Warum nehmen die Golfstaaten kaum Flüchtlinge auf? Von Ölreichtum und Kälte

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Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Ob in Europa, im Nahen oder Mittleren Osten – gerade auch Muslime sprechen mich auf einen schmerzhaften Widerspruch in der derzeitigen Weltpolitik an. Während einige mehrheitlich islamisch geprägte Staaten wie die Türkei, Jordanien oder der Libanon Millionen von Bürgerkriegsflüchtlingen aufnehmen – schlagen sich ausgerechnet die “Eliten” der reichen, arabisch-islamischen Ölstaaten in die Büsche. Zwar spenden sie Geld an Hilfsorganisationen und diverse, islamisch geprägte Rebellenfraktionen, doch nehmen sie kaum Flüchtlinge aus den Bürgerkriegsregionen bei sich auf. Für Empörung sorgt so beispielsweise das Statement des kuwaitischen Funktionärs und “Researchers” Fahid Al Shalami, der erklärte, die Golfstaaten seien eben “nicht für Flüchtlinge, sondern für Arbeiter” geeignet, für Fliehende “zu teuer” und außerdem ungeeignet zur Aufnahme von Menschen “mit einer anderen Kultur” und mit “psychologischen Problemen und Trauma” (vgl. den sehr hörenswerten Braincast von Arvid Leyh). Und wir stellen fest: Arabische Rassisten formulieren ganz genau die gleichen, menschenverachtenden “Argumente” wie ihre europäischen Pendants, um ihre menschliche Kälte und Empathielosigkeit zu rechtfertigen.

Das “Problem” ist nur: In Kuwait regieren diese Leute – und zwar nach der Invasion des Irak und dem zweiten Golfkrieg von 1991 wiedereingesetzt von westlichen Truppen! Und schon damals hatte sich das fundamentalistisch-religiöse Regime unmittelbar nach der “Befreiung” bei den palästinensischen Gastarbeitern für “mangelnde Loyalität” revanchiert, indem es knapp eine halbe Millionen Menschen innerhalb weniger Tage aus dem Lande wies – eine bis dahin beispiellose, ethnische Säuberung unter “arabischen Brüdern”!

Sage also niemand, man habe die gruppenbezogene Menschenverachtung unserer “Verbündeten” nicht damals schon sehen können… Es hatte nur sowohl im Westen wie in der arabisch-islamischen Welt wenige gekümmert, schließlich gehörten Täter und Opfer nicht dem westlichen Kulturkreis an.

KuwaitiFahadAlShalamiSyrians2015

In inzwischen zahlreichen Übersetzungen verbreiten sich die Aussagen des kuwaitischen Funktionärs Fahid Al Shalami im Netz und sorgen auch unter Muslimen für Abscheu und Empörung.

Wie das Öl (auch) die arabische Welt vergiftet

Leider bestätigen auch diese Vorkommnisse eine der spannendsten, aber am wenigsten bekannten, politikwissenschaftlichen Theorien unserer Zeit: Die Rentierstaatstheorie.

Sie besagt – kurz gefasst -, dass sich ein Staatswesen dann negativ entwickelt, wenn die Haupt-Wirtschaftsleistung aus externen Zuflüssen (“Renten”) wie Zöllen, Tributzahlungen und vor allem Rohstoffverkäufen erzielt wird. Während in einem “normalen” Staatswesen die steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger nach und nach Mitsprache und schließlich gewählte Parlamente erkämpfen, besetzen in Rentierstaaten einzelne Machtgruppen die Einnahmequellen und unterbinden durch Zuckerbrot und Peitsche jede Opposition.

RentierstaatstheorieRentierstaatstheorie. Darstellung aus: M. Blume “Öl- und Glaubenskriege” (sciebooks 2015).

Friedliche Machtwechsel sind hier nahezu undenkbar, stattdessen wird der Zugriff auf die Milliarden im Notfall durch Waffengewalt – sprich: durch Bürgerkrieg – aufrecht erhalten. Dies gilt für europäische Staaten wie Russland und Aserbaidschan ebenso wie für das südamerikanisch-sozialistische Venezuela oder das afrikanische und ebenfalls nominell sozialistische Angola. Und es gilt natürlich in besonderer Weise für alle arabischen Ölstaaten wie z.B. Saudi-Arabien sowie (in inzwischen abgeschwächter Form) für den Iran. Hier reichen schon vernehmbare, liberale Stimmen wie der saudi-arabische Blogger Raif Badawi, um die Regime in Angst und Schrecken zu versetzen und ihre Missachtung der Menschenrechte bloßzulegen.

Machen wir uns klar: Für demokratisch geprägte Gesellschaften wie Kanada, die USA oder auch die Staaten der EU kann die Aufnahme von Flüchtlingen tatsächlich auch zum Gewinn werden: Mit dem oft besonders starken Leistungs-, Bildungs- und Aufstiegswillen trugen und tragen Vertriebene zur Dynamik und Zukunft der aufnehmenden Gesellschaften bei (wenn eine kluge Integrations-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik dies ermöglicht). In autoritären Rentierstaaten erscheinen Flüchtlinge dagegen als weitere, zu versorgende “Mitesser” und ihre kulturelle wie auch politische Dynamik wird eher gefürchtet – wollen die Rentier-Herrschenden doch vor allem Ruhe und Abhängigkeit, um ihre Milliarden zu verprassen. Europa kann durch die Aufnahme von Flüchtlingen mittel- und längerfristig nicht nur glaubwürdiger, sondern auch wirtschaftlich, kulturell und demografisch stärker werden.

BloggewitterFluchtnachEuropa

Dekarbonisierung als beste “Bekämpfung von Flüchtlingsursachen”

Und andersherum: Solange wir weiterhin fossile Rohstoffe kaufen und verbrauchen, finanzieren wir damit despotische, menschenverachtende Regime wie eben Saudi-Arabien, Kuwait und auch Russland und den Iran. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits im Mai 2015 das ehrgeizige Ziel einer “Dekarbonisierung der Weltwirtschaft” ausgegeben hat, war also nicht nur “softe” Klimapolitik – sondern absolut “harte” Realpolitik zum Sturz von Diktaturen, zum Ende von Bürgerkriegen und zur “Bekämpfung von Flüchtlingsursachen”. Die USA haben ihre Abhängigkeit vom arabischen Öl durch die massive Förderung nordamerikanischer Ölsande und -quellen reduziert und außerdem durch Verhandlungen mit dem Iran dessen Förderung zurück ins Spiel gebracht. Gelänge es jedoch gerade auch Europa, durch Energieeinsparungen wie auch die Förderung erneuerbarer Energien die Verbrennung fossiler Rohstoffe schneller überflüssig zu machen, so wäre dies der beste Beitrag zu Demokratie und Frieden sowie zur Bekämpfung von Fluchtursachen, den man sich vorstellen kann! Solange noch Öl fließt, wird auch weiter Blut fließen…

Wer tiefer in die Thematik einsteigen will: Hintergrundinfos zur politikwissenschaftlichen “Rentierstaatstheorie”, zum wirtschaftswissenschaftlichen “Ressourcenfluch” und zum religionswissenschaftlichen Phänomen des “Rohstofffundamentalimus” finden sich in meinem neuen sciebook “Öl- und Glaubenskriege. Wie das schwarze Gold Politik, Wirtschaft und Religionen vergiftet” (sciebooks 2015), erhältlich als eBook und Taschenbuch.

OelGlaubenskriegeTaschenbuch

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

56 Kommentare

  1. Warum nehmen die Golfstaaten kaum Flüchtlinge auf?

    Es gibt hierzu mindestens zwei vielleicht bemerkenswerte Theorien:
    1.) Bestimmte arabische Staaten, wie bspw. SA, fürchten Frömmlertum, das sich bspw. jederzeit auch gegen die SA-Monarchie (die aus strenger islamischer Sicht kein Khalifat, sondern Takfir, das Fachwort, darstellen könnte) richten könnte, Terrorismus letztlich.
    2.) Dass Hidschra vorliegt. die keineswegs aus Sicht islamischer Jurisprudenz zu stoppen ist.

    HTH
    Dr. W

    • Lieber @Webbaer,

      1) stimmt mit Einschränkungen – die Panik des saudi-arabischen Regimes bezieht sich nicht nur auf Dschihadisten, sondern auch auf Liberale, wie der Fall Raid Badawi belegt.

