Warum fließt Blut für Öl? Die Rentierstaatstheorie zum Fluch des schwarzen Goldes

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Wenn Sie in in Ihrem ganzen Leben nur eine einzige, politikwissenschaftliche Theorie kennenlernen und anwenden wollen – dann geben Sie, das erlaube ich mir zu bitten, der Rentierstaatstheorie diese Chance! Denn sie bietet eine schlüssige Erklärung, warum auch der Westen totalitäre Regime wie Saudi-Arabien hofiert, das Schah-Regime im Iran wiedereinsetzte, warum die USA eine ganze Reihe von Rohstoffkriegen geführt haben und heute auch Staaten wie Russland, Aserbaidschan, Venezuela, Angola, Nigeria und viele weitere autoritäre Regime ausprägen. Sie erläutert, warum mancherorts religiöse Fundamentalisten und Extremisten an Macht gewinnen. Sie vermag schließlich auch zu erklären, warum sich die Staatenwelt des Nahen und Mittleren Ostens derzeit auflöst und Hunderttausende meist muslimische Flüchtlinge nicht etwa in die benachbarten, ölreichen Golfstaaten, sondern in die Türkei, nach Jordanien, Libanon und schließlich nach Europa strömen.

Rentierstaatstheorie

Im sciebook “Öl- und Glaubenskriege. Wie das schwarze Gold Politik, Wirtschaft und Religion vergiftet” habe ich das Thema ausführlicher vorstellen können, biete es aber hier aber auch gerne in der knappen Hör- und Videoform eines Audioblogs an.

RentierstaatTweetGreenStormHier also den Audioblog als Video:

Hier zum Hören:

Podcast / Audiofiles

Und hier das Skript zum Lesen:

Audioblog-Folge 5: “Warum fließt Blut für Öl? Die Rentierstaatstheorie als Demokratie- und Flüchtlingskrise” (pdf)

Last but not least auch der Link zum sciebook:
OelGlaubenskriegeTaschenbuch

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

59 Kommentare

  1. Hallo Michael,

    Ein in der Kürze der Zeit gelungenes “Feature” über negativen Auswirkungen von “Rohstoffkriegen”. Er wirft bei mir die interessante Frage nach den offenen Hintergründen auf, weshalb einige “Rentiers”, (wie z.B. Darwin) den persönlichen konstruktiven Weg des Wissenschaftlers und Forschers wählen, andere Künstler werden, wieder andere Unternehmer oder Lehrer oder Ärzte und ein gewisser Teil zu Handlangern für kriegerische Machtspiele “deformieren”.

    Und wie wohl ein wachsendes Heer arbeitsloser “Kriegstreiber” reagieren wird, wenn die “Dekarbonisierung” immer mehr Gestalt annimmt? Die Sonne als Primärenergieträger lässt sich ja nicht “besetzen”. Was dagegen halten, wenn immer mehr versuchen das technologische Know How (im Grunde also Bildung) zu zerstören, um eine “Dekarbonisierung” zu verhindern (d.h. ein Wechsel der Nutzung der Primärenergieträger)?

    Und was haben die nordamerikanischen Anstrengungen damit zu tun, Europa an sich zu binden mit Hilfe von TTIP? TTIP lässt sich m.E. auch begreifen als Strategie um wichtige Zeit zu gewinnen. Die offene Frage bleibt, wofür? Was die Kritiker von TTIP (zu Recht) kritisieren, verschweigen sie ja auch zugleich.

    Es ist nämlich „neuer Wein“ der nach „neuen Schläuchen“ verlangt. Ohne, dass „alte“ und vor allem liebgewonnene ideologische Zöpfe abgeschnitten werden (und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks) und ohne Einigung auf eine neue Vision wird das nichts. Darum geht es m.E. Und es ist gut dass sich darum gestritten wird.

    Die für mich wichtigere Frage lautet: Wie schaffen wir eine Dekarbonisierung um Rohstoffkriege in Zukunft zu reduzieren? Die Rentiers (nicht nur die Alumnis) überall auf der Welt, sind eingeladen und herausgefordert ihre verbleibende Restlebenszeit dafür einzusetzen.

    Diese globalen Herausforderungen erfordern m.E. eine gemeinschaftliche (Rück- und Neu-)Besinnung auf große sinnstiftende Erzählungen, um Gesellschaften tiefgreifend zu transformieren, wie es beziehungsgestaltende (Erweckungs-)Bewegungen in der Vergangenheit immer wieder vermochten.

    Ob diese vielleicht nicht parallel aufwachsen – ohne derzeit bereits in den Mainstreammedien zu erscheinen? Ich rede von einer “Bewegung von Unten”, analog (und parallel zu Vorbereitungen “von Oben”) wie es sie gab, als die Mauer vor 25 Jahren fiel. Die Herausforderungen sind global gesehen ungleich größer. Und dennoch gibt es eine Chance, wenn deutlicher wird, was allen Menschen (und allen Lebewesen) auf der ganzen Welt gemeinsam ist und verbindet – anstatt trennt.

    • Lieber Ingo,

      vielen Dank für den weiterdenkenden Kommentar!

      Spontan bin ich mir v.a. in einem Aspekt sicher: Sicher hat das Auftreten von “Rentiersklassen” innerhalb einer Gesellschaft auch (mitunter enorme) kulturelle Folgen, man denke z.B. an den weitgehend “funktionslosen” Adel im spätabsolutistischen Staat. Aber umgekehrt gilt sicher auch: Wenn eine ganze Gesellschaft kulturell z.B. auf Bürger- und Leistungswerte hin geprägt ist – wie es für große Teile des viktorianischen Großbritannien galt -, dann wird dies auch das Verhalten von Rentiers (wie z.B. Charles Darwin) beeinflussen. Neben dem Erlangen von materiellen Gütern streben wir Menschen ja immer auch nach Anerkennung.

  2. Es ist natürlich schwierig Fälle solcher Theorien nachzuweisen. Das sog. Rentier-Staaten zu nichtdemokratischen Ordnungen neigen, könnte aber auch noch an anderen Faktoren liegen. Einer davon ist laut Thomas Pogge (siehe z.B. http://www.raison-publique.fr/article260.html) der Umstand, dass egal, wie eine Gruppe an die Macht gekommen ist, sie die Rostoffe vertreiben darf und die Käufer damit legal weiter verfahren dürfen.
    Dies stellt eine alternative/ergänzende Erklärung für die Folgen von Rohstoffen.

