Verschwörungsfragen 39: Die Woche der Brüderlichkeit 2021 in Baden-Württemberg

Immer wieder gerne lese ich von Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama, auch aktuell in der Jüdischen Allgemeinen. Als er sich einmal in Berlin ein Buch von mir signieren ließ, verschlug es mir glatt die Sprache. Denn der Gelehrte ist nicht nur Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK), sondern auch jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DRK). Und dessen “Woche der Brüderlichkeit” hat wichtige Wurzeln in Freiburg und findet Sonntag in statt!

Angesichts dieses Ereignisses habe ich mich tiefer in die Geschichte des jüdisch-christlichen Dialoges eingelesen und freue mich, Ihnen die Podcast-Folge 39 zu diesem Thema präsentieren zu können!

Wie immer finden Sie die Podcast-Folge zum Hören auf podigee sowie auf allen einschlägigen Podcast-Formaten wie Spotify, Deezer, iTunes etc.

Den Text der Folge finden Sie auch wieder hier:

Im Jahr 2021 begehen wir bundesweit 1700 Jahre jüdisches Leben in deutschen Landen. Deutschland, Österreich und die Schweiz gab es damals noch gar nicht, sondern allenfalls Regionen, in denen Vorformen des teodisc, des heutigen Deutschen, gesprochen wurden. In Köln fand die Eröffnungsveranstaltung zu diesem Ereignis statt, dass wir so gerne Jubiläum nennen würden – wenn es denn mehr Grund zum Jubeln gegeben hätte. Aber so bleibt uns das gemeinsame Staunen darüber, dass trotz aller Verfolgungen und Vertreibungen und schließlich der Massenmorde des Holocaust dennoch jüdisches Leben in unserer Mitte überlebt hat & sich neu entfaltet. Deswegen hatte ich das „Dennoch“ als Staunen und Verantwortung zum Titel meiner Rede zur Reichspogromnacht in der Synagoge Freiburg gemacht.

In Stuttgart haben wir am 7. März die „Woche der Brüderlichkeit“ des Deutschen Koordinierungsrates (DKR) der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit zu Gast. Ministerpräsident Kretschmann und ich freuen uns, Gastgeber für dieses älteste und größte Forum des jüdisch-christlichen Dialoges in Deutschland zu sein. Denn ein Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg, Franz Böhm, hatte seinerzeit entscheidenden Anteil daran, dass dieser Rat überhaupt gegründet wurde.

Mein Kollege Jan Wysocki und ich haben an der Hochschule für Medien einen Lehrauftrag des DKR zu „Digitalem Antisemitismus“ angenommen, um gemeinsam mit Studierenden Netzwerke des immer noch bestehenden Hasses aufzuklären. Eine digitale Dokumentation dazu wird auf der HdM gerade erstellt – aber wir dürfen schon verraten, dass die Studierenden mit ihrem Engagement unsere Erwartungen weit übertrafen.

Der Regisseur der Oberammergauer Passionsspiele, Christian Stückl, wird die Buber-Rosenzweig-Medaille erhalten, weil er mutig, ausdauernd und im Dialog mit jüdischen Betroffenen antijüdische Traditionen in diesem großen Brauch aufgearbeitet und überwunden hat.

Denn vor fast 400 Jahren – im Jahre 1633 – führte das Nahen der Pest in Oberammergau zu einem Gelübde: Wenn die Pandemie den Ort verschonen würde, so werde man künftig alle zehn Jahre die Passionsgeschichte von Jesus von Nazareth szenisch darstellen. Und so kam es. Und dabei wurde jedoch auch gerne und massiv verdrängt, dass dieser Jesus, seine Familie und seine gesamte Jüngerschaft jüdisch und nur aus dem Judentum zu verstehen war. Stückl nahm das nicht nur abstrakt auf, sondern fuhr mit Hauptdarstellern sogar ins Heilige Land selbst, um die Umwelt und das Leben Jesu besser verstehen zu können – aber auch, um in der Gedenkstätte Yad Vashem den Folgen des Antisemitismus ins Auge zu sehen. Wer Folge 33 dieses Podcasts zur Bedeutung von „Hermeneutik“ gehört oder gelesen hat, wird verstehen, warum ich diese Auszeichnung unterstütze und begrüße.

Doch Wissenschaftler zu sein bedeutet gerade nicht, alles immer schon besser gewusst zu haben. Dies durfte ich in diesen Tagen wieder schmerzhaft erleben, als ich zur Vorbereitung der „Woche der Brüderlichkeit“ die Doktorarbeit von Rabbiner Jehoschua Ahrens zur „Konferenz von Seelisberg von 1947“ las. Dabei musste ich feststellen, dass auch ich selbst zum jüdisch-christlichen Gespräch in Deutschland einige Vorurteile mit mir herumtrug.