      2) ist religionswissenschaftlich gesehen falsch. Die Hidschra bezog sich ja ausdrücklich auf die Wanderung in eine islamische Gesellschaft! Noch bis ins 20. Jahrhundert wurde daher kontrovers diskutiert, ob sich Muslime überhaupt freiwillig in nichtmuslimische Herrschaftsgebiete begeben dürften. Und der selbsternannte “Islamische Staat” betrachtet daher die Auswanderung von Muslimen gen Europa sogar als ein zu bestrafendes Verbrechen!
      http://www.spiegel.de/politik/ausland/alan-kurdi-is-terroristen-werben-mit-ertrunkenem-fluechtlingskind-a-1052234.html

      Ich weiß, dass im Netz bereits wieder die üblichen Verschwörungstheorien einer angeblich weltweit gesteuerten “Islamisierung” herum gereicht werden – aber über solchen undifferenzierten Schund sollten Sie doch inzwischen hinausgewachsen sein… 😉

      • Wie dem auch sei, Herr Dr. Blume, wenn Sie Mudschahedd(in) und so hören, bleibt derartige Veranstaltung gemeint:
        -> https://en.wikipedia.org/wiki/Muhajirun
        -> https://de.wikipedia.org/wiki/Muhadschir
        -> https://de.wikipedia.org/wiki/Mudschahed

        Derartige Veranstaltung ist nicht an die Salafiyya gebunden, sondern ordinärer mohammedanistischer [1] Veranstaltungsinhalt.

        MFG
        Dr. W

        [1]
        Der Schreiber dieser Zeilen will nicht das Fachwort Mohammedanismus auf irgendeine Art und Weise herabsetzen, sondern will nur so auch begrifflich deutlich machen, dass der Islam, der wörtlich: Unterwerfung meint, erst einmal als relig. Konzept verstanden werden könnte, eine ganze Menge mehr vor hat, nämlich auch für sogenannte Kuffār entscheidend eine “ganze Menge vor hat”, insofern womöglich besser zum Fachwort Mohammedanismus zu greifen wäre, das eine Herrschaftsform kennzeichnet – wie etwa auch Despotismus, Sozialismus oder Anarchismus.

        • Naja, @Webbaer – es bringt halt analytisch nichts, alle Muslime in einen Topf zu werfen – ebensowenig, wie die “Jungsozialisten” (Jusos) in der SPD notwendig den gleichen Inhalten wie die “Sozialisten” in Venezuela oder Nordkorea vertreten. Ich wiederhole noch einmal: Gerade auch der so genannte “Islamische Staat” lehnt die Auswanderung in nichtislamische Gebiete mit Berufung auf den Islam als Verbrechen ab (!) – vertritt also das Gegenteil der Position, die Sie dem “Mohammedanismus” (?) zuschreiben. Ihre These ist damit zunächst einmal sehr deutlich falsifiziert.

          Lieber @Webbaer, Sie hatten sich selbst mehr Blogposts rund um das Thema “Islam” gewünscht – dieser hier ist zu einigen arabisch-islamischen Regimen ja sogar sehr kritisch.

          Wenn Sie diese Blogposts aber statt zur Information doch nur dazu nutzen wollten, islamophobe Verschwörungstheorien und Weltuntergangsszenarien einzustellen, wäre dies unfair, ja schäbig. Ich weiß ja, dass Sie die Aussicht auf eine baldige, islambezogene Apokalypse geradezu erregt (ein nicht gerade neues, aber psychologisch durchaus interessantes Phänomen), würde Sie jedoch darum bitten, zeitnah Ihr Niveau wieder zu finden. Sonst gibt es hier bald eine Blogpost-Reihe zu den Themen Buddhismus, Anthropodizee und UFO-Glauben, extra für Sie! 🙂

        • Nett wäre schon, Herr Dr. Blume, wenn Sie anerkennen könnten, dass die ‘Hidschra’ oder ‘Hijrah’ arabisch-sprachlich wurzelbildend für den Jihad ist.
          Aus rein etymologischer Sicht.

          MFG
          Dr. W (der jetzt natürlich auch nicht so-o der Arabist ist, aber schon im Sprachlichen ein wenig kann)

          • Ja, @Webbaer – und der Dschihad steht wiederum für jede Anstrengung auf dem Wege Gottes.

            Deswegen betrachtet der IS die “Einreise” von Muslimen in das so genannte “Kalifat” auch als positiven Akt – die Ausreise, etwa nach Europa, aber als islamisch verbotene Tat.

            Andere Musliminnen und Muslime sind sehr dankbar dafür, “nicht” im Machtbereich dieser Terroristen leben zu müssen – und zeigen das auch.
            http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/Danke-Aktion-syrischer-Fluechtlinge-auf-Anger-in-Erfurt-1883066407#.VfG7BC0SKqs.twitter

            Also: “Die” islamische Weltverschwörung gibt es ebensowenig, wie es die jüdische gibt.

          • Muss nicht, so wie berichtet, gesehen werden:
            -> http://www.gatestoneinstitute.org/documents/baghdadi-caliph.pdf

            Es gibt hier deutliche Ansage der Art: ‘So rush, O Muslims, with your religion to Allah as muhājirīn (emigrants). {And whoever emigrates for
            the cause of Allah will find on the earth many [alternative] locations and abundance. And whoever
            leaves his home as an emigrant to Allah and His Messenger and then death overtakes him – his
            reward has already become incumbent upon Allah. And Allah is ever Forgiving and Merciful} [AnNisā’:
            100]. ‘ (Quelle)

            MFG
            Dr. W

          • Ja, @Webbaer, die Migration INS Kalifat wird hier gelehrt!

            Nein, es hat sich nicht die ganze islamischen Welt verschworen, um Ihr Gartenhaus zu erobern – wie auch nicht die gesamte jüdische Welt hinter Ihren Spareinlagen her ist!

            Da wage ich es ja kaum, mal über Chemtrails zu bloggen – wenn nur Muslime beteiligt wären, erschiene es manchem sofort schlüssig… 😉

          • Aja, danke für die zeitnahe Veröffentlichung, Herr Dr. Blume, Ihr Kommentatorenfreund will Ihnen ja auch nichts, Sie haben sich ja ganz bemerkenswert an anderer Stelle dem liberalen Spektrum zugeordnet, der Schreiber dieser Zeilen, der Webbaer, ist hier nachtragend, im Positiven, äh, …, insgesamt, …, …, …, wo war er stehen geblieben?!

            Ach ja, das mit dem Dschihad als einerseits grundsätzlich vorzuliegen habende Einstellung zum Mohammedanismus oder Glauben Einzelner, ist sicherlich verstanden worden, daneben gibt es noch den großen Jihad, den nie enden zu habenden Krieg gegen sogenannte Kuffār, und auch dort gilt es noch zu unterscheiden zwischen dem defensiven Jihad, der bspw. von Osama Bin Laden erklärt worden ist und dem aktiven Jihad, der nur von sogenannten Allah-Stellvertretern ausgerufen werden kann, von Khalifen, wobei nun (mindestens) einer bereit steht.

            All dies wissen wir, woll?!

            MFG
            Dr. W

          • Ja, klar, das all das wissen wir – wenn auch keine mir bekannte Kollegin, kein Kollege das gewollt provokante Kunstwort vom “Mohammedanismus” gebrauchen würde… 😉

  2. Hallo Herr Blume,

    das Problem, daß zu viele Menschen von “Almosen” der Herrschenden abhängig sind, um ernsthaft die Frage zu stellen, wieviel Herrschaft eigentlich nötig ist, beschränkt sich nicht nur auf Länder mit Überschüssen an leicht förderbaren Rohstoffen. Es besteht überall dort, wo die Zahl der Staatsprofiteure (z.B. Sachbearbeiter im Finanzamt, Pensionäre, Bezieher staatlicher Renten, Fallmanager der ARGE, Dozenten an staatlichen Hochschulen…) die Zahl der Netto-Steuerzahler übersteigt. Dann hat man “taxation and represantation”, aber es werden mehrheitlich diejenigen repräsentiert, die “ihre Steuern” direkt von dem Geld zahlen, das sie vorher aus der Staatskasse bekommen haben.

    Was den Rohstoff Öl betrifft, bin ich zuversichtlich: der Fracking-Boom in den USA hat das OPEC-Kartell aufgebrochen, zwischen den Förderländern entsteht gerade jetzt echter Wettbewerb, und der Preiskampf zwischen Saudi-Arabien und dem Iran hat nicht nur den Vorteil, daß hierzulande die Fahrt zur Tanke entspannter ist, sondern auch, daß beide Regimes weniger Geld für Terrorismus übrig haben. Der Atom-Deal zwischen UN-Sicherheitsrat und Iran trägt seinen Teil dazu bei, daß dieser Preiskrieg noch eine Weile weiterläuft – ein Iran, der trotz Embargo in Syrien und Irak den Bürgerkrieg anheizt, war den Saudis schon unheimlich genug – ein Iran, der ungehindert deutsche, amerikanische, französische, chinesische, russische und britische Militärtechnik einkauft, ist aus saudischer Sicht eine Bedrohung, die keinesfalls durch einen künstlich hochgehaltenen Ölpreis noch gestützt werden darf.

