Was darf Fantasie? Orkenkinder, Goblinbardin & Solarpunk
Staffel 1 von “Ringe der Macht” hat mich nicht so recht überzeugt, doch der Auftakt von Staffel 2 hat mich sehr gepackt. Wir erleben die Zwergin Disa (Sophia Nomvete) als weise Steinsängerin und erstmals in Tolkiens Welt sehen wir Orks, die sich gegen einen Tyrannen auflehnen, sich Sorgen um ihre Zukunft machen und sogar Familien mit Kindern haben. Als ich mit 15 Jahren einen entsprechenden Versuch als RPG-Spielleiter startete, war das noch gescheitert. Dagegen werden heute etwa im Dungeons & Dragons-Quellenbuch “Monster des Multiversums” (2022) nicht nur Orks, sondern auch Hobgoblins und Goblins als interessante Charaktere zum Spielen und Einfühlen angeboten!
Falls ich jemals eine Fantasy-Geschichte schreiben sollte, so käme sicher eine neutral gute Goblinbardin darin vor.
“Eine Goblinbardin der Hoffnung mit ihrem Song “Macht es doch besser”, Michael Blume mit Leonardo.AI, August 2024
Warum sollte das auch für Nicht-Fans von Fantasy wichtig sein?
Ich finde hier die These von der Fantasiearbeit, von der Mit-Arbeit am Mythos in der Fantastik bestätigt, die mir auch für den Umgang mit Neurodiversität, für Bildung, Wissenschaft und Politik Hoffnung gibt: Indem wir uns idealerweise spielerisch, gemeinsam und konstruktiv mit unseren inneren Bilderwelten auseinandersetzen, entwickeln wir sie weiter und werden schrittweise empathischer, toleranter, freier. Eine neue, allerdings mit N=8 noch sehr kleine Studie fand dafür auch Belege unter Mitspielenden im Autismus-Spektrum. (Mit Dank an Prof. Ince für den Fund & Hinweis!)
So hatte J.R.R. Tolkien (1892 – 1973) in seiner fantastischen Mittelerde-Welt noch die Zwerge als dominant männliche und gierige Juden vorgestellt und sie erst in seinen späteren Texten zu einem guten und vielfältigen Volk entwickelt. In seinem “Hobbit” waren neben Orks (und Orkenkindern) auch noch Goblins und Hobgoblins angelegt, von denen dann aber im “Herrn der Ringe” nur noch männliche Orks blieben, die zu wenig mehr als feindselig-dualistischen Karikaturen des Bösen taugten.
Denn die Erfahrung zeigt eben auch: Spannende Stories brauchen möglichst schnell zu erfassende Konflikte und wer in der fantastischen Erzählung zu schnell vorangeht, “zu politisch korrekt” wird, verliert die Aufmerksamkeit der Fans. Gras wächst nicht schneller, wenn mensch daran zieht.
Hier finden wir sowohl individuelle wie gemeinschaftlich-spielerische Entsprechungen zu Kohlbergs Theorie der Moralentwicklung und den drei kognitiven Grund-Weltanschauungen: Auf der infantilen, präkonventionellen Ebene des egozentrischen Relativismus werden fantastische Kreaturen noch einfach nach ihrem gefälligen Aussehen geordnet – auch etwa Trolle sind gut, solange sie niedlich und wohlmeinend präsentiert werden. Auf der juvenilen, konventionellen Ebene des feindseligen Dualismus werden die Gruppen dagegen klar und auch äußerlich in “gut” (Menschen, Elben) und “böse” (Orks, Trolle) eingeteilt. Und erst in der adulten, postkonventionellen Ebene des dialogischen Monismus entdecken wir, dass wir “gut” und “böse” innerhalb jeder Gruppe, ja sogar in jedem bewussten Lebewesen finden. Das ist natürlich sehr viel anspruchsvoller und riskanter zu erzählen – aber es geschieht zunehmend.
Belegen lässt sich dies im Übrigen nicht nur an den Tolkien-Romanen und dessen Verfilmungen, sondern auch etwa an den Quellen des größten Fantasy-Rollenspiels “Dungeons and Dragons”. Im noch mit Schreibmaschine von Gary Gygax (1938 – 2008) getippten Erstentwurf von 1973 werden die Wesen noch einfach in Rechtschaffend (Law), Neutral und Chaos eingeteilt – was sehr genau der konventionellen Ebene nach Kohlberg entspricht! Menschen konnten dort bereits in allen drei Kategorien gespielt werden. Elfen & Zwerge gab es jedoch nur in Law & Neutral, Orks nur in Neutral & Chaos und Goblins sogar nur in Chaos. Weibliche Charaktere waren noch überhaupt nicht vorgesehen. Es brauchte von diesen aus Militärspielen entwickelten Entwürfen fast ein halbes Jahrhundert, bis auch eine gute Goblinbardin post-konventionell und offiziell denk- und spielbar wurde!
Ungeheuer vernünftig! Eine jugendliche Fantasy-Rollenspielgruppe zwischen konventioneller Ritter- und postkonventioneller Solarpunk-Ästhetik. Michael Blume mit Leonardo.AI
Die gute Nachricht, die Tolkien selbst übrigens gefreut hätte, ist also: Soziale Fantasiearbeit fördert die spielerische, aber auch eben auch empathische und moralische Entwicklung!
Und damit kommen wir also auch schon zum pseudo-rationalistischen Fossilismus in der modernen Politik, der die moderne, vielfältige und post-fossile Welt ablehnt und sich autoritären Ressourcenfluch-Tyrannen wie Wladimir Putin andient. Er wird diesen Sonntag in Sachsen und Thüringen hohe Prozentanteile erreichen. Denn nicht nur organisierte Religiosität, sondern auch säkulare Fantasiearbeit wurde im real existierenden Sozialismus bis 1989 unterdrückt.
Doch mutige Menschen in allen Demokratien treiben die fantastische Entwicklung voran und entwickeln eine hoffnungsvolle Solarpunk-Bewegung, die gegen die noch vorherrschenden, inneren Bilder des Fossilismus rebelliert. Als ich Leonardo.AI auf Englisch um “a Solarpunk against a fossil monster” bat, hatte ich weder das Geschlecht noch die Hautfarbe angegeben. Wie zu erwarten war, empörten sich nicht wenige von rechts darüber, dass die generative KI fossile Technologie als monströs und den Fortschritt dagegen als schwarze und selbstbewusste Frau dargestellt hatte. Aber auch von weit links gab es Stimmen, die umgehend den “Male Gaze” (männlich sexualisierten Blick) der Darstellung sowie das Elektroauto kritisierten – warum sei das kein Fahrrad?