    Zitat von Pogge:
    “Es ist eine zentrale Eigenschaft dieser Ordnung [globale wirtschaftliche Regeln], dass jede Gruppe, welche innerhalb eines Landes über eine Übermacht an Gewaltmitteln verfügt, international als die legitime Regierung des Staatsgebietes und der Bevölkerung dieses Landes anerkannt wird – unabhängig davon, wie diese Gruppe an die Macht gekommen ist, wie sie ihre Macht ausübt und in welchem Maß sie von der von ihr beherrschten Bevölkerung unterstützt oder bekämpft wird. Dass eine solche Gruppe, die wirksam Macht ausübt, internationale Anerkennung erhält, bedeutet nicht nur, dass wir sie in Verhandlungen einbeziehen. Es bedeutet auch, dass wir das Recht dieser Gruppe akzeptieren, für die von ihr beherrschten Menschen zu handeln. So berechtigen wir jede Person oder Gruppe, die in einem Land effektiv an der Macht ist – ungeachtet dessen, wie sie an die Macht kam und die Macht ausübt – dazu, die Rohstoffe des Landes zu verkaufen und über die erzielten Erlöse frei zu verfügen, im Namen des Landes Kredite aufzunehmen und ihm damit Schuldverpflichtungen aufzubürden, für das Land Verträge zu unterzeichnen und auf diese Weise die gegenwärtige und zukünftige Bevölkerung zu binden sowie Staatseinkünfte zum Kauf militärischer Repressionsmittel einzusetzen. Diese globale Praxis trägt viel dazu bei, dass so viele Länder so schlecht regiert werden.”(http://www.raison-publique.fr/article260.html)

    • Vielen Dank, @libertador. M.E. scheinen die von Ihnen angeführten Zitate die Rentierstaatstheorie aber doch eher zu stützen und zu ergänzen, als ihnen zu widersprechen. Denn auch hier erscheinen Rohstoffe als eine Möglichkeit, “Machtmittel” nach innen und Anerkennung nach außen zu erwerben. Oder hätte ich da etwas falsch verstanden?

      • Sie haben Recht, dass dies der Rentierstaatstheorie nicht widerspricht. Aber es zeigt, dass diese Staatsform speziellen Bedingungen unterliegt, nämlich, dass der Staat als legitimer Rohstoffverkäufer angesehen wird. Es gibt damit einen weiteren Faktor als nur die Abhängigkeit des Staates von den Einwohnern, die eben wenig über Steuern zum Saatswesen beitragen. In ihrem Beitrag hatte ich den Eindruck, dass die Rentierstaatstheorie sich nur auf diesen einen Faktor bezieht.

        • Ja, tatsächlich musste ich die Darstellung der Rentierstaatstheorie für den (Audio-)Blog natürlich stark konzentrieren, @libertador. Die Forschungsdebatte dazu ist sehr vielfältig – und ich muss auch zugeben, dass mir derzeit dazu gar kein überzeugender und aktueller Sammelband o.ä. bekannt wäre… Es ist doch traurig, dass diese – für die Bewertung heutiger Zustände und politischer Maßnahmen so zentralen – Themen in der Öffentlichkeit (und Politik, sogar großen Teilen der Wissenschaft!) so wenig bekannt, geschweige denn ausgearbeitet sind…

          Daher noch einmal Danke für Ihre wirklich hilfreichen Ergänzungen hier, nicht nur zu diesem Thema!

  3. Hallo Herr Blume,
    Vielen Dank für Ihre interessante Darstellung dieser Zusammenhänge zwischen (globaler) Rohstoffausbeutung , Kriegen und Staatsformen.
    In gewisser Weise ist dies eine Spezialform der Imperialismustheorie von Hilferding.
    In dem Maße, wie inner- und zwischenstaatliche Oligarchien durch umfangreiche inner- und zwischenstaatliche Rohstoffausbeutung gigantische Reichtümer anhäufen, sind sie in der Lage , die entsprechenden Staatsapparate “zu kaufen” und für sich arbeiten zu lassen.
    In diesem Zusammenhang spielt die Kohlenstoff-Energieformen (Gas,Öl, Kohle) eine sehr wichtige Rolle. Und die “Dekarbonisierung” wäre ein wichtiger Schritt zur “Demokratisierung” von Weltwirtschaft und Politik.
    Aber es gibt auch Beispiele für Diktaturen , die weniger auf Rohstoffausbeutung zurückgeführt werden können. Z.B. Nazi-Deutschland und Tenno-Japan. Es darf nicht vergessen werden, dass für Oligarchen auch und gerade der “Rohstoff” Mensch von weltweiter Ausbeutungsfähigkeit ist.
    Wichtig für die Schwäche demokratischer Kräfte in Staaten ist offenbar auch das Ausmaß von Militarisierung und Überwachung in diesen Staaten.
    Daher erscheint mir besonders wichtig, die zunehmende Militarisierung und Überwachung von Gesellschaften entgegenzuwirken.
    Hier kann und muss die UN-Ebene eine entscheidende Rolle spielen, z.B. bei der weltweiten Ächtung von bewaffneten (Terror-) Drohnen und aggressiven Geheimdiensten.
    Hierzu habe ich zum Start eine online-Petition unterstützt:
    https://www.change.org/p/an-den-petitionsausschuss-und-die-fraktionen-des-dt-bundestags-bitte-legen-sie-den-bundesschnarchrichtendienst-bnd-trocken-für-die-weltweite-ächtung-aller-geheimdienstaktivitäten-2
    Später soll diese Forderung in einer Violksabstimmung im Lande Berlin auf den Weg gebracht werden.

  4. (….) warum die USA eine ganze Reihe von Rohstoffkriegen geführt haben (…)

    Gerne mal erläutern:
    A) welche genau
    B) wie die Staaten heutzutage von diesen Kriegen profitieren (ansonsten wären es keine ‘Rohstoffkriege’) [1]

    MFG
    Dr. W

    [1]
    gemeint hier: fossile Ressourcen, was sachnäher wäre, auch das H2O bspw. ist ein Rohstoff

    • Zum Beispiel den zweiten und dritten Golfkrieg, @Webbär:
      https://de.m.wikipedia.org/wiki/Golfkrieg
      An die Wiedereinsetzung des kuwaitischen Regimes und die US-Sicherung des Ölministeriums in Bagdad (während der Rest der Stadt einschließlich des Nationalmuseums Plünderern überlassen wurde), erinnern Sie sich sicher?

