkriegs-Friedensordnung:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/von-der-nachkriegs-zurueck-zur-kriegsordnung-warum-ich-trumps-territoriale-ansprueche-nicht-lustig-finde/

      Im Irak sah ich mit eigenen Augen, dass die meisten Menschen auf das Ausbrechen der Klimakatastrophe als Wasserkrise gerade nicht mit Vernunft und Besinnung reagieren, sondern mit Empörung, Dualismus und verstärktem Gruppendenken. Entsprechend habe ich auch etwa in Sizilien beobachtet, dass die Überhitzung dieser für Europa so bedeutenden Insel gerade nicht zu einer breiten, ökologischen Bewegung führt:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-klima-und-wasserkrise-in-sizilien-als-menetekel-fuer-europa/

      Entsprechend besorgt beobachte ich die sogar zunehmende Polarisierung der Welt-Wahrnehmungen in Folge der verheerenden Klimakatastrophe-Feuer in Los Angeles. Auch das Haus des weltweit bekannten Schauspielers James Woods entging nur knapp den Flammen – was ihn jedoch nicht daran hinderte, seine Leugnung der Klimakrise noch zu verschärfen:

      “Woods hatte die Klimakrise in der Vergangenheit mehrfach geleugnet und hält auch angesichts der seit Tagen herrschenden Waldbrände in seiner Heimat an seiner Ansicht fest. Auf der Plattform X behauptete er am Mittwoch: “Das Feuer hat nichts mit der ‘Klimakrise’ zu tun.”

      Stattdessen machte er die beiden Demokraten, den kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom und Bürgermeisterin Karen Bass, für die Katastrophe in Los Angeles verantwortlich. Beide bezeichnete er als “liberale Idioten”. In der Begründung seiner Aussage ging Woods jedoch nicht auf die Gründe für die schnelle Ausbreitung des Feuers ein, sondern kritisierte stattdessen vermeintliche Fehler und deren Bekämpfung. Er warf Newsom und Bass vor: “Der eine hat keine Ahnung von Brandbekämpfung und die andere kann die Wasserreservoirs nicht füllen.”

      https://www.t-online.de/unterhaltung/stars/id_100571012/james-woods-weint-um-haus-doch-es-kommt-zum-wunder-.html

      Ich würde mir daher wünschen, dass wir auch in Deutschland mehr üben würden, über die oft ermüdende Parteipolitik hinaus zu denken. Wir sind eine mittelgroße, wegen Kindermangels längst schrumpfende Gesellschaft auf der eurasischen Halbinsel des Westens. Noch immer können wir einiges bewirken, aber die Welt – und gerade auch die Amerikas, der Nahe und Mittlere Osten – warten auch nicht gerade auf Belehrungen von uns.

      Ich gehe Stand heute davon aus, dass Historikerinnen und Historiker der Zukunft mit den Wahlen von Dr. Angela Merkel und Barack Hussein Obama zugleich Höhe- und Wendepunkt der liberalen Demokratien beschreiben werden.

      Jetzt geht es darum, dass wir so viele Errungenschaften der freiheitlichen, gewaltenteiligen und sich auch wissenschaftlich informierenden Demokratien wie möglich gegen das anstürmende Zeitalter der digitalen Thymokratien verteidigen. Ich erlebe ja schon täglich selbst, wie schwer das ist, wieviel Hass und Hetze gerade auch von Antisemiten und Trump-MAGA-Dualisten bereits ausgekübelt werden. Aber ich halte dagegen stand, denn es geht um viel, sehr viel.

      Darüber hatte ich gerade gestern mit Prof. Ince in Folge 31 von “Blume & Ince” gesprochen:

      https://www.youtube.com/watch?v=T2X_ov4YuFs

      Ihnen herzlichen Dank für unsere tiefen, konstruktiven und immer wieder neu um Verstehen ringenden Dialoge, liebe @Marie H.! 🙏😊📚🎶🖖

      • Vielen Dank für die erklärenden Antworten.

        Spannend, welche philosophischen Stimmen des 20. Jahrhunderts die für Sie bedeutendsten sind. Zumindest sind mir alle ein Begriff. Allerdings weiß ich kaum etwas über die Philosophie von Paula und Martin Buber.

        Was mich beim Thema Söder eigentlich beschäftigt ist die Frage nach der Rolle der Wählerinnen und Wähler. Gerade auch im Hinblick auf die von Ihnen ins Spiel gebrachte Thymotisierung. Ich verstehe es einfach nicht, warum eine Mehrheit populistisches Verhalten goutieren sollte. Mir ist natürlich bewusst, dass Wahlentscheidungen häufig auf einer emotionalen Basis getroffen werden. Das ist keine Kritik, sondern eine Frage, die mich umtreibt.

        Die Situation rund um die Brände in Los Angeles ist verheerend. Auch aus dem Grund, weil über Social Media Lügen verbreitet werden, die dann zwar von den Verantwortlichen richtiggestellt werden, aber dennoch von zu vielen Menschen geglaubt werden.

        Ich hätte nie gedacht, dass unsere Demokratie so schnell so gefährdet sein könnte. Es lohnt sich um ihren Fortbestand zu kämpfen. Das Verbotsverfahren gegen die AfD wurde ja leider zu lange hinausgezögert.

  9. Das verrückte ist ja, dass jedes Leben Energie in Form von Nahrung und Temperatur benötigt.
    Nennt man Existenzbedürfnisse.
    Wir versuchen sie zu regeln. Betrifft alles und jeden.

    Irre, was wir daraus gemacht haben!

    • Ja, @Mussi – und Ihre Beobachtung dazu ist auch ganz und gar nicht trivial!

      Meine Leitthese “Zeit emergiert, aber wiederholt sich nicht” bezieht sich ja genau darauf: Alles Leben hat sich gegen Entropie zu verteidigen. Es evolvieren also chemische, biologische, kulturelle und geistige Systeme, die sich immer wieder reproduzieren müssen – ohne zu erstarren.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/harte-vs-weiche-wissenschaften-warum-die-blogosph-re-emergenz-verstehen-sollte/

      In der neuen Folge 31 von “Blume & Ince” zeige ich das Beispiel eines steinernen Skarabäus aus einem nubischen Dorf bei Assuan. Für die alten Ägypterinnen war dies ein “heiliges Tier”, das sich durch das Rollen der Sonnenkugel symbolisch an der Erhaltung der kosmischen Zyklen beteiligt. Wir heutigen Deutschen sprechen dagegen nur herablassend vom “Mistkäfer”. Ein Beispiel für einen wirklich misslungenen Säkularisierungsprozess…

      • @ Blume

        Ich habe in den 80’ern Abi gemacht. Hatte Leistungskurse in Geschichte und Biologie. Musste innerhalb von 5 Minute von Genetik in Rassenlehre, Verhaltensbiologie in Ideologie und Biochemie in Nahrungssicherheit wechseln.
        Das hat mich dazu gebracht, Abstand, den Sie auch haben, zur Realität um mich herum einzunehmen.
        Alles Gute für Ihre 2025-These!
        Ihr wirklich merkwürdigster Satz ist: ” Mut haben, sich von Ideen zu verabschieden!”

