Warum sollte Gott ein Mann, ein Vater sein?

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Wer die (individuelle und soziale) Konstruktion von Gottesbildern erforscht, kommt natürlich um die Frage nicht herum, warum der monotheistische Eingott überwiegend männlich angesprochen wird. Immerhin zeigen Figurinenfunde der Vorgeschichte überwiegend (über Jahrzehntausende nahezu ausschließlich) weibliche Formen. Dies entspricht neueren Befunden zur starken Rolle von Frauen in der Formation hominider Gemeinschaftlichkeit. Und auch in der Antike – und in einigen Traditionssträngen etwa des Hinduismus – haben wir noch starke, weibliche Gottheiten (wie die ägyptische Maat oder Isis), Priesterinnen etc. Schließlich gehen entsprechende Formen auch in die neuzeitlichen Religionen über wie in Ephesus, wo anstelle der Muttergottheit Artemis heute die Gottesmutter Maria verehrt wird. Auch in Gemeinschafts-Selbstbezeichnungen wie christliche Mutter Kirche oder die islamische umma (von arabisch umm = Mutter) bleiben weibliche Konnotationen unverkennbar. Der Religionswissenschaftler fragt da also natürlich: Warum also wurde die Gottheit zu Vater, König, Richter, warum verblassten weibliche Namen und Rollen?

Einfluss des Ackerbaus

Nahezu als interdisziplinärer Konsens zu dieser Frage hat sich herausgebildet, dass die Ausbreitung des Ackerbaus das Geschlechterverhältnis drastisch verändert hat: Im Gegensatz zur Millionen Jahre alten Lebensform der Wildbeuter werden nun Land und Güter zu Besitzständen, die beackert, vererbt und verteidigt werden müssen. Neuere Genstudien zur europäischen Geschichte scheinen das historisch rekonstruierte Bild zu bestätigen: Patriarchale Männerbünde mit hoher Zahl an männlichen Erben setzen sich zunehmend durch, gewannen wildbeutende Frauen und verdrängten deren weniger erfolgreiche Männer fast völlig. Möglicherweise stellt die biblische Sündenfallgeschichte eine mythologische Erinnerung an diesen Umbruch im Fruchtbaren Halbmond dar – man betrachte die Schilderung des Miteinanders im Paradies, die Strafen, die Eva und Adam für die Aufhebung eines Frucht-Tabus aufgebrummt bekommen und der Konflikt zwischen Kain (Viehzüchter) und Abel (Landbauer).

Dass in diesem Prozess über Jahrtausende hinweg weibliche Gottesbilder buchstäblich "untergepflügt" werden, wird meist als Ausdruck (und vielleicht auch Legitimation) der neuen Machtverhältnisse interpretiert. Andere verweisen auf den nun entstandenen Bedarf an hierarchischen Erzählungen (das sog. Chef- oder Silberrücken-Argument). Dummerweise erklären diese Ansätze jedoch nicht, warum in der Formationsgeschichte der monotheistischen Religionen mit männlich konnotiertem Eingott gerade auch Frauen zu den ersten und entscheidenden Unterstützerinnen gehörten – und auch heute noch durch ihr Engagement diese Traditionen maßgeblich tragen. Auch nach heutigen Daten prägt die Religiosität der Mütter Kinder stärker als die der Väter.

Warum also nahmen und nehmen Frauen überwiegend männlich konnotierte Gottesbilder an, und warum geben sie sie aktiv weiter?

Neuer Ansatz in William Paul Young: Die Hütte

Einem überraschend frischen Ansatz begegnete ich nun in der Erzählung "Die Hütte. Ein Wochenende mit Gott" von William Paul Young (einem christlichen Nichttheologen). Dieses – nach Ablehnung durch Verlage über das Internet längst zum Bestseller gewordene Buch – löste unter Fundamentalisten und Kirchenfürsten in den USA einen Sturm der Empörung aus, da Gott (Anrede "Papa") darin nicht nur in Menschenform geschildert wird, sondern als gutmütige Afroamerikanerin. Und in bildhafter Sprache eine eigenwillige "Hypothese" formuliert:

Sie beugte sich vor, als wollte sie ihn in ein Geheimnis einweihen. "Würde ich dir als weiße Großvatergestalt erscheinen, so wie Gandalf, würde das nur deine religiösen Stereotypen verstärken."
[…]
"Aber", er hielt inne, immer noch darauf konzentriert, vernünftig zu sein, "warum wird dann so sehr betont, dass du ein Vater bist? Mir scheint das die Form zu sein, in der du dich am häufigsten offenbarst."
"Nun", antwortete Papa, während sie sich eifrig in der Küche zu schaffen machte, "das hat viele Gründe, und einige davon sind sehr tief verwurzelt. Einstweilen möchte ich dir dazu nur Folgendes sagen: Wir wussten, dass es nach dem Sündenfall viel mehr an Väterlichkeit mangeln würde als an Mütterlichkeit. Versteh mich nicht falsch, beides wird gebraucht – aber eine stärkere Betonung der Väterlichkeit ist vonnöten, weil sie in eurer Welt so sehr fehlt."

Aus: Paul William Young, "Die Hütte", Ullstein 2009, S. 106 – 107

Da als literarische, nicht wissenschaftliche Aussage formuliert, spielt Young hier natürlich durchaus mit einer Mehrdeutigkeit: Die Aussage könnte so verstanden werden, dass der göttliche Vater die psychologischen Bedürfnisse der Glaubenden kompensiert. Oder (besser: und, denn es könnte ja auch beides zutreffen) es könnte darum gehen, dass die Vorstellung eines involvierten, göttlichen Vaters zu verbindlicher Vaterschaft motiviert.

Ihre Stimme ist gefragt

Den Ansatz finde ich neu und spannend: Gerade die Machtverschiebung durch die Agrarwirtschaft dürfte in der Tat die gewachsenen Familienstrukturen zerrüttet haben. Und bis heute sind weltweit ca. 90% aller Alleinerziehenden Frauen, ganz abgesehen davon, dass auch in Familien, Schulen etc. "Vatermangel" attestiert wird. Der Zusammenhang zwischen religiöser Verbindlichkeit und Reproduktionserfolg ist inzwischen unstrittig, wobei Frauen jene Traditionen und Gemeinschaften zu bevorzugen scheinen, die stabile Familien begünstigen. Es bleiben freilich noch unzählige Details zu klären. Ob Väter aber wirklich so überflüssig sind, wie es einige Stimmen behaupten? Bestand und besteht zwischen Vater- und Gotteshoffnungen ein (wie?) nachprüfbarer Zusammenhang?

Zwischen zwei Zahnarztterminen wartend, habe ich nun schon einige Stunden damit verbracht, religionswissenschaftliche Pro- und Contra-Argumente gegen diese Hypothesen abzuwägen. Zu einem schlüssigen Ergebnis bin ich jedoch bislang nicht gekommen. Und so dachte ich mir, dass es vielleicht eine gute Gelegenheit sein würde, den "Dialog via Wissenschaftsblog" mal zu testen. Hiermit möchte ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, ergebnisoffen fragen, was Sie von den Young-Annahmen halten und welche Argumente aus Ihrer Sicht dagegen oder dafür sprechen.

Und füge auf Anregung aus der munteren Kommentardiskussion als Beispiel für zeitgenössischen Neopaganismus einen Anbetungssong im Hinblick auf ein weibliches Gottesverständnis hinzu:

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

64 Kommentare

  1. Stufe 3

    Peter Watson weist in seinem Buch ´Ideen´ (Bertelsmann, ISBN 978-3-570-00626-9) vereinfacht auf drei Stufen der Religionsentwickung hin.
    Am Anfang stand die Fruchtbarkeit im Mittelpunkt des Interesses: Frauenidole, Stiergötter, heilige Steine.
    Der nächste Schritt ist die Einführung von Opferritualen, mit denen man sein Schicksal zu beeinflussen hoffte (Transzendenz).

    Er meinte, dass die Frauen/Göttinnen mit dem Aufstieg größerer urbaner Kulturen entmachtet wurden und männlichen Herrschern/Göttern Platz machen mussten.

    Er meint, dass speziell das städtische Leben stärker auf die Männer konzentriert war. Während die Frauen mit Haushalt und Kindererziehung beschäftigt waren, konnten die Männer in neuartigen Tätigkeiten ihre Bedeutung aufwerten: Handwerk, Krieger, Priester, Händler, Herrscher usw.

  2. Vater unser

    Nun, ich nehme an, dass Gottesbilder einfach auch einem Wandel unterliegen. Als sich die Gesellschaft wandelte, wandelte sich auch das Gottesbild. Schaut man sich alte religiöse Gemälde an wird Gott in der Regel als alter Mann mit Bart dargestellt, dieses Bild hat sich bei vielen Menschen eingeprägt.

    Im Alten Testament wird Gott als der Schöpfer von Himmel und Erde beschrieben. Er gehört zwar nicht selbst der Welt an, trotzdem hat er menschliche Züge. In der Bibel ist ja häufig die Rede davon, dass Gott unser Vater ist. Die Christen stellen sich demnach also Gott als Vater vor.
    Hier habe ich eine schöne Grafik zu den Gottesvorstellungen im AT gefunden:
    http://www.eberhard-gottsmann.de/…aps/GottAT.htm

    Vielleicht sehnen sich Menschen in schwierigen Situationen eher nach Gott, als Vater und Beschützer: http://www.youtube.com/…RoQg&feature=related

    • Richtig > NT Vers J. 4,24 // Ich wäre froh, wenn die Kommentatoren das NT gelesen hätten und so, wie ich, stets eine Vers – Nr. zitieren würden. // Die frühere Welt war (und ist es natürlich in gewissen Ländern heute noch….) eine Männer-Macho-zentrierte (Welt), ergo konnte Gott niemals Eva als ersten Menschen schaffen, wie es eigentlich biologisch richtig wäre! // Gott gibts nur dort, wo ”Mensch” (laut Mt. 19,5 = der Mann) ist, denn ohne solchen macht doch die Existenz von Gott keinen Sinn, hingegen ergibt > ”Mensch” ohne Gott sehr wohl Sinn. // Ferner: Wenn Gott weiblich wäre…., ja, wozu brauchts denn noch ”Mann”? Frau ist ja ohnehin dem ”Mann” biologisch überlegen, kann sich vielleicht gar einmal selbst oder fremd befruchten… (wie es ja bereits welche Tierarten gibt und es in der Christdogmatik bereits einmal vorgekommen sein soll…) // Im Uebr. entspringt diese GATTUNGs-Polemik der unsäglichen linken Feministenszene, die nie Ruhe gibt. Statt sich der Gedeihung > Zellteilung der Zivilisation zu widmen, politisiert diese auf den Strassen > entzieht sich akut seit den 1980ern absichtlich der Ehe und will krampfhaft alles feminisieren. Personifizierte Nomen sollen so alle weiblich lauten, weil der männliche Teil ja schon in der ersten Silbe enthalten sei, also: ”Man kauft das Brot bei der Bäcker-in”;”Jeder Soldat war zuerst mal Rekrut-in”. Nur bei den negativen Nomen kann die männliche Form alleine stehen, weil es keine Ehebrecherinnen, Mörderinnen gebe… (31.1.22)

  3. Tranformationen

    Immer, wenn sich ein Gottesbild radikal ändert, gehen dem einerseits ökonomische, gesellschaftliche und soziale Änderungen voraus. Aber – und das ist entscheidend – diese fanden andererseits auch auf mentaler Ebene statt. Und zwar als Transformation im Bewusstsein (ich erinnere hier noch mal an das Bild vom mehrstöckigen Haus).