Denn ehrlich gesagt hatte ich lange vermutet, dass erst die im 2. Weltkrieg siegreichen US-Amerikaner eine größere Zahl von Deutschen dazu bewegt hatten, sich nicht mehr abwertend, sondern dialogisch mit jüdischem Leben zu befassen. Ich hatte vermutet, viele vor allem ältere Deutsche hätten sich aus Schuldgefühlen an dieser Art des Dialoges beteiligt, der uns Jüngeren aus einer Christlich-Islamischen Gesellschaft heraus oft ritualisiert und auf die Vergangenheit fixiert erschienen war.

Doch bei Jehoschua Ahrens las ich staunend von ersten jüdisch-christlichen Netzwerken schon im 19. Jahrhundert in den USA, in Großbritannien und im süddeutschen Raum, vor allem in der Schweiz. Von christlicher Seite stand dabei noch gar nicht eine Anerkennung des Judentums als gleichwertiger Religion auf der Tagesordnung, sondern erst einmal nur die Abwehr des rassistischen Antisemitismus, der auch christlich Getaufte jüdischer Herkunft betraf. Auch in der Wissenschaft setzte sich die Erkenntnis, dass man Jesus ohne sein Judentum gar nicht verstehen konnte, erst langsam und gegen erbitterte Widerstände durch.

Ob christlich oder jüdisch: Wer sich in diesen frühen Formen des Dialoges engagierte und beispielsweise die Idee einer Wiedergründung des Staates Israel zum ersten Zionistischen Kongress in Basel 1897 auch nur für denkbar hielt, sah sich heftigen Attacken von beiden Seiten ausgesetzt. Entsprechend nahmen Vereinigungen wie die „Vereine zur Abwehr des Antisemitismus“ Anfang des 20. Jahrhunderts durchaus noch defensive Namen an, weil ein gleichberechtigtes Gespräch zwischen den Religionsgemeinschaften noch die seltene Ausnahme war.

Und als US-Präsident Roosevelt 1939 in einem letzten Appell Christen und Juden zu Dialog und Zusammenarbeit aufrief, war es unter anderem der Oberrabbiner aus Zürich, Zwi Chaim Taubes, der als überzeugter Zionist auch dazu aufrief, die Muslime nicht zu vergessen, sondern einzubeziehen.

Und auch während der Schreckensherrschaft und Mordkampagnen des Nationalsozialismus wurden die wenigen Engagierten des Dialoges vor allem durch die gemeinsame und oft lebensgefährliche Arbeit für Flüchtlinge und Oppositionelle verbunden. Ich erinnere hier beispielsweise an die Caritas-Mitarbeiterin Dr. Gertrud Luckner, die für ihre aktive Unterstützung jüdischer Flüchtlinge von der Gestapo verhaftet und im KZ Ravensbrück inhaftiert wurde. Um das Weiterleben der von ihr nach dem Krieg begründeten „Freiburger Rundbriefe“ kämpfe ich mit christlichen und jüdischen Freundinnen und Freunden bis heute.

Ebenfalls in Freiburg und dann auch Jena und Frankfurt wirkte der bereits erwähnte Franz Böhm, der von den Nationalsozialisten mit Lehrverbot belegt wurde und sich dem Widerstandskreis des 20. Juli anschloss. Knapp der Verhaftung entronnen begründete er gemeinsam mit Walter Eucken die sogenannte „Freiburger Schule“ der Ökonomie sowie mehrere christlich-jüdische Gesellschaften mit. Als die deutsch-jüdische „Frankfurter Schule“ wegen ihrer marxistischen Wurzeln angegriffen wurde, übernahm er – als Christlich-Liberaler – den Vorsitz des Stiftungsrates und stellte sich unterstützend und schützend an die Seite Andersdenkender und Andersglaubender.

So also entstand unter internationaler Hilfe 1948 die erste Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in München, danach in Stuttgart, Frankfurt und in immer mehr anderen, deutschen Städten. Um Annäherung und Austausch auch in der Gesamtgesellschaft zu fördern, wurde ab 1952 nach amerikanischem Vorbild die jährlich wiederkehrende Woche der Brüderlichkeit gefeiert.