  10. Anstatt eine Links-Rechts Polarisierung braucht Europa ein Einstehen für Demokratie und für eine florierende Wirtschaft
    Europa wird europafeindlich: Europa wird (wieder) von völkisch-rechten und teilweise antidemokratischen Bewegungen und Parteien zugeschwemmt, Bewegungen, die zudem sehr häufig Sympathien für Putin und Antipathien gegenüber Europa haben. Es ist eben nicht nur Ungarn, sondern auch Italien, Frankreich, Österreich, Deutschland, wo ein wachsender Bevölkerungsanteil nicht mehr viel von Europa und der Demokratie hält und wo erstaunlich viel Verständnis für Putin existiert.
    Wirtschaftliche Schwäche begünstigt das Völkische: Ich behaupte die jahrzehntelange wirtschaftliche Schwäche in Italien und Frankreich, erkennbar auch am steigenden Schuldenstand begünstigt „völkische“ Bewegungen dort. Auch die jetzt schon 3 Jahre anhaltende Rezession in Österreich und die jetzt beginnende Deindustrialisierung Deutschlands begünstigt völkisches Denken. Ein Denken übrigens, das im deutschsprachigen Raum auf eine sehr lange Geschichte zurückblicken kann und das nie ganz weg war. Gemäss meiner Lektüre sind etwa Grussformen aus der austrofaschistischen Vergangenheit und auch zugehörige Verhaltensweisen in Österreich nie wirklich verschwunden.
    Kurzum: Wenn Europa nicht zu wirtschaftlicher Stärke zurückfindet, wird es politisch regressiv werden und das völlig unabhängig davon, was Linke darüber denken.

    • Vielen Dank, @Martin Holzherr 🙏

      In der auch emotionalen Sorge bin ich da ganz bei Ihnen, würde die Problembeschreibung jedoch um ein wesentliches Themenfeld erweitern: Die Demografie.

      Denn mit einer Geburtenrate von 1,4 bis 1,5 liegt die Bundesrepublik Deutschland derzeit etwa im Mittel der Europäischen Union – und damit viel zu niedrig. Wir sprechen hier von einer Schrumpfung der einheimischen Bevölkerung von 30 – 40% – pro Generation! Woher soll da bitte Wirtschaftswachstum kommen – und wohin soll es gehen?

      Wer soll immer mehr Autos produzieren – und kaufen? Wer soll immer mehr Kredite aufnehmen – die Erben? Wer soll immer mehr Unternehmen gründen – für welche Kundinnen und Kunden?

      Kurz: Ein ewiges Wirtschaftswachstum erscheint mir angesichts einer Bevölkerungsimplosion als unmöglich. Gerade auch wir Deutschen haben bereits Jahrzehnte damit verbracht, unsere Überschüsse etwa an Autos in alle Welt zu exportieren – und erleben jetzt, dass auch etwa China uns überflügelt, gerade auch mit neuen Technologien und Elektrofahrzeugen.

      Und klar sollen wir auch durch Zuwanderung unseren “Arbeitskräftebedarf” decken – sogar Japan hat nach jahrzehntelanger Blockade damit angefangen. Nur erleben genau das dann eben leider sehr viele Menschen als Ersetzt-werden, verschwörungsmythologisch, antisemitisch und rassistisch als “Bevölkerungsumtausch” bzw. “Great Replacement”. Auch Elon Musk hat genau dies befeuert – und streitet sich schon jetzt mit rechten US-Rassisten über weitere Visa für Fachkräfte:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/engen-der-zeit-drei-gruende-fuer-das-globale-anwachsen-von-rechtsextremismus-und-antisemitismus/

      Fossile Lobbyisten haben Deutschland schwer geschadet, indem sie für ihren kurzfristigen Shareholder-Value-Profit sowohl die Solarindustrie wie auch die Batterietechnologie aus dem Land getrieben haben. Parallel dazu wurde auch noch an der Infrastruktur gespart, denn Wahlen werden auch in Deutschland viel stärker über Renten- und Sozialleistungen als über Investitionen gewonnen. Und jetzt brechen sowohl Brücken und Bahnstrecken wie die alten Märkte nicht nur der Verbrennermotor-, sondern auch der Zulieferindustrie zusammen. Und trotz dieser Deindustrialisierung und Zerstörung ganzer Berufszweige durch die vor allem US-amerikanisch dominierte Digitalisierung und KI-Entwicklung fehlt es in Deutschland weiterhin an Pflegekräften, Ärztinnen, Lehrern, Zugschaffnerinnen usw.

      Also, ja, lieber @Martin Holzherr – Wirtschafts- und Energiepolitik sind riesige Themen. Aber angesichts der demografischen Bevölkerungsimplosion und entsprechend erschwerter Integration sehe ich nicht, wie “Europa zu wirtschaftlicher Stärke zurückfindet”, ohne sich endlich auch der demografischen und klimatischen Situation zu stellen. In schrumpfenden Gesellschaften inmitten einer zunehmend überhitzenden Mitwelt ist der Traum vom ewigen, unbegrenzten Wirtschaftswachstum schlichtweg irreführend. Die Ökonomie ging auf das griechische oikos = Haus zurück. Und genau dort finden auch heute noch die eigentlichen Zukunftsentscheidungen statt.

      • D muss nicht den (Zitat) „ Traum vom ewigen, unbegrenzten Wirtschaftswachstum“ erfüllen, sondern nur seine Position weit vorn bei hochqualifizierter Arbeit und Technologie halten. Denn wenn es das nicht schafft, dann wird es nicht nur nicht wachsen, sondern es wird schrumpfen, es wird weniger erwirtschaften obwohl immer mehr Menschen von Pensionen und Bürgergeld leben und die Gesundheitsausgaben jährlich stärker steigen als das BIP.
        Kurzum: die einzige Chance für D ist ein höherer Automatisierungsgrad und eine positivere Einstellung zu KI und neuer Technologie. Positive Einstellung bedeutet die neue Technologie für Wirtschaft und Gesellschaft nutzen und geistig nicht im 20. Jahrhundert verharren.

  11. Zum Thema Meinungen
    Entweder jemand weiß etwas oder nicht. Entweder ein (vermeintlicher) Sachverhalt lässt sich rational analytisch – argumentativ begründet – vortragen oder nicht. Es muß vollkommen gleichgültig sein, wer logisch Nachvollziehbares, Überprüfbares äußert, ob das – gemäß Zeitgeistideologien – ein so genannter Rechter oder Linker, ein Konservativer oder Alternativer (was das auch immer derzeit bedeuten mag) ist. Selbst wenn ein Ideologe in 99% seiner Ansichten nachweislich falsch liegt, bedeutet das nicht, dass er/sie “mal” etwas Sinniges, Richtiges, Nachweisliches äußert.

    Wer Aussageinhalte ideologisiert-meinungsorientiert per se als nichtig und falsch klassifiziert respektive diese pauschal ignoriert, hat in einer ergebnisoffenen Welt keinen Platz.

    Die rational-analytisch begründete Forderung ist einfach formulierbar: Ausnahmslos alle Aussagen, von wem auch immer, über was auch immer, sind stets diszipliniert und methodisch auf Konsistenz, Logik, empirischer Herkunft etc. zu untersuchen.