    Der Übergang zur sesshaften Ackerbaugesellschaft und zum Patriarchat verläuft gleichzeitig mit dem Übergang vom verbal-symbolischen/mythischen Denken (die Zugehörigkeit zur Gruppe, zum Blutopfer) zur Ego-Rationalität (der Held, der Drachentöter). Dieser Übergang könnte sich wie folgt erklären:

    Die weiblichen Riten fanden in „schützender Isoliertheit“ statt, während die männlichen Riten nun „gemeinschaftliche“ Riten sind (nach Ruth Underhill); das Bild (oder Symbol) der Mutter oder „das feminine Prinzip“ ist „natürlich“ mit der ERDE verbunden, das „maskuline Prinzip“ des VATERS liegt „mental“ im Himmel. Wenn ich also „aufsteigen“ will (Himmelfahrt im Sinne von Transformation des Bewusstseins auf die nächsthöhere Ebene), muss ich die Mutter Erde („die Mütter“ bei Faust) hinter mir lassen und mich dem zum himmlischen Vater zuwenden (nach E. Neumann).

    Das kann, muss aber nichts mit Unterdrückung des Weiblichen zu tun haben (meistens hatte es das aber leider doch). Das Frauen da „mitgespielt“ haben, liegt sicher daran, dass jedes menschliche Bewusstsein diese Veränderung mitmachte (also das der Männer UND der Frauen). Neumanns „Ursprungsgeschichte des Bewusstseins“ verweist außerdem darauf, dass „die Väter nun die Vertreter der Gesetze und Ordnungen sind“, also der „Zivilisation und Kultur“, während die Mütter die Wahrerinnen der “höchsten, d.i. tiefsten Werte der Natur und des Lebens“ bleiben. Die Väter setzen aus diesem neuen Bewusstsein heraus also die religiösen, sozialen und politischen Strukturen und schaffen, um der Ego-Rationalität zum Durchbruch zu verhelfen, ein Super-Ego, welches eben genau diese (ihre eigentliche und ureigene) Aufgabe spiegelt – den patriarchalischen, monotheistischen Gott.

    Tut mir leid, wenn das – wie soll man das in ein paar Zeilen auch anders schaffen – nur undeutlich verständlich ist oder schwer nachvollziehbar. Andere schreiben darüber schließlich ganze Bücher 😉
    Ich hoffe aber, der Ansatz ist verständlich.

    • Ihr Beitrag könnte auch kürzer ausfallen, weniger unnötige Fach-, Fremdwörter verwenden; zB ist ”Transformation” = Umbildung. // Mir muss man nicht seine Fremdsprachenkenntnisse beweisen wollen, sondern Gutdeutsch! Wie abschliessend den Gebrauch des Konjunktivs in der indirekten Rede Ihres letzten Satzes: ”…der Ansatz sei verständlich”.-

  4. Au, vielschichtig

    Au, da werden unheimlich viele Fragen angeschnitten. Seit wann es ein dezidiertes Patriarchat gibt – gibt es da einigermaßen genaue Auskunft? Plausibel erscheint mir – laienhaft – , dass das sich mit dem Ackerbau verfestigt hat. War das vorher aber wirkliches Matriarchat? Das Geschlecht Gottes/der Götter kann ja schon auch das jeweilige Gegenüber zu dem unter den Menschen herrschenden sein. Auch Patriarchen können doch Göttinnen verehren. Und Frauen, ob matriarchalisch interessiert oder nicht, können doch auch männliche Götter verehren.
    Ist ja auch sinnvoll, dass im extrem männerbeherrschten Katholizismus Maria so inthronisiert wurde – nicht nur als Partnerin leidender Frauen sondern als Liebesobjekt/Sublimationshilfe für die sonst inbefriedigten Männer…
    Den Spiegel-online-Artikel zum Paradies ff und dem fruchtbaren Halbmond überflog ich – die Hauptfrucht: es geht durcheinander wie Kraut und Rüben. Richtig solide dem gegenüber: Jared Diamond.
    Auch für die Paradies-Geschichte ist das nicht erhellend. Juckt mich richtig in den Fingern, mal was zur Paradies/”Sündenfall”-Geschichte zu schreiben. “Aufhebung eines Frucht-Tabus”? Ich möchte es viel nüchterner interpretieren: Solche Geschichten sind erzählte Anthropologie; Menschen des Altertums haben ihre Beobachtungen und Einsichten zum Menschsein erzählerisch dargestellt. Und natürlich in diese Erzählungen auch hisororische Erinnerungsbrocken/Überlieferungsfetzen eingewoben.
    Übrigens eine mir einleuchtende Beobachtung in der älteren Scjöpfungserzählung (Gen2): “Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau hängen” – diesen matriarchalischen Weisheits-Satz – das haben männliche Erzähler in ihre Geschichte eingebaut, diesen fremdartigen Brocken aus ganz anderen gesellschaftlichen Verhältnissen. Ob sie gewusst haben, was sie taten?

    So viel, doch zu viel?, für heute. Aber wenigstens bin ich mal wieder dabei 😉

    Guts Nächtle
    HERMANN

  5. @ KRichard

    Vielen Dank, das scheint eine ansprechende Variante der Hypothese von der Machtverschiebung zu sein. Was mir aber nicht klar ist: Warum sollten die Frauen gerade auch bei der Erhebung und Anbetung der männlich konnotierten Gottheiten so aktiv mitmachen, wie sie es taten – und tun. Hat Watson dazu eine Idee?

  6. @ Mona

    Danke für die Gedanken und Links. Ein ungerichteter Wandel wäre ein Drift. Nur wäre dann schwer erklärbar, warum sich in den verschiedensten Traditionen männliche Bilder durchsetzten, nicht aber weibliche. Das spricht ja eher für einen gerichteten Prozess.

    Sehr gut gefällt mir diese Vermutung: Vielleicht sehnen sich Menschen in schwierigen Situationen eher nach Gott, als Vater und Beschützer.

    Demnach hätte gerade unter den Bedingungen post-agrarischer Konflikte (massives Bevölkerungswachstum und Konflikte um Land und Güter) die Sehnsucht nach “väterlichem” Schutz männlich-patriarchal konnotierte Bilder gestärkt… Ein ganz interessanter Gedanke!

  7. @ Rüdiger Sünner

    Du fragtest: Gott als Mann, Gott als Frau. Warum muss Gott überhaupt eine Person sein?

    Weil belebt-personale Gegenüber vom Wahrnehmungssystem gegenüber unpersönlich-toten Dingen präfertiert werden. Wir reagieren auf die geglaubte Beobachtung und Beziehung mit übernatürlichen Akteuren:
    http://www.chronologs.de/…3-28/gott-im-kopf-wozu

    Auch aus Systemen auf Basis ursprünglich abstrakter Prinzipien (z.B. Buddhismus, Daoismus, Shintoismus, Jainismus etc.) gingen in der Alltagspraxis schnell Verehrungsformen quasi-personaler Wesenheiten (z.B. Ahnen, Bodhisatva, Kami etc.) hervor.

  8. @ Ralph Würfel

    Das sind wirklich schöne Formulierungen, wobei mir nicht klar ist, warum die Mutter grundsätzlich der Erde, der Vater dem Himmel zugeordnet worden sei? Ist das wirklich bei allen Menschenkulturen so? Und wie wird es erklärt?

    Dazu stellt sich aus der Perspektive der Evolutionsforschung stellt sich natürlich immer die Frage (auch) nach der Funktionalität. Wenn Frauen und Männer mit enormen Energie- und Zeitaufwand nur mentale Bilder hin- und herschöben, wäre mit einem negativen Selektionsdruck zu rechnen. Aber die Befunde zeigen ja auch für heute auf, dass z.B. Reproduktionsvorteile bestehen:
    http://www.chronologs.de/…emografie-und-religion

    Gibt es dazu in der Transformationsannahme überprüfbare Hypothesen?

    Ehrlich interessierte Grüße!

  9. @ Hermann: Paradies

    Nun, ich glaube, Du hast da Recht: Die Sache mit der Sündenfallgeschichte und dem Übergang in den Ackerbau ist zu interessant für einen etwas unsortierten Linkartikel. Es lohnt sich, darauf einmal gesondert einzugehen. Danke für die Anregung – und schön, dass Du (wieder) aktiv bist!!!

  10. @M. Blume: Himmel und Erde

    Zitat: “… warum die Mutter grundsätzlich der Erde, der Vater dem Himmel zugeordnet worden sei? Ist das wirklich bei allen Menschenkulturen so?”

    Wir sprachen ja nicht über alle Kulturen, sondern über die, in denen es göttliche Vaterfiguren gibt. Ich habe Bachofens “Mutterrecht” leider nicht gelesen und auch Neumanns “Ursprungsgeschichte” zitierte ich leider nicht aus dem Original. Joseph Campbell hat in “Masks of God” auf jeden Fall alle Mythen Griechenlands und des Nahen Ostens daraufhin abgeklopft. Ob es für die indischen oder amerikanischen Kulturen (beispielsweise) auch zutrifft, weiß ich leider nicht.

    Bezüglich der Transformationsannahme folge ich im Wesentlichen Ken Wilber (“Halbzeit der Evolution” und “Eros, Kosmos, Logos”).

  11. Welches Gottesbild (Schamanismus?) gibt es denn bei den Viehzüchtern und Reitervölken (Mongolen, Hunnen). Ich hätte die auch eher als patriachalisch eingeschätzt. Und im Entvölkern von Agrarkulturen haben die doch eine erfolgreiche Historie.