Ahrens schildert aber auch zum Beispiel die internationale, jüdisch-christliche Konferenz von Oxford 1946, in der keine Delegation des besiegten Deutschland vorgesehen war. Doch es war vertreten, und wie: Von deutsch-jüdischer Seite sprach zum Beispiel Rabbiner Dr. Leo Baeck, der das KZ Theresienstadt überlebt hatte. Anwesend waren aber auch christliche Theologen wie Pfarrer Hermann Maas aus Heidelberg und Propst Heinrich Grübner aus Berlin, die Verfolgten das Leben gerettet hatten und heute in Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt werden. Hermann Maas wurde dann, wie ich auch selbst im Antisemitismusbericht für den Landtag betont hatte, als erster Deutscher überhaupt offiziell in den neu gegründeten Staat Israel eingeladen.

Auf ihn folgte bald darauf – Sie ahnen es – der bereits erwähnte Franz Böhm, der die Delegation der Bundesrepublik anführte, um mit dem neuen Staat Israel die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und Entschädigungszahlungen zu vereinbaren. Als einer derjenigen, der den Nationalsozialisten die Stirn geboten hatte, hatte er dafür die nötige Autorität – und wurde genau deswegen von deutschen Antisemiten hart attackiert.

Ende der 60er-Jahre begann der Deutsche Koordinierungsrat dann die Buber-Rosenzweig-Medaille zu verleihen, benannt nach den beiden großen Gelehrten Martin Buber und Franz Rosenzweig.

Über die Jahre hinweg wurden Menschen geehrt, die die Hoffnung auf Annäherung zwischen Christen und Juden nicht aufgaben, sondern mit all ihrer Kraft Bande knüpften – trotz der Wunde der Shoah. Sie widersetzten sich dem Umstand, auseinandergerissen und dem anderen gegenüber sprachlos geworden zu sein.

So wurden gleich zu Beginn mutige, christliche Theologen geehrt, wie Friedrich-Wilhelm Marquart, der immer wieder die hebräisch-jüdischen Anteile des Neuen Testaments betonte – auch obwohl er von evangelischer kirchlicher Seite immer wieder auf Missmut und Barrieren stieß. Oder der katholische Wissenschaftler Friedrich Heer, dessen Analyse von Hitlers katholisch geprägtem Antisemitismus wegweisend und augenöffnend für die damalige Zeit war.

Als erste Preisträgerin wurde die Soziologin Eva Reichmann geehrt. Obwohl sie im KZ Sachsenhausen interniert wurde und nach London fliehen musste, trat sie nach Kriegsende immer wieder für eine Annäherung zwischen NS-Verfolgten und den Bürgern der neuen Bundesrepublik ein. Sie hörte nicht auf, an die Möglichkeit und Notwendigkeit der Begegnung zu glauben.

Dass diese Begegnung und Aussöhnung in der jungen Bundesrepublik keinesfalls einfach war, zeigt die Biographie der als „Gerechte unter den Völkern“ geehrten Widerstandskämpferin Helene Jacobs. Während der Shoah versteckte sie aus christlicher Motivation heraus Jüdinnen und Juden vor den Nazis. Als sie nach Kriegsende im Entschädigungsamt in West-Berlin als Beamtin arbeitete, wurde sie von der Behörde strafversetzt – denn sie setzte sich zu sehr für die Belange der Betroffenen ein. Der Antisemitismus hörte auch im neu gegründeten Deutschland nicht einfach auf. Und gerade hören Sie den Podcast eines Regierungsbeauftragten gegen diesen Hass, weil der Antisemitismus auch am Beginn des 21. Jahrhunderts noch immer weiterwirkt, Menschen mit Hass vergiftet und bis zu neuen Verbrechen radikalisiert!

Auch deswegen brauchte es damals wie heute die Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit sowie Deutsch-Israelische Gesellschaften (DIGs) – denn die Arbeit für unsere gemeinsame Zukunft ist noch lange nicht erfolgreich abgeschlossen.

Die katholische Kirche verabschiedete erst in den 1960er-Jahren im Zuge des 2. Vatikanischen Konzils die Erklärung „Nostra Aetate“, in der unter anderem ein neues Verhältnis zum Judentum formuliert wurde. Dort bekannte sich die katholische Kirche zu einer Verurteilung von Antisemitismus und zur Achtung von Jüdinnen und Juden wie auch des Islam.

Jüdinnen und Juden antworteten darauf. So veröffentlichte im Jahr 2000 ein breites, vor allem aus den USA ausgehendes Bündnis von Rabbinerinnen, Rabbinern und jüdischen Intellektuellen die Erklärung „Dabru Emet“ zum Verhältnis von Judentum und Christentum. 2006 fand in Deutschland zum ersten Mal ein gemeinsames Treffen zwischen VertreterInnen des Deutschen Koordinierungsrates, des Vatikan, der evangelischen und katholischen Bischöfe und den Vertretern der orthodoxen und allgemeinen Rabbinerkonferenzen in Deutschland statt.