Ressourcenfluch und Ressourcenkurs. Eine Solarpunkerin wendet sich vom Fossilismus ab – Michael Blume mit Leonardo.AI, August 2024
Mich haben diese Debatten umgehend gefreut – denn es waren die Gleichen, die um die erste Darstellung schwarzer Elben in Staffel 1 von “Ringe der Macht” geführt worden waren. Jeder Schritt in der Fantasiearbeit ist umstritten und es ist mir völlig klar, dass sehr viele Heutige nie ein Fantasy-Spiel oder Elektroauto ausprobieren und schon gar keine Goblinbardin spielen oder Solarpunk-Literatur lesen würden. Aber der Trend ist eindeutig und es gibt starke Tendenzen, gegen die konventionelle, fossilistisch geprägte Ästhetik des 20. Jahrhunderts eine post-fossile und post-konventionelle Bilderwelt der Hoffnung zu setzen. Die Widerstände sind stark, doch die Richtung stimmt.
Vielen Dank & ja, @Hans – die „Ich, einfach unverbesserlich“-Serie, in der sich der Antiheld „doch“ bessert, ist ein m.E wunderbares Beispiel für Entängstigung in der filmischen Arbeit am Mythos! (Englisch: Despicable me)
Letztlich wurde hier relativistisches gleich in post-konventionelles Erzählen übersetzt – was klein und groß zu begeistern vermochte!
Selbst Tolkien war ja von der Fülle der Stoffe und Erwartungen schliesslich so beansprucht, dass er „die bösen Völker“ dualistisch und rassistisch vereinfachte. Schließlich konnte man an der Hautfarbe der Wesen ihr Gesinnung ablesen…
Doch Kinofilme und vor allem Filmserien brechen diese Klischees zunehmend auf – und, ja, gerade auch Filme „für Kinder“. Mir scheint, dass durch die Kombination von farbenfrohen Figuren und auch komplexeren Plots und Anspielungen „die ganze Familie“ mitgenommen werden soll.
Klar gibt es dabei auch Flops – die „Harry Potter“-Serie wurde in peinliche Anti-Transmenschen-Diskurse verwickelt, „Captain Marvel“ wirkte zu mächtig und damit auch als Charakter arrogant -, doch insgesamt sehe ich schon auch hoffnungsfrohe, kulturelle Entwicklungen. Und wir alle laufen ja Gefahr, auch selbst bei medialer Überforderung in Stereotype zurück zu fallen.
Das interessiert mich. Kannst du näheres darüber sagen?
Sehr gerne, @Tilmann Schneider
Ursprünglich waren Sozialismus und Kommunismus ja materialistisch-utopische Bewegungen und brachten also eine vielfältige Literatur mit bedeutender Science-Fiction hervor. In der DDR entfalteten sich auch einige Comics, vor allem die Mosaik-Hefte mit den Digedags und später den Abrafaxe, die auch ich auf Besuch bei meinen Großeltern begeistert verschlang und auch heute noch schätze.
Gleichwohl waren Literatur, Film, Kunst und Musik in den real sozialistischen Staaten auch immer wieder durch politische Vorgaben bis hin zu Verfolgungen bedroht und viele der klügsten und kreativsten Köpfe setzen sich in “den Westen” ab. Die lange Unterdrückung von frei und kreativ entwerfbaren Zukunftsbildern gehört nach meiner Überzeugung zu den noch viel zu wenig beachteten Gründen für reaktantes und rechtspopulistisches Wählen auch in post-sozialistischen Gebieten. Wer sich nicht in hoffnungsvolle Zukunftsbilder verlieben konnte, wird leichter für das dualistische Schein-Angebot einer verklärten Vergangenheit zu gewinnen sein. Auch Fantasy als Durchspielen einer konventionellen Romantik stärkt ja gegen allzu plumpe Vereinfachung – und entwickelt sich, wie ich in diesem Blogpost zu erweisen suche.
Kulturell und politisch bedeutsam finde ich zudem noch den rebellischen DDR-Punk, der mit Bands wie AG Geige in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) und Feeling B in Berlin den Zusammenbruch nicht nur der sozialistischen Utopie, sondern auch Staatlichkeit vorwegnahm. Wenn Du dazu nur einen mehrdeutigen, auch verzweifelten und zugleich klar säkularen, freiheitlichen Song mit amerikanischem Sprachspiel anhören magst, dann empfehle ich “Mix mir einen Drink” von Feeling B:
https://www.youtube.com/watch?v=pfDkU1sygV0
In der Bundesrepublik konnte sich dagegen mit Perry Rhodan – inzwischen dem längsten Serienroman der Menschheit! -, zahlreichen Comics und dem Fantasy-Rollenspiel “Das Schwarze Auge” durchaus auch eine vielfältige, deutschsprachige Fantastik entwickeln, wobei die “Soft Power” der US-Kulturindustrie immer prägenden Einfluss ausübte. Auch Tolkiens europäisch-britische Buchreihe vom “Herrn der Ringe” wurde durch das US-amerikanische Dungeons & Dragons aufgegriffen – und wegen Urheberrechtseinsprüchen wurden etwa die Hobbits zu Halblingen. Heute dürfen wir davon ausgehen, dass schon ein einzelnes Computerspiel wie “Baldurs Gate 3” sehr viel mehr vor allem junge Menschen prägt als jedes philosophische Buch. Ich halte Gaming für das neue Leitmedium und sehe mit Interesse auch starke asiatische Einflüsse wie im Cyberpunk, in Animes und Computerspielen wie “Legend of Zelda”.
Knapp zusammengefasst: Ich gehe auch wissenschaftlich davon aus, dass unsere jeweils nur teil-bewussten Philosophien der Zeit (und also auch unser soziales, wirtschaftliches, technologisches, politisches Denken) wesentlich durch die sogenannte Populärkultur geformt werden.
Viele Menschen, in denen im real existierenden Sozialismus das freie Spiel von Zukunftsbildern unterdrückt wurden, erleben jetzt Geburtenmangel, Abwanderung junger Menschen und gleichzeitige Zuwanderung aus anderen Sprachen und Kulturen als existentielle Überforderung.
Vielen Dank für die Erklärung. Jetzt verstehe ich auch besser, wenn manchmal von der “Mauer in den Köpfen” der Menschen im Osten die Rede ist.
Ich wusste auch noch nicht, dass einige Bandmiglieder von Rammstein früher bei Feeling B waren.
Ja, @Tilmann Schneider – und vielen Dank für die ehrlich interessierte Rückfrage!
Die lange Zersplitterung des “Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation” (das weder heilig noch römisch noch ein Reich noch eine Nation war) wirkt leider bis heute in einer weit verbreiteten Ablehnung des deutschsprachigen Bildungsbürgertums gegen “Populärkultur” weiter. An jedem noch so kleinem Fürstenhof versuchte “man” sich vom “Pöbel” und von “Fremdem” abzugrenzen, sofern Letzteres nicht selbst höfisch und “höflich” (!) war.