    Was die “Dekarbonisierung” betrifft, empfehle ich folgende links:
    http://www.science-skeptical.de/klimawandel/erneuerbare-energien-fuhren-zu-hoheren-co2-emissionen-einige-fakten/009260/
    http://www.science-skeptical.de/klimawandel/kein-klimaschutz-ist-der-bessere-klimaschutz/0013642/
    Die sogenannte “Energiewende” einer Kanzlerin, die offensichtlich vergessen hat, was sie im Studium über E=mc² gelernt hat, hat die Verbrennung von Kohlenstoff in diesem unserem Lande nicht verringert, sondern verstärkt. Die Vermaisung der Landschaft durch “Energiepflanzen” drängt die Nahrungsmittelproduktion zurück, ohne Treibstoff zu sparen, der Atomausstieg wird nur durch verstärkte Braunkohle-Verfeuerung aufgefangen, und die Kohlekraftwerke laufen im ineffizienten “stop-and-go”-Betrieb, um den Zappelstrom aus Wind und Sonne zu kompensieren.

    Die “Energiewende” ist ein Luxus, den wir uns eigentlich schon seit längerem nicht mehr leisten können. Die USA machen vor, wie es richtig geht: vage formulierte “Klimaziele” und das Vertrauen darauf, daß der freie Markt schon irgendeine Innovation hervorbringen wird, die den geeigneten Effekt hat – in diesem Falle Fracking plus effiziente Gaskraftwerke.

    Wenn man es ernst meint, mit der Abkehr von fossilen Brennstoffen, dann darf man nicht versuchen, sie durch Mittelaltertechnologien wie Windräder ersetzen zu wollen – kohlebefeuerte Dampfmaschinen standen bereits seit ihrer Erfindung in Konkurrenz zu Windmühlen, und wir wissen, was sich über die letzten 200 Jahre als “besser, kundenfreundlicher, fitter” durchgesetzt hat. Wenn man es ernst meint damit, daß fossile Brennstoffe überflüssig werden sollen, dann braucht man eine Energiequelle, die nicht volatiler, sondern im Gegenteil noch schneller regelbar ist (Braunkohlekraftwerke müssen auch im Leerlauf die Kesseltemperatur von knapp 1000 aufrechterhalten!); eine Energiequelle, die pro TWh nicht mehr, sondern weniger Umwelt und Landschaft verbraucht, die pro TWh nicht mehr, sondern weniger tödliche Unfälle verursacht, eine, die nicht mehr, sondern weniger radioaktive Abfälle in die Umwelt freisetzt (wieviel Uran bläst ein Kohlekraftwerk aus dem Schornstein? Wieviel Thorium fällt bei der Produktion von Neodym-Magneten für ein Windrad an?) – was man bräuchte, wenn man es ernst meinte, wären Kernkraftwerke der neuesten Generation.

    • @Störk

      Ja, möglicherweise wird man zukünftig über “Rentiergesellschaften” diskutieren und forschen. Nur: Die Wertschöpfung verläuft in Rohstoffländern schon mal anders, auch entsteht massiver Bedarf an Polizei, Militär, Politik und anderen staatlichen Dienstleistungen.

      Zum Ölpreis: Im Buch diskutiere ich die beiden sich entgegenstehenden Thesen zur Ölpreisentwicklung: “Peak Oil” geht von einer unabwendbaren Abnahme der Fördermengen und folgenden Preissprüngen aus. “Carbon Bubble” geht dagegen davon aus, dass Förderländer noch eilig ihre fossilen Rohstoffe auf den Markt schmeißen, solange sie noch etwas dafür bekommen.

      Derzeit sieht es ja eher nach dem zweiten Szenario aus…

      An eine Wiederkehr der Kernenergie glaube ich derzeit nicht: Selbst eine Hightech-Nation wie Japan hat Fragen der Sicherheit und Endlagerung nicht überzeugend gelöst.

      M.E. wird es Steigerungen der Energieeffizienz einerseits und einen erneuerbaren Energiemix andererseits brauchen.

      • Peak oil ( und nicht etwa carbon bubble) bleibt richtig. Das zeigt allein schon die Kurve des weltweiten Ölverbrauchs, die linear ansteigt. Es stimmt zwar, dass der Ölverbrauch in den entwickelten Ländern stagniert oder gar leicht sinkt, in den Schwellen- und Entwicklungslöndern aber steigt er. China, Indien und Afrika haben einen enormen Nachholbedarf. Dass momentan eine Überproduktion herrscht ist historisch gesehen nichts neues. Immer wieder gab es Ölschwemmen mit tiefen Preisen. Das ändert aber nichts daran, dass die verbleibenden Reserven immer mehr schrumpfen. Öl ist heute als Treibstoff für Fahr-,Flug- und Schwimmzeuge immer noch ideal. Langfristig – das heisst über 20 bis 50 Jahre könnte aber Öl durch eine Kombination von Batterien und synthetischem Öl (solar oder chemisch hergestellt ) ersetzt werden. Meine Behauptung: Wenn fossiles Öl an Bedeutung verliert dann nur wenn es Alternativen zum Öl gibt nicht aber weil die Nachfrage nach Mobilität zurückgeht. Heute gibt es noch keine überzeugende Alternative und selbst wenn es sie schon gäbe würde es bis zum weltweiten Ersatz noch mindestens 20 Jahre dauern.
        Im übrigen beobachte ich immer wieder, dass Leute aus dem Westen Entwicklungen im Westen als weltweite Entwicklungen wahrnehmen und dabei vergessen, dass der bereits voll industrialisierte und wohlhabende Teil der Menschheit klein ist gegenüber dem Teil, der noch Nachholbedarf hat. Das Wachstum aber findet fast ausschliesslich in den Schwellenländern und den Entwicklungsländern statt. Neben der Behauptung, die Ölnachfrage gehe schon bald weltweit zurück, las ich hier auf scilogs auch die Behauptung die Ungleichheit weltweit nehme auf Kosten des Mittelstandes und zugunsten der Superreichen zu. Auch hier gilt, dass der westliche Mittelstand seine wirtschaftliche Stellung in den letzten Jahrzehnten kaum verbessern konnte. Doch der chinesische Mittelstand ist in den letzten Jahrzehnten enorm gewachsen und aus einer Nation von Hungerschluckern ist eine Nation mit einem breiten, weiter aufstrebenden Mittelstand geworden. Dieser neue chinesische Mittelstand wünscht sich genau das was sich die deutsche Nachkriegsgeneration gewünscht hat: ein Haus mit Autogarage. Noch lange nicht alle Chinesen haben das heute, aber sie sind auf dem Weg dazu. Und Indien und Afrika folgen nach.

        • Nur steigt der weltweite Ölverbrauch nicht zuletzt aufgrund der anhaltend niedrigen Preise, @Martin Holzherr! Und diese waren im Peak Oil-Szenario ausdrücklich nicht vorgesehen…

          Ich stimme völlig zu, dass der Energiebedarf weltweit weiter zunimmt – und dass die Frage ist, ab wann welche (auch kostengünstigen) Alternativen zu fossilen Rohstoffen zur Verfügung stehen. Der niedrige Ölpreis bremst deren Entwicklung, hält sie aber nicht auf – und im Falle von Preissprüngen würden sie (nicht nur in Europa) schneller und massiver ausgebaut. M.E. arbeitet die Zeit also eher gegen Peak Oil- und für die Carbon Bubble-Szenarien. Doch, ja, es bleibt sehr, sehr viel zu tun…

          • Nicht alle fossilen Energieträger sind gleich. Ein Ausstieg aus der Kohle ist eher möglich als ein Ausstieg aus dem Öl. Öl ist nämlich heute und noch längere Zeit fast unerzichtbar für die Mobilität. 300 km weit mit 20 Litern Benzin zu fahren um dann in wenigen Minuten den Tank nachzufüllen ist nur mit Öl möglich. Batterien haben 10 Mal mehr Gewicht und müssen nach 8 Jahren ausgetauscht werden. Autos, LKWs, Schiffe und Flügzeuge gewinnen zudem weltweit an Bedeutung, auch wenn im Westen der Autopeak schon überschritten wurde. Weltweit aber wurden 2014 75 Millionen Fahrzeuge verkauft. Im Jahr 2000 waren es erst 49 Millionen. Weniger als 200’000 der 2014 weltweit verkauften Neuwagen waren E-Mobile womit ihr Anteil an den Neuwagen weit unter einem Prozent liegt. Sie schreiben:“Der niedrige Ölpreis bremst deren Entwicklung [der Alternativen zu fossilen Energien] , hält sie aber nicht auf – und im Falle von Preissprüngen würden sie (nicht nur in Europa) schneller und massiver ausgebaut. “. Das stimmt vielleicht für Kohle aber nicht für Öl. Auch als der Ölpreis 100 Dollar pro Barrel erreichte stieg der Ölverbrauch weltweit weiter. Weil es nämlich kaum echte Alternativen zu Benzin/Diesel in der Mobilität gibt.
            Wenn man vom nötigen Ausstieg aus den fossilen Energien spricht sollte man zuerst an die Kohle denken. Deren Verbrennung erzeugt nicht nur Treibhausgase sondern ist auch für jährlich mehr als 1 Million vorzeitigen Todesfällen in China verantwortlich, weil die Kohleverbrennung dort auch mit einer enormen Luftverschmutzung verbunden ist.