      Auch das vorherige Bündnis des Westens mit Saddam Hussein und die bis heute bestehende Allianz mit dem Regime in Saudi-Arabien ist nicht auf die westliche Vorliebe für Sand zurück zu führen…

      Ernsthaft: “Öl- und Glaubenskriege” könnte für Sie interessant sein… 😉

      • @ Herr Dr. Blume :

        Angegeben wurde als Motivationsimperativ durchgehend anderes, als dass Blut für Öl vergossen werden sollte.
        Saddam konnte, nachvollziehbarerweise wie einige finden, nicht durchgelassen werden, dass er mal eben so ein Land schluckt und seine endgültige Abservur könnte darauf zurückzuführen sein, dass er sich auch in der Folge nicht, auf Staaten bezogen, sozialverträglich und einsichtig gezeigt hat.
        Dass Öl ein Wirtschaftsfaktor einiger Größe ist, ist bekannt, “Rohstoffkriege” zu postulieren wäre aber doch etwas für die anderen, denn ginge es nur um Rohstoffe, müssten die Kriege anders konzipiert sein.
        Dass Obama gezielt Diktaturen im Kulturkreis des Mohammedanismus destabilisiert hat, ist Ihnen bekannt, woll, Kairoer Rede und so, auch seine Allianz mit dem strengen Sunnitentum, wie sich u.a. in Ägypten und Syrien (Unterstützung der sogenannten al-Nusra-Front) gezeigt hat, woll, ebenso.
        Also da war von Rohstoffinteressen nichts zu spüren, auch bei der u.a. auch von Frankreich betriebenen Enthauptung Libyens und Tunesiens (dort blieb der Kopf dran), da wäre sozusagen Anti-Realpolitik festzustellen, oder?

        MFG
        Dr. Webbaer (gerne ohne german umlaute)

        • @Webbär

          Selbstverständlich wurden die Aufrüstung von Saddam gegen den Iran, dann die Wiedererrichtung der Diktatur in Kuwait gegen den Irak und schließlich der Sturz Saddams jeweils nicht öffentlich mit Ölinteressen begründet, sondern mit Völker- und Menschenrecht & Co. Umgekehrt hat z.B. die Annexion und Unterdrückung Tibets durch China gerade gestern keinen ganz großen Empfang durch das (an den Golfkriegen vorne beteiligte) Vereinigte Königreich verhindert. 😉 Ebensowenig haben die Anschläge des 11. September die Verbindungen zwischen US- und SA-Eliten unterbunden. Wussten Sie z.B., dass die größte Erdölgesellschaft der Erde Saudi Aramco, auf die “Arabian-American Oil Company”, abgekürzt ARAMCO, zurückgeht?

          Ja, die Rede Obamas in Kairo ist hier nicht nur wohlbekannt, sie war auch Thema dieses Blogs:
          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/barack-obamas-rede-an-die-muslimische-welt-text-und-video/

          Und tatsächlich hat die Regierung Obama konsequent die Abhängigkeit von arabischem Öl verhindert, u.a. durch massive Förderung von Fracking & Ölsanden in Nordamerika (inkl. Kanada, das sich im Freihandelsvertrag mit den USA verpflichten musste, niemals Öllieferungen an den großen Bruder einzuschränken!). In letzter Zeit versucht Obama sogar, das Bewußtsein für den Klimawandel und Energiesparmaßnahmen zu fördern und hat auf dem G7-Gipfel in Deutschland das von Angela Merkel vorab formulierte Ziel der “Dekarbonisierung” mitgetragen. All dies ermöglichte ihm einen langsamen Rückzug der US-Truppen aus der arabischen Welt und eine Lockerung des Bündnisses mit Saudi-Arabien (Folge: Staatenzerfall und Vorrücken Iran).

          Verstehen wir uns nicht falsch: Ich war mehrfach – auch auf Einladung der US-Regierung – in den Vereinigten Staaten und bin ein großer Freund dieses Landes. Und gerade deswegen erscheint mir ein realistischer, auch politikwissenschaftlicher Blick auf die Abhängigkeiten von Außen- und Rohstoffpolitik, auf die Verflechtungen von Öloligarchen und evangelikaler Klima(wende)leugner usw. unverzichtbar zu sein. Und ich kenne keine Theorie, die dabei so viel schlüssig erklären könnte, wie die (Recht verstandene & durchdachte) Rentierstaatstheorie! 🙂

          • @ Herr Dr. Blume :

            Was halten Sie von der Variante, dass die Staaten seit einigen Jahren nur bedingt rational und realpolitisch handeln, auch wegen mangelhafter Kenntnis der Zustände vor Ort, auch wegen bestimmter Unbekömmlichkeit, bei George W. Bush hing diese womöglich hiermit ein wenig zusammen, zu beachten auch dieser Jokus, und Barack Hussein Obama II scheint ganz ähnlich unterwegs, auch in puncto Kairoer Rede den Mohammedanismus und Tribalismus jener Gesellschaften weitgehend ignorierend, und irgendwie, geplant wohl auch: kontrapunktisch, das Gute wollend, dass aber die Rohstoffe, Sie merkten ja selbst die Öl-Gas-Schiefer-Geschichte an, bei den gemeinten US-amerikanischen Vorhaben eine eher untergeordnete Rolle spielen könnten?

            MFG
            Dr. W (der insofern gerne, ganz unter uns natürlich nur, Verblödung feststellen möchte, natürlich nicht nur auf die ebenfalls geschätzte USA bezogen, sondern bspw. auch auf die BRD; der zudem auf die korrekte Anrede ‘Dr. Webbaer’, also ohne doitscher Umlaute, persistiert – sofern möglich, natürlich nur)

          • @Webbaer

            Die Umlaute sind okay – aber den “Dr.” akzeptiere ich nur bei tatsächlich erfolgter Promotion! 😉

            Zu Ihrer Frage: M.E. können “Staaten” gar nicht handeln – sondern nur die Menschen, die über Religionen, Verbände, Parteien, Sippen etc. schließlich Regierungen konstituieren. Entsprechend gehe ich davon aus, dass Politik immer und seit jeher mit nur “begrenzter Rationalität” einhergeht und sich vor allem an Wahrnehmungen und Interessen strukturiert.

            Die Rentierstaatstheorie zeigt letztlich auf, wie wirtschaftliche Gegebenheiten die Interessen und das Selbstverständnis gesellschaftlicher Gruppen beeinflussen, die dann wiederum Einfluss auf die Politik zu nehmen versuchen. Dass sowohl die Regierungen Bush wie Obama naiv annahmen, rentierstaatliche Systeme ließen sich schnell in Demokratien verwandeln, führe ich tatsächlich auch auf einen Mangel politik- und religionswissenschaftlicher Kenntnisse zurück (der auch im sprachlich und wissenschaftlich zersplitterten Europa besteht).

