Verschwörungsfragen 55: Der jüdisch-amerikanische Soldat Oscar Ogman

Als ich als junger Erwachsener meinen Wehrdienst in der Bundeswehr antrat und sogar freiwillig verlängerte, galt dies noch als ziemlich uncool. Sehr viele Deutsche wollten nicht wahrhaben, dass Demokratien auch Parlamentsarmeen brauchen und dass auch das nationalsozialistische Regime nicht durch Friedensresolutionen und diplomatische Gespräche beendet worden war, sondern durch alliierte und sowjetische Armeen – samt dem Tod von Hunderttausenden tapferer Soldaten.

Als einer unserer Söhne letztes Jahr ebenfalls einen freiwilligen Wehrdienst leistete, hatte sich das Bild bereits verändert – sehr viel mehr Demokratinnen und Demokraten hatten angesichts der Angriffe der fossil finanzierten Regime Russland, Iran und Hamas inzwischen verstanden, dass auch die Europäische Union wieder einsatzfähige Parlamentsarmeen benötigen wird.

Und doch erlebte ich noch Verwunderung, als ich beim Volkstrauertag 2023 in Ellwangen angesichts des lokalen Beispiels von Erich Levi von der 399. US-Infanterie-Division darauf hinwies, dass gerade auch in den Streitkräften der USA und der sowjetisch besetzten Ukraine viele jüdische Soldaten an der Seite ihrer christlichen Kameraden gekämpft und Europa vom NS mit-befreit hatten.

Darüber sprach ich einmal auch mit Dr. Robert “Rob” Ogman von der Kulturregion Stuttgart, von dem ich wusste, dass er aus den USA nach Baden-Württemberg gezogen war.

Portraitfoto von Dr. Robert Ogman, Kulturregion Stuttgart

Dr. Robert Ogman von der Kulturregion Stuttgart. Foto mfG: Kulturregion Stuttgart

Rob erzählte mir daraufhin bewegt die Geschichte seines Großvaters Oscar, dessen Familie aus Europa geflohen und der als US-Soldat gegen die Nazis zurückgekehrt war. Er zeigte mir auch die Identifizierungsmarke seines Großvaters – und als ich später ein Foto sah, erschien mir die Ähnlichkeit der beiden klar erkennbar!

Oscar Ogman in einem Jeep während der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus, Normandie 1944.

Oscar Ogman 1944 in der Normandie bei der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. Foto aus dem Besitz der Familie Ogman

Spontan fragte ich ihn, ob wir diese spannende, amerikanisch-deutsche und Generationen überspannende Geschichte nicht einmal in die zweite Staffel meines Podcasts “Verschwörungsfragen” nehmen könnten. Und genau das haben wir nun in Folge 55 auch umgesetzt – und zwar in Dialogform.

Kachel des Podcasts "Verschwörungsfragen" mit einem Foto von Dr. Michael Blume

Die Kachel des Podcasts “Verschwörungsfragen” mit Direkt-Link zu Folge 55 “Das Beispiel eines Großvaters – Gespräch mit Dr. Rob Ogman”. Grafik: Staatsministerium BW

Wenn Sie lebendige Geschichte, Gegenwart und Zukunft also auch interessiert, wenn Sie jüdische und demokratische Menschen auch als Kämpfende wahr- und ernstnehmen und zudem Namen und Gesichter hinter Zahlen und Einheiten erleben wollen, dann ist diese Folge für Sie.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

6 Kommentare

  1. Auch Länder können Soldaten sein, und wie es denen oft ergeht, sehen Sie an Beispielen von Polen damals oder Ukraine heute: Sie treten in eine fremde Armee ein, die zufällig in die gleiche Richtung schießt wie Sie. Dann stellen Sie fest, dass Sie und Ihre Sache bloß Kanonenfutter für deren Sache sind.

    Ich möchte nur eine Armee und eine Sache in Europa, weil ein kleiner Putin, der mit Zinnsoldaten spielt, leichter unter Kontrolle zu halten ist, als 30.

    [Ab hier wird es wieder zu schräg & also gekürzt, M.B.]

    • Danke, @Paul S.

      Auch wenn ich den Traum einer vereinigten, europäischen Armee teile, besteht die Lösung des Demokratie-Problems nicht in der Zentralisierung von Waffen.