  12. Gott als Person

    Meine Frage, ob Gott eine Person sein muss, ist nicht nur auf Historie bezogen. Wozu betreibt man Wissenschaft, Religionswissenschaft, Historie? Letztlich doch wohl auch, um Orientierungshilfen für heute zu bekommen. Oder? Also lautet die Frage: Wozu heute einen personalen Gottesbegriff?
    Zumal er sich möglicherweise mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften weniger verträgt als ein nicht-personaler. Und auch mit der Entwicklung der Kunst seit ca. 1800. Es ist interessant, dass fast alle grossen Philosophen, Dichter, Maler, Musiker, Physiker, Astronomen, Biologen der letzten 150 Jahre – wenn überhaupt – dann eher einen nicht-personalen Gottesbegriff bevorzugen. Auch Dawkins’ spirituelle Gefühle von “Andacht” würden da reinpassen. Ist ein personaler Gott da nicht ein (vielleicht für manche nötiges) Relikt aus vergangenen Zeiten?
    Stellt sich heute wirklich jemand vor dem Urknall eine grosse Vater- oder Mutterfigur im Kosmos vor, die das initiiert hat? Dass Menschen so etwas glauben oder geglaubt haben, besagt ja noch nichts über dessen Plausibilität. Vielleicht kommen wir weiter, wenn wir in “Vater” oder “Mutter” Bilder für archetypische Kräfte sehen, die in personenhaften Bildern verkörpert werden können, aber nicht müssen. So schön die Eiszeitfiguren sind: Sehen wir heute in “Mutter Natur” eine dickbäuchige Frau? Wohl eher etwas viel Umfassenderes, Rätselhafteres, eben Nicht-Bennenbares und Nicht-Personifizierbares. Darauf kommt es mir an: mit der Personifizierung nicht das Numinose, Unauslotbare, Abgründige, Schwindelerregende zu verlieren. Daher sind mir wohl auch die Gottesbegriffe der Mystiker aller Weltreligionen immer näher gewesen, als die orthodoxen Auslegungen.

  13. @Blume

    Speziell darüber, wieso auch Frauen sich an der Erhebung und Anbetung männlicher Gottheiten beteiligten, konnte ich bei Watson nichts finden.

    Weil aber Männer in urbanen Siedlungen ihre Interessen durch neue Handwerksberufe und bei politischen Entscheidungen deutlich mehr erweitern konnten als die Frauen – könnte dies ein Grund für die zunehmende Bedeutung männlicher Priester/Herrscher/Götter gewesen sein.
    Frauen waren bei wichtigen Entscheidungen ganz einfach nicht anwesend – so banal könnte der Grund gewesen sein (aber dies ist nur Spekulation)

  14. @M. Blume: Himmel und Erde

    Ich weiß natürlich, dass Wikipedia keine wissenschaftlich verwendbare Quelle ist, möchte aber dennoch auf zwei Mythen hinweisen, die Himmel = männlich/Vater und Erde = weiblich/Mutter setzen.

    Einmal nur ein Link:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Rangi_und_Papa

    Und hier ein Zitat:
    “Die Forschung versteht hier aber die Erde zum Teil als Personifikation der Erde, also als Mutter Erde.[56][57] Eine vergleichbare Mythe enthält die Prosa-Edda, nach der die erste Kuh Auðhumla den Riesen Ymir nährte (’ siehe Abschnitt: Die Urkuh Auðhumla). Kühe sind in vielen Mythologien ein mythisches Bild für die Erdmutter.[56] Im Vergleich mit den Schöpfungsmythen der Naturvölker braucht Mutter Erde aber, um fruchtbar zu sein, einen männlichen Befruchter, Vater Himmel.[58] Daher nahm man in der älteren Forschung auch an, dass Tuisto der Sohn des germanischen Himmelsgotts *Tiwaz sei.[59] Diese Vermutung versuchte man etymologisch zu untermauern. In einigen Handschriften der Germania steht anstatt Tuisto ‚Tuisco‘. Liest man diese Schreibvariante als Verhörung für Tiwisko, so ergibt sich die Bedeutung ‚Sohn des Tiwaz‘. Vergleichbar setzt auch die nordische Mythologie eine Beziehung zwischen dem Himmelsgott und der Erde voraus. Jërð, die nordische Personifikation der Erde, galt als Frau und Tochter Odins, der in seiner Eigenschaft als Allvater eine andere Himmelsgottheit verdrängt hatte,[56] nämlich Tyr, der aus dem germanischen *Tiwaz hervorgegangen war.”
    http://de.wikipedia.org/…h%C3%B6pfungsgeschichte

    Ich lese auch gerade ein Buch mit Interviews mit Joseph Campbell und werde berichten, wenn ich was dazu finde.

    Interessant scheint mir noch der Gedanke, dass später in einigen Religionen die (weibliche) Erde (oder Höhle) als Prinzip sich zur (männlichen) Unterwelt (oder Hölle) mausert und hier die ehemaligen Protagonistinnen zu Gehilfinnen eines männlichen Gegenspieler des Gottesvaters degradiert werden.

  15. @adenosine

    Mongolen glaubten an den Einfluss von Naturgeistern und Dämonen.
    Aufgabe des Schamanen war es, Schutzzauber gegen böse Geister vorbeugend auszuüben und/oder wenn sich etwas Schlechtes ereignet hatte, dieses Böse aus der Welt zu schaffen und den ursprünglichen Zustand wieder her zu stellen.
    Ein wichtiger Bestandteil schamanistischer Handlungen war die Jenseitsreise bei der er mit Unterstützung von Hilfsgeistern die bösen Dämonen bekämpfte. Zu seinem Schutz war seine Kleidung mit vielen symbolischen Abwehrwaffen benäht (Pfeile, Bögen, Spiegel(reflektieren von feindlichen Geschoßen)).

  16. @ adenosine: Nomaden

    @KRichard hat ja schon teilweise geantwortet. Ich möchte ergänzen, dass in naturreligiösen und schamanistischen Glaubenssystemen praktisch immer weibliche “und” männliche übernatürliche Akteure (Geister, Götter etc.) auftreten, auch religiöse Rollen von Frauen und Männern eingenommen werden können. Allerdings haben wir es hier keineswegs mit “kulturellen Fossilien” zu tun – gerade mündlich tradierte Religionskulturen nehmen gerne Aspekte aus umliegenden Religionen auf, so dass ein “purer” Schamanismus nicht mehr zu beobachten ist.

    In den Geschichtswissenschaften wird diskutiert, dass das Nebeneinander nomadischer und landbauender Populationen zu einem wechselseitigen, organisatorischen Wettrüsten beigetragen und die Entstehung früher Imperien maßgeblich begründet hat. Vor allem Peter Turchin Arbeiten zur “Imperiogenesis” sind hierbei zu nennen:
    http://cliodynamics.info/…Steppe_JGH_reprint.pdf

    Sollten sich diese Befunde verstetigen, bekäme die mythologische Überlieferung über den mörderischen Streit zwischen Kain und Abel tatsächlich noch eine weitere, bislang übersehene Dimension. (Man sieht, es gibt derzeit nicht nur in der Physik viel Neues zu erforschen, bräuchte dringend mehr kulturwissenschaftliche Expertinnen und Experten in diesen Fragen… *Seufz*)

  17. @ Rüdiger: Beschreiben & Bewerten

    Lieber Rüdiger,

    apersonale Systeme (wie der frühe Buddhismus, Jainismus, Taoismus etc.) scheinen nicht in der Lage zu sein, dauerhafte, religiöse Bindungen zu erzeugen – daher wurden auch darin bislang ausnahmslos personale Akteure konstruiert oder adoptiert. Mit “Dingen” vergemeinschaften wir Menschen uns nicht (zumindest nicht über Generationen hinweg erfolgreich), wir suchen personale Gegenüber. Auf die Unterscheidung zwischen (sozial orientierter) Religiosität und (ins Apersonale transzendierender) Spiritualität darf ich verweisen:
    http://www.chronologs.de/…ge-nach-hirngespinsten

    Ob das nun philosophisch gut oder schlecht ist, wage ich gar nicht zu beurteilen – ich möchte es (erst) wissenschaftlich besser verstehen. Entsprechend suche ich nach besseren Hypothesen zu der Frage, warum es diese Geschlechts-Verschiebungen in der Wahrnehmung übernatürlicher Akteure gegeben hat. Die vorliegenden Thesen finde ich noch nicht ausreichend.

  18. @ KRichard

    Ja, das ist ja der fast schon klassische Ansatz: Die gesellschaftliche Machtverschiebung habe sich in neuen Traditionen zur (zunehmend männlich konnotierten) übernatürlichen Akteure niedergeschlagen.

    Wir scheinen aber am gleichen Punkt unzufrieden mit dieser Erklärung zu sein. Sie schrieben: Frauen waren bei wichtigen Entscheidungen ganz einfach nicht anwesend – so banal könnte der Grund gewesen sein (aber dies ist nur Spekulation)

    Der Punkt ist ja: Gerade bei der Durchsetzung und Erhaltung der monotheistischen Religionen waren (und sind!) Frauen sogar ganz entscheidend beteiligt gewesen. Schon in der Bibel wird – mit erstauntem Unterton – von der starken Unterstützung Jesu durch die Jüngerinnen hingewiesen, in den Apostelgeschichten spielen fördernde Frauen auch aus den Mittel- und Oberschichten tragende Rollen und bis heute wird das ehrenamtliche und diakonische Engagement der Kirchen maßgeblich von den Frauen getragen. Es waren und sind überwiegend Frauen, die (ihre und andere) Kinder religiös unterwiesen, die Traditionen weitergaben etc.
    http://www.chronologs.de/…-religi-se-frauen-dumm

    Für diesen Aspekt suche ich noch nach schlüssigeren Erklärungen, da es m.E. nicht angeht, Frauen per se zu unterstellen, sie seien unfähig, eigene Interessen zu vertreten. Aus evolutionärer Sicht ist stattdessen zu erwarten, dass sich Verhalten beider Geschlechter tendenziell adaptiv entwickelt haben sollte. Hier fehlt m.E. ein Puzzleteil, wahrscheinlich liegt es schon vor unserer Nase…

  19. @ Ralph Würfel

    Ein ehrliches Danke für das Mit-Suchen! Gerade weil wir recht unterschiedliche Literatur zu verwenden scheinen, könnten sich da Funde auftun! Genau so macht das Wissenschaftsbloggen Freude! *Blogger-freut-sich*

  20. @ Blume/Apersonalität von Gottesvorstellungen

    Weiss nicht so recht – auch im Christentum ist man ja schon früh auf die apersonale Schiene geraten.