Dagegen plädiere ich seit Langem auch hier auf dem Blog dafür, Fantasiearbeit auch in der Populärkultur ernst zu nehmen und auch in ihrer Wirkung stärker zu beachten. Über Hoffnung und Freiheit als Sinn von Musik sprach ich erst neulich in meiner Heimatstadt Filderstadt:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/hoffnung-als-sinn-der-musik-eine-interdisziplinaere-these/
Und über generative AI und KI-Kunst diskutieren wir ja auch hier:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/do-something-demokratisierung-als-fantasiearbeit-mit-generativer-ki-kunst/
Mir ist völlig klar, wie schwer es ist, gegen seit Jahrhunderten unbewusst tradierte Einstellungen des Klassismus und Regionalismus aufzuklären. Umso mehr freue ich mich über jeden Erfolg und jede Resonanz! 🙂
Mich interessiert, was Sie in der heutigen Zeit unter dem Bildungsbürgertum verstehen. Mir scheint der Begriff sehr aus der Zeit gefallen.
Mit Interesse las ich Ihre Einschätzung über die DDR und die Unfreiheit. Ich kann mir da kein Urteil erlauben und weiß nur, dass es Zensur bei Texten gab. Andererseits konnten einige Künstler im Westen auftreten.
Die sehr willkürliche Einteilung in E- und U-Musik wurde in den letzten 40 Jahren immer wieder durchbrochen. Mein Interesse für die Oper wurde Anfang der 1980er Jahre durch den Tenor Placido Domingo geweckt. Ich habe ihn im Radio gehört und zwar im Duett mit John Denver “Perhaps love”. René Kollo begann seine Karriere als Schlagersänger. Trotzdem blieb ihm Bayreuth nicht verwehrt. Nicolai Gedda, Fritz Wunderlich und Rudolf Schock nahmen Lieder von Gerhard Winkler auf. Vom “Chianti Lied” finden sich Aufnahmen von Peter Schreier und Peter Seiffert. Das hat keinem geschadet. Ich finde es schade, dass deren Bemühungen um die sog. leichte Musik offenbar vergessen werden. Erwähnen will ich auch noch Robert Stolz, der neben Operette auch für den Film komponierte. Große Namen wie Montserrat Caballe oder Joan Sutherland gehören zu seinen Interpretinnen. Ein Name wie der des Dirigenten Christian Thielemann spricht für sich.
Der von Ihnen erwähnte Regionalismus ist mir nicht ganz klar. So orientierten sich die teutschen Fürsten des 17. Jahrhunderts vornehmlich an Frankreich, besonders am Sonnenkönig. Schloss Ludwigsburg, das Herzog Eberhard Ludwig erbauen ließ, kann das Vorbild Versailles nicht verleugnen. Architektur und Gartengestaltung nahmen sich französische Vorbilder. Preußens König Friedrich II. verfasste ein Opernlibretto in frz. Sprache (“Montezuma”). Herzog Carl Eugen von Württemberg verpflichtete Niccolò Jommelli als Hofkapellmeister, der Sänger, Musiker aus Italien nach Stuttgart engagierte. Die Schlösser ließ der Herzog auch von französischen Künstlern ausmalen. 1752 gestaltete Philippe de la Guêpière das Hoftheater neu. In den 1760er Jahren wirkte dort der Choreograf Jean Georges Noverre. Zumindest auf künstlerischem Gebiet sah man über den Tellerrand hinaus.
Außerdem erhielt das Herzogtum und ab 1806 das Königreich Württemberg durch die dynastischen Eheschließungen mit dem russischen Zarenhaus eine europäische Bedeutung. Zu den Nachfahren von Herzog Friedrich Eugen und Herzogin Friederike Dorothea Sophia von Württemberg, geb. Prinzessin von Brandenburg-Schwedt, zählen die derzeitigen Monarchen des United Kingdom, Spaniens, der Niederlande, Schwedens… sowie in Deutschland beispielsweise Georg Friedrich Prinz von Preußen oder der Chef des Hauses Baden.
Großen Anteil nahm die Stuttgarter Bevölkerung 1913 am dreiwöchigen Besuch des Prince of Wales beim württembergischen Königspaar. Unter anderem besuchte der spätere Edward VIII. die Teck. Sein Großvater mütterlicherseits erhielt 1870 den Titel eines Herzogs von Teck.
Ja, mir ist klar, dass die Stuttgarter Bevölkerung nicht stellvertretend für alle Württemberger taugt. Aber heute noch Klassismus und Regionalismus?
Vielen Dank für Ihre Rückfragen, @Marie H.
Ja, nach einer substanzialistischen Definition von Bildungsbürgertum – etwa nach akademischen Abschlüssen – wäre auch ich selbst ein Teil davon. Mir näher ist jedoch die funktionalistische Definition näher, nach denen die je eigene, formale Bildung als Abgrenzungsmerkmal gegen vermeintlich “Ungebildete” und “fremde Barbaren” (nach einer altgriechischen Bezeichnung für Nicht-Griechischsprechende) eingesetzt wird.
So gab es beispielsweise in Deutschland eine lange Ablehnung der Fotografie, der sogar noch Walter Benjamin (1892 – 1940) attestierte, sie zerstöre die “Aura” gegenüber den einzeln hergestellten Kulturgütern. Meine Gedenkrede für Gerda Taro (1910 – 1937) nach der Schändung ihrer Gedenkstätte in Stuttgart würdigte dagegen bewusst auch eine frühe und m.E. kulturell und medienhistorisch bedeutende Fotografin.
Derzeit führen wir sehr eng vergleichbare Debatten wieder um generative KI und deren Anerkennung als Kunstform – oder als neuer “Todfeind der Malerei” nach der Fotografie. Dazu zitierte ich gerne den @Merzmensch in seinem historisch und inhaltlich überzeugenden Buch “KI-Kunst”, S. 66 – 67:
“Die Kunst demokratisiert sich. Die Schnittmenge von Technologie und Kreativität ermöglicht den Künstler*innen neue narrative Wege, neue Ästhetiken, neue kreative Prozesse. Die Teilhabe an der Weltkultur wächst. Künstler*innen inspirieren ihr Publikum, das zu neuen Künstler*innen wird. Die aktive schöpferische Partizipation geht voran. [..] Und so erleben wir als Zuschauer*innen und direkt Beteiligte den Aufbruch in das neue Zeitalter. Das Zeitalter der kreativen Zusammenarbeit von Mensch und Maschine.”
Die von Ihnen angesprochene Musik und höfische Kultur sind dafür aus meiner Sicht hervorragende Beispiele! Gerade auch im deutschen Sprachraum orientierten sich die Fürsten und Kleinstaaten gerne an der höfischen Kultur etwa aus Frankreich – und bis heute sprechen wir von “höflich”, wenn wir englisch polite oder französisch poli / courtouis meinen. Bis heute gilt es als okay, Taylor Swift zu verehren – aber die Fans von Helene Fischer werden belächelt.
Und für meine Ansprache zum Sinn der Musik musste ich lesen, wieviel bildungsbürgerliche Häme über die Saarländerin Nicole nach ihrem Erfolg beim Eurovision Song Contest 1982 ausgeschüttet wurde. Heute werden auch “wir Schwaben” etwa in Berlin und “Wessis” in den neuen Bundesländern noch oft als klassistisch, regionalistisch und arrogant wahrgenommen.