          • @ Herr Dr. Blume :

            Staaten “handeln” zwar, aber Sie haben’s präzisiert: Individuen handeln.
            Ansonsten wäre wohl weitgehend Konsens festzustellen, vielen Dank für Ihre Geduld und ihre in der Kommentatorik erfolgten Ergänzungen.
            Generell eine zunehmende Verblödung der politischen und medialen Eliten festzustellen, ist wohl Ihr Ding nicht; hier ginge es dann eher auch Richtung Privattheorie des Schreibers dieser Zeilen, der Neomarxismus, Infertilität & bestimmte absonderliche Gefühligkeit seit mehreren Jahrzehnten zunehmend beobachtet, in Nicht-Rentier-Staaten, die schon lange dem “Westen” zuzuordnen sind.

            Sollten Rentier-Staaten wie beschrieben vorliegen, macht es eher Sinn von Rohstoff-Kriegen zu sprechen oder zu schreiben.
            Dass Kriege dieser Art in “westlichen” Gesellschaftssystemen weder politisch kommunizierbar, noch wirtschaftlich wären, wissen Sie natürlich.

            MFG
            Dr. W (der weiterhin nichts gegen die korrekte Anrede hätte – wenn’s konveniert natürlich nur)

          • @Webbaer

            Gerne möchte ich Sie ermutigen, an Ihrer “Privattheorie” dranzubleiben, sie weiterzuentwickeln.

            Spannend scheinen mir dabei Staaten wie das sehr traditionell grundierte Japan, das weder Neomarxismus noch Feminismus und auch kaum Zuwanderung zuließ – und dennoch demografisch und in Folge auch wirtschaftlich und politisch abbaut.

            Wagen Sie es, über Ihre “gefühlten Lieblingsfeinde” hinaus zu denken! 🙂

          • @ Herr Dr. Blume :

            Das Wesen von “Privattheorien” ist, dass sie privat erörtert und erst bei bestimmter Konsistenz publiziert werden.

            Japan steht nicht so-o schlecht da:
            -> Webverweis (sofern die Visualisierung nicht wie geplant zur Anzeige gelangt, gerne selbst im Google Data Explorer ‘Weltbank-Daten’ und ‘BIP pro Kopf (bei statischem Dollarkurs)’, also die Währungsschwankungen herausgerechnet, auswählen)

            Die Bevölkerungszahl Japans, sie liegt über 120 Millionen, gibt auch keinen direkten Anlass zur Sorge.

            Die Idee, dass sich i.p. Bevölkerung zurückbauende Staaten durch Zuwanderung kompensieren müssen, ist unklar.

            MFG
            Dr. W (der natürlich keine ‘Lieblingsfeinde’ hat, sondern sich nur ein wenig dem Kollektivismus entgegenstellt, gewohnheitsmäßig, nicht nur das meinend, was zu D gehören soll – und bald auch “richtig” und mit allen Konsequenzen zu D gehören wird)

            PS:
            Ansonsten natürlich ganz nett diese Sache mit den Rentier-Staaten, die dbzgl. Theoretisierung müsste OK sein, bei den sogenannten Rohstoffkriegen, naja – nö!, alles ansonsten sehr nett.

    • Wenn ich mich recht erinnere, hat Condoleeza Rice in einem Interview im Spiegel, meine ich, den tieferen Sinn des Irakkriegs erklärt. Der Irak wird dadurch zu einer Demokratie und die USA brauchen dann nicht mehr das Öl im problematischen Saudi-Arabien kaufen, sondern im Irak. Das ging alles schief, auch weil Bürgerkriegs- oder Terrorgruppen im Irak immer wieder den Aufbau von Infrastruktur sabotiert haben.

  5. Für den Nahen Osten scheint mir die Theorie nicht auszureichen , da spielen auch andere Faktoren eine große Rolle. Zum Einen die über kurz oder lang unvermeidliche Neuordnung der Staatsgrenzen , die z.T. völlig willkürlich von den ehemaligen Kolonialmächten hinterlassen wurden .

    Vor allem aber findet dort ein Pendant zum 30-jährigen Krieg statt , ein brutaler , inner-islamischer Konfessionskrieg , an dessen Ende eine Liberalisierung des Islam stehen wird , eine beginnende islamische Säkularisierung.

      • @Michael Blume

        Dann hab ich das falsch aufgefaßt. Im Übrigen ist die Rentierstaatstheorie richtig , gerade weil sie sich mit einem wesentlichen Teil der Schieflage unseres Wirtschaftssystems anlegt.

        • Lieben Dank, @DH. Ob diese “Wirtschaftsinteressen” wohl auch ein Grund sind, dass die Theorie in Öffentlichkeit und Politik auch nach Jahrzehnten kaum bekannt ist? :-/

          • @Michael Blume

            Zum einen ja , ein Bewußtsein dafür gibt es aber schon in politisch interessierten Kreisen , nicht nur bei Linken , zwar nicht in Form dieser Theorie , aber in Form eines allgemeinen Zusammenhangs zwischen Rofstoffen und Militarisierung.

          • @DH

            Der Beobachtung stimme ich zu – doch vertieft sie m.E. die Frage, warum Forschungen und Debatten zum behaupteten (gefühlten) Zusammenhang wenig öffentliche Resonanz gefunden haben… Erst in diesen Tagen begegnete mir eine – eigentlich brillante – Studentin der Politikwissenschaft, die aber den Begriff des Rentierstaates auch noch nie gehört hatte… :-/

          • @Michael Blume

            Interessant , zumindest als eine unter mehreren sollten solche Ansätze bekannt sein .
            Nicht daß es da hinter den Kulissen eine ähnliche Verarmung gibt wie bereits seit langer Zeit in den Wirtschaftswissenschaften. Wundern würde es mich nicht , was so mancher “Experte” für Politik so absondert , läßt erhebliche Zweifel zu am Niveau der erlebten Ausbildung.