    Ich bin nicht gerade bibelfest,aber aus dem Alten Testament würd’ ich den Gott von Hiob anführen, der sich ja nun wirklich nicht als ein “personales Gegenüber” präsentiert, mit dem man kommunizieren könnte, sondern als ein abgründiges, unauslotbares Prinzip, dem man sich einfach (blind) anvertrauen soll.

    Aus dem Neuen Testament natürlich: “en arche en ho logos…”. Und das versucht, wenn ich’s recht sehe, Ratzingers Benedikt ja auch gerade.

  21. Schöpfungskraft

    Es sei mir hier erlaubt, dem matrifokalen Deutungsmuster von Herrn Blume einen recht naheliegenden, alternativen Erklärungsansatz entgegenzustellen.

    Nach heutigem Wissensstand wird davon ausgegangen, dass bis vor einigen tausend Jahren der kausale Zusammenhang zwischen Geschlechtsakt und der Entstehung eines Menschen nicht bekannt war. Vielmehr wurde vermutet, dass Frauen durch “göttliche Winde” befruchtet (oder ähnlich mythische Erklärungsansätze) werden und somit in einem besonderen, privilegierten Verhältnis zu göttlichen Kräften stünden. Es ist naheliegend, dass die Erkenntnis, dass es eine biologische Vaterschaft überhaupt gibt, die Stellung der Frau im Sozialgefüge schwächte und zur Überwindung des Matriarchats beitrug, was wiederum die Möglichkeit eines männlichen Gottes als Schöpfer des Lebens zuliess, d.h plausibel erscheinen liess.
    (Griechische Mythologie – Ranke Graves, Deutungen)

    Wenn wir die Welt um uns herum betrachten, die dingliche Welt, die Häuser, die Strassen und die Automobile und Flugzeuge, in die wir uns setzen, die Satelliten, welche die Erde umkreisen und den Globus mit einem digitalen Netz umspannen, all die von Menschen erschaffenen Dinge, dann sehen wir die Materialisierung fast ausschliesslich männlicher Visionen.

    So ist es heute, und so war es vor tausenden von Jahren : die schöpferische Kraft ist eine männliche. Was liegt da näher, als sich einen persönlichen Gott, dem ein Geschlecht zugewiesen werden muss, sich als männlichen Gott vorzustellen ?

    • Ja….., Das Auto = Frau / Die Antriebskraft (Benzin, Diesel, Strom usw.) = Mann. Fazit: Erst durch die Antriebs-KRAFT wird seelenloses Gefährt zum brauch-baren Nutzfahrzeug. Dies ist der springende Punkt! Auto kann sehr wohl > von sich aus angefeuert, wie ihre andern Schwestern, Basen) unbedingt Mutter werden, um einen sozialen Status zu erlangen, der Frau des…..; während Mann diesen doch von Geburt an hatte…. / Aber mit dem Rückgang der sippischen ”Zuvielisation” v.a. in den Städten nahm auch Verkopfl-astung > Vera-kademisierung von ”Frau” sprunghaft zu (mehr Abiturientinnen !) und damit die Feminisierung auch undank der Politisierung durch die Vereinig-ten Linksparteien, die die Zusammensetzung im Landesparlament umpolte, so, dass mit diesen neuen, erstarkten Mehrheiten (auch undank naiver, halb-schlauer, denkfauler Männer anderer bürgerlichen Parteien !) immer mehr männerabträgliche Gesetze (Eherecht, Ehescheidung) durchgeboxt werden konnten, was vor der Einführung des Frauenstimmrechts gänzlich unmöglich gewesen wäre! So entwickelt sich ”Geschichte” von einem Extrem ins andere.

  22. @Bosshard/Blume

    @Bosshard: mit ihrer Gleichsetzung “schöpferisch=männlich”ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Und es ist fraglich, ob es so stimmt. Man könnte ja auch sagen, der Vatergott hat sich durchgesetzt, weil “männlich = physisch stärker, ehrgeiziger, gewalttätiger, penetranter, rücksichtsloser”. Ausserdem muss nicht das, was sich durchgesetzt hat, auch gut sein.
    @Michael: der Gegensatz ist nicht personal-beseelt gegen apersonal-unbeseelt.
    Pantheistische Entwürfe sehen in den Kräften der Natur auch etwas Beseeltes, nicht Dinghaftes, das zuweilen sogar auch personalisiert wird. Aber in vielen Personen, so wie ja unser Ich auch viele Provinzen hat und keineswegs nur von einer Regierungszentrale geleitet wird. Das ist ja seit Freud und Jung Allgemeingut. Es ist auch die Frage, ob der Sinn von Gottesvorstellungen im 21. Jahrhundert die Errichtung “dauerhafter religiöser Beziehungen” sein muss. Der Zug geht in Richtung Individualisierung, das hat sich sogar schon bis in die Jugendszene des Iran herumgesprochen. Ich glaube die Zeit der Bindungen an Volk, Rasse, Nation, Stamm, Blutsgemeinschaft, Sippe, Familie, Clan geht langsam vorüber und der individualisierte und auf sich gestellte Mensch braucht neue spirituelle Sinngebungen.
    Kurzum: Die Frage ist, ob ein personales Gottesbild das Richtige für eine sich immer mehr individualisierende und golabisierende Welt sein kann. Welcher Super-Vater oder Super-Mutter müsste das sein? Warum nicht zufrieden sein mit einem transzendenten GANZEN, das sich analytischer Zergliederung immer wieder entzieht und durchaus seelenhafte Züge tragen kann, wie die “Weltseele” im deutschen Idealismus oder das im Emergenzbegriff versteckte Geheimnis der Kreativität?

  23. Vatergott

    @Bosshard:
    Dass “göttliche Winde” alleine nicht ausreichen, dürfte der Mensch aber bereits vor 10000 Jahren gewusst haben, als er sesshaft wurde und mit der Viehhaltung begann.

    @Blume:
    Meine (unoriginelle) Spekulation: Die Zuschreibung des männlichen Geschlechts für eine Gottheit spiegelt schlicht die gesellschaftlichen Machtstrukturen wider, in denen dieses stattfand. Menschliche Autorität war männlich konotiert, ergo musste es die göttliche auch sein. Zu dieser Vorstellung passt auch, dass “gerade bei der Durchsetzung und Erhaltung der monotheistischen Religionen Frauen sogar ganz entscheidend beteiligt gewesen [waren (und sind!)]” Sie, die Frauen, haben die männliche/göttliche Autorität anerkannt (und tun es noch heute) (bis auf jene schrecklichen Feministinnen, die der Untergang unserer abendländischen Kultur wären, gäbe es nicht die religiösen Gretchen 😉 ).

    @Sünner:
    » Ich glaube die Zeit der Bindungen an Volk, Rasse, Nation, Stamm, Blutsgemeinschaft, Sippe, Familie, Clan geht langsam vorüber…«

    Das wäre auch meine Hoffnung, dass der Mensch sich so langsam als eine global verbreitete Spezies mit gemeinsamer Herkunft begreift.

  24. @ Bosshard

    “Wenn wir die Welt um uns herum betrachten, die dingliche Welt, die Häuser, die Strassen und die Automobile und Flugzeuge, in die wir uns setzen, die Satelliten, welche die Erde umkreisen und den Globus mit einem digitalen Netz umspannen, all die von Menschen erschaffenen Dinge, dann sehen wir die Materialisierung fast ausschliesslich männlicher Visionen.”

    Aber Herr Bosshard!
    Pstpstpst!
    Wie kann man nur so unvorsichtig sein!
    “Nobody expects the Spanish Inquisition!”
    Genau.
    Noch so ein paar ketzerische Unbedachtheiten, und – ZACK – haben Sie die gynarchische Inquisition am Hals. Und dann gnade Ihnen die Göttin!

  25. Weibliche Gottheiten und moderne Hexen

    Verschwand mit den weiblichen Gottheiten auch die Macht der Frauen?

    Gertrude R. Croissier schreibt in ihrem Buch „Psychotherapie im Raum der Göttin“:
    „Die persönliche Leidensgeschichte von Frauen ist nicht getrennt von der schmerzlichen Kollektivgeschichte des Weiblichen im Patriarchat: Dem Schutz der alten Mutter-Göttin beraubt und von einem eifernden Vater-Gott dämonisiert, sind Frauen körperlich, emotional, geistig und spirituell heimatlos.
    Ohne liebevolle Spiegelung in einem mütterlichen Gottesbild aber, ohne Kontakt zu den weiblichen Wurzeln des Lebens, sind sie geschwächt und sich selbst fremd geworden. Heilung von Weiblichkeit braucht daher Rückbindung an den weiblich-göttlichen Ursprung des Lebens. Das Weibliche will in seiner Wertigkeit erkannt, will geheilt und ermächtigt werden. …“

    Quelle: http://www.pomaska-brand-verlag.de/…x.php?id=138

    Als ich ein Kind war, gab es in der kath. Kirche noch eine strikte Geschlechtertrennung. Viele der alten Frauen beteten fast nur zur Muttergottes, sie schämten sich wohl einen männlichen Gott mit Frauenproblemen zu belästigen. Die Frauen spielten in der von Männern dominierten Gesellschaft keine tragende Rolle mehr, also versuchten sie es allen recht zu machen um anerkannt zu werden. Dieser vorauseilende Gehorsam ist m.E. auch der Grund, warum Frauen eine so große (untergeordnete) Rolle bei der Weitergabe der monotheistischen Religionen spielten. Was blieb den Schwachen sonst für eine Möglichkeit, als sich an die Leitkultur anzuhängen?

    Im Zuge der Emanzipation hat sich da ja auch einiges verändert. Gibt man z.B. den Begriff „ Wicca“ in die Google-Suchmaschine ein bekommt man 3.000.000 Treffer. Ich nehme deshalb stark an, dass die Frauen auf der Suche nach einer neuen spirituellen Orientierung sind.