    • Ja, @Dirk Freyling – dazu Zustimmung.

      Auch Sie werden erlebt haben, dass wir beide (oder auch z.B. @Lars und ich) in vielen weltanschaulichen Fragen auseinanderliegen. Dennoch ging ich gerne und auch immer wieder auf Ihre Drukos ein und habe dabei zigfach versucht, Übereinstimmungen wie auch Unterschiede zu benennen. Selbst wenn Sie ständig nur Schrott gepostet hätten (was nicht der Fall war), so wäre es ja dennoch möglich, dass Ihr nächster Kommentar faszinierende Erkenntnisse enthielte.

      Es geht also ganz genau NICHT darum, dass “alles relativ” sei, sondern dass wir alle die Möglichkeit haben, uns in intersubjektiv überprüfbarer Weise der einen, komplexen Wirklichkeit zu nähern. Deswegen suche ich sehr bewusst immer wieder auch den Dialog mit Andersdenkenden und Andersglaubenden und achte auch darauf, dass meine Teams persönlich und demokratisch vielfältig besetzt sind.

      Ich mache mir überhaupt keine Illusionen darüber, dass es mir gelingen könnte, alle Menschen von meiner Haltung zu überzeugen. Das ist nicht möglich und eigentlich auch nicht wünschenswert, denn auch ich “besitze” die Wahrheit ja nicht. Was ich jedoch tun kann, ist immer wieder danach Ausschau zu halten, von wem ich was lernen kann. Mein Interesse an und mein Respekt vor anderen Menschen ist also keine Inszenierung, sondern entspringt tiefer, dialogisch-monistischer Überzeugung.

      Und das Gleiche gilt für meinen Dank.

      Und der gilt für diesen Druko auch Ihnen.

  12. @Michael 12.01. 14:34

    „In schrumpfenden Gesellschaften inmitten einer zunehmend überhitzenden Mitwelt ist der Traum vom ewigen, unbegrenzten Wirtschaftswachstum schlichtweg irreführend.“

    Allein der Arbeitskräftemangel verhindert doch nachhaltig jede Idee, hier irgendwie den Umsatz zu steigern. Selbst die Idee, die Vermögenden endlich mal maßgeblich an der Steuerlast zu beteiligen, kann nicht zu mehr Beschäftigung führen. Weil hier die Leute für fehlen.

    Wenn hier die ärmeren Menschen dann mehr Geld haben, und die Reichen weiter munter konsumieren, dann fehlen hier schnell noch mehr die Arbeitskräfte als jetzt schon, und es heizt dann nur die Inflation an.

    Mehr Klimaschutz, mehr Aufrüstung, mehr Nachwuchs und weniger Zuwanderung muss mit den zur Verfügung stehenden Arbeitskräften auskommen. Es muss hier irgendwo weniger konsumiert werden, wenn wir hier entsprechend in unsere Zukunft investieren wollen.

    Ok, wir haben konkret in Deutschland immer noch einen Exportüberschuss. Wir können weniger Exportieren und mehr Importieren, insbesondere chinesische PV-Module, Lithiumakkus und ganze Elektrofahrzeuge. Und der Arbeitskräftemangel betrifft nicht die ganze EU. In Frankreich oder Italien sieht das wohl weniger drastisch aus.

    Auch ein zunehmendes Florieren der Wirtschaft in Osteuropa kann manche Arbeitsmigranten motivieren, Deutschland wieder zu verlassen. Da müssen wir dann auch noch mit klar kommen. Wenigstens entschärft das dann aber die prekäre Lage auf dem Wohnungsmarkt in vielen Städten.

    Ist das jetzt links oder rechts? Vielleicht müssen wir uns wirklich von diesem Denken verabschieden. Und uns ganz konkreter Politik inmitten einer ganz konkreten begrenzten Welt zuwenden. Das Klimaproblem und die Energiewende, die dieses Problem lösen kann, ist rein faktisch. Das kann man nicht wegdenken, hier muss man handeln. Durch den Austausch von Technik, aber insbesondere auch Handeln durch Unterlassen von Verschwendung.

    • Danke, @Tobias – da bin ich ganz bei Dir!

      Ich erlebe immer wieder, dass viele Rechte die Auswirkungen der Klimakrise verleugnen wollen – und viele Linke sowie Liberale die Auswirkungen der Demografie. “Es gibt doch weltweit genug Menschen!” und “Der Markt regelt auch das.” kann wirklich nur daherreden, wer keine Ahnung von der Bedeutung gewachsener Kulturen und Religionen hat. Gerade “weil” ich Teil einer kinderreichen, interreligiösen und interkulturellen Familie bin, empfehle ich, Bildung, Dialog und Integration nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Es gibt auch da keine Erfolgsgarantie, wenn die eigene Kultur demografisch implodiert.

      Im Interview mit Nils Husmann habe ich dies so formuliert:

      “Was können wir gegen Antisemitismus tun? Wichtig sind natürlich Bildung, Prävention, Strafverfolgung. Manchmal können auch Abschiebungen ein Weg sein. Letztlich ergibt es aber natürlich keinen Sinn, gegen Antisemitismus zu sein und gleichzeitig Antisemitismus zu finanzieren. Doch ich bin Realist geworden. Einfach nur gute Argumente vorzubringen, reicht in einer Demokratie nicht aus, sondern man muss hartnäckig sein und mit Widerstand klarkommen.”

      https://energiewinde.orsted.de/koepfe-der-energiewende/michael-blume-antisemitismus-ressourcenfluch-oel-gas-konflikte-interview

      Entsprechend habe ich durchaus viele Sympathien für Deine Dauer-Predigt vom Konsumverzicht und dem “Unterlassen von Verschwendung”. Gleichwohl geht unsere wirtschaftliche Wachstumsschwäche eben auch darauf zurück, dass immer weniger nachgefragt wird. Ich wünsche mir kein DeGrowth, sondern eine dialogisch-regenerative und technologisch dynamische Kreislaufwirtschaft mit jeder Menge Leistung und Lebenssinn, Genuss und auch Freude. Auch Askese gleitet allzu leicht ins unangenehm Moralisierende ab und befeuert Reaktanz. Wenn mir jemand etwas verbieten will, spüre ich das auch bei mir selbst.

  13. @Michael 12.01. 15:53

    „Ich wünsche mir kein DeGrowth, sondern eine dialogisch-regenerative und technologisch dynamische Kreislaufwirtschaft mit jeder Menge Leistung und Lebenssinn, Genuss und auch Freude.“

    Klar wünsche ich mir genau das auch. Ich rede ja von Verschwendung, die muss nicht sein. Nicht von Verzicht auf wirklich geliebten Wohlstand. Und auch gibt es nicht nur Erwerbsarbeit im Leben, man kann sich auch anderweitig sinnvoll betätigen. Z.B. Kinder großziehen und seine Eltern pflegen, oder sich kulturell betätigen, auch wenn es nicht gelingt, damit zugleich auch Geld zu verdienen.

    Ein tatsächliches DeGrowth wird auch so schnell nicht eintreten, wenn man eben die Ressourcen, die man durch weniger Verschwendung einspart, sofort in Klimaschutz, Aufrüstung und Familienförderung investiert.