So entstand auch als Antwort auf die mutigen Schritte der katholischen Kirche die Erklärung „Zwischen Jerusalem und Rom“, die von Dachorganisationen des orthodoxen Judentums veröffentlicht und 2017 an Papst Franziskus übergeben wurde. Dort bekannte man sich zur Zusammenarbeit mit den katholischen Brüdern und Schwestern für eine friedliche Verbesserung der Welt.

Von außerordentlicher Breite und Tiefe war die Erklärung „Den Willen unseres Vaters im Himmel tun“ von 2015, an der der bereits erwähnte Rabbiner Jehoschua Ahrens wegweisend mitwirkte. In diesem bewegenden Text, den eigentlich jede und jeder kennen sollte, würdigten orthodoxe Rabbiner aus der ganzen Welt den bisherigen christlich-jüdischen Dialog. Sie schrieben wörtlich, dass – Zitat – „das Christentum weder ein Zufall noch ein Irrtum ist, sondern gö-tt-lich gewollt und ein Geschenk an die Völker.“ – Zitat Ende

Sie betonten, dass Juden und Christen „eine gemeinsame Aufgabe in der Verheißung des Bundes“ mit Noahs Familie und also allen Menschen hätten. Sie seien, – Zitat – „unwiderrufliche Partner bei der Artikulierung der wesentlichen moralischen Werte für das Überleben und das Wohl der Menschheit. Keiner von uns kann G-ttes Auftrag in dieser Welt alleine erfüllen.“ – Zitat Ende – Und sie luden ausdrücklich auch Angehörige anderer Religionen und Weltanschauungen ein, an diesem Miteinander mitzuwirken.

Sie hören oder lesen mich also gerade Staunen. Und ja, ich sehe die Arbeit von im Dialog engagierten Geistlichen wie Rabbi Ahrens, des Deutschen Koordinierungsrates, des Vorstandes und der Generalsekretärin Pfarrerin Ilona Klemens nun mit noch größerem Respekt und tiefer Dankbarkeit.

Doch zugleich ist mir auch bewusst geworden, dass der Dialog zwischen den Angehörigen beider Religionen zu lange zu klein und damit zu schwach geblieben war, um die menschengemachte Katastrophe des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkrieges und der Schoah zu verhindern. Und ich frage mich daher, ob wir auch heute noch zu wenige und zu schwach sind:

So öffnen sich derzeit einige weitere arabische Staaten dem jüdisch-islamischen Dialog. Aber da ist eben auch der Iran, dessen Regime ganz offiziell verkündet, den Staat Israel bis zum Jahr 2040 auslöschen zu wollen.

Befeuert durch das Internet radikalisieren sich auf der ganzen Welt Verschwörungsgläubige – und die Berufung und Zusammenarbeit auch von Regierungsbeauftragten gegen diesen Hass hat gerade erst begonnen. Gerade jetzt, in diesen Tagen, erreichen uns auch in Deutschland neue Anzeigen von antisemitischen Eskalationen unter selbsternannten „Querdenkern“, die zum Beispiel die Impfkampagnen in Deutschland und Israel mit dem Holocaust des NS-Regimes gleichsetzen.

Und selbst wenn ich optimistisch bin, dass wir aus der Covid19-Pandemie herausfinden werden, so haben wir es noch kaum geschafft, etwa durch eine Überwindung der Massentierhaltung weitere Übersprünge von Krankheitserregern von Tieren auf Menschen – sogenannte Zoonosen – zu verhindern.

Und währenddessen schreitet doch die Klimakrise fast ungebremst voran. Die schon heute spürbaren Folgen von Wassermangel, Dürren und Kriegen etwa in Syrien, dem Irak und der Türkei habe ich mit eigenen Augen gesehen. Es verdichten sich die Anzeichen für eine Veränderung des Golfstroms, der Nordamerika und Europa direkt betrifft. Wir sitzen alle in derselben Arche und dem Satz, das wir für das „Überleben und das Wohl der Menschheit“ gemeinsam Verantwortung trügen, werden wir noch immer kaum gerecht.

Kurz: Ich freue mich sehr über die Fortschritte der jüdisch-christlichen, der interreligiösen und weltanschaulichen Dialoge. Aber ich frage mich, ob die Geschichte uns nicht auch lehrt, dass wir zu wenige und zu langsam sein könnten, um gemeinsam kommendes Unheil zu verhindern.