          • Ja, gegenwärtig nimmt die Ölnachfrage stärker zu als sonst wegen den tiefen Ölpreisen. Doch die Ölnachfrage steigt eigentlich jedes Jahr – ausser in (Welt)-rezessionsjahren. Der neueste IEA Oil Market Report (Sept. 2015) zeigt folgendes
            – 2013 wurden 90 Mio. Barrel Öl pro Tag nachefragt.
            – 2015 wurden 95 Mio Barrel Öl pro Tag nachgefragt (+ 5 Mio Barrel /Tag)
            – 2015 allein wird ein Zuwachs von 1.7 Mio Barrel Öl pro Tag erwartet
            – 2015 sind die Preise stark gesunden
            – In Zukunft wird erwartet, dass viele Schieferölförderer in den USA wegen zu tiefen Preisen ihre Förderung einstellen müssen.

            Mittelfristig werden sich die Preise stabilisieren weil bei den tiefen Preisen viele teures Öl Produzierende vom Markt verdrängt werden.
            Langfristig wird der Ölpreis in einigen Jahren wieder deutlich steigen, denn China importiert alle 10 Jahre 2 Mio Barrel/Tag mehr und Indien wird ein wichtiger Ölkonsument. Es übernimmt gerade den 3. Platz bei den Ölkonsumenten indem es Japan überholt. Indien scheint beim Wachstum nun China zu überholen und es ist durchaus möglich, dass Indien nun für mehrere Jahre ein Wachstum von über 8% pro Jahr hinlegt und damit in die Fussstapfen von China tritt. Auch Indiens Nachfrage nach Öl kann dann diejenige von China erreichen nur mit dem Unterschied, dass Indien kaum eigene Ölquellen hat so dass es fast alles Öl importieren muss.

            Zusammen mit der Tatsache dass es immer weniger konventionelle Ölquellen gibt die billiges Öl liefern wird es sehr wahrscheinlich, dass bis Ende der 2020er Jahre der Ölpreis stark steigen wird und eine neue Ölknappheit die Welt beherrschen wird.

          • Und genau weil ein solches Szenario wiederkehrender Ölknappheit, steigender Preise und damit auch wieder erstarkender Diktaturen droht, ist es so wichtig, schon jetzt den Ölverbrauch durch erhöhte Energieeffizienz und die Förderung erneuerbarer Energien so zügig wie möglich zu senken! Auch neue Technologien wie z.B. die in Deutschland entwickelte Öldialyse sollten endlich flächendeckend eingeführt werden, um jährlich Millionen Liter Ölverbrauch (sowie unnötige Kosten) einzusparen! Vgl. hier: https://www.youtube.com/watch?v=Qqr4JnpoJvY

          • Ja, der Ölverbrauch sollte reduziert werden. Aber noch besser wäre ein überzeugender Ersatz für fossiles Öl. Das könnten bessere und billigere Batterien oder/und synthetisch hergestelltes Öl sein. Dazu bräuchte es massive Investitionen in die entsprechende Forschung. Die Ausgaben für Energieforschung macht aber nur einen unbedeutenden Anteil an den Gesamtausgaben für Forschung aus wie beispielsweise im Artikel Four Graphs Bolster Bill Gates’s Case for Greatly Boosting Clean-Energy Research aufgezeigt wird. Im Jahre 2013 wurden in den USA im Bereich Forschung ausserhalb des Verteidigungshaushalts insgesamt 60 Milliarden Dollar ausgegeben, nur gerade etwa 2 Milliarden Dollar davon waren für die Energieforschung.

          • Herr Dr. Blume,

            die “Förderung verteuerbarer Energien” ist nicht im Geringsten geeignet, die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren. Schon heute ist das platte Land zugestellt mit Windparks und die Felder stehen dermaßen voller “Energiemais”, daß Deutschland mehr Nahrungsmittel importiert als exportiert – und so die Weltmarktpreise in ungesunde Höhen treibt. Dennoch liefern die “Erneuerbaren” nur ca. 3% des Gesamtenergieverbrauches.

            Wir müßten unseren Lebensstandard *und* unsere Bevölkerungsdichte auf Mittelalter-Niveau absenken, um allein mit dem auszukommen, was auf den Feldern wächst und mit Wind- und Wasserkraft verarbeitet werden kann. Meine Familie und ich wären wahrscheinlich bei denen, die hungrig und frierend auf der Strecke bleiben, wenn die Stadtwerke keinen Strom und kein Gas mehr liefern und die ALDI-Lastwagen mangels Diesel nicht mehr fahren.

            Aber so weit muß es nicht kommen. Die Energieversorger werden weiter munter CO2-Ablaßbriefe kaufen, Strom wird aus Frankreich und Tchechien importiert, und im Winter wird mit Gas geheizt, solange Putin nicht völlig am Rad dreht.

            Ich bin wirklich kein Freund von Video-Links, aber wenn Sie mal eine gute Stunde Ihrer Zeit entbehren können, dann klicken Sie mal hier:
            https://www.youtube.com/watch?v=jm9h0MJ2swo
            Vieles von dem, was Dr. Sinn dort prägnant zusammengefaßt vorträgt, kann man an anderen Stellen im Netz ausführlicher nachlesen, aber um ein Gespür für die Größenordnungen zu bekommen, um die es geht, ist dieser Vortrag bestens geeignet.

            Man kann ein dichtbesiedeltes Industrieland nicht mit diffusen, volatilen Energiequellen sicher versorgen. Wir brauchen sehr viel höhere Energiedichten, als Wind, Sonne, Mais und Raps liefern. Kohle und Öl reichen für unseren Lebensstandard aus, mit Kernkraft wäre auch noch Luft nach oben. Der “doppelte Ausstieg” sowohl aus den brauchbaren als auch aus den wirklich ergiebigen Energiequellen führt buchstäblich in’s Nichts.

      • Was “Peak Oil” betrifft: Marion King Hubbert hat das US-Ölfördermaximum Anfang der 70er Jahre korrekt vorhergesagt, aber er konnte nicht ahnen, daß aus “Hubbert’s Peak” inzwischen “Hubbert’s Rollercoaster” geworden ist – der hohe Ölpreis der 00er Jahre Technologien zum Durchbruch verholfen, die die Fördermengen über den Stand von 1971 hochtreiben. Ich denke nicht, daß das Ölzeitalter durch Knappheit an Öl zuende gehen wird. Die Steinzeit ist auch nicht durch Knappheit an Steinen zuende gegangen.

        Aus Fukushima kann man genau 3 Lehren ziehen:
        1. Siedewasserreaktoren auf dem technischen Stand der 70er Jahre (also vor Chernobyl gebaut) sind nicht der Weisheit letzter Schluß. In Sachen “inhärente Sicherheit” war bereits in den 80ern der THTR schon weiter.
        2. In Tsunami-gefährdeten Gebieten sollten die Notstromdiesel nicht im Keller stehen, und passive Kühlsysteme, die dafür gedacht sind, bei einem Stromausfall weiterzulaufen, sollten sich auch dann ohne Strom wieder aktivieren lassen können, wenn sie kurz vor dem Stromausfall ausgeschaltet worden waren.
        3. Trotz allem, was dort schiefgelaufen ist, hat es exakt Null Strahlentote gegeben – sowohl die (Fehl-)Entscheidung zur überstürzten Evakuierung als auch eine ebenfalls vom Tsunami zerstörte Ölraffinerie haben mehr Leute getötet als das KKW.

        Ich glaube nicht an “eine Wiederkehr der Kernenergie”, weil 1. die Kernenergie an sich nie weg war (in Japan laufen die vorübergehend gestoppten Reaktoren gerade jetzt nach und nach wieder an) und 2. die Reaktoren der Zukunft keine “Wiederholung” des Leichtwasserreaktoren-Booms der 60er sein werden. Wenn man davon wegkommt, daß ein Kernreator geeignet sein muß, ein U-Boot auf einer 3-Jahres-Mission anzutreiben, werden Konzepte wie der Dual-Fluid-Reaktor interessant. Und sei es als “Übergangstechnologie”, bis die Kernfusion serienreif ist.