  6. Ich denke auch, dass die Rentierstaatstheorie nicht alles erklären kann. Ich denke dass die Theorie einfacher sein kann. Die Darstellung der Machtverteilungen mit den Pyramiden ist sehr anschaulich. Auch Darwin spielt eine Rolle dabei, denn ich denke dass es ein natürlicher Zustand ist, wenn die Macht von oben nach unten verteilt wird. Also rein objektiv gesehen ist es so. So Wie im Tierreich die Leitkuh, der Platzhirsch, die Ameisenkönigin usw. die Spitze der Machtpyramide darstellen. Es ist die natürliche Ordnung. Die richtige und wichtige Demokratie dreht dieses Machtgefälle nun um. Dies erfordert jedoch eine gewisse Anstrengung seitens des Demos. Sobald dieser diese Anstrengung aufgibt (gebt ihm Brot und Spiele und ihr könnt ihn regieren) baut sich die Struktur wieder in ihre natürliche, evolutionär bedingte Struktur um. Das hat also nicht immer etwas mit Rohstoffen zu tun, sondern vor allem mit Geld (äquivalent zur Macht) Was ist zB mit den Zinsrentiers – mit den Staaten, die sich ihr eigenes Geld drucken und es gegen Zinsen verleihen. Wenn wir über eine Entcarbonisierung nachdenken, dann in jedem Fall auch über eine Abschaffung der Zinsen oder zumindest der Zinseszinsen – wenn dann muss man hier konsequent sein. Wahlweise wäre der erste Schritt auch dadurch gemacht, dass sich mehr Menschen für Ihr Mitbestimmungrecht engagieren, damit das Machtgefälle wieder umgeformt wird.

    • @Jade, interessante Gedanken! Tatsächlich finden wir in Wildbeuterkulturen allerhand kulturelle Traditionen, die die gewachsenen, vergleichsweise egalitären Strukturen dort sichern. Den Weg z.B. der Gorillas (dominante Alphas, Haremstrukturen, hoher Geschlechtsdimorphismus) haben unsere Vorvorfahren nicht eingeschlagen – er hätte wohl auch kaum zu ausreichend sozialer und dann rationaler Intelligenz geführt…

      Und doch sind und bleiben egalitäre Strukturen anfällig, das ist wahr…

    • @Jade

      Eine sehr plausible Erklärung für die immer wiederkehrenden Rückfälle in alte Denkweisen. Allerdings ist der Rückfall nie komplett , es geht nie ganz zurück auf den letzten Zeitpunkt , zu dem die Entwicklung vorübergehend eingestellt wurde , sonst gäbe es keinen Fortschritt.

      • Ich habe ein bisschen vom Peter-Prinzip abgeleitet. Aber es ist auch das Prinzip des Lebens ganz allgemein, durch welches es erklärt werden kann. Es gibt zwei Strukturen, die hierarchische oder auch logische (baumstruktur) – diese dominiert die materielle Welt. Und die nicht hierarchische – deleuze z.B nennt sie die rhizomorphe. Dies ist die Struktur der immateriellen Welt. Die Politik ist ein Zwischending – soll sie doch ideologisch und rhizomorph (immateriell) sein aber gleichzeitig die materielle Welt Regeln. Beides gleichzeitig ist schwer hinzukriegen. Deshalb setzt sich immer wieder die hierarchische Struktur der Dinge durch, bis sie durch die Ideologie abgelöst wird. Deshalb auch die Unterscheidung zwischen “Links” und “rechts”.

        • Ich würde es nicht Ideologie nennen , der Begriff ist zurecht negativ besetzt , als Entgleisung der Utopie und des Idealismus.
          Und richtig , das geht immer hin und her , in Zyklen von vielleicht 20 bis 30 Jahren , aktuell stehen wir wieder an einem großen Wendepunkt , die letzten 30 Jahre waren zunehmend restaurativ.

          • Ein 30 Jahre Zyklus ist mir bisher nicht aufgefallen. Aber dafür ein ungleich längerer – Antike – Mittelalter – Industrialisierung – ? Das Fragezeichen steht also für die neue Epoche der entmaterialisierung. Wahrscheinlich das Internet und das vernetzte Wissen (mit Fokus auf die Vernetzung)? Ich glaube die Religion kommt nicht zurück.

          • @Jade

            Es gibt wohl kurze und lange Zyklen , auch Antike und Co. waren nicht frei von progressiven und restaurativen Phasen , genau wie heute. Stimmt , auch die langen “Wellen” sind augenfällig , mit dem gleichen Prinzip , ganz zurück auf Anfang gehts nicht.
            Am Ende der Spätantike etwa ging viel verloren , aber nicht alles , das Wissen um die Landwirtschft z.B. nicht.
            Und es gibt immer Regionen , die das Niveau aufrechterhalten , wenn es bei uns verfällt , früher Islam , China oder Byzanz .Heute sind wir oben , aber die Zeichen mehren sich für einen erneuten Rollentausch.

          • Es könnte sein, dass die Wechsel eintreten, weil ein hierarchisches system einen hohen Grad an Starrheit aufweist. Es hält sich selbst aufrecht auf Kosten der Flexibilität. Ab einem gewissen Punkt wird es handlungsunfähig ( hier die Analogie zum Peter-Prinzip) die Machtspielen Verhalten sich insoweit irrational, nur um der Erhalzung der Macht wegen. Deshalb wird das hierarchische system an diesem Punkt brüchig und fällt irgendwann in sich zusammen. Auf die derzeitigen westlichen Staaten (ich würde beim Gegenteil nicht von Islam spreche, weil dies immer noch “nur” eine Religion ist, sondern vielleicht eher von östlichen Staaten, was es auch schön beschreibt im Hinblick auf das Gegensatzpaar westlich und östlich) bezogen, könnte sein sein, dass diese sich bereits relativ weit hierarchisch entwickelt haben (politische Systeme) und viele Ressourcen für den Machterhalt aufwenden. Die Deutschen zB sind oftmals so mit der Erhaltung ihres Wohlstandes beschäftigt, dass sie das Kinderkriegen vergessen. Auch dass sie immer mehr Fürsten gleichen Wohlstand aufwenden müssen, hat etwas mit dem hierarchischen System zu tun (zunehmend ungleiche Verteilung Arm und reich). An dieser Stelle wäre es also möglich, dass das system zerbricht, evtl. Analog zum römischen reich

          • Stimme zu , die Parallelen zu Spätrom sind augenfällig , habe aber Hoffnung , bei uns gibt es Gegenbewegungen von innen heraus.
            Starrheit , ein Riesenproblem , Immobilität nach oben ist immer der Vorabend des Zusammenbruchs.