Also werde ich Sonntag noch motivierter mit dem Ministerpräsidenten zur Woche der Brüderlichkeit gehen. Und ich werde gleich am nächsten Tag, dem 8. März, bei meinem digitalen Vortrag für das Walter-Eucken-Institut zu „Liberalismus und Verschwörungsglauben“ auch Franz Böhm in Erinnerung rufen.

Nun aber möchte ich mich bei Ihnen für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit bedanken. Viel spricht dafür, dass wir noch immer viel zu wenige sind, die sich im Dialog engagieren. Aber auch Dank Ihnen werden wir immer mehr. G’tt sei Dank.

Quellen:

Zentralrat der Juden: Du Jude! Antisemitismus-Studien und ihre pädagogischen Konsequenzen, Hentrich&Hentrich, 2020.

Hans Erler und Ansgar Koschel (Hg.): Der Dialog zwischen Juden und Christen. Versuche des Gesprächs nach Auschwitz, Campus-Verlag, 1995.

Andreas Renz: Die katholische Kirche und der interreligiöse Dialog. 50 Jahre „Nostra aetate“ – Vorgeschichte, Kommentar, Rezeption, Kohlhammer, 2014.

Evangelische Kirche in Deutschland: Christen und Juden I-III, 1975, 1991, 2000.

Ahrens, Jehoschua, Blickle, Karl-Hermann et al. (Hrsg.): Hin zu einer Partnerschaft zwischen Juden und Christen. Die Erklärung orthodoxer Rabbiner zum Christentum. Metropol-Verlag, 2017

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

23 Kommentare

  1. Hallo Herr Blume,

    grandioser Dreisprung! Vom Iran, bei dem Antisemitismus Staatsdoktrin ist, über Verschwörungsgläubige, zu den Querdenkern. Das alles natürlich unter Ignoranz der Bewohner dieses Landes, die hier zum Beispiel Al-Kuds-Märsche veranstalten.

    Einige(!) Vertreter der Querdenker haben dämliche Vergleiche von sich gegeben, aber muss man sie in eine Reihe mit dem Iran stellen? Ernsthaft? Dann würdigen sie bitte auch Frau Rackete, die in libyschen Flüchtlingslager “KZ- ähnliche” Verhältnisse beklagt (Link hier).

    Mir liegt die ausgewogene Berichterstattung am Herzen.

    Wenn sie schon auch die Klimakrise hier beklagen, sollten sie auch ein paar kritische Worte für die Reise der Ammergauer ins heilige Land finden. Der CO2 Footprint war sicher gigantisch.

    Zum Abschluß zum Thema Zoonosen – wenn die chinesische Story stimmt, dann erfolgte der Übersprung auf einem Wildtiermarkt! Wilde Tier und Nutztiere zusammen. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Massentierhaltung zu tun. Und was hat das Thema hier überhaupt zu suchen?

    Mit freundlichen Grüßen

    Graf Cagliostro

    • Lieber @G.C.,

      nett, dass Sie mal wieder austicken, sobald es um jüdisches Leben und gegen Antisemitismus geht.

      Seltsam, dass Sie sich in der ganzen Folge 38 zum Iran, zum Al-Kuds-Marsch und auch zu den Interviews von Querdenken-Sprecher Stefan Homburg beim entsprechenden Portal “Muslim-Markt” überhaupt nicht ereifert haben:
      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/verschwoerungsfragen-38-iran-die-verfolgung-der-bahai-antisemitismus-und-oelfluch/

      Auch Ihren Ausführungen gegen Israel und China konnte ich nicht folgen. Fordern Sie ernsthaft ein Reiseverbot für Deutsche nach Israel und bestreiten Sie ernsthaft, dass die Massentierhaltung auch in China zu enormen Naturraumzerstörungen auch für Wildtiere und zu Zoonosen beiträgt? Haben Sie auch über die neueste Zoonose auf einer Geflügelfarm in Russland nicht gelesen?
      https://www.tagesspiegel.de/wissen/gefluegelfarm-in-russland-erstmals-menschen-mit-vogelgrippe-virus-ah5n8-infiziert/26935464.html

      Oder ging es Ihnen doch wieder nur darum, durch verwirrende Vergleiche und Gleichsetzungen verzweifelt gegen den Dialog von Juden, Christen, Anders- und Nichtglaubenden anzuschreiben und Antisemitismus etwa in den Reihen der Querdenker zu verteidigen?