        Ein “Endlagerproblem” haben übrigens nur Leute, die noch nie etwas von Recycling gehört haben. Abfall ist Wertstoff, und der “Atommüll” der heutigen Leichtwasserreaktoren (und Windräder) ist Brennstoff für die Schnellspaltreaktoren der Zukunft. Im Übrigen haben wir es ausgerechnet den sonst so recycling-freudigen “Grünen” mit zu verdanken, daß Deutschland immer noch keinen geschlossenen Brennstoffkreislauf besitzt. Mag sein, daß die Zukunft der Kernenergie nicht in Deutschland, sondern in Indien stattfindet (die haben wenig Uran, aber viel Thorium) aber stattfinden wird sie. Und ja, sicher, “Waste to Watts”, Strom aus Atommüll, ist eine im besten Sinne “erneuerbare” Energiequelle. Im Gegensatz zu Solarzellen, die man nach 20 Jahren aufwendig entsorgen muß und für deren Herstellung man fast so viel Energie aufwenden muß, wie man über eben diese 20 Jahre herausbekommt.

        Letztlich ist es eine Frage der Physik: die Energie, die im Wind steckt, ist kinetische Energie: E=1/2mv² – mit v sehr viel kleiner als Lichtgeschwindigkeit. Die Energie von Verbrennungsprozessen ist E=mc² auf der Skala von Elektronenmassen. Die Energie von Kernreaktionen ist E=mc² im Atomkern. Das ist der Unterschied zwischen den 300 Güterzügen voll Kohle, die ein Kohlekraftwerk im Jahr verbraucht, und dem einen Kleinlaster mit Brennelementen, den ein herkömmlicher, ineffizienter Leichtwasserreaktor im Jahr braucht.

        • Solid zusammengefasst, wie einige finden, insofern nur ergänzend:
          1.) Marion King Hubbert hatte seinerzeit weder eine quanti-, noch eine qualifizierte Grundlage für seine Prognosis, er war zudem Aktivist.
          2.) Insbesondere bundesdeutsch hat es sich medial und politisch oder medial-politisch beim Tōhoku-Erdbeben 2011 in weiten Teilen um Veranstaltung gehandelt, die bundesdeutsch sogenannten Super-GAUs haben stattgefunden und nicht viel ist passiert. Gestorben wurde fast ausschließlich anders und bundesdeutsche Politiker der Güteklasse Merkel und Roth wussten zeitweise Honig zu saugen.
          3.) Uranvorkommen sind vorhanden und sie dürften langfristig genügend sein, ob sich eine diesbezügliche wie auch immer geartete “Renaissance” ergeben könnte, wissen oder “wissen” andere als der Schreiber dieser Zeilen beispielsweise.
          4.) Ökologismus, wie er sich u.a. in der bundesdeutschen sogenannten Energiewende ausdrückt, kann auf verschiedene Grundinhalte zurückgeführt werden, einerseits transportiert er, Pete Singer lässt grüßen, biozentrisch (das Fachwort) und antihumanistisch, andererseits ist auch eine ganze Menge (Post-)Religiösität im Spiel, wobei das eine mit dem anderen zu korrelieren hat.
          5.) ‘Dekarbonisierung’ drängt sich nach Stand der Wissenschaft womöglich auf, hat aber nicht unilateral im Merkel-Land stattzufinden, wie Ihr Kommentatorenfreund findet, sondern multilateral, allerdings fehlen dafür die zivilisatorischen Voraussetzungen, so dass hier nichts geht und wohl auch auf längere Sicht nichts gehen wird, die Mitigation, die auch im sog. Geo-Engineering bestehen könnte, womöglich zuvörderst zu bearbeiten wäre.

          MFG
          Dr. W

          • Anmerkungen zu Punkt 4:

            Peter Singer vertritt keinen Biozentrismus sondern einen Pathozentrismus, bzw. einen Interessen-Zentrismus. Es geht darum, ob ein Lebewesen leiden kann, bzw. Interessen hat, wobei Singer für die Möglichkeit von Interessen Leidensfähigkeit als Kriterium anführt. Zusätzlich macht er noch eine Abstufung zwischen Lebewesen mit Selbstbewusstsein und solchen ohne.
            Deswegen verstehe ich den Hinweis auf Singer an der Stelle nicht. Ein Biozentrismus wäre eine Position, die alle Lebewesen (unabhängig von ihrer Empfindungsfähigkeit) einen moralischen Status einräumt. Ist also klar anders als Singers Ethik.
            Beide sind nicht anti-humanistisch, denn Menschen sind jeweils auch Teil der moralisch zu berücksichtigenden Entitäten. Menschen sind aber nicht die einzigen, die moralisch zu berücksichtigen sind.

            Wie ist denn der Ausdruck “zu korrelieren hat” zu verstehen? Soll das einfach nur heißen, dass sie vermuten sogenannte (Post)Religiösitat korreliert mit biozentristischen Auffassungen?

          • Pete Singer ist Biozentrist, es mag sein, dass er’s anders nennt, bspw. Pathozentrismus, die lieben Tiere und so besonders berücksichtigend, sofern die leiden können. korrekt.
            Vielleicht ist er kein konsequenter Biozentrist, seine Sichten sind explizit nicht humanistischer Art, antihumanistischer Art, sofern ein Antonym bemüht werden soll, wer explizit nicht humanistisch ist, ist antihumanistisch.
            Moralisch besonders zu berücksichtigen sind natürlich nur Menschen, keine Sachen.
            Der Biozenzentrismus könnte also als Spielart eines ganz besonderen Theozentrismus verstanden werden, die Sache oder das Tier als Götze, war gemeint.

            MFG
            Dr. W (dem bewusst ist, dass anders eingestuft werden kann, bei Pete Singer abär immer ein wenig aufsteift)

            PS:
            Den “Mega-Pathozentristen” Karim Akerma kennen’S scho?

        • Doch, Peak Oil wird kommen und dann den Übergang zu einer Alternative erzwingen. Peak Oil bedeutet aber nicht, dass das Öl ausgeht, sondern dass das verbleibende Öl sehr teuer in der Förderung sein wird, weil es tief unter dem Ozeanboden, in der Arktis oder in schwer zugänglichen Formationen liegt. Wenn der Preis dann dauerhaft über 150 Barrel beträgt werden Elektro- oder Wasserstoffautos attraktiv werden. Peak Oil als “too expensive oil” ist aber frühestens in den späten 2020er Jahren zu erwarten aber mit ziemlicher Sicherheit vor 2035. in den späten 2020er Jahren wir übrigens auch das saudische Öl zur Neige gehen und die Förderung des irakischen und iranischen Öls den Höhepunkt überschritten haben. Es bleiben dann vor allem unkonventionelle, schwierig zu fördernde Quellen übrig.

          In den späten 2020er Jahren werden sich die jetzt vom Öl lebenden Staaten des nahen Ostens also neue Erwerbsquellen sichern müssen, wenn sie nicht zu ökonomisch schwachen und international unbedeutenden Wüstenstaaten werden wollen.

          • Korrektur: Wenn der Preis dann dauerhaft über 150 Dollar pro Barrel liegt ,müsste es oben heissen.

          • Ein Ölpreis von über 100 Dollar pro Fass wäre einerseits ein Desaster für die Weltwirtschaft und andererseits ein Multi-Milliarden-Förderprogramm für die Rentierregime weltweit! Deswegen sollte durch Energieeinsparung und die Erschließung neuer Energiequellen dringend dagegen gewirkt werden! “Peak Oil” wäre ein weltweites Desaster!

          • Ein Ölpreis von über 100$ / Barrel hätte zur Folge:
            1. der Fracking-Boom wird zum Hypre, die Förderung “unkonventionellen” Öls wird rasant gesteiget
            2. Es wird wieder mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagert, insbesondere dort, wo statt Diesellok Elektroloks eingesetzt und mit Atomstrom betrieben werden können (Standortvorteil für Frankreich)
            3. es wird für Reedereien interessant, die großen Öltanker und Containerfrachter von Schiffsdiesel auf Druckwasserreaktoren umzustellen – dieser Reaktortyp wurde ja von Hyman Rickover explizit für den Schiffsantrieb entwickelt, es war nur die F&E-Faulheit der Stromkonzerne, daß DWR heute hauptsächlich in stationären Kraftwerken zum Einsatz kommen.
            4. die bei der Ölförderung anfallenden “Nassgase” wie Propan und Butan werden auch mit teurer, und mein nächstes Auto sollte besser statt mit LPG doch mit CNG fahren
            5. Volkswirtschaften, die sich den verschwenderischen Luxus leisten, ihr Geld für volatile, nicht-regelbare “Energiequellen” wie Windräder und Solardächer zu verschwenden, jährlich kaputte Währungen wie den €uro zu “retten” und jedem dahergelaufenen Flüchtling des seit 10 Jahren beendeten Jugoslawien-Krieges ein bedingungsloses Grundeinkommen zu garantieren, könnten im sich dann verschärfenden globalen Wettbewerb “hinten runter fallen”. Ja, Deutschland kann es sich leisten, jeden Syrer aufzunehmen, der es zwischen den Fronten der IS und den Überresten des Assad-Regimes hindurch in die EU zu kommen – wenn dieses Jahr noch das EEG gestrichen wird. Solange dieses Wohlstandsvernichtungsgesetz in Kraft ist, habe ich ernsthafte Bedenken, einen Kredit für eine Eigentumswohnung aufzunehmen – Auswandern ist schon so schwierig genug…
            6. überall dort, wo jetzt neue Kernreaktoren gebaut werden, die bis 2030 fertig sind und außer Strom auch Prozesswärme liefern, werden synthetische Kraftstoffe interessant – Benzin aus Kohle oder Hydrazin aus Luft und Wasser.