    • Ich hab’ die Geschlechterteilung in den Sitzbänken während des Gottesdienstes in der ”Rom”kirche bis vor Vaticanum II auch noch erlebt > links die Hut tragenden Witwen, Tanten, Basen und Fräuleins, Jung-Frauen, ledige Jungfern, rechts das barköpfige Mannsvolk, die Hagestolze oder (Sippen-)Familien. // Betr. Ihre Erwähnung der hl. Maria muss ich festhalten, dass dies erst der Fall sein konnte, als die sog. (weibliche….) Volksfrömmigkeit (Pietà) der Amtskirche ab 5. Jhdt den unbiblischen (siehe Mt. 12,48/49) Marienkult aufnötigte, als Gegengewicht zu Gott-Vater>Sohn – Dominanz. Und mit diesem Doktrinbruch erfolgte der unsägliche Seligen-, Heiligen-, Amulett-, Reliquienkult, denn das weibliche (!) Volk brauchte Vorbilder für seinen kümmerlichen Lebensalltag. Die heutige Emanzipation konnte erst erfolgen durch den Rückgang der Landbewirt-schaftung > der wirksamen Geburtenregulierung auch durch ”die” Pille > Ver-kümmerung der Sippe > heutigen politischen und konsumfreudigen Ueber-gewichtung der weiblichen Sippschaft durch wirtschaftliche Unabhängigkeit dank Vera-kademisierung. Daher kaum verwunderlich die Unterdrückung von ”Frau” in Afrasien-Lateinamerika, im Vatikan und dessen 600 J. jüngeren Abschreibereligion, denn ”wehe, wenn sie losgelassen”. Danach hätte ”Mann” nicht mehr viel ”zu melden”. Und, ab 2100 wird in EUropa auch der weisse, eingeborene Mann Minderheitenschutz beantragen müssen. (31.1.22)

  26. @Blume: Unterscheidung

    Vielleicht kommt man der Fragestellung – wieso sich männliche Gottheiten in bestimmten Kulturen durchsetzten und warum sie von Frauen verehrt wurden? – etwas näher, wenn man eine Aufstellung macht, welche Götter man damit meint.

    In vielen Kulturen gibt es keine männlichen Hauptgötter sondern eher Naturgeister bzw. Dämonen (Manitu) – oder Naturkräfte (polynesisches Mana) als oberste Kraft.

  27. Gott als Mann oder Frau

    @Mona
    Ist zur Heilung des über Jahrhunderte schlecht behandelten Weiblichen wirklich eine Rückbindung an einen weiblichen Urgrund nötig? Brauchen die Schwarzen wegen langer Diskriminierungen einen schwarzen Gott, die Juden wegen dem Holocaust einen explizit jüdischen Gott? Das mag wohl in bestimmten Phasen einer Leidensgeschichte als wohltuend empfunden werden, aber es kann keine langfristige Lösung für diesen kulturell zusammenwachsenden Planeten sein. Es führt auch zu einer Karrikatur des Göttlichen, das – wenn es dies überhaupt gibt – immer übergreifend sein muss: androgyn, eben nicht völkisch bestimmt, überhaupt nicht in anthropomorphen Kategorien fassbar. Alles andere bleiben sentimentale, atavistische, ja eigentlich reaktionäre Haltungen, die am Ende nur wieder zu Konkurrenz, hierarchischem Denken, Kampf und Blutvergiessen führen.

    • Wie wärs, wenn Sie unnötige Fremdwörter wie z.B. ”androgyn” gut deutsch mit zwittrig, zwitterhaft aufführen würden, auch ”anthropomorphen” und ”atavistisch” ist höchst leseunfreundlich, wofür ich mir sicher nicht die Mühe nehme, im Lexikon nachzuschlagen. Frage: Ist auch Ihnen Deutsch verleidet oder kennen Sie durch Ihr Studium nur noch solche verwerflichen Französismen? / Latinismen ? // Betr. Ihr Gottesverständnis liegen auch Sie völlig schief! Denn: Alle drei semitischen Religionen haben einen eigenen Gott, den 3500 jährigen Jahwe, die unsägliche Trinitätsgottregelung ab 0325 und den Allah ab 0632, und dabei wird es auch bleiben! da kann Argentinien- PP ”Berg(org)oglio” lange von ”somos hijos de lo mismo deo” reden > sind wir eben offiziell nicht: ”Söhne/Töchter desselben Gottes”, denn niemand kann da nachgeben. // Sowas könnte konkret nur durch die Oekumenebewegung in GENF angestossen werden, allein, es gibt Religionen ohne Gottesbild, wie sollen sich die denn verhalten?

  28. Göttinnen-Video

    Als Anregung aus der Diskussion habe ich dem Post ein Video zugefügt, in dem “die Göttin” besungen wird. Der Evolutionsforscher fragt da also nüchtern: Wenn es also doch ging und geht, warum hat es sich nicht weiter durchgesetzt?

  29. @ Rüdiger

    Nochmal: In der (empirischen) Religionswissenschaft geht es erst einmal nicht darum, wie Religion(en) sein “sollten”, sondern wie sie geworden sind. Gerade auch wenn wir belastbare Aussagen darüber machen wollten, was “gut für uns Menschen ist” – sollten wir doch erst einmal verstehen, wie es zum Heute gekommen ist. Und gerade wenn Du Personalisierungen eigentlich unnötig oder gar schädlich findest, müsste Dich doch interessieren, warum sie so weit verbreitet sind – wogegen rein apersonal konnotierte Glaubenssysteme kaum (auch demografisch) erfolgreiche Traditionen hervorgebracht haben. Oder könntest Du eine einzige lebendige Gemeinschaft benennen, die derzeit ein wirklich apersonales Glaubenssystem mit demografischem und missionarischem Wachstum verbindet? Monotheistisch-patriarchal gibt es das Dutzendweise (z.B. Amische, Mormonen, Haredim etc.), und ich würde gerne erforschen, wie und warum.

  30. @ Mona: Unterdrücksungsthese

    Liebe Mona,

    die Unterdrückungsthese ist sehr beliebt, aber sie passt einfach nicht zu den Befunden. So begründete sich der spätantike Erfolg von Juden- und vor allem Christentum maßgeblich und entscheidend auf dem Engagement von Frauen. Diese zogen den Vater-Gott dem gemischt-geschlechtlichen Pantheon von Römern und Griechen vor. Und das Ganze, als Monotheisten noch verfolgt und überhaupt nicht anerkannt wurden.

    Frauen haben sich also nicht einfach einer “herrschenden Leitkultur” angeschlossen, um “Anerkennung zu finden”, sondern sie haben diese Leitkultur maßgeblich aus der Taufe gehoben, als dies noch Spott und Verfolgung bedeutete.

    Und gerade weil ich die vielen Befunde für weibliche Spiritualität und Religiosität gestern und heute auch sehe, finde ich Erklärungen nicht überzeugend, wonach Frauen nun einmal das unterlegene Geschlecht seien und nur darauf warteten, unterdrückt zu werden. Aus evolutionärer Sicht erscheint mir das als unlogisch, da sollten beide Geschlechter ihre Interessen vertreten.

    • Die Sachlage ist doch einfach: ‘Frau” wird in Afrasien-Lateinamerika absichtlich unterdrückt, indem sie keine Gelegenheit bekommt, wirtschaftlich autonom zu leben, denn: sie gehört der Sippe (zu der Sippe), die sie gefl. weiterpflegend ent-wickeln wolle, aus welcher sie also absolut nicht ausbrechen kann. Ohne richtige Anstellung keinen anständigen Lohn > keine zumutbare Wohnung für sich alleine, wenn es das überhaupt gibt…. und da ist immer noch die einhei-mische Staatsreligion dieser Diktaturen und Monarchien, die ihr Bekleidung und Betragen ausser Haus vorschreibt, was Sittenwächter brutal überwachen. Zudem ist in all diesen exotischen Ländern objektive, geschlechtsneutrale, unbeschmierte Rechtsprechung undenkbar, so, dass Selbstjustiz an der Tagesordnung liegt! // ”Religionsweltfrieden” gemäss Alt-prof. Hans Küng (1928-2021) ist doch Utopie > da gibt doch niemand nach, weder morgen noch in 500 Jahren. Darum muss die kommende, zaghafte Weltraumbesiedelung ab 2050 nicht nur ABC-Waffen frei sein, sondern auch…. religionsfrei. (31.1.22)

  31. @ Peter Bosshardt

    Spannender Ansatz, aber alle Anzeichen sprechen dafür, dass auch schon unsere Vorfahren sehr genau über Sexualität, Schwangerschaft etc. Bescheid wussten.

    1. Schon vor mindestens 500.000 Jahren planten Menschengruppen Jagdzüge über Monate voraus. Es ist unwahrscheinlich, dass ihnen Vorgänge in der Gruppe völlig verborgen geblieben wären.

    2. Die ersten Darstellungen von Menschen und Körperteilen kreisen ja gerade um Themen der Fruchtbarkeit und Sexualität. Und unter den ersten Männerdarstellungen dominiert – der Penis.
    http://www.chronologs.de/…eit-und-ihre-bedeutung

    3. Schon vor Jahrtausenden sind (z.B. in Ägypten) detaillierte Abhandlungen über Verhütungsmittel überliefert. Und auch der biblische Onan (Genesis 28) praktiziert Coitus interruptus, um eine Schwangerschaft zu vermeiden, womit er Gott erzürnt. Es ist davon auszugehen, dass auch diese Erzählung vor ihrer Verschriftung schon lange tradiert wurde und sie setzt die entsprechenden Kenntnisse der Zuhörerinnen und Leser voraus.

    4. Auch heutige Wildbeutervölker wie die !Kung San sind im Rahmen ihrer eigenen Kultur ausnahmslos über Sexualität sehr gut informiert. Das an jedem Zeitungskiosk zu besichtigende Interesse an “Wer mit wem” dürfte evolutionär sehr alt sein. 🙂

    Mir sind dagegen keine belastbaren Belege dafür bekannt, dass die Männerdominanz aus einem “Sexualität-Erkenntnisschock” heraus entstanden sei. Interessante These, aber wohl nicht haltbar.

  32. @ Blume

    Michael –

    nochmal: inwieweit _sind_ die christlichen Gottesvorstellungen wirklich “personal”? Christus: sofort zugegeben.

    Aber was machst Du z.B. mit dem Bilderverbot, mit den Namensverbot? Wär’s nicht die natürlichste Sache der Welt, einen “personal” gedachten Gott mit einem Namen zu belegen und ihm eine Statue hin zu stellen, wie die Polytheisten das taten? Und wäre nicht ein “personaler” Gott, den wir uns nach dem Bilde eines bronzezeitlichen Patriarchen schufen, ein seltsamer Geselle, wenn er auf Namen und Bild verzichten würde, wo doch die zeitgenössischen Nebukadnezars und Ramsesse nicht besseres zu tun hatten, als ihre Namen und Abbilder wieder, wieder und wieder in Stein hauen zu lassen, um ihre Größe zu beweisen?