Mein Plädoyer geht also genau dahin, die bildungsbürgerlich-abwertende Unterscheidung von vermeintlich hochwertiger “ernster Kultur” und vermeintlich minderwertiger “Unterhaltungskultur” aufzugeben und als Kultur anzuerkennen, was Menschen wichtig ist. Gerade auch weil ich meine Heimat mitsamt ihrer Kultur, Musik, Traditionen, Besonderheiten wertschätze, kann ich auch die regionalen und geistigen Heimaten anderer dialogisch-monistisch wertschätzen. Das hat mir etwa auch in der Arbeit mit kurdischen und ezidischen Menschen sehr geholfen, die ja in ihren Herkunftsstaaten Minderheiten innerhalb von Minderheiten sind.
In einem Satz würde ich es so sagen: Jede gewachsene Kultur hat Reichtümer zum menschlichen Leben hervorgebracht, die es Wert sind, entdeckt, wertgeschätzt und weiterentwickelt zu werden.
Aufrichtigen Dank! Ich bin da komplett bei Ihnen, was die kulturellen Schätze von Regionen betrifft.
Es war die Arroganz des Feuilletons, die Nicole 1982 mit Häme übergossen hat. So habe ich es zumindest in Erinnerung.
In der DDR hatte Herbert Roth mit Widerstand u.a. von Journalisten zu kämpfen. Angeblich forderten manche Verantwortliche aus Musik und Kultur, seine Auftritte zu verbieten.
Mit der Gründung der Karlsschule durch Herzog Carl Eugen von Württemberg wollte er auch – ua aus finanziellen Gründen – Sänger, Schauspieler, Musiker aus dem Land ausbilden lassen. Daneben gab es die École des Démoiselles, die für das weibliche Theaterpersonal ähnliches leisten sollte. Dort wurde zum Beispiel die Tochter von Christian Friedrich Daniel Schubart zur Sängerin ausgebildet. Bei einem Besuch des Stuttgarter Hoftheaters hörte sie Johann Wolfgang von Goethe.
Die 1761 gegründete Académie des Arts wurde 1770 der Karlsschule einverleibt. Zu den Studenten der Malerei gehörte Moses Benedict, der später in Stuttgart Bankier war und dessen Sohn Julius als Komponist und Dirigent in London Karriere machte und dort in den Adelsstand erhoben wurde.
Von den an der Karlsschule ausgebildeten Musikern ist Johann Rudolph Zumsteeg zu nennen, der mit Schiller befreundet war und ebenfalls die Ode an die Freude vertonte. Die Tochter Emilie Zumsteeg spielte eine wichtige Rolle im Musikleben Stuttgarts in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Wie ich geschrieben habe: Die meisten Menschen machen heute keinen Unterschied mehr zwischen U und E Musik.
Die Schwaben sind vor allem in Berlin unbeliebt. Ich war mit meinen Kindern vor Jahren in Thüringen im Urlaub und hoffe sehr, dass wir nicht als “Besser-Wessi” wahrgenommen wurden.
Bei dem Zitat “Das Zeitalter der kreativen Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine” habe ich Assoziationen zu “Hoffmanns Erzählungen” von Jacques Offenbach.
Toleranz ist gelegentlich Mangelware und Überheblichkeit wohlfeil. Auch wenn ich kein Fan von Helene Fischer bin, so würde ich deren Fans nicht belächeln. Übrigens auch nicht die von Andrea Berg.
Vielen herzlichen Dank, @Marie H. – erneut hat unser Dialog einiges gebracht! Sie sind hier längst Mit-Bloggerin! 🙂
Gerade habe ich Perplexity.ai gefragt, wie es meine Begriffsdeutungen von Fantasiearbeit und Mit-Arbeit am Mythos erfasst. Die Antwort finde ich schon recht gelungen:
Dr. Michael Blume versteht unter *Fantasiearbeit* und *Mit-Arbeit am Mythos* die aktive und kreative Auseinandersetzung mit Mythen und fantastischen Erzählungen, die weit über bloßen Eskapismus hinausgeht. Diese Konzepte beziehen sich auf die Fähigkeit, durch das Erzählen und Erleben von Geschichten, insbesondere in der Fantastik und in Rollenspielen, komplexe gesellschaftliche und persönliche Themen zu reflektieren und zu verarbeiten.
****Fantasiearbeit****
Fantasiearbeit bezeichnet den Prozess, in dem Menschen durch das Erschaffen und Erleben von fantastischen Geschichten ihre inneren Bilderwelten weiterentwickeln. Diese Auseinandersetzung fördert Empathie, Toleranz und Freiheit, indem sie es ermöglicht, verschiedene Perspektiven einzunehmen und komplexe Themen spielerisch zu erkunden. Blume sieht in der Fantasiearbeit ein Potenzial, gesellschaftliche Herausforderungen wie Antisemitismus oder die Klimakrise zu adressieren und zu bewältigen. Er betont, dass Fantasiearbeit nicht nur eine Flucht aus der Realität darstellt, sondern auch eine Möglichkeit, sich konstruktiv mit der Welt auseinanderzusetzen[1][3].
****Mit-Arbeit am Mythos****
Mit-Arbeit am Mythos, inspiriert von Hans Blumenbergs Konzept der *Arbeit am Mythos*, bezieht sich auf die aktive Beteiligung an der Weiterentwicklung und Neugestaltung von Mythen. In der Fantastik und insbesondere in Rollenspielen wird diese Mit-Arbeit als ein Mittel gesehen, um traditionelle Mythen und Monster neu zu interpretieren und sie in den Dienst einer positiven gesellschaftlichen Entwicklung zu stellen. Blume argumentiert, dass solche Rollenspiele nicht nur zur Unterhaltung dienen, sondern auch helfen können, Verschwörungsmythen zu entlarven und eine differenzierte Sicht auf die Welt zu fördern. Sie bieten eine Plattform, um zwischen guten, monistischen Mythen und schlechten, dualistischen Verschwörungsmythen zu unterscheiden[2][4].
Insgesamt sieht Blume in der Fantasiearbeit und der Mit-Arbeit am Mythos wertvolle Werkzeuge, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern und eine empathischere und aufgeklärtere Gesellschaft zu fördern.
Citations:
[1] https://nachgefragt-podcast.de/2023/12/19/ngf68-spezial-fantasy/
[2] https://bghistorian.hypotheses.org/1727
[3] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/was-darf-fantasie-orkenkinder-goblinbardin-solarpunk/
[4] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/wie-fantastische-rollenspiele-vor-verschwoerungsmythen-schuetzen-zu-gast-bei-ungeheuer-vernuenftig/
[5] https://blog.vielfaltleben.de/2020/06/15/verschwoerungsmythen-und-ihre-auswirkungen-auf-den-sozialen-zusammenhalt/
[6] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/der-deutschsprachige-monismus-nach-ernst-haeckel-martin-buber-und-karl-popper/
Wie geschrieben finde ich diese KI-Auswertung schon recht gelungen, aber noch nicht perfekt: Als Mit-Arbeit am Mythos würde ich auch das konstruktive Predigen und Vortragen, das Schreiben von Texten, Musik und Spielen, das Entwerfen von Bildern, Filmen und Games, die Aufnahme von Podcasts und nicht zuletzt das Bloggen gelten lassen. Die tradierten Mythen werden heute massiv und crossmedial re-inszeniert.