  3. Kleiner Nachtrag zu den “ethnischen Säuberungen” an Palästinensern in Kuweit: es ist keine Nachricht, wenn in irgendwelchen arabischen Ländern Palästinenser leiden, vertrieben werden oder sterben. Es ist immer nur dann eine Nachricht, wenn man dem Judenstaat die Schuld daran geben kann. Warum auch immer… 🙁

  4. Das mit den Traumatisierungen verschlägt einem glatt die Sprache , zumal in dieser völlig offenen Verachtung geäußert , da erblaßt selbst der westliche Menschenverächter noch vor Neid.

    Vorsicht vor davor , die Flüchtlinge als Konkurrenz für die Einheimischen zu hypen , das ist hochgefährlich und auch nicht legitim.
    Es kann nicht sein , daß die Aufnahmebereitschaft “belohnt” wird mit der Konkurrenzverschärfung auf Arbeits-oder Wohnungsmärkten , weil einmal mehr die Probleme in die Mitte und nach unten abgeschoben werden , und Flüchtlinge benutzt werden für ein weiteres Kapitel des Teilen und Herrschen.
    Nachdem aber genau diese Vorgänge zu erwarten sind , ist es womöglicherweise nur eine Frage der Zeit , bis die überwiegend freundliche Stimmung kippt.

    • Und das wirklich Perfide ist, dass die Golfstaaten als Rentierstaaten mit der Förderung fundamentalistischer und extremistischer Islam-Auslegungen sehr viel zu Gewalt und Traumatisierungen anderer Menschen beigetragen haben – deren Aufnahme sie nun ablehnen. Und “wir” haben das Regime in Kuwait auch noch wieder eingesetzt, damit das Öl weiter fließt… :-/

      • Saudi Arabien hat nach eigenen Angaben etwa 2,5 millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Das kann man glauben oder nicht. Man sollte das Fehlen von Informationen aber nicht willkürlich oder beliebig deuten. Das wäre ideologischer Glaube!

        • Saudi-Arabien hat wegen der massiv wachsenden Kritik eilig eine PR-Aktion gestartet, @Anton Reutlinger. Dabei wurden nachträglich alle Visa, die seit Jahren vor allem für Gastarbeiter und ihre Angehörigen ausgestellt wurden, schnell zur Aufnahme von Flüchtlingen umdeklariert. Dies wäre vergleichbar damit, dass Deutschland nachträglich die Aufnahme türkischer Gastarbeiter zur Flüchtlingsaufnahme umbenennen würde! (Auch der obige, kuwaitische Funktionär spricht sich ja für die weitere Aufnahme von Arbeitern aus…) Von den Abhängigkeiten und Arbeitsbedingungen der Gastarbeiter schweigen die Ölmonarchien wohlweislich!

          Dass Saudi-Arabien angesichts des wachsenden Drucks in der westlichen und der islamischen Welt zunehmend auf PR-Tricks setzt, deckten kürzlich auch Wikileaks und die Süddeutsche Zeitung auf…
          http://www.sueddeutsche.de/digital/pr-statt-journalismus-fremde-federn-1.2541506

      • Interessant , wie sich die Vorgänge in Nahost und West ähneln , wirtschaftliche Interessen benutzen die rechtsextreme Politsphäre , um Konflikte zu schüren , die von ihrem eigenen Tun ablenken.
        Und die Rechten sind doof genug , nicht zu bemerken , wie sie vor den Karren gespannt werden.

  5. Während einige mehrheitlich islamisch geprägte Staaten wie die Türkei, Jordanien oder der Libanon Millionen von Bürgerkriegsflüchtlingen aufnehmen – schlagen sich ausgerechnet die “Eliten” der reichen, arabisch-islamischen Ölstaaten in die Büsche. Zwar spenden sie Geld an Hilfsorganisationen und diverse, islamisch geprägte Rebellenfraktionen, doch nehmen sie kaum Flüchtlinge aus den Bürgerkriegsregionen bei sich auf

    Vielleicht würde es ja für das Erkenntnisinteresse förderlich sein, wenn man sich mit der Unterstützung der islamisch geprägten Rebellenfraktionen befasst?
    Könnte es da vielleicht einen Zusammenhang geben?

    Während in einem “normalen” Staatswesen die steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger nach und nach Mitsprache und schließlich gewählte Parlamente erkämpfen, besetzen in Rentierstaaten einzelne Machtgruppen die Einnahmequellen und unterbinden durch Zuckerbrot und Peitsche jede Opposition.

    Nette Theorie, hat auch irgendwie was logisches, aber wieso gab es jahrhunderte sehr unterdrückerische Staaten ohne externe Renditen? Und wieso gibt es umgekehrt sogar Staaten mit externen Renditen, die aber freiheitlich sind (Norwegen)?

    • Liebe(r) @Niemand,

      den ich doch als @Jemand addressiere! 🙂

      Sie fragten: Vielleicht würde es ja für das Erkenntnisinteresse förderlich sein, wenn man sich mit der Unterstützung der islamisch geprägten Rebellenfraktionen befasst? Könnte es da vielleicht einen Zusammenhang geben?

      Oh ja, absolut! Und gleichzeitig ist das Thema hochkomplex, da ja nicht nur Saudi-Arabien, sondern auch z.B. die Türkei und die USA je verschiedene Rebellenfraktionen unterstützen, Russland nun auch offiziell das Assad-Regime, das wiederum den IS im Irak lange gegen die USA förderte und gegen andere Rebellengruppen gewähren ließ usw. Umgekehrt bekämpfte z.B. Saudi-Arabien die Muslimbruderschaft-Regierung in Ägypten erbittert, weil es auf keinen Fall eine islamische Alternative zur Theokratie erleben wollte. Faustregel: Wie damals im europäischen 30jährigen Krieg bilden und verschieben sich die verschiedensten Allianzen dynamisch und vermeintlich einfache Antworten werden der Komplexität vor Ort meist nicht gerecht. Vgl. zum Thema auch hier:
      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/saudi-arabien-liberalismus-raif-badawi/

      Nette Theorie, hat auch irgendwie was logisches, aber wieso gab es jahrhunderte sehr unterdrückerische Staaten ohne externe Renditen?

      Die Entwicklung einer bürgerschaftlichen Identität und demokratischer Institutionen ist ein langer, für Rückfälle anfälliger Prozess – und im Übrigen niemals abgeschlossen (auch nicht in der sog. “westlichen Welt”, vgl. die wachsenden Forderungen nach Bürgerbeteiligungen, Volksabstimmungen und Internet-Partizipation). Wenn Sie sich die frühen, großen Wegmarken dieses langen, nie fertigen Prozesses dabei anschauen – z.B. die britische Magna Charta, die amerikanische und französische Revolution -, so zeigt sich, dass Fragen der Steuererhebung dabei stets eine zentrale Rolle spielten. Bis heute gilt das Haushaltsrecht sachrichtig als das “Königsrecht” jedes echten Parlaments, das in langen Kämpfen den Feudalherren abgerungen werden musste.

      Und wieso gibt es umgekehrt sogar Staaten mit externen Renditen, die aber freiheitlich sind (Norwegen)?

      Weil Norwegen aus den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen anderer Öl- und Gasstaaten (inklusive noch der Niederlande, vgl. die sog. “Holländische Krankheit” nach den Erdgasfunden!) vorausschauend Konsequenzen zog und u.a. die Einnahmen einem “Ölfonds” zuführte. Freilich ist auch dieses Modell inzwischen in Turbulenzen geraten, zumal der Ölpreis eingebrochen ist: http://www.n-tv.de/wirtschaft/Anleihen-und-China-Investments-Norwegen-wettet-mit-Oelfonds-auf-bessere-Boersen-article15769356.html

      Generell haben wir es hier mit einem auch erkenntnistheoretisch hochinteressanten (aber leider noch wenig reflektierten) Phänomen zu tun: Während sich die Naturgesetze z.B. der Physik erkennen und anwenden, aber eben nicht ändern lassen, können wir in die “weicheren” Regelhaftigkeiten sozialer Phänomene lernend eingreifen.