      Gerne glaube ich Ihnen manches. Aber: “Mir liegt die ausgewogene Berichterstattung am Herzen.” – Nein, das tat und tut sie nicht. Das haben Ihre bisherigen Kommentare ebenso wie dieser hier leider eindrucksvoll gezeigt. Zwischen Fakten und Lügen gibt es keine “Ausgewogenheit”, sondern die Pflicht zur Unterscheidung.

      Ihnen alles Gute, vor allem ehrliches Interesse auch an Fakten und Begegnungen außerhalb der Querdenken-Blase.

      • Lieber Herr Blume,

        wo ticke ich den bitte aus, oder ereifere ich mich den? Mein Anlieger hier ist, auf Widersprüche oder falsche Maßstäbe hinzuweisen. Alles naturlich nur aus meiner Perspektive.

        Zum Beispiel setzen sie hier Querdenker und das iranische Regime gleich. Das finde ich nicht in Ordnung, aber vielleicht haben sie ja eine logarithmische Skala für ihre Maßstäbe. Das sie kritisch über das iranische Regime berichtet haben, habe ich natürlich gelesen. Mein Kommentar dazu war “Bravo dass Sie hier den Iranischen Staatsantisemitismus klar benennen! ”

        Weiterhin fordere ich keine Reiseverbote, sondern weise nur daraufhin, dass man nicht die Klimakrise beklagen und Gruppenausflüge (per Flugzeug), aus welchen Anlässen auch immer, feiern kann. Auch hier sind die Maßstäbe inkonsistent.

        Das mit der Zoonose in Russland hab ich in der Tat nicht gelesen, danke für den Link. Mein Kommentar bezog sich auf den offiziellen WHO Kenntnisstand, nach dem der Weg des Virus von Fledermaus zu Wildtieren auf dem Markt war. Das hat eben nichts mit Massentierhaltung zu tun.

        Bei Thema Zoonose würde mich im historischen Kontext interessieren, ist jetzt etwas abseits vom Thema, aber ich erlaube mir die Abschweifung, ob man solche Viren ggfs. in Mumien o.ä. noch nachweisen kann. In der Vergangenheit haben ja prozentual ein weitaus größerer Teil der Menschen dicht an Tieren gelebt. Die Ställen waren ja im selben Haus und die “Abwärme” der Tiere hat auch das Haus warmgehalten. Die Massentierhaltung ist da ziemlich clean dagegen und nur wenige Menschen sind dicht dran. Dafür sind die Populationen riesig.

        Wo sie hier jetzt eine Anti-Was-Auch-Immer Einstellung herauslesen bleibt mir ein Rätsel.

        Shalom & Ma’assalam

        Graf Cagliostro

  2. Aber ich frage mich, ob die Geschichte uns nicht auch lehrt, dass wir zu wenige und zu langsam sein könnten, um gemeinsam kommendes Unheil zu verhindern.

    Leider notwendige mahnende Worte.

    • Bin bekennender und überzeugter Vegetarier mit veganer Historie.

      Es liegt mir fern, sie irgendwohin zu schieben, dazu fehlt mir die Energie.

      Ich vergaß, zu erwähnen, das mir der historische Teil des Artikels überaus gut gefallen hat. Davon kam im Geschichtsunterricht nicht viel vor. Ich erinnere mich nur an Heines Rabbi von Bacherach. Heine ist sowieso empfehlenswert, speziell die Harzreise um das deutsche Gemüt zu verstehen.

      • Lieber @Graf Cagliostro,

        eine wirklich ernsthafte Frage: Wenn Sie doch so gebildet sind und um Vertrauen werben – warum provozieren Sie dann mit ausgerechnet diesem Pseudonym? Merken Sie nicht, oder genießen Sie, die Verwirrung, die Sie damit auch bei Wohlmeinenden auslösen? 💁‍♂️

  3. Joseph Goebbels war, wie er in seinem Tagebuch notierte, »gepackt und zu Tränen gerührt«, als er 1930 die Oberammergauer Passionsspiele besuchte. Nicht minder ergriffen war sein Begleiter Adolf Hitler. Noch Jahre später erinnerte der Naziführer sich bei Tischgesprächen, wie sehr ihn die Darstellung des »jüdischen Geschmeißes und Gewimmels« auf der Bühne des oberbayrischen Ortes beeindruckt hatte. Das Zerrbild eines blutrünstigen jüdischen Mobs, angeführt von hartherzigen, geld- und machtgeilen Hohepriestern, entsprach ebenso der nationalsozialistischen Ideologie wie der christlichen Überlieferung, die Männer wie Hitler und Goebbels geprägt hatte.