Ich empfehle gerne die DSA Orkland Trilogie und die Sachen aus der Box. Wir haben uns zuerst mit den alten Sachen aus der Orkland Box herum geschlagen. Das war schon an einigen Stellen seltsam. “Das Tal der Blumen” kann für eine “normale” Heldengruppe schon echt strange werden. Wenn man sich Mühe gibt und als Spielrunde Interesse hat kann man da echt was cooles draus machen. Gibt es halt nicht als neue Version, aber ich fand schon die Idee damals Orks aus dem Begleitrauschen als Schlagsietots und AP Lieferanten rauszuholen echt ansprechend. Ist halt alt, aber solange man nicht tot ist hat man Alternativen… Wenn man möchte 🙂
Kann gut gegen Schubladendenken sein. Wenn man möchte …
Kein vorgefertigtes Abenteuer überlebt den Zusammenstoß mit einer Spielgruppe 😉
Zustimmung & vielen lieben Dank, @Uli Schoppe!
Und Zustimmung auch zu den Erfahrungen! 🙂
Unter meinen alten Fantasy-Rollenspielschätzen befindet sich noch eine frühe Ausgabe des aus heutiger Sicht doch recht bizarren Dungeons & Dragons-Materials “The Orcs of Thar” (1988).
Es enthielt bereits die Option von Ork-Charakteren, aber noch kaum im Sinne einer Hinterfragung der dualistischen Mensch-Ork-Konventionen, sondern eher in ihrer “humorvollen” Umkehrung: Es sollte Spaß machen, auch mal “die Bösen” zu spielen. Menschen sollten angegriffen und Goblins und Kobolde buchstäblich ausgeschlachtet werden. Habe es gerne gelesen, aber nach dem Orkenfamilien-Desaster meiner Jugend nie eingesetzt… 🙂
Von der DSA Orkland Trilogie habe ich gehört und denke gerne an glückliche Stunden mit DSA-Spielen und vor allem -Romanen zurück. Nach wie vor bin ich froh, dass sich im deutschsprachigen Raum auch eigene, fantastische Traditionen gehalten haben. Es wäre doch schade, wenn wir in unserer jeweiligen Fantasiearbeit nicht auch daran anknüpfen würden!
Entsprechend schrieb ich auch schon kostenfreie Artikel etwa für “Von bierbrauenden Mönchen und kriegerischen Nonnen. Klöster und Klerus in analogen und digitalen Spielen” bei Kohlhammer oder im wunderschönen “Fabeltiere” von Florian Schäfer, Hannah Gritsch und Janin Pisarek. Freiheit ist immer auch Freiheit zum Spiel und zur Entdeckung, finde ich! 🙂
Also “The Orcs of Thar” haben es gerade mit den bierbrauenden Mönchen und Trinkerbelle auf meinen Toline geschafft (komische Zusammenstellung aber so ist das Leben 🙂 ) Über die Fabeltiere denke ich noch nach, mein Tag ist halt auch begrenzt 😉 Und war auch gerade nicht so auf Lager ^^
Danke für den Tipp! Mal sehen was sich damit machen lässt, “auch mal die bösen” spielen ist in D+D ja prinzipiell von Prinzip her schon mit drinnen, wird aber so in meiner Runde nicht grundsätzlich angesagt, allerdings ist das ein Haufen sehr seltsamer Charaktere da, das könnte was gegebn…
DSA ist halt DSA. Aber sowas wie “typisch deutsch” würde ich da selber nicht drauf kleben (ich denke so hast Du das eh nicht gemeint). Macht mir einfach eine Menge Spass spielerisch mal mit den Möglichkeiten die einem selbst eine doch sehr rigide ständische Gesellschaft noch lässt in jeder Hinsicht zu spielen, vieleicht bekomme ich ja mal wieder jemanden herum 🙂
Aus dem Grund spiele ich selbst auch gerne mal Shadowrun. Da habe ich einen Hang zu Charaktern die eigentlich nicht viel an ihrer Menschlichkeit herumgepfuscht haben. Einen dumpfen bis in die Haarspitzen verchromten Totschläger spielen mach nicht auf Dauer Spass. Finde zumindest ich ^^
Aber kaputt und gebrochen darf man schon sein, Deckard, aber auch die Replikanten (menschlicher als der Mensch oder? 🙂 ) lassen grüßen…
Genau, @Uli Schoppe – mir geht es auch in der Fantastik ausdrücklich nicht um “typisch deutsch”, sondern um die Vielfalt der Sprachen und Kulturen (daher “deutschsprachig”, was ja auch etwa die Schweiz, Österreich, Luxemburg etc.) einschließt. Ich denke, dass die globale Fantastik an Tiefe gewinnt, wenn sie verschiedenste Traditionen aufgreift. So entstammt der Goblin, die Goblinin ursprünglich dem Französischen, was sicher ein Grund für die Abwertung im englischen Sprachraum war und ist. Die neutral-gute Goblinbardin ist ein europäischer Beitrag zum interkulturellen Dialog! 🙂
In den damaligen Debatten auch in meinen Fantasy-Spielgruppen wurde DSA stärker als “Low Fantasy” mit dem Lindwurm als Drachenersatz wahrgenommen, Dungeons & Dragons dagegen eher als “High Fantasy” mit schnellem Stufen- und Machtanstieg, roten, grünen, silbernen, goldenen Drachen. Dafür gab es Mehrheiten, zumal die Tolkien-Bücher.
Eine große Freude war aber auch Shadowrun” und derzeit genieße ich endlich eine DnD-Spelljammer mit Familie & Freunden. Mir gibt all dies auch die Kraft, täglich mit den Ausprägungen des feindseligen Dualismus wie Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus, Sexismus, Ableismus zu ringen.
Einen Guten Morgen, danke für den Interessanten Beitrag!
Vor kurzen sah ich einige Videos, die sich um das Thema des Beitrags drehen, oder artverwandt sind. Ich hoffe deswegen, dass es in Ordnung ist, wenn ich einen etwas ausführlichen Post nun absende. Ich entschuldige mich schon einmal für die Länge.
Es ging dabei vornehmlich um Dune und den Philosophischen Grund Ansatz dahinter. Es wurde auch in einen, ein Minuten Video die Frage aufgeworfen, warum Tolkien Dune selbst nicht mochte. Das Video machte es ziemlich kurz und bündig: Tolkiens Welt ist eine klar in Hell/Dunkel schattiert, mit klaren Gut/Böse Ansichten. Dune ist eine grau gefärbte Welt in der die Machtpolitik im Vordergrund steht und keine klaren Gut/Böse Positionen so richtig möglich sind, da alles relativ ist. Der Schöpfer des Videos ging auch noch darauf ein das die Dualistische Position im Herrn der Ringe deswegen gerne von Nationalen und Fremdenfeindlichen Kräften aufgegriffen wird. Am Ende wird noch kurz die Frage gestellt, welcher Mythos den Menschen wohl mehr bringt, als kleiner Seitenhieb auf Tolkiens Schöpfung.