  7. Nein stimmt, es wechselt sich ab, es “oszilliert” aber es gibt eine Art Fortschritt. Vielleicht ist der fortschritt bildlich gesprochen eher spiralförmig (hört sich merkwürdig an)

  8. Eine durchaus einleuchtende Theorie, die ich im Wesentlichen auch teilen würde. Allerdings etwas relativiert. Es gibt neben dem Einfluss anderer Staaten, der eine stark kulturelle Komponente hat, noch das Problem von Verzögerungen. Langfristig entwickeln sich demokratische Staaten eher im industriellen und wissenschaftlichen Sinn, als streng autoritäre Staaten. Dabei scheint mir allerdings der Unterschied zwischen autokratischen und semi-autoritären Staaten weitaus größer zu sein, als zwischen semi-autoritären und demokratischen Staaten.
    Beispielsweise war das Bismarck’sche Kaiserreich ein semi-autoritärer Staat. Es existierte eine Konstitution und ein durchaus gewähltes Parlament mit einer nicht unbedingt handzahmen Opposition, zugleich aber ein autokratisch legitimierter Kaiser mit faktischem Vetorecht. Das damalige Deutschland war liberaler als etwa das Osmanische oder Russische Reich, aber autoritärer als viele westliche Staaten. Dennoch stand Deutschland z.B. bei der Zahl der Nobelpreise keineswegs hinter den westlichen Staaten.

    Freilich, in Deutschland hatte das aufstrebende Bürgertum seine Freiheiten der Autokratie abgetrotzt, durchaus im Einklang mit der Rentierstaatstheorie. Und ohne die Urkathastrophe von 1914 hätte sich vermutlich auch das Kaiserreich stark in die Richtung der heutigen Niederlande oder Skandinaviens mit einem zur Folklore reduzierten Königshaus entwickelt. So aber kam es zur ersten großen Kathastrophe des 20. Jahrhunderts und die semi-autoritären Tradtitionen liessen sich mitsamt der industriellen Leistungsfähigkeit Deutschlands gleich für die 2. Große Kathastrophe verwenden, dieses Mal in einem vollständig totalitären Staat. Hierbei ist es interessant, dass sowohl die Nazis, als auch die Sowjets trotz eines übelst totalitären Regimes über recht fähige Wissenschaften verfügten, anders als z.B. die heutigen Autokratien des Nahen Ostens.
    Die Frage der kulturell-historischen Lags kann für uns dann sehr relevant werden, wenn es nämlich um die Aufnahme von Menschen aus Rentierstaaten geht. Sicherlich, wir werden diese Menschen wohl über kurz oder lang in eine irgendwie westliche Ordnung integrieren. Fragt sich allerdings, in welcher Zeitspanne – und ob wir diese Zeit im Zweifel auch haben werden. Schließlich formt ein autoritärer Staat die Denkgewohnheiten und Gewohnheiten legt niemand von einem Tag auf den anderen ab. Noch gravierender kann sich der kulturelle Einfluss auswirken. So haben die Palästinenser oder auch der Jemen oder Jordanien viel zu wenig Rohstoffe, um eine klassische Rentiergesellschaft zu sein. Allerdings gibt es durch die kulturelle Nähe zu Rentierstaaten wie Saudi-Arabien eine starke Empfänglichkeit für von dort lancierte Kampagnen. Ich kann mir auch vorstellen, dass eine solche aus kultureller Nähe entstandene Verwundbarkeit ebenso bei der arabischen oder türkischen Diaspora Europas bestehen kann. Und diese halte ich übrigens für weitaus gefährlicher, als den konkreten Text des Korans oder der Hadithe.

    Dieser Verwundbarkeit kann durch westlichen Bürgergeist sicherlich begegnet werden. Aber auch nur, so lange jene Menschen mit kultureller Nähe zu den Rentierstaaten, die noch nicht die westlichen Denkgewohnheiten übernommen haben, hinreichend zu einer wenigstens teilweisen Assimilation gezwungen sind. Andernfalls wird der Industriestaat meines Erachtens zu einer potentiellen Marionette des Rentierstaates.
    Ich denke, dieses Beispiel kann etwa an der kulturellen Nähe der Ukraine und Russlands nachvollzogen werden, zwei kulturell eng verwandten ostslawischen Staaten. Der eine Staat, die Ukraine verfügte nach 1991 über wenige Rohstoffe und war politisch der ostslawische Modernisierungsmotor. Aber sehr wohl mit einer durchwachsenen Bilanz, denn die Orangene Revolution ist faktisch an den innenpolitischen Widerständen gescheitert. Erst mit dem Maidan gab es einen zweiten Anlauf, dem ich maximalen Erfolg wünsche, der aber auch noch mit oligarchischen Widerständen und dem großen Nachbarn zu kämpfen hat.

    Der andere Staat, Russland ist extrem rohstoffreich und der klassische Rentierstaat. Eigentlich gehört noch ein dritter Staat in diese Aufzählung, nämlich Weißrussland. Ein relativ rohstoffarmer Staat, der sich bis dato der Modernisierung verweigert, aber durchaus mittelfristig Richtung Westen kippen könnte. Russland exportiert vergleichbar Saudi-Arabien seine Ideologie und zwar über einen gar nicht so unfähigen Propagandaapparat. Interessant ist, dass dieser Propagandaapparat offenbar bei jenen Menschen auf fruchtbaren Boden fällt, die keine westlich-bürgerlichen Denkgewohnheiten entwickelt haben. Gleichzeitig fürchtet sich Russland wie der Teufel das Weihwasser davor, dass die Ukraine ihrerseits einen Ideologieexport an das Bürgertum Weißrusslands und Russlands betreiben könnte. Insbesondere bei fallenden Rohstoffpreisen.

    Insofern ist an der Theorie der Rentierstaaten sicherlich etwas dran. Wir haben ja schon im Mittelalter eher republikanische Staatsformen in den Handelsstädten Norditaliens oder der Hanse und sehr feudale Formen in Gegenden, wo Rohstoffe oder gutes Ackerland die wertschöpfende Ressource waren.

    Ich denke aber ebenso, dass die Problematik des Ideologieexports betrachtet werden muss, die vor allem entlang ethnischer Linien besonders brisant ist. Und zwar zum Einen aufgrund sprachlicher Barrieren und zum Anderen aufgrund der transportierten Denkgewohnheiten nebst der Identität. Dabei schafft eine ethnische Verwandtschaft keineswegs direkte Zombies des Ideologie-Exporteurs. Das sehen wir z.B. daran, dass sich die Freiwilligen-Bataillone der heutigen Ukraine überwiegend aus russischsprachigen Ukrainern rekrutieren. Und auch im arabischen und türkischen Raum gibt es ja durchaus verschiedene Gegenbewegungen zum Islamismus der Saudis oder der AKP. Es ist aber ein Thema, das man auf dem Radar haben muss, denn sonst ziehen gerade Gesellschaften mit starkem Bevölkerungsanteil an Einwanderern den Kürzeren.
    Bei der russischen Propaganda hatte unsere Gesellschaft das Thema nicht auf dem Radar. Mit der Folge, dass viele Menschen mit Denkgewohnheiten, die im Ostblock geformt wurden, von dieser sehr gut ansprechbar wurden.