    • Danke, @Tobias – das ist richtig, ja! 🙂

      Ein kleiner Beitrag von mir zum Thema Begriffsarbeit – mit der Bitte um Deine Einschätzung:

      Persönlich verwende ich den Begriff Mitweltschutz lieber als Umweltschutz oder gar Klimaschutz. Denn eine “Umwelt” – im Sinne von nichtmenschlicher Natur – und ein Klima wird es nach meiner Einschätzung auf der Erde weiterhin geben. Diese brauchen unseren Schutz nicht. Im Gegenteil: Wir selbst sind es doch, die gerade nicht schützen und bewahren, sondern Leben direkt und indirekt durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe zerstören.

      Was wir jedoch bewahren sollten ist eine Mitwelt mit Temperaturen und biologischer Vielfalt, in der auch wir Menschen überleben, sogar gut leben können.

      Deswegen wirken die Begriffe Umweltschutz und Klimaschutz auf mich leicht vermessen.

      Sind das aus Deiner Sicht nachvollziehbare Gedanken und Empfindungen?

  14. @Michael 12.01. 15:53

    „Gleichwohl geht unsere wirtschaftliche Wachstumsschwäche eben auch darauf zurück, dass immer weniger nachgefragt wird.“

    Hier ist eben weniger Konsum am Werke, ich begrüße das eigentlich sogar. Ich würde sogar dazu aufrufen, hier noch mehr einzusparen, wenn es denn wirklich kein persönliches Problem ist.

    So kann man dann mehr Ressourcen an Geld, Arbeitskraft und Rohstoffen für Klimaschutz, Aufrüstung und Familienförderung einsetzen. Da dies überwiegend auch mit öffentlichen Geldern organisiert werden muss, müsste man dann allerdings noch irgendwo die Steuern erhöhen oder mehr Staatsschulden machen. Wenn man das dann wieder nicht will, dann geht es eben nicht.

    Dann dauert das alles viel länger. Vielleicht zu lange. Dann kann nur noch der Einzelne privat in die Energiewende investieren, und sich dennoch mehr Kinder anschaffen, wenn er denn das Geld dazu hat. Und eine entschiedene Aufrüstung fällt dann aus, und wir müssen dann damit leben, das uns Putin eventuell doch noch angreift, wenn denn Trump wirklich aus der Nato aussteigt.

  15. Für “Links” habe ich meine ganz eigene, simple Definition: (Ich liebe simple Definition, wel ich selber so simpel gestrickt bin)
    “Links” ist es, weder das Recht auf Privateigentum, noch Vertragsfreiheit anzuerkennen;

    “Rechts” ist für mich nicht einfach das Gegenteil von “Links”.

    Rechte schätzen den Wert eines einzelnen Mensch geringer ein, als den der eigenen, gesamten Gruppe. (Rasse, Nation, Volk …);
    und den Wert eines einzelnen Menschen aus einer anderen Gruppe noch geringer, als aus der eigenen Gruppe.
    “Menschenrechte”, also die Rechte eines Menschen, einfach nur weil er ein Mensch ist, ankennen Rechte nicht.

    Das sind für mich die entscheidenden Kriterien

  16. Freue mich sehr über das große und überwiegend konstruktive Interesse an diesem Blogpost und habe auch eine gute Solarpunk-Nachricht dazu.

    Die Stuttgarter Zeitung meldet heute auf Seite 5 (“Baden-Württemberg”):

    Photovoltaik kommt im Südwesten voran

    Der Ausbau der Solarenergie im Südwesten hat weiter an Fahrt aufgenommen. 2024 installierten Privatpersonen, Unternehmen und Kommunen insgesamt 2120 Megawatt an neuer Leistung, wie das Solarcluster Baden-Württemberg in Stuttgart mitteilte. Das sei eine Zunahme von 4,95 Prozent zum Vorjahreszeitraum.

    Tatsächlich erwarte ich bereits für die kommenden Sommer das Problem mit wachsenden Mengen an überschüssigem Solarstrom. Denn nach dem Abwürgen der Elektroauto-Förderung durch den Bund fehlt es in Deutschland an Zigtausenden Fahrzeugbatterien, die – wie wir Blumes es bereits sehr bewusst tun – Mittagsstrom für dunkle Tageszeiten speichern.

    https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/fossiler-wahnsinn-im-alltag-fehlende-elektroautos-kosten-leben-und-zunehmend-steuergeld/

    Sogar noch hilfreicher wäre eine schnellere Entwicklung von Batteriespeichern und Anlagen für “grünen Wasserstoff”, die überschüssigen Solarstrom in Reserven auch für Dunkelflauten verwandeln könnten. Aber ich möchte hier nicht meckern, sondern einfach anmerken – auch, wenn noch vieles nicht rund läuft, so geht die post-fossile Transformation doch voran!

  17. Danke für diesen sehr erhellenden wie auch höchstpersönlichen Blogartikel. Mein Weltsicht wäre positiver, wenn ich jeden Morgen solche Beiträge lesen könnte – auch an vielen anderen Stellen im Netz.

    Wenn ich auch mit ihren Begrifflichkeiten noch immer etwas im Unklaren verharre – was nicht ihre Schuld ist, sondern meiner denk-geschichtlich anderen Herkunft geschuldet sein dürfte – sehe ich trotzdem etliche, ja praktisch überwiegend inhaltliche Übereinstimmungen.

    Schon früh in den Achtzigern konnte ich nicht viel mit dem “klassischen” Links-Rechts-Schema anfangen, weil ich mich dort nie stabil verorten konnte. In Diskussionen in Freundes- und Cliquenkreisen war ich meist der linke Konservative, der progressive und oft ordnungspolitisch strenge liberale Positionen vertrat. Mit dergestalten Widersprüchlichkeiten im Gesellschaftsbild stieß ich allermeist auf Ratlosigkeit, weil mich niemand als auf seiner Seite stehend wahrnehmen konnte. Wenn ich mich dann noch als aufgeklärten Idealisten (ja, Kant…) mit gewissem Hang zu Rigorismus in Bezug auf den Primat der Vernunft im Denken und Handeln bezeichnete, schien meist Hopfen und Malz verloren zu sein. Und dann sind mir auch noch gewisse anarchische Tendenzen nicht ganz fremd, ok ok. Ich hätte also niemals in eine Partei gepasst, und mindestens das hat sich bis heute nicht geändert.

    Das waren natürlich interessante Jahre, heute allerdings gelingen selbst solche persönlichen Auslotungen nicht mehr sicher. Auch diese Begrifflichkeiten funktionieren nicht mehr zuverlässig. Ob an deren Stelle andere treten mögen, lasse ich einfach offen. Es ist im Grunde egal, denn wichtig ist, – ich schließe den (meinen) Kreis zu ihrem inhaltlichen Hauptpunkt – dass Probleme erkannt, besprochen, diskutiert und am Ende zum größtmöglichen Nutzen Aller gelöst werden müssen. Und das geht nur in dialogischer Form. Alle Beteiligten müssen an einem Tisch sitzen und ver–handeln können. Und sie alle müssen ihre Emotionalität und gleichzeitig ihre Vernunftbasiertheit einbringen.