  33. Personal oder apersonal

    @Michael
    1) Warum personale Götter so weit verbreitet sind, könnte daran liegen, dass man durch Personifizierung ein Gefühl von Halt, Sicherheit und Geborgenheit gewinnt: das beruhigende Gefühl, einen Ansprechpartner zu finden, der nach dem Modell der eigenen Eltern oder Grosseltern geprägt ist. Das kann auch ein Gott mit z.T. strengen und strafenden Seiten sein, wie eben auch der eigene Vater. Eine ideale Projektionsfläche. Ob ein Glaubenssystem missionarisch oder demografisch erfolgreich ist, sagt für mich nichts über seine Plausibilität, Qualität oder sein kreatives Zukunftspotential aus. Dass die Bildzeitung von mehr Menschen als die FAZ gelesen wird, rechtfertigt mich noch nicht die Existenz der Bildzeitung.
    Ich glaube übrigens, dass deine “empirische Forschung” auch nicht ganz wertfrei ist. In Fernsehsendungen lässt du dich ja als Christ vorstellen, der mit einer Muslima zusammenlebt, also seid ihr beide klar monotheistisch orientiert. Ich finde dieses Outing wegen seiner Transparenz übrigens sehr menschlich und sympathisch.
    Aber es lässt auch vermuten, dass du emotional und spirituell mit Pantheismus, Polytheismus, Animismus oder zeitgenössischen “freien” Formen von Spiritualität (New Age, Ken Wilber, transpersonale Psychologie, Esoterik etc.) vielleicht nicht so sehr viel anfangen kannst. Was auch dein gutes Recht ist, aber solche Haltungen beeinflussen eben auch die wissenschaftliche Arbeit. Ich versuche mich eben auch transparent zu machen: Mich interessiert schon sehr die Frage nach einem Gottesbegriff für das 21. Jahrhundert, der die bahnbrechenden Erkenntnisse von Aufklärung, Naturwissenschaft, Philosophie, Femininismus, moderner Kunst mitumfassen kann sowie auch Weisheiten aus naturreligiösen Traditionen. Und ich habe das Gefühl, dass zumindest im europäisch-amerikanischen Raum immer mehr Menschen nach so einem Gott suchen. Dass die Vertreter des Monotheismus das nicht so gerne sehen, ist mir schon klar, trotzdem scheint auch dies eine empirisch belegbare Tatsache zu sein.

  34. @ Helmut

    Ja, ich bin sofort dabei zuzugeben, dass es eine ganze Reihe von Rätseln zu dem Thema gibt: Personal – apersonal, tierhaft – menschenähnlich, bildhaft – bildlich, männlich – weiblich usw. Es erscheint mir nur zweifelhaft, ob sich das alles auf einmal auflösen lässt, daher habe ich hier mal die männlich – weiblich-Dichotomie zur Diskussion gestellt.

    Eine ganz interessante, neuere These zur Bildlosigkeit hat übrigens Dein (leider inzwischen verstorbener) Kollege Detlef Linke formuliert:
    http://religionswissenschaft.twoday.net/…122256/

    (Ist ausführlicher auch in Gott, Gene und Gehirn vorgestellt.)

    Zu personal – apersonal wäre zu sagen, dass hier die grundlegende Eigenschaft gemeint ist, mit einer Person in eine soziale Beziehung zu treten. Um ein aktuelles Beispiel zu wählen: Von Gott (ggf. der Göttin?) lassen sich viele Menschen sagen, dass sie fruchtbar sein sollen – aus den apersonalen Prinzipien der Evolutionstheorie offenkundig nicht.
    Vgl. zur Frage personaler Gottesvorstellungen:
    http://www.chronologs.de/…3-28/gott-im-kopf-wozu

  35. Weibliche Identität @Rüdiger Sünner

    “Ist zur Heilung des über Jahrhunderte schlecht behandelten Weiblichen wirklich eine Rückbindung an einen weiblichen Urgrund nötig?”

    Das ist keine einfache Frage, denn woran soll sich ein aus der Geschichte geworfener Mensch orientieren? Er wird doch erst einmal nach seinen Wurzeln suchen. Hat er diese gefunden und sich damit auseinandergesetzt ist er reif für eine Neuorientierung. Ich gebe Ihnen ja grundsätzlich recht, dass das Stochern in der Vergangenheit zu keiner langfristigen Lösung führt. Allerdings müssen Frauen, wie alle Opfer, erst einmal das Trauma zu überwinden lernen und dazu müssen sie sich auch mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen. Genauso haben es ja auch die Schwarzen in Amerika gemacht, sie suchten irgendwann nach ihren afrikanischen Wurzeln. Viele Männer meinen ja, sie könnten Frauen als zweitklassig behandeln, weil das angeblich schon seit der Steinzeit so Sitte ist. Da ist es doch nur recht und billig, wenn frau sagt: Nein, auch wir haben uns in der Geschichte umgesehen und es gibt auch andere Beispiele.

  36. Weiblichkeitsfeindliche Kirchenväter

    Lieber Michael,

    Du vergisst, dass auch das Christentum eine Entwicklung durchgemacht hat. In der Urkirche hatten Frauen ja noch eine würdevolle Rolle, dies änderte sich aber spätestens mit den Kirchenvätern, die die Frau als absolut zweitklassig ansahen.

    http://www.womenpriests.org/…aditio/inferior.asp

  37. @ Rüdiger

    Na, darauf gehe ich gerne gleich ein (habe heute Urlaub 🙂 ).

    Warum personale Götter so weit verbreitet sind, könnte daran liegen, dass man durch Personifizierung ein Gefühl von Halt, Sicherheit und Geborgenheit gewinnt: das beruhigende Gefühl, einen Ansprechpartner zu finden, der nach dem Modell der eigenen Eltern oder Grosseltern geprägt ist. Das kann auch ein Gott mit z.T. strengen und strafenden Seiten sein, wie eben auch der eigene Vater. Eine ideale Projektionsfläche.

    Ja, und all das sind empirisch überprüfbare Hypothesen, an vielen sind wir dran. Mir ist nur nicht klar, warum nicht auch eine Mutter eine solche Projektionsfläche sein sollte.

    Ob ein Glaubenssystem missionarisch oder demografisch erfolgreich ist, sagt für mich nichts über seine Plausibilität, Qualität oder sein kreatives Zukunftspotential aus.

    Da stimme ich Dir auch zu. Aber den Evolutionsprozess gestern und heute zu erkunden ist mein Forschungsinteresse. Dabei geht es gerade nicht darum, ob mir persönlich alle Befunde gefallen – das tun sie übrigens oft nicht.

    Dass die Bildzeitung von mehr Menschen als die FAZ gelesen wird, rechtfertigt mich noch nicht die Existenz der Bildzeitung.

    Nein, aber wenn Du Medienwissenschaftler wärst, dürftest Du auch nicht so tun, als gäbe es die Bild nicht. Und gerade wenn Du die Auffassung vertreten wolltest, dass die FAZ eigentlich viel besser sei, müsstest Du wissenschaftlich erklären können, warum die Bild dann soviel häufiger gelesen wird.

    Ich glaube übrigens, dass deine “empirische Forschung” auch nicht ganz wertfrei ist.

    Ja, das sehe ich auch so. Ich halte das Bild eines absolut wertfreien, objektiven Wissenschaftlers für unrealistisch – wir alle sind biografisch, psychologisch, sozial, kulturell und weltanschaulich-religiös schon in unseren Wahrnehmungen geprägt, unterliegen Zwängen, Ängsten, Aufträgen etc. Deswegen versuche ich Transparenz herzustellen, stelle mich Diskussionen und suche bewusst Dialog und Zusammenarbeit auch mit Andersdenkenden.

    In Fernsehsendungen lässt du dich ja als Christ vorstellen, der mit einer Muslima zusammenlebt, also seid ihr beide klar monotheistisch orientiert. Ich finde dieses Outing wegen seiner Transparenz übrigens sehr menschlich und sympathisch.

    Das ist nett. Diese Transparenz trägt mir allerdings auch unglaublich viel Aggressivität von Leuten ein, die lieber auf der persönlichen als wissenschaftlichen Ebene diskutieren…

    Aber es lässt auch vermuten, dass du emotional und spirituell mit Pantheismus, Polytheismus, Animismus oder zeitgenössischen “freien” Formen von Spiritualität (New Age, Ken Wilber, transpersonale Psychologie, Esoterik etc.) vielleicht nicht so sehr viel anfangen kannst. Was auch dein gutes Recht ist, aber solche Haltungen beeinflussen eben auch die wissenschaftliche Arbeit.

    Nun ja, gerade dieser Post mit der Hinterfragung männlicher Gottesbilder, die Beiträge über UFO-Religionen oder die ganze Perspektive der Evolutionsforschung deuten ja doch ein breiteres Interesse an, oder!? 😉
    Im übrigen gebe ich Dir aber Recht und habe genau deswegen erst vor wenigen Kommentaren Ralph Würfel dafür gedankt, dass er in Schrifttum nachschaut, das mir nur am Rande geläufig ist. Das Zusammenführen verschiedener Perspektiven erscheint mir die Blog-Chance per excellence.

    Ich versuche mich eben auch transparent zu machen: Mich interessiert schon sehr die Frage nach einem Gottesbegriff für das 21. Jahrhundert, der die bahnbrechenden Erkenntnisse von Aufklärung, Naturwissenschaft, Philosophie, Femininismus, moderner Kunst mitumfassen kann sowie auch Weisheiten aus naturreligiösen Traditionen. Und ich habe das Gefühl, dass zumindest im europäisch-amerikanischen Raum immer mehr Menschen nach so einem Gott suchen.

    Da würde ich Dir sogar Recht geben! Nur möchte ich im Rahmen meiner wissenschaftlichen Arbeit keinen “Gott finden”, sondern menschliche Biologie und menschliche Kultur erkunden. Wenn sich morgen eine ideale Gemeinschaft mit neuen Gottesbildern formiert, würde mich das schon wissenschaftlich sehr interessieren! Ebenso würde mich z.B. eine UFO-Landung interessieren oder eine Engelserscheinung. Kann man ja alles theoretisch für möglich halten. Nur kann ich Dir dazu bislang nur sagen: Hypothesen haben sich (erst) an der Realität zu bewähren, sonst bleibt es Spekulation.

    Dass die Vertreter des Monotheismus das nicht so gerne sehen, ist mir schon klar, trotzdem scheint auch dies eine empirisch belegbare Tatsache zu sein.