      Putin selbst geriet ins Wanken, als die Wagner-Söldner auf Moskau marschierten. Hätte Prigoschin nicht eingelenkt und damit auch seinen Tod besiegelt, wäre das neo-russische Imperium vielleicht bereits Geschichte.

      Hamas und Hisbollah wurden nicht durch UN-Resolutionen, sondern durch die israelische Armee geschlagen.

      Auch die massenmörderische Assad-Diktatur samt Hisbollah-Captagon-Mafia wurde durch bewaffnete Rebellen beendet.

      Im gruselig aktuellen US-Film „Civil War“ beenden aufständische „Western Forces“ aus Kalifornien und Texas die dritte Amtszeit eines thymotisch-tyrannischen US-Präsidenten – mit Gewalt.

      Es ist bitter, aber wahr: Auch Demokratien brauchen Truppen…

      Ihnen frohe Weihnachten und einen guten Rosch! 🙏🖖

      • Sehr geehrter @Michael,

        muss sagen, das es mich etwas trifft.
        In einem Lied von Bettina Wegner, die meines erachtens sträflich vergessen wird, singt sie: Es ist Wahnsinn, das ein Liebender Menschen töten kann, die genauso wie er Liebend sind.

        Ich bin da nicht Kleingeistig, mir ist bewusst das man sich aktiv wehren muss wenn es nicht anders geht und Grundlegende Daseinsfragen im Raum stehen.
        Nur macht es es schwer, Millionen die aus unterschiedlichen Gründen für den Glauben an Staat, Ideologie und Treue andere ermorden, das macht wenig Sinn. Es ist pure Dummheit.

        Was wäre die Russische Dampfwalze nur, wenn all die reingepressten Männer Nein sagen würden. Denn was will eine Diktatur tun wenn keiner gehorcht? Aber das ist wohl Utopie.

        Um positiv zu bleiben, es ist schön wenn die KindesKinder in einer friedlichen gemeinsamen Welt leben dûrfen, wenn auch erbaut durch die Opfer vieler Ahnen.

        Eine Frohe Weihnachtszeit wünsch ich dir, der heutige Beitrag hat mich wohl eher nachdenklich gemacht.

        • Vielen Dank für die Gedanken, lieber @Berthold

          Die Friedenssehnsucht teile ich, doch beginnt jede Politik eben bei der Betrachtung der auch unangenehmen Realität. Auch ich hatte ja die Hoffnung formuliert, dass die EU die Importe fossiler Gewaltenergien deutlich reduziert, dass sich russische Armee und Oligarchen gegen den kriegführenden Putin erheben und ihn bis Ende 2023 aus dem Amt heben würden. Ich sagte es sogar in einem Interview:

          „Viele Russinnen und Russen, die Putin bislang unterstützt haben, wollen keinen Krieg. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass die Menschen dumm sind. Deshalb wage ich die Prognose, dass die russische Armee zerfällt und Putin nächstes Jahr nicht mehr Präsident sein wird.“

          https://chrismon.de/artikel/52494/russland-saudi-arabien-und-der-ukraine-krieg

          Nur: Es ist leider bisher nicht passiert. Prigoschin beendete die Wagner-Revolte kurz vor Moskau, stattdessen verkaufte Kim Jong-un Abertausende nordkoreanische Soldaten nach Russland. Und Österreich kauft weiterhin Gas von Putin, Deutschland hat sogar den Ausbau seiner Elektromobilität verstolpert, Frankreich hat keine stabilen Parlamentsmehrheiten mehr und wird von einer Staatsschulden-Krise bedroht und in den USA naht der Amtsantritt des Putin-Bewunderers Trump. Wenn wir eine freiheitliche Demokratie im Herzen Europas sein und bleiben wollen, dann müssen wir unsere Anstrengungen erhöhen, erneuerbare Friedensenergien und Bundeswehr schneller ausbauen, statt uns in Fantasien zu flüchten.

          Danke für Deinen zugleich gefühlvollen und dialogischen Kommentar! 😊🙏

  2. @Hauptartikel

    „Sehr viele Deutsche wollten nicht wahrhaben, dass Demokratien auch Parlamentsarmeen brauchen und dass auch das nationalsozialistische Regime nicht durch Friedensresolutionen und diplomatische Gespräche beendet worden war,…“

    Heute wäre für mich die Sache klar, dass Wehrdienst wirklich wichtig ist. Es könnte gut sein, dass ich mich freiwillig melden würde. Mit 61 dann aber nicht mehr.