    (Ich schließe hier mal, denn mir tritt gerade mein Idealismus schon wieder zu sehr ins Vorfeld… ,-))

    • Herzlichen Dank für Ihren “nachbohrenden” Kommentar, @Boris

      Zwar möchte ich mir keine “Ferndiagnose” zu Ihrer politisch-psychologischen Geschichte anmaßen, doch ich könnte mir vorstellen, dass die Unterscheidung zwischen Individualismus und Kollektivismus Ihren Gedanken weiterhelfen könnte. Denn wenn wir dem Links-Rechts-Schema durch die Jahrhunderte folgen, so bleibt doch immer auch das Spannungsverhältnis zwischen den individuellen Freiheitsrechten und der angestrebten Ordnung erhalten. So erkannten auch Liberale den Bedarf an Parlamentsarmeen an, lehnten aber die parteipolitischen Hemdfarben oder sogar Uniformierungen ab, die sich sowohl auf Seiten der politischen Rechten und Linken etablierten. Mir scheint, dass auch Sie einerseits Argumente der verschiedenen Traditionen für sich annehmen können, aber keinesfalls in ein Kollektiv eingereiht werden wollen, auf Ihrer intellektuellen Individualität und damit auch Integrität bestehen wollen.

      Vielleicht ist dieser KI-Überblick von Felo.ai zum besagten Spannungsverhältnis zwischen Individualismus und Kollektivismus quer durch die politischen Milieus für Sie anregend oder gar hilfreich?

      Das Spannungsverhältnis zwischen *Individualismus* und *Kollektivismus* ist ein zentrales Thema in politischen und gesellschaftlichen Debatten. Es zeigt sich in unterschiedlichen Ausprägungen bei Progressiven, Liberalen und Konservativen, da jede dieser Strömungen eigene Prioritäten und Werte hat. Im Folgenden wird dargestellt, wie dieses Spannungsverhältnis in den jeweiligen Denkrichtungen interpretiert und ausbalanciert wird.

      ## **Progressive Perspektive**
      Progressive Strömungen neigen dazu, Kollektivismus stärker zu betonen, insbesondere in sozialen und wirtschaftlichen Fragen. Gleichzeitig erkennen sie die Bedeutung individueller Rechte an, was zu einem Spannungsverhältnis führt.

      – **Kollektivismus**: Progressivismus legt großen Wert auf soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität. Dies zeigt sich in Forderungen nach Umverteilung, staatlicher Regulierung und der Förderung von Minderheitenrechten. Der Fokus liegt darauf, gesellschaftliche Strukturen zu schaffen, die das Wohl der Gemeinschaft fördern, auch wenn dies individuelle Freiheiten einschränken kann (z. B. durch progressive Steuerpolitik oder Klimaschutzmaßnahmen)[2][3].

      – **Individualismus**: Gleichzeitig betonen Progressive individuelle Rechte, insbesondere in kulturellen und sozialen Fragen wie LGBTQ+-Rechten, reproduktiver Freiheit oder Meinungsfreiheit. Hier zeigt sich ein Spannungsverhältnis, da der Schutz individueller Freiheiten manchmal mit kollektivistischen Zielen kollidiert, etwa wenn kulturelle Normen oder wirtschaftliche Interessen betroffen sind[3][4].

      **Beispiel**: Die Klimapolitik illustriert dieses Spannungsverhältnis. Progressive fordern oft kollektive Maßnahmen wie CO₂-Steuern oder Tempolimits, die individuelle Freiheiten einschränken können, um das Gemeinwohl zu fördern. Gleichzeitig wird betont, dass individuelle Lebensstile respektiert werden sollten, was zu Konflikten führt[2].

      ## **Liberale Perspektive**
      Liberale Strömungen versuchen, ein Gleichgewicht zwischen Individualismus und Kollektivismus zu finden, wobei der Schwerpunkt traditionell auf individueller Freiheit liegt.

      – **Individualismus**: Liberale betonen die Autonomie des Einzelnen, insbesondere in Bezug auf persönliche Rechte, wirtschaftliche Freiheit und Meinungsfreiheit. Sie argumentieren, dass eine freie Gesellschaft auf der Selbstbestimmung des Einzelnen basiert und dass staatliche Eingriffe minimiert werden sollten, um Innovation und persönliche Entfaltung zu fördern[3][4].

      – **Kollektivismus**: Gleichzeitig erkennen Liberale an, dass kollektive Maßnahmen notwendig sind, um soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit zu gewährleisten. Dies zeigt sich in der Unterstützung von Bildung, Gesundheitsversorgung und sozialen Sicherheitsnetzen. Das Spannungsverhältnis entsteht, wenn kollektive Maßnahmen als Eingriff in die individuelle Freiheit wahrgenommen werden, etwa durch Regulierungen oder Steuern[1][3].

      **Beispiel**: Die Debatte über Datenschutz und Technologie zeigt dieses Spannungsverhältnis. Liberale unterstützen individuelle Privatsphäre, erkennen aber an, dass kollektive Regeln notwendig sind, um Missbrauch durch Unternehmen oder Staaten zu verhindern[3].

      ## **Konservative Perspektive**
      Konservative Strömungen betonen traditionell die Bedeutung von Gemeinschaft und Ordnung, was eine kollektivistische Ausrichtung impliziert. Gleichzeitig verteidigen sie individuelle Freiheiten, insbesondere in wirtschaftlichen und kulturellen Fragen.

      – **Kollektivismus**: Konservative betonen oft die Bedeutung von Tradition, Familie und nationaler Identität. Diese Werte fördern den sozialen Zusammenhalt und stellen das Kollektiv über individuelle Interessen. Dies zeigt sich in der Unterstützung von Maßnahmen, die kulturelle oder religiöse Normen schützen, auch wenn sie individuelle Freiheiten einschränken (z. B. in der Familienpolitik oder bei Einwanderungsfragen)[4].

      – **Individualismus**: Gleichzeitig verteidigen Konservative wirtschaftliche Freiheit und Eigentumsrechte. Sie lehnen staatliche Eingriffe in den Markt ab und betonen die Verantwortung des Einzelnen, für sich selbst zu sorgen. Das Spannungsverhältnis zeigt sich, wenn kollektive Werte wie nationale Sicherheit oder kulturelle Einheit mit individueller Freiheit kollidieren[3][4].

      **Beispiel**: Die Debatte über Meinungsfreiheit und kulturelle Sensibilität zeigt dieses Spannungsverhältnis. Konservative verteidigen oft die Meinungsfreiheit, auch wenn sie kontroverse oder polarisierende Aussagen schützt, während sie gleichzeitig kollektive Werte wie nationale Identität oder religiöse Normen betonen[4].