Also strengte ich meine Grauen Zellen an, den, auch mir gefällt Dune eigentlich nicht und ich kann nicht sagen, wieso genau. Hat Tolkien eine Dualistische Welt geschaffen und war es die Messias Kritik in Dune, wo eben kein klarer, strahlender Held entsteht, das Problem? Und, ist das auch mein Problem?
Ich gehe davon aus das der Knackpunkt dabei die Orks sind, also die Diener des Bösen, wenn man so will. Ein boshafter und gemeiner Haufen von Lebewesen, an denen es keine positiven Eigenschaften zu geben scheint. Dabei ist ja die Entstehung vollkommen Tragisch. Als unsterbliche Wesen eingefangen und durch Furcht, Folter, Demütigung und Hass immer mehr korrumpiert, bis sie vollkommen entartet ein Zerrbild ihrer selbst waren. Also so gesehen, die ersten Opfer, die ersten Sklaven, die von einem Mächtigen Wesen, Morgoth, unterjocht wurden. Es wurde sogar musikalisch vertont, wie wohl die Orks selbst so wirklich zu ihrem Zustand stehen:
https://www.youtube.com/watch?v=VoAfb3f04mo
In späteren Briefen hat Tolkien dabei viel über den Hintergrund geschrieben, eben auch um den der Orks.
Dabei sollen zwei Ideen aufgekommen sein. Einerseits. Die Orks sind wie die Zwerge am Anfang ihrer Erschaffung, nichts anderes als Puppen, da ihnen der Atem Illuvatars fehlt und somit nichts anderes als Biologische Maschinen sind, die keinen freien Willen besitzen und somit auch streng genommen nicht verantwortlich für ihr Handel sind. Da sie als Biologische Roboter sich nicht dagegen wehren können. Ähnlich wie ein Auto nicht für einen Unfall verantwortlich sein kann, sondern nur der Fahrer.
Die zweite ist da interessanter finde ich. Die Orks besitzen den freien Willen und der Grund für ihre Dienste ist weit Zwiegespaltener. In dem Buch „Grundsätzlich gut“ was ich kurz nach dem Ansehen der Videos wieder einmal gelesen habe, wird beschrieben wie unwahrscheinlich es eigentlich ist, dass ein Mensch einen anderen umbringen möchte. Extremst gering im Schnitt. Der Widerstand, fremde einfach zu ermorden ist riesig, wenn man die Berichte aus den Kriegen des Vergangen Jahrhunderts genau nimmt. Ich finde dabei den Satz aus dem dritten teil der Filmreihe: „Die Zeit der Menschen ist vorbei, die zeit der Orks…ist gekommen!“ Da wohl am treffendsten. Es wird der Eindruck einer Endzeit erweckt, einer letztendlichen Lösung, die genau jetzt und nie mehr sonst auftreten kann. Entweder wir Siegen und unterjochen oder aber wie verlieren und sterben. Somit sind die Orks durch die Furcht getrieben, in einem brutalen System gefangen und der einzige Ausweg, diese Brutalität nach außen zu tragen, zu denen die man unterjochen kann um nicht der zuletzt unterjochte zu sein.
Was bei Tolkien vielleicht durchkommt ist kein Dualismus, kein Gut gegen Böse. Sondern vielleicht vielmehr eine Art Sündenfall, ähnlich wie bei den Dämonen der Christlichen Mythologie. Engel, erschaffen vom Schöpfer selbst, die durch den freien Willen und der Annahme, besser handeln zu können als das Schöpfende, sich selbst in die Hölle stoßen. Das Böse wird somit nicht aufgrund deswegen zelebriert, weil man Böse ist, sondern weil man der Meinung ist, es besser zu wissen, Opfer bringen zu müssen und dass das Ziel die Opfer rechtfertigt. Gerade Opfer die man nicht selber erbringen muss sondern die über die man Herrscht.
In dem Buch „Grundsätzlich gut“, schreibt der Autor, dass der Grund dafür, dass die Deutschen Soldaten die Linien im 2 Weltkrieg so stark hielten, nicht die Ideologie war. Sondern das Gefühl der Kameradschaft, die Verbundenheit mit der Einheit gegenüber reinen übermächtigen Feind. Selbst wenn sie an der Ideologie selbst nie glaubten.
In Russland gab es nach dem Massenmord in Moskau einige Stimmen aus dem Zentralasiatischen Migranten Milieu, die genau deswegen in den Krieg in die Ukraine zogen. Aus einem schlechten Gewissen heraus versuchen sie ihren Namen reinzuwaschen und treue zu zeigen, indem sie für einen finsteren Herrscher fremde Völker unterjochen.
https://novastan.org/de/politik-und-wirtschaft/der-terroranschlag-bei-moskau-stellt-tadschikistan-vor-schwierige-entscheidungen/
Ich möchte Putin jetzt nicht mit Sauron vergleichen, noch sonst wen. Doch die Art und Weise, wie man Lebewesen für sein Leitbild, für seine Vorstellung versklavt, ich glaube das man hier aus der Phantastik Lehre ziehen kann.
Vielleicht hat Tolkien uns also etwas gezeigt, was sehr viel tiefer geht. Das aus den herrlichsten und besten Geschöpfen, wenn man sie knechtet und versklavt, boshafte Kreaturen werden. Andererseits, eben diese Geschöpfe aber immer zu ihrer Wurzel auch zurückkehren könnten, wenn sie den wollen.
Mag sein das ich zu viel hineininterpretiere, doch ich dachte mir es wäre von Interesse.
Um zum Abschluss zu kommen, Dune zeigt vielleicht graue Charaktere, die mal gut, mal Böse handeln. Doch im Endeffekt spielen sie alle das Spiel der Macht, versuchen sich gegenseitig zu unterjochen, führen lieber Rache als Vergebung und kämpfen nicht gegen die Kausalität des Schicksals an. Denn, was soll daraus erwachsen, wenn man nur immer wieder erschlägt und erschlägt, bis man selber erschlagen wird? Bei Tolkien mag es sich nach einem einfachen Konzept, gut gegen des Böse handeln, doch steckt wohl weit mehr dahinter. Der Mensch, das Lebewesen selbst wage ich zu behaupten, sehnt sich eigentlich nicht nach Macht. Es sehnt sich nach den einfachsten, gemütlichsten menschlichen Empfindungen.
So, ich glaube, das reicht jetzt. Noch einmal Entschuldigung, es ist viel zu lange für ein einfaches Kommentar und danke ihnen das sie der Phantastik den Raum einräumen, den es Verdient. Nämlich den Zwischen dem Glauben und der Wissenschaft, als einendes Element.