    Helmut hat schon zu Recht darauf hingewiesen: Es gab nie “die” Monotheisten, sondern auch da immer die unterschiedlichsten Strömungen. Und mancher jüdische, christliche, muslimische, hinduistische oder andere Mystiker würde Dir hier wohl aus ganzem Herze zustimmen. Was – für sich genommen – doch auch schon wieder ein wissenschaftlich interessanter Befund ist, oder!? 🙂

  38. @ Mona: Entwicklung Christentum

    Liebe Mona,

    ja, zur Rolle der Frauen in der (spätantiken und frühchristlichen) Spätantike lese ich gerade das wunderschöne “Portrait of a Priestess” von Joan Connelly.

    Aber gerade das unterstreicht ja, dass Frauen am Umschwung zu einem männlich konnotierten Gottesbild aktiv beteiligt waren.

    Und auch heute haben wir ja das Rätsel, dass sich Frauen z.B. problemlos evangelischen Kirchen anschließen könnten, in denen weibliche Pfarrerinnen, Bischöfinnen etc. längst etabliert sind. Aber laut Schweizer Volkszählung finden wir die höchsten Anteile von (auch jungen) Frauen in Gemeinschaften wie den Zeugen Jehovas, Pfingstgemeinden und katholischen Kirchen. Soll ich denn ernsthaft annehmen, dass Frauen grundsätzlich unmündig seien? Und wie wäre das evolutionär zu erklären?

  39. Nachtrag

    In diesem Zusammenhang fällt mir gerade noch das Buch “Die Erfindung der Götter” ein. Da wird m.E. recht gut beschrieben, wie ein möglicher Übergang zur männlichen Götterwelt vonstatten ging.

    http://www.readme.de/…mal&PHPSESSID=ueqdimrg

  40. Neolithische Revolution

    @ Blume
    Die Erkenntnis über den Ursprung des Lebens wird meist in die Zeit der neolithischen Revolution angesetzt. Das ist selbstverständlich grob vereinfachend, denn nicht alle Kulturen hatten notwendigerweise den gleichen Kenntnisstand.

    Ihr Einwand ; “..aber alle Anzeichen sprechen dafür, dass auch schon unsere Vorfahren sehr genau über Sexualität, Schwangerschaft etc. Bescheid wussten..” ist so nicht richtig.
    Als Beispiel seien hier die Tobriand-Inseln genannt. Die Bewohner dieser Inseln lachten die Europäer aus, als sie ihnen die Zusammenhänge zwischen Sexualität und Ursprung des menschlichen Lebens erklärten.

    Nachforschungen ergaben eine völlige Unkenntnis der physiologischen Vaterschaft und der Glaube an Geisterkinder, die ohne Zutun eines Mannes im Mutterleib heranwachsen.

    Belastbare Belege gibt es nicht, weder für meine noch andere hier geäusserte Thesen. Es liegt in der Natur der Sache, dass vieles mehr oder weniger plausible Hypothese bleiben muss.

    …”Die ersten Darstellungen von Menschen und Körperteilen kreisen ja gerade um Themen der Fruchtbarkeit und Sexualität. Und unter den ersten Männerdarstellungen dominiert – der Penis”…

    was keineswegs heissen muss, dass Sexualität und biologische Vaterschaft verstanden wurden. Erst unsere Erkenntnisse legen die Deutung des dargestellten Penis als Fruchtbarkeitssymbol nahe.

  41. Daß Väter die sind, die den Kindern fehlen – das leuchtet mir unmittelbar ein. Zum einen ist es biologisch unabänderlich, daß das Kind früher eine Bindung zur Mutter als zum Vater hat. Zum anderen sind die, die das Geld für die Familie erwirtschaften, immer noch (und vermutlich noch lange) in der Mehrzahl Männer. (Ich rede jetzt nicht allein von den Verhältnissen in Deutschland, sondern auf der ganzen Erde.) Damit haben die meisten Väter notgedrungen weniger Zeit für ihre Kinder als die Mütter.
    Die Anrede “Papa” für Gott dürfte übrigens einen wirklich bibelkundigen Fundamentalisten nicht stören – da doch Jesus mehrfach das aramäische Äquivalent Abba benutzte. Aber mit Fundis kann man wohl nicht so richtig gut logisch reden.

  42. @ Peter Bosshardt

    Ihr Verweis auf die vermeintlichen sexuellen Nichtkenntnisee der Einwohner Trobriand-Inseln interessiert mich – wenn das plausibel belegt ist, könnte es Ihre Hypothese bestärken. Und, ja, dann könnten die weiblichen und später männlichen Fruchtbarkeitssymbole gerade das Mysteriöse (oder Geheimwissen) rund um die Abläufe abbilden. Könnten Sie die Quelle der geschilderten Beobachtung auf den Inseln benennen?

  43. @ Mona: Super-Fund!

    Liebe Mona,

    wow, ja, das sieht sehr interessant aus! Gerhard Bott scheint da aus ebenfalls evolutionärer Perspektive auf die gleiche Fragestellung gestossen zu sein. Das Buch ist zwar teuer, aber die Rezensionen (von Frauen und Männern) vielversprechend und ich habe es mir soeben bestellt. Für alle, die es mal überfliegen und reinschauen wollen:
    http://www.amazon.de/…;qid=1270129230&sr=8-1

    Mal schauen, ob und wie die Dinge zusammenpassen, aber das Feld scheint in Bewegung zu sein! 🙂

  44. @ Claudia

    Ja, der Roman “Die Hütte” ist nun wirklich tief-religiös und christlich geprägt, aber in Teilen eben auch massiv unkonventionell (Thematisierung eines Kindermordes, Gott als Afroamerikanerin etc.). Interessant fand ich, dass es bei Kirchen- und Verlagsoberen eher auf Skepsis stieß, aber “von der Basis” her zum Millionenbestseller wurde. Und auch in Deutschland hat es seine Fans, von 218 (!) Amazon-Rezensionen geben 128 fünf Sterne, 24 dagegen keinen.
    http://www.amazon.de/…;qid=1270129483&sr=1-1

    Wo sind die Literaturwissenschaftler hier? 🙂

  45. @Michael/Mystiker

    Michael, du hast natürlich Recht mit einer gewissen Vielschichtigkeit des Monotheismus und der Nähe meiner Position zu manchen Mystikern. Im Bezug auf diese Blog-Diskussion wäre es interessant zu fragen, inwieweit das Weibliche in der christlichen, jüdischen und islamischen Mystik möglicherweise eine grössere Rolle spielt, als in den orthodoxen Lesarten (Schechina, Sophia, Lilith). Vielleicht sind die Mystiker deshalb für die Orthodoxen auch bis heute eher Häretiker, schwer integrierbare Randfiguren, weil sie sich patriarchalen Vereinfachungen seit jeher widersetzt haben.

  46. Große Mutter vs. Große Göttin

    Ich finde die Ansicht interessant, dass der Unterschied zwischen Orthodoxie und Mystik der ist zwischen Religion (Kirche) und Spiritualität (Transzendenz). Dem Orthodoxen geht es um das Exoterische: das Festhalten am Stand der Dinge, er ist eher an der Gemeinschaft interessiert (also an der Kirche), an den Ritualen im herkömmlichen Sinn. Der Mystiker dagegen ist esoterisch, hält nicht fest, ihm geht es um das loslassen, den Weiterentwicklung des eigenen Bewusstseins (Erleuchtung), die Rituale im übertragenen Sinne.

    In Bezug auf das Weibliche meint das im orthodoxen Sinne die „Große Mutter“ (das Natürliche, das Sinnlich-Körperliche, das Bewahrende, das Dunkle, der Mutterschoß, häufig aber auch „negativ besetzt“ wie das Zerstörerische, das Verführerische), im mystischen Sinne ist es die „Große Göttin“ (das Erbarmen, die Erlösende, die Leuchtende, die Trost Spendende, die Vereinigende, die Himmlische). In diesem Sinne könnte es sein, dass nun – mit dem Aufweichen des Patriarchats – die Große Göttin den Gottvater, der ja die Große Mutter abgelöst hat, ihrerseits ablöst.

    Wir dürfen also gespannt sein, wie viel göttliche Weiblichkeit wir als Menschheit zulassen und uns zutrauen.

  47. …Ihr Verweis auf die vermeintlichen sexuellen Nichtkenntnisee der Einwohner Trobriand-Inseln interessiert mich – Könnten Sie die Quelle der geschilderten Beobachtung auf den Inseln benennen…?

    BronisBaw Kasper Malinowski (* 7. April 1884 in Krakau; † 16. Mai 1942 in New Haven, USA) war ein polnischer Sozialanthropologe (wikipedia)

    „Das Geschlechtsleben der Wilden in Nordwest-Melanesien“, beschreibt Malinowski detailliert die soziale Organisation der Sexualität … und beschreibt detailliert deren komplexe matrilineare Verwandtschaftsstruktur, in der die biologische Vaterschaft ignoriert wird …

    (wikipedia)

  48. @ Rüdiger Sünner

    Nun, wir können auf jeden Fall feststellen, dass Frauen in der Mystik eine sehr viel stärkere Rolle gespielt haben als in den monotheistischen Hierarchien. So gilt z.B. Rabia von Basra als erste vernehmbare Stimme der islamischen Mystik, des Sufismus:
    http://www.mlks.marl.de/…am4/rabia_von_basra.pdf

    Gerade aber dieses durchschnittlich stärkere Interesse an Spiritualität und die Bereitschaft, auch unter Inkaufnahme von Risiken vorherrschende Strukturen in Frage zu stellen, spricht m.E. gegen die dominierenden Thesen, dass wir es bei religiösen Frauen nur mit passiven Opfern zu tun haben. Ich plädiere dafür, die religiösen Entscheidungen und das religiöse Engagement von Frauen (auch z.B. gegen den antiken Polytheismus und für den Monotheismus oder für das Engagement in verbindlichen Gemeinden) nicht vorschnell abzuwerten, sondern ebenso unter evolutionärer Perspektive zu erkunden wie jene von Männern. Und bin schon sehr gespannt auf das Buch, das @Mona entdeckt hat!

  49. @ Ralph Würfel

    Nicht zuletzt aufgrund Ihrer Beiträge habe ich nach der Frage “Mutter Erde – Vater Himmel” geschaut und bin in einem neuen Buch der Religionswissenschaftlerin Ina Mahlstedt sehr fündig geworden:
    http://www.science-shop.de/…d=6&et_lid=50293

    Mir scheint, Sie und die von Ihnen zitierten Autoren hatten in dieser Frage Recht. Natürlich werde ich noch einige Zeit brauchen, diese Ansätze und Aspekte zu verdauen – aber für die Anregungen, danach zu sehen, darf ich jetzt schon danken!