      ## **Vergleich der Perspektiven**

      | **Strömung** | **Individualismus** | **Kollektivismus** |
      |——————–|——————————————————|—————————————————|
      | **Progressive** | Schutz individueller Rechte (z. B. LGBTQ+, Abtreibung)| Soziale Gerechtigkeit, Umverteilung, Klimaschutz |
      | **Liberale** | Wirtschaftliche und persönliche Freiheit | Chancengleichheit, soziale Sicherheitsnetze |
      | **Konservative** | Wirtschaftliche Freiheit, Meinungsfreiheit | Tradition, Familie, nationale Identität |

      ## **Fazit**
      Das Spannungsverhältnis zwischen Individualismus und Kollektivismus zeigt sich in allen politischen Strömungen, jedoch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Während Progressive stärker auf kollektive Maßnahmen zur Förderung von Gerechtigkeit setzen, betonen Liberale die Balance zwischen individueller Freiheit und kollektiven Bedürfnissen. Konservative hingegen priorisieren kollektive Werte wie Tradition und Ordnung, während sie wirtschaftliche Freiheiten hochhalten. Dieses Spannungsverhältnis bleibt ein zentraler Punkt politischer und gesellschaftlicher Debatten.

      [1] https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-123451
      [2] https://substack.com/home/post/p-139845985?utm_campaign=post&utm_medium=web
      [3] https://fastercapital.com/de/inhalt/Liberalismus–Individuum-vs–Kollektiv–Das-Tauziehen-des-Liberalismus-im-Arrow-Theorem.html
      [4] https://www.hsu-hh.de/individualismus-und-kollektivismus
      [5] https://fastercapital.com/de/keyword/1-individualismus.html
      [6] https://blog.eidam-und-partner.de/kollektivist-oder-individualist-kulturelle-unterschiede-beim-gruppenverhalten/
      [7] https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783748920526.pdf?download_full_pdf=1&page=37
      [8] https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Individualismus
      [9] https://www.kas.de/documents/252038/253252/7_dokument_dok_pdf_51474_1.pdf/b383ee41-d45d-634e-265b-9312497a3865
      [10] https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/169567/das-individuum-und-die-proletarische-kollektivitaet-unversoehnliche-gegensaetze/
      [11] https://www.kas.de/de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/politik-und-ich
      [12] https://www.peterlang.com/document/1095485

  18. Die Definition für “Links – Rechts“ wird dann schwierig, wenn sie zusätzlich auch noch „National – International“ berücksichtigen soll.

    Rechts – Links, bezog sich auf die grundsätzliche Organisation der Wirtschaft. Einerseits die traditionelle freie Wirtschaft auf Basis von Angebot und Nachfrage. Andererseits, man wollte an die Vernunft glauben und Mängel, z.B. Konjunkturzyklen, womöglich mit Konflikt folgen, „vernünftig und planmäßig“ in einer „Planwirtschaft“ vermeiden und gleichzeitig einen Ausgleich zwischen „Arm und Reich“ ermöglichen….

    Viele Intellektuelle, auch bei uns, haben an die „Vernunft“ geglaubt, man könne „planmäßig“ die Zukunft gestalten.

    In Russland hatte die „Zarrenwirtschaft“ abgewirtschaftet. Sie hatten nichts mehr zu verlieren und mussten als „Versuchskarnickel“ für die Realisierung der Thesen von Karl Marx herhalten.

    Heute wissen wir, der Kommunismus ist wegen „innerer Widersprüche“ und auch der westlichen Mentalität (Wettbewerb) zusammengekracht. Mangels freiem Markt haben sich die Leute die Preisrelationen, z.B. polnisches Obst – russisches Gas aushandeln mussten, auf absurde Weise völlig zerstritten…..

    Danach kam es zum Nationalismus – Internationalismus.

    Der entartete Nationalismus (Hitler) hat zum Fiasko des WK2 geführt.

    Kriege gab es immer und könnte es aus Auslesegründen immer geben…. Wir haben eigentlich keine Chance, diesem Schicksal zu entkommen???

    Entgegen steht die jüngere Sichtweise: Wegen der höchst effizienten Waffentechnik (A, B, C-Waffen) droht „Ausrottung“.

    Um derartiges zu vermeiden scheint es, dass Politiker/Unternehmer das Konzept der wirtschaftlichen Interdependenz oder wirtschaftlichen Kooperation anstreben. Es basiert auf der Idee, dass Länder durch Handel und Zusammenarbeit wirtschaftlich derart voneinander abhängig werden und dadurch Konflikte minimiert werden können. Allgemeiner Wohlstand würde entstehen wenn alle Länder zu fairen Bedingungen auf einem weltweiten Markt das anbieten, was sie haben, oder gut können….

    Das war Politikern/Unternehmern wie A. Merkel, G. Schröder, Xi Jinping, E. Macron, B. Gates, …. wichtig. Könnte mir vorstellen, dass E. Musk auch derartiges anstrebt.

    Bei diesem Konzept können allerdings, auch unbeabsichtigte Störungen der Handelsverbindungen (Corna, Unglücksfälle,…), große Probleme bereiten. Das Konzept kann natürlich auch „ausgetrickst“ werden.

    Natürlich fällt uns die „Sanktionspolitik“ selber auf den Kopf. Diejenigen, die z.B. 3 fache Öl/Gaspreise kassieren, verdienen. Die eigene Wirtschaft scheint zusammenzukrachen.

    • Vielen Dank für Ihren Kommentar, @Realo 🙏

      Und tatsächlich würde ich Ihnen zustimmen, dass auch eine Unterscheidung von “Links” = Internationalistisch und “Rechts” = Nationalistisch zu kurz griffe.

      Auch die antimonarchistischen, linken Abgeordneten der Französischen Nationalversammlung wurden unangenehm davon überrascht, dass sowohl Frauen wie auch schwarze und versklavte Menschen im damals noch französischen Haiti ebenfalls Gleichberechtigung einforderten. Nach einem Bürgerkrieg mit faszinierenden Biografien wie jener von François-Dominique Toussaint Louverture (1743 – 1803) errang schließlich Haiti 1804 seine Unabhängigkeit. Im gleichen Jahr rief sich der ehemalige Sklave und im Krieg zum General aufgestiegene Jean-Jacques Dessalines (1758 – 1806) zum Kaiser Jacques I. von Haiti aus, wurde aber schon 1806 nach einem Aufstand ermordet.

      Jede, auch jede linke, politische Bewegung muss sich durch eine Unterscheidung von Ordnung und Chaos, von “Wir” und “Anderen” organisieren, was dann wiederum leicht in einen feindseligen, mitunter gewalttätigen Dualismus umschlagen kann. Da die politische Linke den säkularen Nationalstaat forderte und voraussetzte, konnte sie den Internationalismus zwar bisweilen fordern, entfaltete sich aber jeweils national.

  19. @Michael 13.01. 07:23

    „Denn eine “Umwelt” – im Sinne von nichtmenschlicher Natur – und ein Klima wird es nach meiner Einschätzung auf der Erde weiterhin geben. Diese brauchen unseren Schutz nicht.“

    Ganz unabhängig von unserer eigenen Nutzung der Natur leidet diese durchaus auch. Abholzung von Regenwäldern, Korrallensterben durch übermäßige Hitze, Insektensterben durch Gift in der Landwirtschaft oder etwa die Überfischung in den Weltmeeren sind für sich alleine schon zu vermeiden. Hier leidet etwas, nicht nur der Mensch.

    Natürlich ist das alles meistens auch im eigenen Interesse von uns Menschen.

    Umweltschutz mag dann eher die ganze Natur unabhängig von unseren eigenen Interessen meinen, Mitweltschutz betont die eigene menschliche Existenz, die auch florierende Kreisläufe braucht. Zusätzlich hat Mitweltschutz noch eine soziale und auch politische Dimension, finde ich.