PS: Das Heilige Römische Reich war vielleicht nicht das Gebilde, was man als funktionierenden Staat betrachten würde, aber es hat einen Kultur Raum geschaffen, der Regionalität ermöglichen konnte und nicht drauf aus war, zahllose Dialekte und klein sprachen auszurotten^^
Vielen Dank, @Berthold Foster – ich würde Ihre tiefen Gedanken dazu bereits als “Mit-Arbeit am Mythos” betrachten! 🙂
Und, ja, nachdem sein “Hobbit” noch breiter angelegt war, verdichtete Tolkien seinen Mittelerde-Stoff stärker in einen Gute-Elben-Böse-Orks-Dualismus. Die Zwerge wurden dabei aufgewertet, die Goblins (aus dem französischen Sagenkreis) flogen aber sogar wieder ganz heraus und werden erst später über Dungeons & Dragons als Wesen noch unterhalb der Orks wieder in die globale Fantastik eingespeist.
Frank Herbert war dagegen beruflich und wissenschaftlich früh auf die fossilen Mitwelt-Schäden gestoßen und schuf eine mehrbändige Fantastik, die den dualistischen Messianismus zugleich zelebriert und kritisiert, vgl.
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/dune-von-frank-herbert-ist-eine-warnung-vor-politischem-dualistischem-messianismus/
Wir Heutigen haben diese und viele weitere Traditionen geerbt und sind nun also zu eigener Fantasiearbeit und idealerweise sogar zum Mit-Arbeit am Mythos aufgefordert. Wir sollten uns weder über die Vergangenheit erheben noch sie romantisierend verklären – sondern auf ihr so, wie Sie es auch tun, aufbauen. Schon in der 2. Staffel von “Ringe der Macht” erleben wir eine Aufwertung und Diversifizierung der Orks, in diesem Blogpost eine bewusste Re-Konstruktion von Goblins über eine sympathische Goblinbardin.
In meinem Artikel über die Mit-Arbeit am Mythos hatte ich beispielsweise auch die Entwicklung der Drow aufgegriffen, die als böse, schwarzhäutige, sadistisch prügelnde Anhängerinnen einer Spinnengöttin (Lolth, nach der biblisch-talmudischen Lilith) eingeführt wurden. Aber auch die Romanreihe zu Drizzt Do’Urden hat auch diese Klischees aus der platonischen Höhle des feindseligen Dualismus geführt. Arbeit an und gegen Vorurteile lohnt sich auch in der Fantastik immer. Das beobachte und darauf hoffe ich.
Ein ganz wichtiger Aspekt, der sowohl bei Herbert, Tolkien wie auch in Ihren Überlegungen auftaucht, ist die Verbindung von Zeit als „Hetze“ (!) und feindseligem Dualismus. Hans Blumenberg fasste es in die Erkenntnis: „Enge der Zeit ist die Wurzel des Bösen.“ Es ist kein Zufall, dass die tolkienschen Elben extrem und die Zwerge noch sehr langlebig sind, Menschen und vor allem Orks aber nur kurzlebig…
Ihnen herzlichen Dank, bitte bleiben Sie dran!
Danke für die Antwort 🙂
Ich selbst habe ja die Phantastik in erster Linie durch die Nachkommen der großen Phantastik Autoren des 20 Jahrhunderts kennengelernt. Also gerade durch die Aufkommenden Bücher im Deutschsprachigen Raum, die sich jeweils mit einem Volk/Geschöpf stark befassen und diese im Zentrum stellen. Dadurch war schon eine massive Änderung im Blickwinkel vorhanden!
Auch wenn einige “die Völker” Fantasy Romane nicht sonderlich mögen, dadurch hat eine jede Kreatur ihre eigne Heldengeschichte erhalten!
Von Humoristisch wie bei “Die Goblins” und “die Rückkehr der Orks”, wo eben zwei “Gegner” Völker ein Gesicht bekommen, was einfach vieles umdreht, wo einmal jemand den Helden verkörpert, der so nicht ins Bild passt. Oder auch “die Elfen”, wo aus einer epischen Liebes Odyssee eben auch die Frage der Manipulation von einer Religion thematisiert wird.
Das schöne daran ist ja, das man durch die fortwährende Weiterentwicklung immer wieder aufbauen und neues erschaffen kann.
In jungen Jahren habe ich die Roman Reihe, die “Drachenreiterin” gelesen. Dabei war es ebenfalls Thema, das die Kreaturen, die der dunkle Fürst gegen die Freien Völker aussendet, zum teil keinen freien Willen besaßen, sondern eben Dienen mussten. Dadurch erlebte auch die Figur einen Wandel. Von einem Hass Objekt, das die Heimat zerstört hat, werden sie zu Wesen die Mitleid verdienen da sie nur Sklaven sind, die auch das Leben und Existenz verdienen.
Erst jetzt, Jahre später, wird mir klar, welches Geschenk mir von der Autorin gemacht wurde, indem ich eben diese Geschichte lesen durfte und daraus Weisheit bezogen habe.
Ich glaube, ich komme ins Schwärmen.
Vielen dank nochmal,
einen gesegneten Sonntag 🙂
Danke, @Christian Berthold. Was soll ich dazu noch schreiben – wir verstehen uns, auch aufgrund unserer gemeinsamen Liebe zur menschlichen Fantasie und lebendigen Kultur der Fantastik.
Auch Ihnen einen gesegneten Sonntag, hoffen wir das Beste für Sachsen, Thüringen und damit auch den Bund! 🙂
Auf Mastodon erinnerte mich Karl-Heinz Zimmer daran, dass einer der großen Weisen unserer Zeit schon lange vor diesem Blogpost eine Goblinbardin gewürdigt hatte: Sir Terence David John Pratchett (1948 – 2015) schrieb im Scheibenwelt-Roman 39 Snuff 2011, deutsch erschienen als “Steife Prise” von Tränen-des-Pilzes.
https://sueden.social/@khzimmer2@literatur.social/113078060628638390
Und so hoffe ich, dereinst diesen großen Roman gebührend würdigen zu dürfen, der mit den unsterblichen Einsetzungsworten beginnt (S. 7):
“Das, was die Welt von Goblins weiß, beschränkt sich im Großen und Ganzen auf den Kult oder vielleicht auch die Religion des Unggue.”
Ach, Terry Pratchett! Du fehlst uns Heutigen – sogar den Menschen unter uns – so sehr!
Gerade geht auf YouTube ein Kurzvideo viral, das den späteren Wechsel von Tolkiens Schreibweise von “Orc” zu “Ork” erkundet – auch mit einer eigenen Aussage des Philologie-Professors.
https://www.youtube.com/shorts/nxLu-KG7Um4
Tolkien hatte demnach die Orc-mit-c-Schreibweise aus einer englischen Übersetzung des Beowulf-Mythos übernommen und ausgebaut. Später fand er jedoch heraus, dass die Schreibweise Ork mit k der germanischen Wortwurzel besser entsprochen hätte. Mir sagt dabei als Mit-Reformer der deutschen Buchstabiertafel 😉 sehr zu, dass hier die Bedeutung schon eines einzigen Alphabet-Buchstabens deutlich wird.