  50. @ Peter Bosshardt

    Ja, dass (Religions-)Kulturen andere als biologische Familienstrukturen entwerfen und tradieren, ist bekannt und berührt spannende Fragen der frühen und heutigen Gemeinschaftsorganisation von Homo sapiens. Sarah Hrdy nennt das “as-if Kin” und widmet z.B. Konzepten multipler Vaterschaften in Naturreligionen ein eigenes Kapitel. Zu ihr und ihrem (jetzt auf Deutsch vorliegenden) Buch:
    http://www.chronologs.de/…sforscherin-sarah-hrdy

    Das kulturell konstruierte Familienstrukturen aber gerade kein Hinweis darauf sind, dass die Beteiligten “Sexualität nicht verstanden haben” wird z.B. an der Abrahamsgeschichte deutlich. Hier soll ja ebenfalls anstelle die Magd Hagar anstelle der Sarah dem Patriarchen ein Kind gebären – und alle wissen genau, dass dazu der Beischlaf nötig ist. Auch der bereits genannte Onan soll seinem verstorbenen Bruder ein Kind mit dessen Gattin zeugen (Leviratsehe) – wissend, dass dazu sein Same notwendig sei!

    Dass die Trobriander komplexe Rituale, Familienstrukturen und die Seenavigation nach den Sternen beherrscht haben, aber keine Ahnung von Sexualität gehabt haben sollen, erscheint mir daher weiterhin extrem unwahrscheinlich.

  51. @Blume

    Info:Google > An der Uni-Göttingen gibt es ein Graduiertenkolleg Götterbilder – Gottesbilder – Weltbilder
    Vielleicht findet dort Jemand für die aktuellen Fragen

  52. Ethnologen-Latein?

    Die Behauptung, Menschen in vorgeschichtlichen Wildbeuterkulturen hätten nicht über die Zusammenhänge zwischen Geschlechtsverkehr, Schwangerschaft und Geburt Bescheid gewusst, wird meines Wissens von der ethnologischen Feldforschung bei rezenten Wildbeuterkulturen nicht im geringsten gedeckt.

    Auch Ethnologen unterliegen bekanntlich kulturellen Vorurteilen und Fehlinterpretationen. Im Falle der (matrilearen, “mutterrechtlichen”) Gesellschaft auf den Tobriand-Insel liegt der Verdacht nahe, dass Malinowski aus der (wahrscheinlich zutreffenden) Beobachtung, in der mutterrechtlichen Gesellschaft sei die Vaterschaft gegenüber nichtbiologischen “Ursachen” unwichtig gewesen, ein “diese Wilden wissen eben nicht, dass zur Schwangerschaft die Zeugung gehört” gemacht hatte. Malinowski kulturelle Voreingenommenheit tropft geradezu aus seinem Buch heraus, wenn man es zu steil hält. (Schon der Titel “Das Geschlechtsleben der Wilden in Nordwest-Melanesien” spricht Bände, auch wenn er “nur” den üblichen Sprachgebrauch seiner Zeit wiedergibt.) Jedenfalls ist “der Malilnowski” in der neuere ethnologischen Literatur ähnlich umstritten wie Magaret Mead, und zwar aus ähnlichen Gründen: er projiziert zu viele vorgefasste Meinungen in seine Beobachtungen hinein.
    Eine beliebte Frage auf enthnologischen und soziologischen Einführungsvorlesungen ist: “Was würden Sie erzählen, wenn ein komischer Fremder zu Ihnen käme, und Sie fragen würde, woher die Kinder kommen?” Die meisten Studenten würden dem komischen Fremden etwas vom Klapperstorch erzählen.
    Meine Schlussfolgerung daraus: auch vor den Ackerbaukulturen, in denen Eigentum, Vererbung von Eigentum und Verteidigung von Eigentum wichtig wurde, wussten die Menschen über Zeugung und Vaterschaft Bescheid – es war nur einfach nicht so wichtig. Nachdem es etwas zu vererben und zu Verteidigen (ggf. zu erobern) gab, wurde diese Frage wichtig. Und unter patrilinearen Erbschaftsverhältnissen wird die schwer zu beantwortende Frage “Wer ist der Vater?” zum echten Problem – dessen “Lösung” allzu oft eine Entmüdigung der Frau, die dann nur noch als exklusives “Eigentum” ihres Ehemannes wahrgenommen wird, ist.

  53. Geschlechterrolle- Gottesbild

    Na, zu deutlich festgezurrt scheint der Forschungsstand bezüglich Geschlechterrolle-Religion nicht zu sein. Kann ich also auch meine Vermutungen beibringen, meinen Senf dazu geben.

    In Jäger-Sammler-Gruppen wird es doch eine gewisse Rollenverteilung geben/gegeben haben: Männer haben zu jagen und die Jagdbeute zu verteilen. Denn die Frauen sind ständig mit den Kindern beschäftigt, sind daher einerseits weniger beweglich, andererseits für den Erhalt der Gruppen unersetzbarer und deshalb wertvoller. Der Gefahr eines Jagdunfalls… sollte man sie lieber nicht aussetzen. Also sind sie auch mehr am zentralen Platz einer Gruppe. Sie werden deshalb eher sammeln und kochen: Frau am Herd und im Garten 😉
    Männer kennen daher eher den Umgang mit Waffen und mit großen Beute-Tieren.
    Diese Rollenverteilung wird sich auch im Übergang zur Landwirtschaft erhalten: Männer zähmen die Wildtiere und schlachten sie. Frauen melken und pflegen die Gezähmten. Bezüglich des landwirtschaftlichen Anbaus von Nutz-Pflanzen scheint es wohl so zu sein, dass Frauen zuerst deren Nützlichkeit und die Abfolge von Aussaat u Ernte entdecken. Denn das Wiederaufkeimen von Pflanzen kann man wohl am ehesten am zentralen Essplatz wahrnehmen und dort, wo wieder ausgeschieden wird: Dort wachsen auf einmal unerwartet Beeren und Äpfel und vielleicht weiter her geholtes Gras, dessen Körner man eben da genossen (und/oder ausgeschieden) hatte. Jäger werden unterwegs auf solche Zusammenhänge weniger achten können. Irgendwo bei Jared Diamond fand ich mal den Hinweis, dass Frauen wohl als erste die Landwirtschaft entdeckten. (Und einen Nachhall finde ich in der biblischen „Sünden“fallgeschichte: Eva ist entdeckungsfreudiger und gibt die Frucht weiter.)
    Wenn aber ein Platz auf diese Weise wertvoll und zum fruchtbaren Land wird, werden ihn die waffengewohnten (und stärkeren) Männer verteidigen; und ihn als erste verteidigen müssen, denn dabei schickt man ja klugerweise nicht die unersetzlichen Frauen (gar Säugende oder Schwangere!) vor. Und nebenbei gesagt: möglichst auch nicht die Schamanen/Priester/Heilkundigen; denn wenn sie sterben, ist womöglich auch das ganze Wissen des Stammes weg.
    Dadurch geschieht natürlich eine gewisse Machtverschiebung. Hat sie zum Patriarchat geführt?
    Machtverschiebung zum Patriarchat kann/wird auch die Gottesbilder ändern: Verehrungswürdig uU immer noch die Frauen, aber Aufenthaltsbestimmungsrecht bekommt Zeus.
    Jetzt wird auch die Frage des Besitzes interessant, denn vorher gab es ja nur mobilen und relativ schnell vergänglichen Besitz: Waffen, Handwerkszeug, Schmuck, Kleider. Ein gutes Stück Land ist eine Immobilie. Anfangs wird das fruchtbare Land der Gruppe gemeinsam gehört haben. Aber wenn zwischen dem Besitz von Stammesmitgliedern unterschieden wird, muss auch klar geregelt werden, wer diesen in Zukunft benützt. Da Frauen u.U. das Feld bestellen/ernten aber Männer es verteidigen, liegt es relativ nahe, Erbschaften über die männliche Linie laufen zu lassen. So viel ich mich dunkel an Malinowski (bzw. Sekundärliteratur dazu) erinnere, hatten die Trobriander keinen getrennten Grundbesitz. Vielleicht deshalb das Desinteresse an Abstammungsfragen.

    Zu Himmel-Erde noch:
    Mir scheint es am natürlichsten – biologisch/psychologisch – zu sein: Die Erde gebiert – z.B. Pflanzen, aber auch (wie man bis in die Neuzeit unterstellte) Insekten und andere Kleintiere. Sie ist weiblich. Sie wird befruchtet, z.B. vom Regen aus den Wolken des Himmels. Der Himmel ist also männlich. Wenn es in ägyptischen Darstellungen (z.T.?) anders ist, dann dürfte das schon ein weiter denkender Gegen-Entwurf zur ursprünglich „naiven“ Rollenverteilung zwischen Himmel und Erde sein.
    Schönen Karfreitag noch
    Und noch schönere Ostern –
    Hermann

  54. Ökonomischer Aspekt

    Einen Aspekt haben wir bisher noch gar nicht benannt: durch die Produktivität der Ackerbaugesellschaft wurde plötzlich nicht mehr alle Männer für die direkte Nahrungsmittelbeschaffung benötigt, wurden quasi “arbeitslos” und konnten sich anderen, sozialen Aufgaben widmen – insbesondere der “Verwaltung” von Nahrung und Wissen. Der Gefährte der Großen Mutter war plötzlich nicht mehr nur Begleiter, sondern besetzte alle wichtigen Posten der Macht – und wurde selber König und schließlich Gott.

  55. @ Hermann & Ralph Würfel

    Ja, die genannten Hypothesen haben einiges für sich und wurden und werden verschiedentlich diskutiert. Woran es bislang noch fehlt, sind empirische Überprüfungen – wobei z.B. die Genetik in den vergangenen Jahren neue Erkenntnisse etwa zur Züchtungsdauer von Tieren und Getreidesorten oder der Verschiebung von menschlichen Fortpflanzungsmustern nach der Einführung der Landwirtschaft geliefert hat. Die Aufgabe gerade auch der kommenden Jahrzehnte wird sein, nach und nach begründete Pfade durch den Hypothesen-Dschungel zu bahnen.

  56. Gott soll ruhig ein Mann sein….

    das ist für uns Frauen angenehmer. Es gibt ein Gesetz, welches verbietet, sich ein Bild von Gott, dem “Herrn” zu machen. Der Islam hat sich als einzige Religion daran gehalten und wurde zu einer extrem patriarchalen Religion…..

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