    Jüdische Allgemeine

    Und das war durchaus kein trendiges Rangeschmeiße an den Zeitgeist:

    „Ich hatte das Gefühl, ich müsse aufstehen und den Tausenden, die im Zuschauerraum versammelt waren, erklären, dass das, was sie da hörten und sahen, so weit es den Juden darstellte oder typisierte, unhistorisch, falsch interpretiert und grausam in seinen Schlussfolgerungen ist.“ Rabbi Joseph Krauskopf stand nicht auf im Passionsspiel 1900, aber er beschrieb in einem langen Aufsatz die Eindrücke seiner Reise nach Oberammergau. Dass es im Grunde kein kleines Kompliment an die Juden sei, dass ein Stück voll jüdischer Charaktere in einem Sommer eine Viertelmillion Besucher aus aller Welt anziehe. Dass es aber umso schlimmer wäre, wenn dieses Stück die bereits existierenden Vorurteile gegen die Juden bestärke und sogar noch größeren Hass schüre. Krauskopf hatte sich auf die Aufführung gefreut, doch in dem Moment, als sie begann, war es vorbei mit dieser Freude. Er hatte sich eingebildet, als Tourist nach Oberammergau kommen, die Passion wie jedes andere Theaterstück anschauen zu können – aber das war nicht möglich. „Sobald die ersten Zeilen gesprochen wurden, wurde der Tourist zum Kritiker; der Reisende, der Theologe, der Kosmopolit zum Juden.“

    passionsspiele-oberammergau.de

    Interview: Wie Christian Stückl den Wahnsinn in Oberammergau organisiert

    Die haben da einen sehr weiten Weg zurückgelegt. In einem sehr schwierigen Ort.

  4. Von Christian Stückl kann man sich eine Scheibe abschneiden.
    Wie die Oberammergauer Festspiele ein Ereignis vor 2000 Jahren aufleben lässt.
    Grandios !

  5. @Zoonosen

    Hier ist die Massentierhaltung eher weniger relevant. Der Kontakt von Menschen zu Tieren ist hierfür wohl maßgeblich, und der ist gerade in der Massentierhaltung minimal. Und auch der Rückgang des Lebensraumes für Wildtiere ist infektionstechnisch sogar förderlich, weil so das Reservoir an potentiellen Übertragungen auf den Menschen abnimmt. Wenn hier kurzfristig mal Wildtiere Abstecher in Städte machen, weil soeben ihr Wald abgeholzt wurde, dann ist das eben nur ein ganz kurzfristiger Effekt. Wenn Wildtiere zu Kulturfolgern werden, dann machen die das völlig unabhängig davon, was in freier Wildbahn passiert. Die Wildschweine in Berlin haben inzwischen ihre eigene Population gegründet, neben den Wildschweinen, die in den umliegenden Wäldern leben.

    Wenn hier irgendetwas Zoonosen befördert, dann sind das wohl geschossene Wildtiere, die auf Märkten landen. Und leider auch verbreitete Kleinviehhaltung, z.B. wenn man eine Gruppe Hühner hält, die in die Küche kommen dürfen, und mit denen die Kinder spielen können. Wenn diese Hühner dann noch in den angrenzenden Wald auf Futtersuche gehen können, dann kommen sie noch mehr in Kontakt mit Wildvögeln, was das Risiko nochmals erhöht.

    Offenbar ist Massentierhaltung infektionsmäßig sehr viel weniger riskant. Was jetzt sogar in Konflikt mit einer artgerechteren Haltung kommen kann. Nutztiere, die draußen Auslauf haben, können mit verwandten Wildtieren eher in Kontakt kommen, als wenn sie ihr ganzes Leben im Stall gehalten werden. Angesichts der sehr viel besseren Qualität des Fleisches, und dem Wert für die Tiere selbst, wäre ich dennoch dafür, die Tierhaltung artgerechter zu machen. Auch wenn das Zoonosen fördern kann. Die Tierärzte, die sich die Tiere nochmal ansehen, bevor sie in den Handel kommen, sind hier sicher auch noch mal relevant.

    Eins ist aber darüber hinaus klar: je weniger Fleisch, Eier und Milch wir essen, desto kleiner wird das Risiko für Zoonosen. Das wichtigere Argument hierfür ist allerdings, dass Fleischkonsum mehr Landwirtschaftliche Flächen verbraucht, die wir weltweit gesehen nicht mehr hätten, wenn sich auch die armen Länder in der Welt mal Fleisch leisten können.