    Und ich bezweifle, dass wir gegenüber Erdogans AKP oder auch dem Islamismus von der arabischen Halbinsel konfliktfähig vorbereitet sind. Dass unser Staat ohne eigene Rohstoffe einen erheblichen Reichtum produzieren kann, ist da eine gute Ausgangslage. Aber ich bezweifle, dass dies alleine zu einem Gewinnen schon rein symbolischer Kraftproben ausreicht.

    • Vielen Dank, @Walter Schüle – den hier exzellent ausgebreiteten Gedanken würde ich sehr weit folgen! Besonders interessant finde ich die Beobachtungen zu Autoritätsgläubigkeit und rentierstaatlichem Kulturexport! Tatsächlich ist die Russland-Verklärung unter deutschen Linken und zunehmend Rechten ein interessantes Phänomen! So wurde bei Pegida z.B. ernsthaft skandiert: “Merkel nach Sibirien, Putin nach Berlin!” Hier fällt die russische Propaganda bei entsprechend (häufig ostdeutsch) autoritär sozialisierten Leuten auf ebenso fruchtbaren Boden wie auch der saudi-arabische Fundamentalismus Muslime weltweit beeinflusst.

      Danke nochmal für den starken & bedenkenswerten Kommentar!

  9. Wie wäre vor diesem Hintergrund eine Formulierung wie
    “Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts” oder gar
    “Wissen ist der Rohstoff des 21. Jahrhunderts” zu beurteilen?
    Welche Perspektiven haben die Eingeborenen, etwa die angestellten Wissenschaftler?

    • Danke, @HF – spannende Fragen, die zwar außerhalb der bisherigen Anwendungen der Rentierstaatstheorie liegen, über die nachzudenken sich aber sicher lohnt!

      #WertvolleAnregung

  10. Eine Tickermeldung von heute Nacht:

    US-Koalition zerstört vom IS kontrolliertes Ölfeld im Osten Syriens

    Freitag, 23. Oktober, 00.34 Uhr: Die US-geführte Militärallianz hat im Osten Syriens ein von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) kontrolliertes Ölfeld zerstört. Ein Sprecher der Koalition sagte am Donnerstag in Bagdad, es seien Raffinerien, Leitungen sowie Kontrollzentren des Omar-Ölfelds getroffen worden. Durch die Zerstörung der Einrichtungen würden die Dschihadisten einer wichtigen Einnahmequelle beraubt. Nach Angaben des US-Militärsprechers verdienten die Extremisten mit dem Verkauf von Öl aus dem Ölfeld zwischen 1,7 und 5,1 Millionen Dollar (1,5 und 4,5 Millionen Euro) im Monat.

    Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte, dass bei Luftangriffen auf das Ölfeld Pipelines und Tanks zerstört worden seien. Die Einnahmen aus dem Ölverkauf sind für die IS-Miliz eine wichtige Finanzquelle, doch sind die Gewinne infolge der Zerstörung wichtiger Ölanlagen deutlich gesunken.

    Quelle:
    http://www.focus.de/politik/ausland/islamischer-staat/isis-terror-im-news-ticker-70-is-geiseln-durch-amerikanisches-spezialkommando-befreit_id_5032632.html

  11. Grenzen stürmt, wird nirgendwo heimisch werden

    Die brennenden Zelte des Lagers Brezice in Slowenien sind ein Fanal. Es lässt das zerstörerische Gewaltpotential aufscheinen, das die gegenwärtige Migrationswelle mit sich führt. Migranten haben die Zelte ihres Lagers angezündet. Es war ein menschenverachtender Akt, wenn man an diejenigen denkt, die am meisten auf die Zelte angewiesen waren – an die Geschwächten und Kranken, an Frauen und Kinder. Das Kalkül der Brandstifter: Wenn wir die Zelte niederbrennen, müssen die Slowenen uns weiterziehen lassen, nach Österreich und Deutschland. Dieser Akt zeigt, wie weit bestimmte Gruppen zu gehen bereit sind und wie weit sie das Gesamtgeschehen bestimmen können. Die brennenden Zelte von Brezice werfen ein Schlaglicht auf die „Wanderung“, die da quer durch Europa zieht. Das zwingt dazu, endlich genauer hinzuschauen, was diese neuartige, wilde Massenmigration eigentlich darstellt.

    (Entfernt. Bitte keine Links zu menschenverachtenden Seiten, danke. M.B.)

    • Ja, @Franz – die Menschen sind in ihrer Verzweiflung kaum zu stoppen.

      Und unser Wirtschafts- und Allianzsystem, auf dem unser Wohlstand beruht, trägt maßgeblich zu diesen Kriegen und Flüchtlingsströmen bei.

      Wir selbst sind es, die z.B. Saudi-Arabien an den Tankstellen finanzieren, das Regime auch durch Waffenverkäufe stützen und dann Krokodilstränen über islamischen Fundamentalismus und Bürgerkriege vergießen…

      Wirklicher Mut zeigt sich nicht im Konfrontieren verzweifelter Flüchtlinge, sondern im mutigen Hinterfragen der Ungerechtigkeit, an der auch wir selbst Anteil haben…

  12. Lieber Herr Blume,
    Ihre Vorgesetzen in der Baden Württembergischen Regierung haben also Recht wenn man Sie intern als
    vergeistigten Träumer bezeichnet.

    • Oh ja – für meine Zeit als Berufseinsteiger stimmt diese Einschätzung (Zitat aus einem SPON-Artikel) ganz sicher! 🙂

      Seitdem habe ich viele Erfahrungen gemacht, u.a. mit selbsternannten “Rettern des Abendlandes”, die gerne anonym auftreten, das Christentum heimlich verachten (bzw. es kaum kennen) und deren “Tapferkeit” darin besteht, sich vor Flüchtlingen zu fürchten, dafür von einem Führer a la Putin zu träumen. 🙂
      Anbei ein Post und WDR-Beitrag zum Thema:
      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/licht-schatten-gesellschaft-wdr-westart/

      Ihnen alles Gute & abendländische Grüße! 🙂

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  20. Danke für Ihre Antwort.
    Das „Rentierstaatsproblem“ sehe ich wie Sie, vielleicht in manchen Belangen etwas differenzierter. In Amerika ist es besonders ausgeprägt.