    Klimaschutz ist wieder spezieller, hier geht es eben ums Klima.

    Wenn wir alles meinen, können wir Mitweltschutz sagen, wenn wir die Natur unabhängig vom Menschen meinen Umweltschutz, und wenn es speziell ums Klima geht, dann kann auch Klimaschutz die richtige Bezeichnung sein. Oder auch die Energiewende, wenn es um die konkreten Maßnahmen für den Klimaschutz geht.

    Wobei die Energiewende auch noch die Unabhängigkeit von fossilen Autokraten einschließt.

  20. @Michael 13.01. 08:51 / Felo.ai

    „Während Progressive stärker auf kollektive Maßnahmen zur Förderung von Gerechtigkeit setzen, betonen Liberale die Balance zwischen individueller Freiheit und kollektiven Bedürfnissen. Konservative hingegen priorisieren kollektive Werte wie Tradition und Ordnung, während sie wirtschaftliche Freiheiten hochhalten.“

    Was ja ganz gut passt. Hier zeigt sich wohl die große Stärke von KI in Form von LLMs. Wo ganz viel Trainingsmaterial vorliegt, kommt diese KI zu Zusammenfassungen, die wir echt nicht besser machen können. Mehr noch, wir können hier was lernen, was auf einem künstlichen Überblick von wirklich großen Informationsmengen beruht.

    Ich hätte jetzt fast das links-rechts-Thema beiseite gelegt. Es bleibt aber immer noch relevant, wenn man jetzt Felo.ai folgt.

    • Danke für das Interesse und die Rückmeldung, @Tobias 🙏

      Ja, auch in den Fantasy-Diskursen wird ja sehr bewusst zwischen den Dimensionen (a) Rechtschaffend – Neutral – Chaotisch und (b) Gut – Neutral – Böse unterschieden. Die moralische Bewertung setzt schon eine Ordnung voraus. Ohne Spielregeln gibt es kein Spiel.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/philosophische-grund-weltanschauungen-fantasy-dnd-gesinnungen/

      Bisher musste sich eben noch jede politische, auch “progressive” Bewegung organisieren und damit doch wieder eine Unterscheidung von “Wir” und “Die” vornehmen.

      So wurde die französische Frauenrechtlerin Olympe de Gouges (1748 – 1793) von einem “linken” Revolutionstribunal verleumdet und hingerichtet, weil sie die Gleichberechtigung auch der Frauen gefordert hatte. Die männlichen “Linken” empfanden dies als bedrohliche Einmischung. Im noch französisch besetzten Haiti brach infolge der Französischen Revolution sogar ein Bürgerkrieg aus, weil nun auch schwarze und versklavte Männer Gleichberechtigung mit ihren kontinentalen “Brüdern” forderten, die ihnen jedoch noch lange verwehrt wurde.

      Dass auch schon lange zuvor Sokrates durch eine demokratische (damals: rein männliche) Volksversammlung zum Tode verurteilt worden war, hatte ich ja bereits hier zur Diskussion gestellt:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/lieben-demokratien-republiken-die-wahrheit-einspruch-mit-sokrates-spartakus-und-blumenberg/

      Kurz: Auch wenn ich linke Tendenzen zur Isothymia – dem Streben nach Gleichheit – und rechte Tendenzen zur Megalothymia – dem Streben nach Ungleichheit – durchaus anerkenne, eignet sich auch diese Unterscheidung nach meiner Beobachtung nicht für einen Gut-Böse-Dualismus. Eine Gesellschaft völliger Gleichheit würde die Freiheit ebenso vernichten wie eine Gesellschaft völliger Ungleichheit. Freiheit in der Zeit kann sich m.E. nur aus einer Balance von Ordnung und Chaos entwickeln – und das ist ja genau das, was Karl Popper (1902 – 1994) dann mit dem Begriff “offene Gesellschaft” ausdrückte.

      Deswegen macht die Bezeichnung “Liberal” im Sinne einer balancierten Mitte zwischen den Begriffen Links und Rechts durchaus Sinn. Nationalliberale tendierten nach rechts, Sozialliberale nach links, aber sie balancierten dabei doch die Anforderungen von Freiheit – Chaos und Gleichheit – Ordnung. Und wenn sie auch Parlamentsarmeen befürworteten, so trugen ihre Parteimitglieder doch im zivilen, demokratischen Leben keine einfarbigen Hemden oder gar Uniformen.

      Entsprechend der Auseinandersetzung zwischen Ordnung und Chaos bildeten sich auf der politischen Linken die miteinander heftig streitenden Flügel des Marxismus nach Karl Marx (1818 – 1883) und des Anarchismus nach Michail Alexandrowitsch Bakunin (1814 – 1876) heraus. Im späten 20. Jahrhundert begegnen wir dann etwa im Cyberpunk-Rollenspiel Shadowrun dem Anarchosyndikalismus, der nur freiwillige und zeitlich befristete Zusammenschlüsse vorsieht – und dadurch wiederum in die Nähe des Rechtslibertarismus gerät. Denn Freiheit und Vielfalt vertragen sich wiederum nicht mit Gleichheit. In den Schatten gibt es keine Gewerkschaften.

      Wir können also der politischen Linken durchaus eine Tendenz zur Gleichheit bzw. Isothymia zugestehen, der Rechten eine Tendenz zur Ungleichheit bzw. Megalothymia. Aber auch hier erweisen sich die Zuschreibungen als dual, nicht als dualistisch.

      Aus dem gleichen Grund unterscheide ich auch zwischen dem dogmatisch “ordnenden” Monismus des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts und dem heutigen, dialogischen Monismus, der seine Erkenntnisgrenzen anerkennt und also Freiheit und Vielfalt erkenntnistheoretisch bejaht:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/der-deutschsprachige-monismus-nach-ernst-haeckel-martin-buber-und-karl-popper/

      Gleichwohl stimme ich Dir im Hinblick auf Wissen und KI zu: Wenn uns immer mehr Wissen zur Verfügung steht, läuft das faktisch auch auf eine Einschränkung der Meinungsfreiheit hinaus. Denn was wir gesichert wissen können, können wir ja nicht mehr einfach meinen.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/wissenschaft-schmerzt-und-kostet-meinungsfreiheit-zur-debatte-um-die-frage-von-julia-ruhs-br/

      Genau auch deswegen treibt mich die idealerweise dezentrale KI-Struktur auch so um. Ich kann mit Einschränkungen der Meinungen leben, wenn dieser echter, also wissenschaftlicher dialogisch überprüfter Erkenntnis entspringen – zumal jede neue Erkenntnis und neue Technologie auch wiederum neue Freiheiten eröffnet.