      Das ist einer der Gründe, warum ich das Bloggen und Schreiben nicht aufgebe – wenn wir besser begreifen, können wir auch etwas tun – wie es Norwegen vorgemacht hat. Bislang fehlt es jedoch am kritisch-konstruktiven Transfer einschlägiger Erkenntnisse in die Öffentlichkeit. Vielen Dank also auch für Ihr Interesse und Ihre Nachfragen!

      • Wenn ich mal vergleiche – attische Demokratie, römische Republik in der Bronzezeit, vorher schon die 12-Stämme-Anarchie des vor-monarchistischen Israel, dann in der Eisenzeit das römische Ceasarenreich und nachfolgend diverse europäische und asiatische Feudalismus-Varianten; dann mit dem Aufkommen der Muskete als leichter, Ritterrüstungen durchschlagender Infantrie-Waffe die Revolutionen in Frankreich, Amerika und England – und mit dem Aufkommen von Panzerfahrzeugen das Erstarken zentralistischer Regimes in Hitlerdeutschland und Stalins Sowjetunion – ich denke, an dem Spruch “God created men, but Sam Colt made them equal” ist was dran. Demokratie funktioniert dann am besten, wenn die Demokraten wehrhaft genug sind, Abstimmungen auch dann zu erzwingen, wenn die Machthaber lieber alle Proteste niederwalzen würden. Einen altgriechischen Tyrannen konnte eine steinewerfende Menge aus dem Amt jagen – gegen Legionäre mit Eisenhelmen war das schon schwieriger, und einen Ritter in voller Rüstung zu Verhandlungen zu zwingen war für Bauern oft genug keine Option. Um sich mit einer Faustfeuerwaffe gegen Übergriffe zu verteidigen,braucht man kein jahrelanges Nahkampftraining, das kann im Prinzip auch ein alleinreisendes 14jähriges Mädchen, weswegen inzwischen sogar die Schweiz das Frauenwahlrecht kennt, aber um mit einer handvoll hilfsbereiter Nachbarn einen Panzer zu stoppen, braucht man schon wieder sehr spezielle Waffen – die AK-47 vom Schwarzmarkt reicht da eher selten.

        Ich schätze, je spezieller die Ausrüstung der kriegsführenden Kaste, desto großer die Gefahr, daß die staatstragenden Kräfte geschlossene Zirkel bilden und der Normalbürger außen vor gelassen wird. Vielleicht war die Abschaffung der Wehrpflicht doch keine so gute Idee.

  6. Saudi-Arabien, Kuwait und andere Golfstaaten wäre ohne Öl Wüstenstaaten wo Kamele anstatt Luxuskarossen dominieren würden. Das Öl dieser Staaten gehört dem Staat und ermöglicht diesen Staaten überhaupt erst ihren verschwenderischen und gleichzeitig rücksichtslosen Lebensstil. Das Öl als Einkommensquelle ermöglicht diesen Staaten
    1) mit Geld die Bürger ruhigzustellen. Demokratie ist nicht nötig, der Reichtum kommt von oben
    2) ausländische Einflüsse klein zu halten und die Gesellschaft geschlossen zu halten
    3) Finanzierung von Projekten im Ausland. Die Saudis investieren in die weltweite Verbreitung ihrer fundamentalistischen Religionsauffassung viele Millionen pro Jahr.

    Kurze Zeit schreckten die Saudis auf, als sie noch glaubten die Welt nehme den Klimawandel ernst, wolle Konsequenzen ziehen und damit auf Öl, selbst saudisches Öl, verzichten. Doch inzwischen ist es wohl dem letzten – selbst den Saudis – klar geworden, dass – Klimawandel hin oder her – Öl noch eine lange glänzende Zukunft vor sich hat.

    Auch mich verwundert das. Denn selbst wenn man den Klimawandel ignoriert gibt es genug Gründe um die Ölabhängigkeit zu reduzieren. Heute kann ein Einbruch in der Ölzufuhr weltweite Krisen auslösen und zudem wird es durch die grosse Abhängigkeit vom Öl schwierig, rechtzeitig auf eine andere Energiequlle umzusteigen – rechtzeitig nämlich um den Folgen eines Versiegens dieses Rohstoffs zu entkommen.

    Was wäre denn nötig um vom Öl wegzukommen
    1) Keine subventionierten Treibstoff- und Brennölpreise mehr. Weltweit werden fossile Rohstoffe jährlich mit mindestens 500 Milliarden Dollar, nach neuen Berechungen gar mit 5 Billionen Dollar subventioniert. Nach Guardian ist das mehr Geld als für das gesamte Gesundheitswesen weltweit ausgegeben wird. Ein wichtiger Teil der Subventionen für fossile Rohstoffe fliesst dabei in die Verbilligung von Treibstoff. Viele Staaten wollen damit ihren Bürgern das Autofahren verbilligen.
    2) Intensive Forschungsanstrengungen um Alternativen zu fossilem Öl als Energiequelle für Fahr-/Flug-/ und Schwimmzeuge zu finden
    3) Vorangehen einiger Staaten bei alternativen Mobilitätsformen wie E-Mobilen, etc.

    Im obigen Beitrag liest man die schönen Sätze

    Solange wir weiterhin fossile Rohstoffe kaufen und verbrauchen, finanzieren wir damit despotische, menschenverachtende Regime wie eben Saudi-Arabien, Kuwait und auch Russland und den Iran

    Doch es ist ein Irrtum des Autors, wenn er meint, die deutsche Bundesregierung oder gar die ganze Welt komme nun im Zuge ihrer Klimapolitik vom Öl weg. Danach sieht es gar nicht aus. Es stimmt zwar, dass es einen starken Trend und auch Willen gibt von der Kohle wegzukommen. In den USA, weil es dort nun billiges Erdags gibt und in China weil die Kohleverbrennung jährlich einen Million Chinesen das Leben verkürzt, denn die Luft ist in den meisten chinesischen Städten stark durch die Abgase der Kohlekraftwerke und der Kohleheizugen verschmutzt. Doch beim Öl gibt es kaum Zeichen, dass die Welt in naher Zukunft darauf verzichtet. Sogar Deutschland ist hier kein Vorbild. Im Gegenteil: Stark motorisierte Vehikel finden immer mehr Käufer. Lediglich die von der EU festgelegten Emissionlimiten sorgen dafür, dass die Emissionen und auch der Ölverbrauch in Europa etwa um 1% pro Jahr zurückgeht. In den Schwellen- und Entwicklungsländern dagegen steigt der Ölverbrauch stärker als er in den Industriestaaten sinkt.

    Prognose: Saudiarabien un den anderen Ölstaaten im Nahen Osten wird es noch viele Jahre, ja gar Jahrzehnte glänzend gehen. Sie werden ihr Öl weiterhin an den Mann bringen und die ganze Welt wird insgesamt dadurch mehr Schaden nehmen als wirklich weiter zu kommen.

  7. Die Dekarbonisierung wird zuerst Kohle, erst viel später Rohöl und ganz am Schluss auch Erdgas erreichen. Dies zu den obigen Sätzen:

    Dekarbonisierung als beste “Bekämpfung von Flüchtlingsursachen”

    Und andersherum: Solange wir weiterhin fossile Rohstoffe kaufen und verbrauchen, finanzieren wir damit despotische, menschenverachtende Regime wie eben Saudi-Arabien, Kuwait und auch Russland und den Iran.

    Es macht auch Sinn zuerst auf Kohle zu verzichten, denn Kohle erzeugt bei der Verbrennung am meisten Kohlendioxid relativ zu ihrem Energieinhalt. Erdgas erzeugt am Wenigsten und Öl ist in der Mitte.

    Wie gross aber ist der Ölkonsum am Energiemix der Grossmächte und wie entwickelt sich der Ölkonsum weltweit?
    Hier ein paar Zahlen:
    China Energie-Mix 2012: Kohle: 66%, Öl 20%, Rest: Hydro, Erdgas, ..
    USA Energie-Mix 2012: Kohle: 20%, Öl 36%, Erdgas 24.8%, Erneuerbare 9.1%, Nuclear 8%
    EU-27 Energie-Mix 2010: Kohle 16%, Öl 35%, Erdgas 25%, Nuklear 13%, Erneuerbare 10%

    Auffallend ist der viel höhere Anteil von Öl am Energiemix der Industrienationen USA und EU-27 als bei China. Grund: Der Motorisierungsgrad ist in Europa und den USA sehr hoch. In China wächst er dagegen noch von Jahr zu Jahr, denn noch nicht alle Chinesen können sich ein Auto leisten.