    Bei uns ist derzeit der Zins so gut wie abgeschafft, die Unternehmer der Realwirtschaft sind relativ fair und vermutlich deswegen höchst erfolgreich in der Welt. Sie bestehen bei uns eher nicht auf eine extreme Ausbeutung der Arbeitnehmer und Kunden. Sie holen nicht den letzten Cent heraus, den der Markt gerade noch hergibt.

    Wie man derzeit z.B. in Venezuela sieht, ist dort die Situation völlig entartet. Das ganze Volk wurde zu „Rentiers“ statt vernünftig zu arbeiten. Statt die Erträge aus dem Erdöl für Zukunftsinvestitionen zu nutzen um den Wohlstand nachhaltig zu erhöhen, haben sie aus Dummheit das Kapital einfach „verfrühstückt“ und jetzt flüchten sie wegen der Megainflation z.B. nach Brasilien.

    China hat uns vorgemacht wie es geht, mit viel Fleiß und ganz wenig Bodenschätzen haben sie sich selbst aus dem Sumpf gezogen.

    Die Dekarbonisierung sollte höchst vorsichtig angegangen werde. Es könnte unerwünschte (gegenteilige) Effekte auftreten, an die man noch gar nicht denkt. Jede Energie die man irgendwo gewinnt, könnte wo anders fehlen…

    Abgesehen von der permanenten Krise des Islam, die offensichtlich von der aggressiven Religion („Heiliger Krieg“) verursacht ist, ist es die hohe Geburtenrate die die Krise verursacht.
    Ich bestreite allerdings ausdrücklich nicht, dass eine große „Strenge“ z.B. im Bezug auf Einhaltung der Regeln für die Wasserökonomie in extremen Heißgebieten nötig ist. Ein „Knöllchen“ für „Frevel“ beim Umgang mit Wasser reicht nicht, wenn wegen Kleinigkeiten viele Menschen verdursten könnten.

    Die Unmöglichkeit derart viele junge Menschen mit Jobs zu versorgen, wenn gleichzeitig keine Bereitschaft besteht, moderne Produktions und Vertriebsstrukturen und Mechanismen zur Steuerung der Wirtschaft zu installieren ist der Grund für die „jüngere“ Krise des Islam. Sie geben einfach anderen (ungläubigen) Menschen die Schuld an ihrem Elend. Andererseits ist klar, das die Amerikanischen „Rentiers“ diese Situation ausnutzen wollen, „Arbeitssklaven“ und „Kanonenfutter“ stehen genug zur Verfügung.
    Dank der Politik von Adenauer, Erhard, Brandt, Schmidt, Kohl, Schröder, Merkel… haben wir ein hervorragendes Wirtschaftssystem.

    Ich persönlich kannte einen Berufskollegen der tatsächlich seine islamische Religion recht locker nahm. Er schätzte besonders an ihr, dass es keine „Einehe“ gab und bei Betriebsfeiern soff er mich unter den Tisch, was ich durchaus positiv und als Zeichen seiner vollständigen „Integration“ sah. Schweinefleisch mochte er nicht, aber ich würde z.B. auch kein „Schlangenfleisch“ essen. Wegen des „Ehearguments“ hatte der Islam damals durchaus eine gewisse Attraktivität (bei Männern).

    Natürlich haben sich viele bei uns lebende Moslems perfekt angepasst und sind wertvolle Mitbürger geworden. Besonders die 1. Generation der Zuwanderer. Die waren häufig extrem fleißig und schufen sich und ihrer Familie Wohlstand. Ein Problem sind vermutlich häufig deren männliche Nachkommen. Manche „hängen“ auf der Straße herum und versuchen z.B. mit provozierten Unfällen und Zeugenabsprachen Geld abzuzocken. Einen betroffenen ehemaligen Arbeitskollegen versicherten sie, es gelte „ihr (kosovarisches) Recht“. Zum Glück für den betroffenen Kollegen, derzeit noch nicht, da gelten noch objektive Fakten und „falsche Zeugen“ wandern in den Knast.

    Es war amüsante Folklore wenn früher ein Ölscheich mit seinen tief verschleierten Haremsdamen im Schlepptau durch die Stadt lief.

    Heutzutage treten selbst am Land immer mehr Frauen, allein um für ihre islamischen Anliegen zu demonstrieren, im Tschador auf. Sie behaupten sie tun es weil sie Allah lieben. Sie verbieten ihren Töchtern strikt den Umgang mit Klassenkolleginnen von der Schule, sie könnten verdorben werden. Man fragt sich aber, was ist wenn sie Allah noch mehr lieben, wie es die Terroristen vorgeben, die Ungläubige töten und dabei sogar sterben wollen? Selbst wenn nur jeder tausendste Moslem so denkt, reicht dies um ein Chaos auszulösen.

    Ohne derartige in den Medien auch noch hochgespielte Provokationen, wie z.B. der Sozialhilfe beziehende „Kalif von Köln“, wären die rechten Parteien noch immer genauso „unterirdisch“ wie nach dem Krieg.

    • Ihr durchaus sachliches Interesse freut mich, @Elektroniker.

      Gleichzeitig nehme ich wahr, dass Sie stark in Technik und Naturwissenschaften sind, z.B. die Religionswissenschaft aber noch erschließen…

      So sind nicht nur „einzelne“ Muslime längst säkular, die Säkularisierung hat große Teile der muslimischen Bevölkerung erfasst und führt selbst in Ländern wie dem Iran zu zunehmend leeren Moscheen, Widerständen gegen das Kopftuch usw.

      Ein damit verbundener und für Ihre Überlegungen zentraler Aspekt ist der massive Rückgang der Geburtenraten, die in Ländern wie der Türkei, dem Iran, den Vereinigten Arabischen Emiraten usw. schon unter die Bestandserhaltungsgrenze gefallen ist!

      Ich weiß natürlich nicht, ob Sie gerne Bücher lesen – was ich klasse fände -, aber hier einfach mal ein Video zum „Islam in der Krise“:
      https://m.youtube.com/watch?v=aCgN5dsls0M

      Und wenn Sie „Islam in der Krise“ z.B. wegen „Gutmenschenverdacht“ nicht kaufen wollen, finden Sie sicher ein kostenfreies Exemplar in der gut sortierten Bibliothek. 📚

      Herzliche Grüße, Ihnen bitte weiterhin viel Neugier! 🙂 #WissenstattAngst

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