Vorträge zum Verschwörungsglauben vor der CDU Leonberg und den christlichen Hochschulgruppen Bamberg – Erfahrungen, die Mut machen

Sie sind diejenigen, die jede Demokratie am Laufen halten – und doch oft nur verachtet, verhöhnt und beschimpft werden: Die Mitglieder demokratischer Parteien, ohne die kein Stadtrat, kein Wahlkampf und letztlich also auch keine überregionale Wahl gelänge, die sich ehrenamtlich engagieren, dafür auch noch Mitgliedsbeiträge entrichten und oft für unpopuläre Entscheidungen “den Kopf hinhalten”. Ich gehöre auch zu diesen, war auch bis zur Geburt unseres zweiten Kindes gewählter Gemeinderat in Filderstadt und engagiere mich als (berufener) Religionswissenschaftler auch ehrenamtlich im Bundesnetzwerk Integration der CDU Deutschlands. Ja, ich stehe buchstäblich hinter “meiner” Parteivorsitzenden und Kanzlerin (selbstverständlich nicht in allen Details und Entscheidungen, aber doch in der Summe und mit Respekt vor ihrer Arbeits- und Lebensleistung). Mit Menschen, die sich anderswo demokratisch engagieren, erlebe ich dabei mehr Gemeinsamkeiten als mit jenen, denen “alles egal” ist oder die vermeintlich einfache, extreme “Antworten” propagieren.

bundesnetzwerkintegrationcduStehe als Bürger und CDU-Mitglied buchstäblich hinter dieser Kanzlerin. 😉
Bundesnetzwerk Integration (BNI) der CDU Deutschland. Foto: Michael Blume

Entsprechend sagte ich auch gerne zu, als die Landtagsabgeordnete Sabine Kurtz anfragte, ob ich zum Thema meines Buches “Verschwörungsglauben” auch einmal vor den Mitgliedern des CDU-Orstverbandes Leonberg vortragen würde. Schließlich ist abzusehen, dass der kommende Bundestagswahlkampf – wie schon der US-amerikanische – sehr stark von vor allem rechtspopulistischen Social-Media-Kampagnen, gesteuerten Leaks und Fake-News, bezahlten Trollen und Verschwörungsmythen bestimmt sein wird. Wo stehen wir da heute? Und gibt es Möglichkeiten für die Mitglieder, sich dagegen zu wappnen?

blumeverschwoerungsglaubencduleonbergScreenshot von der Page der CDU Leonberg, mit freundlicher Genehmigung. Bild: Michael Blume

Und es zeigte sich: Der Dialog aus Religionswissenschaft und politisch-demokratischer Praxis funktionierte hervorragend! Die Christdemokratinnen und Christdemokraten waren nicht nur hoch interessiert, sondern hatten auch jede Menge eigener Erfahrungen, Beobachtungen, Argumente und Fragen einzubringen! Als ich beispielsweise auf Basis der Mitte-Studie-2016 der Universität Leipzig aufzeigte, wie viele Deutsche daran glauben, dass ihr Leben “von Verschwörungen bestimmt” werde und “Politiker nur Marionetten dahinterstehender Mächte” seien, mischte sich neben Kritik etwa an unfairer Berichterstattung, dem Empörungszirkus der sozialen Medien und verbreitetem Anspruchsdenken auch die Bereitschaft zur Selbstkritik und mehr Transparenz.

verschwoerungsglaubendeutschlandmittestudie2016Credit: Michael Blume, Daten aus: “Die enthemmte Mitte”, Universität Leipzig 2016

Interessant war, auf wie viele Verschwörungsmythen die Mitglieder bereits getroffen waren, nicht selten im eigenen Freundes- oder gar Familienkreis – ich wurde auf die “Bilderberger” ebenso angesprochen wie auf die vermeintliche Macht “der Rothschilds” oder die absurde Behauptung, Helmut Kohl sei “eigentlich” ein Jude namens “Kohen” und Angela Merkel sei dessen heimliche, uneheliche Tochter! Wie man mit solchen Behauptungen umgehe?

(Mein Antwortversuch: Auf direkte Konfrontation reagierten Verschwörungsgläubige regelmäßig nur mit weiterer “Härtung” ihrer Weltsichten. Besser sei es, sich nicht provozieren zu lassen, Grenzen zu markieren und mit Humor sowie sachlichen Argumenten in den richtigen, möglichst entspannten Situationen Denkanstöße zu geben. Noch besser sei natürlich frühzeitige Aufklärung, um ein Abgleiten von Menschen in die Tiefen der Verschwörungsmythen zu verhindern. Ein “Wundermittel” gegen Verschwörungsglauben habe die Wissenschaft bislang leider nicht gefunden, am klassischen Marktstand sei das Überzeugen eines solcherart Verwirrten nahezu unmöglich.)