    So oder so, Zoonosen gehören eigentlich zum Leben dazu. Es macht keinen Sinn, sich völlig von der Natur abzuschotten. Man will ja auch leben, nicht nur überleben. Den Konflikt, den wir hier in der Coronakrise haben, der ist wohl ziemlich Menschlicher Natur. Einerseits will keiner krank werden, anderseits erfordert ein vernünftiges Leben eben auch, dass man sich Infektionsrisiken aussetzt. Generell riskiert man hierbei Infektionen. Nicht nur mit Corona, auch die normale Grippe, das Norovirus, Salmonellen, Borreliose, Tollwut oder Malaria kann man sich einfangen. Wir SIND auf diesem Planeten nicht am Ende der Nahrungskette.

    Wäre Corona eine Schweinekrankheit, dann hätte die Meldung, dass hier eine neuartige Krankheit 1 % der Hausschweine tötet, und das im wesentlichen nur ohnehin altersschwache Tiere, dann hätte es diese Meldung wohl gar nicht in die Medien geschafft. Da aber der Mensch betroffen ist, stellt Corona die halbe menschliche Kultur auf den Kopf.

  6. Sympathisch an der Erklärung „Den Willen unseres Vaters im Himmel tun“ ist mir ja, daß sie unter der Hand eben nicht die ihnen von den Christen dargereichte Hand ergreifen, sondern eine andere anbieten. Mir geht das Gerede von den „Abrahamitischen Religionen“ schon lange auf den Geist, vor allem aus zwei Gründen:

    Erstens ist ausweislich des Apostelkonzils tatsächlich Noah die Eintrittskarte für die Christen in den Club, nicht Abraham;

    Zweitens wären bei einer Noahidischen Oekumene auch die Zoroastrier mit am Tisch. Und deren Stimme im interreligiösen Dialog fehlt mir, die hätten uns viel zu erzählen.

    • Ups. Sollte ich vielleicht erklären für die, die da nicht so drin sind.

      Man spricht von den drei „abrahamitischen Religionen“ Judentum, Christentum, Islam, also die Weltreligionen, die sich auf Abraham als ihren Stammvater berufen. Abraham aber ist für die Christen höchstens ein metaphorischer Stammvater, ein Vorbild im Glauben. Mir kommt das immer ein bißchen vor wie Erbschleicherei.

      Das Angebot Noah richtet sich über die drei Religionen hinaus an alle Monotheisten – Und galt schon vor Jesus, also bevor die anderen beiden Religionen entstanden sind. Pointe: Auch die Muslime halten sich an das noahidische Gebot, kein Blut zu verzehren, um so ein sichtbares Zeichen der Verbundenheit zu setzen.

      Die Weltanschauung, die Welt (wie jeder einzelne Mensch) sei ein Schlachtfeld von Gut und Böse, an deren Ende es zu einer kollossalen finalen Schlacht käme, wo die Guten schließlich gewinnen, hat die genannten drei Religionen (bis hin zu Hollywood) zutiefst geprägt, geht aber originär auf den persischen Propheten Zarathustra zurück. Darum hätte ich die gerne bei interreligiösen Gesprächen mit an Bord.

  7. Ich meine, in der Bahnhofsmission hätten christliche und jüdische Frauen schon vor dem 1. Weltkrieg zusammengearbeitet. (Ich kann es jetzt aber auf die Schnelle nicht belegen).

  8. Noch ein Nachtrag: Moses Mendelsohn ein Zitat, das ich für sehr bedenkenswert halte. “Je edler ein Ding in seiner Vollkommenheit, sagt ein hebräischer Schriftsteller, desto gräßlicher in seiner Verwesung. Ein verfaultes Holz ist so scheußlich nicht, als eine verwesete Blume; diese nicht so ekelhaft, als ein verfaultes Thier; und dieses so gräßlich nicht, als der Mensch in seiner Verwesung. So auch mit Kultur und Aufklärung. Je edler in ihrer Blüte: desto abscheulicher in ihrer Verwesung und Verderbtheit. ” https://de.wikisource.org/wiki/Ueber_die_Frage:_was_hei%C3%9Ft_aufkl%C3%A4ren%3F Einer meiner Professoren interpretierte das auf die Shoa. (Ich bin mir aber nicht mehr sicher, ob das so richtig ist).

  9. Das ist immer spannend und geht noch weiter:
    “Mensch-ärgere dich nicht” ist ein buddhistisches Lernspiel, den Adventskalender gibt es als Ramadankalender im Islam.

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