      Sollte es aber der digitalen Oligarchie gelingen, das KI-Fediversum zu unterwerfen und die KI-Konstruktionen der Wahrheit zu kontrollieren, dann wäre die thymokratische Kontrolle über “uns” räumlich und zeitlich total. Künftige Thymokraten könnten dann beispielsweise auch diesen Blogpost und Druko-Dialog einfach verschwinden lassen, als hätten sie sich nie ereignet. 🤖

      Genau davor habe ich in der aktuellen Folge von “Blume & Ince” eindringlich gewarnt:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/blume-ince-31-das-ki-fediversum-und-die-digitale-thymokratie/

      So – und wer auch immer tapfer bis hierher gelesen hat, gehört eindeutig zu #derlesendeWiderstand ! 😉📚🤓

  21. @Michael 13.01. 15:44

    „Sollte es aber der digitalen Oligarchie gelingen, das KI-Fediversum zu unterwerfen und die KI-Konstruktionen der Wahrheit zu kontrollieren, dann wäre die thymokratische Kontrolle über “uns” räumlich und zeitlich total.“

    Hier prallen die schlimmsten Befürchtungen auf die größten Hoffnungen. Freie Software von der EU gefördert und von dem Globalen Süden unterstützt, könnte alles abdecken, was wir brauchen. Oder eben die Konzerne, unterstützt von Rechtspopulisten, werden hier die Kommunikation in Raum und Zeit alleine bestimmen, auf unabsehbare Zukunft.

    Die KI besser machen, als es die Konzerne können, dürfte uns dabei helfen, diesen Krieg zu gewinnen. Ich würde es mal mit Zufallszahlen probieren, die auf Quantenrauschen basieren. Erstmal gucken, dass der KI-Betrieb im Training wie im Nutzereinsatz möglichst viele Zufallsprozesse in Form von Zufallszahlen nutzt. Und dann mal ganz genau hingucken, ob hier Zufallszahlen aus Quantenrauschen bessere Ergebnisse erzielen.

    Das dürfte Zugänge zu Geisteswelten öffnen. Und KI geht ja noch weiter. Selbstfahrsysteme sind recht nah an aktiven Raumvorstellungen, humanoide Roboter können sich zwischen uns bewegen, und so die reale Welt erkunden, wie auch allerlei Arbeitstätigkeiten nach und nach erlernen.

    Wenn man das alles mit dem Kulturverständnis der LLMs kombiniert, dürfte da möglicherweise sowas wie künstliches Leben mit künstlichem Bewusstsein herauskommen. Ich würde es unbedingt mal probieren, ob das hier mit dem Quantenrauschen alles besser rund läuft. Und dann die Ergebnisse der konzernbasierten Lösungen überflügelt.

    Und wenn wir Nutzer hier mal aufwachen, und uns lieber mit vernünftigen Plattformen beschäftigen, dann halten wir womöglich auch die Entwicklungen zu radikalen Ansichten auf.

  22. @Michael Blume
    13.01.2025, 17:44 Uhr
    Das war schon ein bischen Textwand 🙂

    Gleichwohl stimme ich Dir im Hinblick auf Wissen und KI zu: Wenn uns immer mehr Wissen zur Verfügung steht, läuft das faktisch auch auf eine Einschränkung der Meinungsfreiheit hinaus. Denn was wir gesichert wissen können, können wir ja nicht mehr einfach meinen.

    Da möchte ich vorsichtig widersprechen. Kann man für kleinkarriert halten, aber das Faktische beschränkt die Meinungsfreiheit erst mal nicht. Ich habe doch das grundsätzlich verbriefte Recht dämlich zu sein? EIner der sympathischen Züge unserer Gesellschaft. Und ich bin froh darüber. Ich BIN nämlich manchmal dämlich und habe dann keine Lust auf Repression …
    Vieleicht denke ich das zu einfach, aber ich kann doch durchaus der Meinung sein ich könne wie Superman einen LKW stoppen. Das ist mein verbrieftes Recht, nur bringt mich dann halt die Wirklichkeit am Ende um.
    Das ist jetzt nicht anzüglich oder so, aber wenn davon die Rede ist, dass das Faktische die Meinungsfreiheit beschränkt kommen mir blitzartig ein paar Vögel der kommunistischen Plattform vor das innere Auge. Die denken wirklich so und begründen damit allerlei Unfreiheit und Unsinn. Das ist mir schon ein paar Mal untergekommen. Wenn Du dann als Linker wie Spock die Augenbraue hochziehst ^^
    Ich habe nur nicht das Recht, dass sich der Rest meiner Mitmenschen Praktisches aus Unsinn gefallen lässt.

  23. @Michael 15.01. 07:41 / Felo.ai

    „Laut der Umfrage glauben 44 Prozent der Befragten, dass sie sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig äußern können, vor allem wenn es um konservative oder rechtspopulistische Ansichten geht.“

    Bei der zunehmenden Polarisierung ist dies nun kein Wunder. Es dürfte hier allerdings vor allem um Widerspruch gehen, nicht etwa um staatliche Meinungsverbote. Die gibt es größtenteils nach wie vor praktisch keine.

    Nur eben Widerspruch, insgesamt vor allem auf persönlicher Ebene im Bekanntenkreis, und auf Internetplattformen aller Art.

    Wobei Widerspruch zu jeder Kommunikation gehört, eigentlich. Wenn hier allerdings einer Fantasie als Fakt verkaufen will, dann ist der Widerspruch dann öfter auch mal heftig. Da kann man auch mal sauer werden. So ist das dann. Also entweder die Reaktion aushalten, oder auch mal den Mund halten bzw. sich vorsichtiger äußern. Mit etwas Diplomatie kommt man öfter besser klar als mit Gepolter.

    Und sich seine eigenen Ansichten etwas besser zu überlegen könnte auch hilfreich sein. Und natürlich gucken, wo man was und von wem im Internet liest. Das wäre jetzt wirklich wichtig.

  24. @Michael 15.01. 20:46

    „Manche Themen kommen immer wieder…“

    Wissenschaftablehnung dreht sich öfter um ganz konkrete Auswirkungen von wissenschaftlichen Erkenntnissen, scheint mir. Die Wissenschaft selbst weiß noch lange nicht genug, dass es langweilig würde, weil man hier nur noch wenig Raum für Meinungen hätte.

    Der Raum des Unbekannten ist m.E. immer noch sehr groß. Ich habe jedenfalls keine Probleme, hier täglich was zu posten, ohne dass ich dafür gesicherte Wissenschaftliche Erkenntnisse ignorieren müsste.

    Wir müssen sogar damit rechnen, dass derzeitige wissenschaftliche Wahrheiten dann doch noch wieder widerlegt bzw. wesentlich umgearbeitet werden. Dennoch ist es natürlich sinnvoll, wissenschaftliche Erkenntnis ernst zu nehmen. Insbesondere solange wir nichts wirklich Besseres haben.

    Darüber hinaus bleibt meistens immer noch sehr viel Freiheitsraum. Nur einzelne Fakten können dann schon sehr schmerzhaft sein, und eben mit Reaktanz beantwortet werden. Besonders destruktiv wird es natürlich, wenn man gleich die ganze Wissenschaft verschwörungsmythologisch verteufelt, nur weil einem was Einzelnes, aber Gravierendes, überhaupt nicht passt.

    Was dann wiederum sogar einfach zum eigenen Geschäft gehören kann. Wenn man etwa von Tabakproduktion oder eben vom Erdölgeschäft lebt. Ich empfehle hier, sich einfach neue Geschäftsfelder zu suchen, und uns Menschen in Ruhe zu lassen und diesen Planeten nicht sinnlos zu beschädigen.

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