Hoch spannend verlief auch die Diskussion über die Rolle der Medien: Obgleich (und weil) die Mitglieder fast alle intensive Mediennutzer sind und z.B. Lokalzeitungen abonniert haben, gab es auch deutliche Kritik an den Darstellungen von Politik, den Themenwahlen, journalistischen Tabus und mangelnder Bereitschaft, auch mal eigene Fehler zuzugeben. Die gleiche Bereitschaft zum Dazulernen forderten aber einige, vor allem jüngere, Mitglieder wiederum auch vom Politikbetrieb und der eigenen Partei – “wir können doch wohl auch noch besser werden!”

Erfeulich auch: Obwohl ich die Folien zur Rentierstaatstheorie aus Zeitgründen überspringen wollte, gab es mehrere Nachfragen dazu – auch CDU-Mitglieder der Basis ringen längst intensiv mit der Frage, warum wir Deutschen beispielsweise noch immer dem wahhabitischen, saudi-arabischen Regime die Treue halten und es sogar mit Waffen beliefern…

Und dies war dann auch fast so etwas wie das hoffnungsvolle Fazit der Runde: Ja, die liberale Demokratie habe die Schwäche, dass auch Populisten, Manipulatoren und Verschwörungsverkünder die Freiheiten missbrauchten. Doch ihre Stärke sei, dass sich liberale Demokratien eben auch immer weiterentwickeln und beispielsweise auf neue Herausforderungen und gestiegene Ansprüche reagieren könnten.

Von diesem Abend habe ich nicht nur viele Anregungen, sondern auch eine gehörige Portion Ermutigung mitgenommen.

Gleich am nächsten Abend stand ein Vortrag gleichen Titels bei der Evangelischen Studierendengemeinde Bamberg, gemeinsam ausgerichtet mit der Katholischen Hochschulgruppe Bamberg, an.

verschwoerungsglaubenbamberg0117Plakat der KHG & ESG Bamberg, mit freundlicher Genehmigung

In vollen Rängen herrschte hier nicht nur großes Interesse, sondern ebenso die Bereitschaft, eigene Argumente, Beobachtungen und Fragen einzubringen. So schilderten die Studierenden die auch selbst erlebte “Faszination”, die von Verschwörungsmythen ausgehe und die “durch das Internet nochmal echt verstärkt worden ist”. Kritisch und genau wurde nachgefragt, wo denn die Unterscheidung zwischen überprüfbaren Verschwörungstheorien und nicht-überprüfbaren Verschwörungsmythen zu ziehen sei. Und auch hier gab es die durchaus kritischen Nachfragen beispielsweise an rechtswidrig aushorchende Geheimdienste oder die vor der UN vorgetragene Lüge der damaligen US-Regierung über angebliche, irakische Massenvernichtungswaffen. Hier sei auch durch Fehler westlicher Regierungen “viel Vertrauen zerstört” worden – wobei andere zu Recht einwenden, dass autoritäre Regime wie Russland, China, Saudi-Arabien oder die Türkei genau das Aufdecken und Anprangern solcher Fehler brutal unterdrückten.

Schließlich mündeten die Diskussionsrunden in Erkenntnistheorie und eine Studentin brachte es auf den Punkt: “Wir werden heute durch die sozialen Medien mit gefilterten Informationen überströmt und sollen gleichzeitig den Gedanken ertragen, dass wir nicht alles wissen können. Es ist doch klar, dass da immer mehr Menschen zu einfacheren Antworten greifen und sich vermeintliche Alleserklärungen und einfache Feindbilder suchen.” Diskutiert wurde schließlich, inwiefern das wohlstandsbedingte Abschmelzen klassischer Religiosität (sowohl persönlichen Glaubens wie auch von Gemeinschaften) hierbei die Ausbreitung pseudo-säkularer Verschwörungsmythen begünstige. Ob einige der Studierenden am Thema auch wissenschaftlich dranbleiben werden? Das darf gehofft werden!

Fazit: Ja, zwei Vortragsabende in verschiedenen Städten und einer Woche sind keine Kleinigkeit. Doch sowohl die CDU-Mitglieder in Leonberg wie auch die Studierenden in Bamberg haben mir gezeigt, dass wissenschaftliche Aufklärung weiter möglich ist, gesucht wird, auch Wirkung haben kann. Der “Schlaf der Vernunft” kann unsere liberalen Demokratien in den Abgrund reißen – doch wir können das auch noch immer verhindern und zur Herausbildung besserer, freiheitlicher Kultur(en) beitragen. Daher an die Organisatoren beider Veranstaltungen: Danke für diese Erfahrung!

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

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