Lassen wir Felo.ai ein wenig ergänzen:
Die Begriffe *Ork* und *Goblin* haben unterschiedliche Ursprünge und Bedeutungen, die sich im Laufe der Zeit entwickelt und verändert haben. Beide Begriffe stammen aus der europäischen Mythologie und wurden später durch die moderne Fantasy-Literatur, insbesondere durch J.R.R. Tolkien, populär gemacht. Hier ist eine detaillierte Erklärung ihrer Entstehungsgeschichte:
## **Ork**
Der Begriff *Ork* (englisch: *Orc*) hat eine komplexe Herkunft, die auf verschiedene kulturelle und sprachliche Einflüsse zurückgeht:
– **Altenglischer Ursprung**: Das Wort *orc* taucht im Altenglischen auf und bedeutete so etwas wie „Dämon“, „böser Geist“ oder „Teufel“. Es könnte vom lateinischen *Orcus* abgeleitet sein, einem Namen für den römischen Gott der Unterwelt, der auch mit Pluto oder Hades gleichgesetzt wird. *Orcus* wurde oft mit Tod und Bestrafung assoziiert[1][2].
– **Mittelalterliche Literatur**: In der italienischen Renaissance-Literatur, insbesondere in Ludovico Ariostos *Orlando Furioso*, wird der Begriff *Orc* verwendet, um ein Seeungeheuer zu beschreiben. Dieses Monster inspirierte später den wissenschaftlichen Namen des Schwertwals (*Orcinus orca*)[1].
– **Tolkien und die moderne Fantasy**: J.R.R. Tolkien prägte die moderne Vorstellung von Orks in der Fantasy-Literatur. In seinen Werken, wie *Der Herr der Ringe* und *Das Silmarillion*, beschreibt er Orks als entstellte, bösartige Kreaturen, die ursprünglich aus gefolterten und verdorbenen Elben entstanden sind. Tolkien übernahm den Begriff *Orc* aus dem Altenglischen und gab ihm eine neue Bedeutung in seiner Mythologie[3][7].
## **Goblin**
Der Begriff *Goblin* hat ebenfalls eine lange und vielfältige Geschichte, die auf verschiedene europäische Traditionen zurückgeht:
– **Altfranzösischer Ursprung**: Das Wort *goblin* stammt wahrscheinlich aus dem Altfranzösischen *gobelin*, das wiederum auf das mittelalterliche Latein *gobelinus* zurückgeht. Es bezeichnete kleine, groteske, oft bösartige Wesen[13][14].
– **Griechische Wurzeln**: Einige Theorien führen den Begriff auf das griechische Wort *kobalos* zurück, das „Schurke“ oder „Trickser“ bedeutet. Dies könnte auf die schelmische Natur der Goblins hinweisen[17].
– **Europäische Folklore**: Goblins sind in der europäischen Folklore weit verbreitet und werden als kleine, monströse Kreaturen beschrieben, die oft in Höhlen oder Wäldern leben. Sie sind bekannt für ihre Streiche und ihre feindselige Haltung gegenüber Menschen[13].
– **Tolkien und Goblins**: In *Der Hobbit* verwendet Tolkien den Begriff *Goblin*, um die gleichen Kreaturen zu beschreiben, die er in *Der Herr der Ringe* als *Orcs* bezeichnet. Dies zeigt, dass Tolkien die Begriffe teilweise synonym verwendete, wobei *Goblin* eher in kindgerechten Kontexten auftauchte[15].
## **Vergleich der Begriffe**
| **Merkmal** | **Ork** | **Goblin** |
|———————–|————————————–|—————————————|
| **Ursprung** | Altenglisch, Latein (*Orcus*) | Altfranzösisch (*gobelin*), Griechisch (*kobalos*) |
| **Bedeutung** | Dämon, Unterweltwesen | Schelmisches, bösartiges Wesen |
| **Darstellung** | Große, brutale Kreaturen | Kleine, trickreiche Wesen |
| **Populär durch** | J.R.R. Tolkien | Europäische Folklore, Tolkien |
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass *Ork* und *Goblin* aus unterschiedlichen mythologischen und sprachlichen Traditionen stammen, aber durch die moderne Fantasy-Literatur, insbesondere durch Tolkien, miteinander verbunden wurden. Während Orks oft als große, kriegerische Kreaturen dargestellt werden, sind Goblins kleiner und hinterlistiger.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Ork
[2] https://www.reddit.com/r/tolkienfans/comments/og750q/where_did_tolkien_get_the_orcs_from/?tl=de
[3] https://www.tolkienforum.de/topic/1179-hat-tolkien-die-orks-erfunden/
[4] https://www.youtube.com/watch?v=_WhlP6jZKpg
[5] https://www.tor-online.de/magazin/fantasy/vom-ursprung-der-fantasyvoelker-die-orks
[6] https://elderscrolls.fandom.com/de/wiki/Ork
[7] https://www.filmstarts.de/nachrichten/18544507.html
[8] https://www.dolmorgul.de/wiki/index.php?title=Goblin
[9] https://www.easypeasybooks.de/wie-entstehen-orks/
[10] https://awesomeliesblog.wordpress.com/2023/02/05/the-greek-goblin/
[11] https://wh40k-de.lexicanum.com/wiki/Orks
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Goblin
[13] https://en.wikipedia.org/wiki/Goblin
[14] https://www.dnddeutsch.de/monstrous_addendum/goblin/
[15] http://www.tolkien-site.de/contents/tfaq/tfaq_f1.htm
[16] https://imoriath.com/wiki/index.php/Orks
[17] https://www.reddit.com/r/mythology/comments/13epybz/goblin_origins_and_etymology/?tl=de
[18] https://www.worldanvil.com/w/freunde-des-guten-gespiels-capkck/a/goblin-language
[19] https://www.zsz.ch/wieso-wir-uns-wie-faule-griesgraemige-kobolde-auffuehren-148342354127
[20] https://de.wiki-aventurica.de/wiki/Goblin
Zuletzt fiel mir ein fundamentaler Unterschied zwischen den Völkern in der modernen Fantasy spätestens seit Tolkien (aber möglicherweise auch schon davor) auf: Kobolde und Goblins werden fast nur als Opfer von Razzia-Kämpfen geschildert. Wenn sie als Teil von Invasionsarmeen geschildert werden, dann bestenfalls als Hilfstruppen.
Orks gelten dagegen als bedrohliche Eroberer, gegen die sich die “freien Völker” immer wieder verzweifelt zur Wehr setzen müssen.
Ich bin gespannt, ob es dazu über Tolkien hinaus Material zu finden gibt.
Zum – leider wieder relevanten! – Unterschied von Razzia- und Eroberungskriegen hier entlang:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/von-der-nachkriegs-zurueck-zur-kriegsordnung-warum-ich-trumps-territoriale-ansprueche-nicht-lustig-finde/
Danke für das Interesse!