    Wie entwickelt sich der Ölverbrauch: Die Graphik World Crude Oil Consumption zeigt dies sehr gut: Seit 1988 steigt der Ölverbrauch weltweit linear. 1988 war er noch bei 60 Millionen Barrel pro Tag, 2012 war er bei 90 Millionen Barrel pro Tag. Man sieht nirgends einen Knick. Die Klimapolitik hat also bis heute weltweit keinerlei Einfluss auf die Entwicklung des Ölkonsums gehabt. Ändert sich nicht etwas grundlegendes wird das auch noch lange so bleiben. Das bedeutet für die Länder des Nahen Ostens, dass sie gute Aussichten haben ihr Öl auch noch in 20 Jahren an den Mann zu bringen. Momentan sind die Preise tief, doch bei stetigem Wachstum des Verbrauchs bleibt das nicht immer so.

    • Sr, Blödsinn, im voraufklärerischen Sinne vielleicht nachvollziehbar, wenn auch dort nicht OK, gar bewährt, als politisches, hm, Strategem, abär ist Toleranz sozusagen das A und O aufklärerischer Gesellschaften.

      Was nicht geht, ist die Toleranz gegenüber der Intoleranz, und die nicht gehen würdende Intoleranz lässt sich gerade zurzeit und auf die BRD bezogen gut beschreiben, wobei diese Beschreibung aber aus Rücksicht auf den hiesigen Inhaltegeber unterbleiben wird.

      MFG
      Dr. W

    • Sie meinen sicher Rechtsextreme, die uns anderen mit Gewalt ihre Ordnung überstülpen und Deutschland noch einmal gegen die Wand fahren wollen? 😉

      Ernsthaft: Wie geschrieben ist Intoleranz von keiner Seite zu akzeptieren. Und, nein, es sind nicht “die Muslime” intolerant, ich bin als Christ mit einer seit zwei Jahrzehnten verheiratet. 🙂

      • … wobei nach IS-Definition eine Muslima, die *freiwillig* einen Christen heiratet, ja schon wieder als Ungläubige zählen würde…

        … aber wenn man dem Kalifen die Definitionshoheit darüber läßt, was Islam ist, müßte man auch dem Papst die Definitionshoheit lassen, was Christentum ist, und dann wäre die ganze Reformation für’n …

        • Und die allermeisten Muslime betrachten schon den “Kalifen”-Titel für den Chef einer Verbrecherbande als Anmaßung und würden sich dagegen verwehren, ihn mit dem Papst auf eine Stufe zu stellen, @Störk…

  8. Ist China eigentlich ein Rentierstaat? Oder können wir da demnächst mit Demokratisierungstendenzen rechnen?

    Generell macht die Rentierstaatstheorie, wenn ich da mal 2 Minuten ohne besseres Wissen drüber nachdenke, einen komischen Eindruck. Weil sind so sozialistischen Länder wie Kuba oder Vietnam Rentierstaaten oder Indonesien? Demokratisierung im westlichen Sinne sehe ich da zumindest nicht.

    Und andersrum ist Island nicht ein Rentierstaat? Ich habe mal gehört, dass deren Wirtschaft auf geothermaler Energie da beruht. Obwohl das werden die wahrscheinlich nicht direkt exportieren, und solange Rohstoffe nicht direkt exportiert werden, ist das kein Rentierstaat.
    Schade, dass man immer keine Ahnung hat. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Südafrika so einigermassen demokratisch ist und deren Wirtschaft vom Rohstoffexport abhängt. Vielleicht auch Neuseeland.

    Die Theorie macht den Eindruck von Ideologie. Ich denke ja, die westliche Welt allen voran die USA setzt ein und/oder unterstützt autoritäre Regime rund um den Globus um sich den Zugriff auf die Rohstoffe dort zu sichern. Dass die eine ihn nicht genehme Regierung (ob demokratisch gewählt oder nicht spielt da keine Rolle) versuchen wegzuputschen oder wegzubomben ist ja so ein konstanter Faden in deren Aussenpolitik, angefangen wahrscheinlich bei der Reaktion erstmal Kanonenboote zu schicken auf die Revolution von San Domingo.
    Die Rentiertheorie macht dann den Eindruck, dass man die autoritären Regime dort “naturalisiert” und darüber dann die Verantwortung des Westens an der globalen Situation verschleichert.
    Man hört immer wieder z.B. das Al Saud schon lange untergegangen wäre, wenn die USA das nicht stabilisiert hätten.

    • @int

      Puuh, da läuft jetzt aber einiges durcheinander…

      Zunächst einmal macht die Rentierstaatstheorie empirisch überprüfbare Aussagen über Rentierstaaten – zu denen z.B. China nicht gehört. Ich bin aber schon überrascht, dass Ihnen die Demokratiebewegungen in Peking oder aktuell Hongkong entgangen sein sollten… Ebenso hat das dominant islamisch geprägte, aber eben nicht rentierstaatliche Indonesien gerade einen demokratischen Machtwechsel – mit dem Wahlsieg eines Zivilisten gegen einen Militär – hinter sich. Und Kuba öffnet sich, auch mangels Renten aus Venezuela, der SU & Co. – gerade vorsichtig dem Westen (und dem Papst).

      Auch Island ist kein Rentierstaat – richtig.

      Und die RST erklärt doch gerade, WARUM die USA (und auch Deutschland!) das saudische Königshaus unterstützen. Das sind Öl-Allianzen! Oder meinen Sie, die USA hätten z.B. Kuwait wegen der schönen Sanddünen “befreit”?

      Und der Tenor meines Buches ist es entsprechend gerade, auch unsere westliche Verantwortung für das Andauern von Regimen und Bürgerkriegen herauszuarbeiten – etwa durch den Ankauf und Verbrauch fossiler Rohstoffe! “Wir selbst” generieren doch zum eigenen Vorteil die Renteneinnahmen, deren Folgen wir dann beklagen…

      Freut mich, wenn das Thema Sie zu weiteren Überlegungen und Recherchen animiert! 🙂

    • @von Raab

      Dazu gerne eine klare Antwort: Jede (Welt-)Religion kann tolerant oder intolerant ausgelegt werden. So gab es Zeiten, in denen islamisch geprägte Länder mehr Religionsfreiheit boten als das christliche Europa – derzeit ist es anders herum. Und in Sri Lanka finden Sie z.B. extrem nationalistisch-intolerante Strömungen des Buddhismus, ohne dass dies Verallgemeinerungen erlauben würde.

      Wenn Sie meine Haltung wirklich interessiert, finden Sie auf dem Blog bzw. auf YouTube einen Vortrag zum Islam, den ich an der Uni Köln gehalten habe. Auch ein sciebook zum Problem von Radikalismus und Fundamentalismus in den Religionen – inklusive des Islam – ist erschienen: https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/fundamentalismus-extremismus-die-seiten-glaubens/

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  11. Herr Blume erstmal Respekt für Ihre interreligiöses Engagement.
    Ich frage mich nur, wieso wir Götter brauchen, um zu entscheiden , dass wir anständig miteinander umgehen. Brauchen wir für diese Erkenntnis wirklich das , was Menschen vor 2000 oder 1400 Jahren niedergeschrieben haben , und dieses auch via Boten direkt von Göttern erzählt bekommen haben sollen.

    Ich stimme überein, dass Europa von Zuwanderung profitieren kann . Zweifellos. Aber nicht von dem aktuellen Flüchtlingsgeschehen. Das ist Wunschdenken intoléranter Eliten, für die sich ihr Engagement in erster Linie rentiert und ich mich manchmal frage , ob dieses die Hauptmotivation ist.
    Übrigens damit ich nicht in die falsche Ecke gestellt werden, die Geschichte mit “Umvolkung usw” ist für mich blanke Verschwörungstheorie. Meiner Meinung nach hat die Kanzlerin sich verschätzt, war nicht in der Lage, ihren Fehler einzusehen und hatte die CDU so gut im Griff, dass keiner aufmuckte.

    Sorry, ich will nicht unhöflich sein. Für mich ist die Rentierhypothese nur auf reinen Äußerlichkeiten aufgebaut , vergleichbar mit der frühen Vorstellung, die Erde wäre eine Scheibe.

    Ich gestehe aber ein, so richtig kompetent bin ich auch nicht. Ich habe tatsächlich eine Weile gebraucht um festzustellen, Rentiertheorie sich nicht auf Rentiere ( = die Tiere in Skandinavien )bezieht. Schande über mein Haupt.

    Ihr Beitrag ist von 2015. Sind Sie immer noch der Meinung , für uns sind die Flüchtlinge ein wirtschaftlicher Gewinn, um den ” uns unsere Nachbarn beneiden”? ( stammt nicht von Ihnen, war so damals zu hören). Die moralische Verpflichtung, Menschen in Not zu helfen, ist eine andere Baustelle.

    • Lieber @anderer Michael,

      es freut mich, dass dieser Blogpost Sie zum Weiterdenken anregt!

      Und, ganz klar: Auch die Rentierstaatstheorie zielt auf eine bessere Analyse von Konflikten und also der Möglichkeit, Gewalt und Flüchtlingsströme besser zu vermeiden. Auch im Interesse der Betroffenen.

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