    1984 habe ich meinen Wehrdienst geleistet, und war da aber wenig motiviert. Einmal herrschte die Ansicht vor, dass einen Atomkrieg niemand gewinnen kann, und es praktisch nutzlos ist, ob wir jetzt gut oder schlecht kämpfen.

    Auch hatte ich eher den Eindruck, dass der Osten militärisch völlig unter Druck stand, und ein Angriff eigentlich nicht anstand. Soweit ich das jetzt nachträglich sehe, war da was dran. Letztlich konnte die Sowjetunion 1989 auch ihr militärisches Vermögen nicht mehr aufrecht erhalten, und hat den Kommunismus und damit auch den Konflikt mit dem Westen aufgegeben.

    Interessanterweise haben hierzu niedrige Ölpreise maßgeblich beigetragen, ohne das ein einziger Schuss gefallen ist.

    Die beiden Irakkriege haben aber gezeigt, dass auch unsere Verbündeten durchaus fähig waren, eher ungut als Aggressor aufzutreten. Der erste Golfkrieg war schon grenzwertig, man hätte Saddham Hussein nur dringend warnen können, dann hätte er Kuweit nie überfallen. Und der zweite Golfkrieg war dann auch komplett Völkerrechtswidrig.

    Zu solchen Einsätzen möchte ich mich auch als Soldat einer Parlamentsarmee nicht treiben lassen. Es sollte einen Einwilligungsvorbehalt für Soldaten geben, ob sie einen konkreten Feldzug mitmachen wollen oder nicht, wenn sie dieses denn stichhaltig begründen können. Als Staatsbürger in Uniform alle Rechte abzugeben, das finde ich nicht richtig.

    Es ist für mich keine Kleinigkeit, sich massenhaft gegenseitig umzubringen. Wenn das vermeidbar ist, dann will ich das nicht mitmachen. Auch heute nicht.

    So wäre ich dann auch gegen einen Nato-Angriff auf Russland, zum Glück will das derzeit auch keiner. Wenn Russland uns irgendwann angreift, ist es früh genug in diesen Krieg zu ziehen. Das sollten wir unbedingt abwarten, vielleicht kommt es dazu ja gar nicht. Und je mehr wir aufrüsten, und je mehr wir uns vorbereiten, desto besser werden unsere Chancen, dass Putin einen Angriff gar nicht erst versucht.

    Und wenn eben die Energiewende zulegt, dann verfallen auch die Öl- und Gaspreise, das wird uns wirklich helfen können.

    • Vielen Dank, lieber @Tobias – was für ein schöner und tiefer Kommentar! 🙂

      1984 besuchte ich noch die Grundschule. Und bei Besuchen mit meiner Mutter und Schwester in der damaligen DDR – mein Vater Falko durfte als ehemaliger Stasi-Häftling nicht mehr einreisen – erlebten wir die sowjetischen Besatzer. Ich kann mich bis heute an das donnernde Geräusch und den bedrückenden Anblick erinnern, als eine Kolonne sowjetischer Militärfahrzeuge durch das kleine Dorf meiner Großeltern, Jeggau, fuhr. Mir war da als Kind noch das meiste unklar – und doch verstand ich, dass böse Armeen uns ebenso einsperren würden wie die Menschen in der DDR, wenn wir uns nicht mehr wehren könnten. Ich möchte, dass Kinder nie wieder Angst vor Militärkolonnen haben müssen, dass sie in Freiheit aufwachsen und verstehen, dass “ihre” Armee dem frei gewählten Parlament untersteht, aber keinem Tyrannen und keiner Besatzung.

      Und, ja, im Irak wurde mir 2015 klar, dass die Golfkriege – einschließlich des ersten Golfkrieges, des blutigen, irakisch-iranischen Krieges von 1980 bis 1988 – vor allem durch Öl finanziert und um Ölreichtum geführt wurden. Daher auch mein Buch schon von 2015 “Öl- und Glaubenskriege”, mit einer Neuauflage von 2022 und einer kostenlosen pdf-Version hier:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/ein-zweites-buch-leben-oel-und-glaubenskriege-neu-im-jmb-verlag/

      Ich danke Dir sehr für Dein Interesse auch an der Energiepolitik und Militärgeschichte – aus denen leider bislang zu wenig gelernt wurde…

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