Und wenn Gott schwarz wäre – Zum Buch von Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende

Rassismus ist nicht nur, aber auch ein Bildungsproblem. Dies belegten neulich mal wieder die Hobby-Arier der Jungen Alternative Dresden. Sie teilten und twitterten ein rassistisches Mem der sog. “Konservativen Revolution”, nach dem weiße Europäer nur nach Europa und Afrikaner nur nach Afrika gehören sollten.

Konfessionsfrei, konservativ, rassistisch & dumm: Tweet der Jungen Alternative Dresden. Screenshot: Michael Blume

Dass die Nachfahren der Zwangs-Säkularisierten (wie auch ich einer war) bei aller “Verteidigung des Abendlandes” nicht einmal mehr die biblische Erzählung von den gemeinsamen Stammeltern Adam und Eva kennen – geschenkt. Bemerkenswert fand ich, dass sie dazu nicht einmal Grundkenntnisse der Evolutionsforschung aufwiesen – nach deren Erkenntnisse alle heutigen Menschen ihre Vorfahren in Afrika haben. Sowohl frühe Menschengruppen wie Homo erectus und Homo neanderthalensis wie auch die späteren Homo sapiens gehen auf Auswanderungen aus Afrika zurück. Wäre #Migration nicht schon immer Teil der Menschheitsgeschichte gewesen – dann gäbe es auch die hellhäutigen Ahnen nicht, auf die die vermeintlich “Alternativen” und “Konservativ-Revolutionären” so gerne stolz sein wollen (oder müssen, weil sonst nicht viel da ist).

Nach der Auseinandersetzung mit dem Rassismus auf Twitter nahm ich mir das Buch “Und wenn Gott schwarz wäre” von Pfarrer Olivier Ndjimbi-Thsiende und Christoph Fasel aus dem Schrank. Der aus Afrika stammende, deutsche Pfarrer hatte sich gegen rassistische Ausfälle von CSU-Lokalpolitikern gewehrt (die später auch ihre Ämter verloren) und musste nach Beschimpfungen und Morddrohungen seine Gemeinde verlassen. In “Und wenn Gott schwarz wäre” wird jedoch nicht nur diese bayerische Lokalgeschichte vorgestellt (samt dem Umstand, dass sich über dreitausend ZornedingerInnen in einer Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit mit “ihrem” Pfarrer solidarisierten), sondern auch Ndjimbi-Tshiendes Werdegang und Ansichten.

“Und wenn Gott schwarz wäre” von Olivier Ndjimbi-Tshiende

So schildert der Autor Szenen aus seiner Kindheit im Kongo, wo er in eine sog. stammesreligiöse Familie geboren wurde – mit einer Schwester als Priesterin. Der materiellen Armut stand der Bildungs- und Aufstiegswille der Eltern gegenüber, zugleich aber waren die krassen Unterschiede nicht nur im Wohlstand, sondern auch im Bildungsstand zwischen Schwarzen und Weißen unverkennbar. Christliche Missionare durchbrachen diese Barriere und vermittelten den Menschen nicht nur Hilfe und Bildung, sondern auch die frohe Botschaft, dass alle Menschen nach Gottes Ebenbild geschaffen worden seien – Gott also (auch) schwarz sei.

Von dieser Botschaft begeistert studierte Ndjimbi-Tshiende schließlich Philosophie und Theologie im Kongo und wurde 1979 zum christlich-katholischen Priester geweiht. Ab 1986 studierte er Pädagogik, erwarb einen Doktor und schließlich eine Habilitation in Philosophie in München, wurde schließlich auch deutscher Staatsbürger. Auch nach den rassistischen Angriffen in München-Zorneding nimmt er weiterhin Aufgaben als Pfarrer und Seelsorger wahr, wirkt zudem am Zentrum für Flucht und Migration der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Kurz: Den allermeisten Rassisten ist der Mann nicht nur geistlich, sondern auch geistig weit überlegen.

Und tatsächlich führt (auch) er im lesenswerten Buch die Fremdenfeindlichkeit auf evolutionäre Wurzeln und fehlende Bildung – vor allem fehlende oder falsche religiöse Bildung – zurück. Aber auch die (katholische) Kirche strahle zu wenig Barmherzigkeit aus und beschränke durch die Dogmen von Zölibat und dem Ausschluss von Frauen ihre Ausstrahlung und letztlich die Reichweite der Botschaft Jesu.

“Und wenn Gott schwarz wäre” ist ein wunderbares Buch über ein christlich-deutsch-afrikanisches Leben, über Glauben und Hoffnung und auch über katholische Reformtheologie. In einer idealen Welt würde es unter vielen Weihnachtsbäumen zu finden sein und als eine Facette der frohen Botschaft gegen Kälte und Hass anleuchten! Doch in der realen Welt wird es wohl leider nur wenige jener Menschen erreichen, die es am dringendsten bräuchten – wie die “Junge Alternative Dresden”…

Allen Leserinnen und Lesern von “Natur des Glaubens” wünsche ich eine frohe und besinnliche Adventszeit im Kreise ihrer Lieben!

 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

25 Kommentare

  1. Es ist halt nur so dass auch bei uns Menschen die Evolution unterschiedlich rasch weiter gehen kann.
    Und anscheinend ist das auch der Fall.

  2. Unterschiedlich schnelle Evolution könnte Folge von sich unterschiedlich schnell ändernden Umwelten sein. In diesem Sinne wären Migranten (die ihre Umwelt aktiv geändert haben) ein Hotspot beschleunigter Evolution 😉

  3. Ich neige dazu, Für den Umgang mit Rassisten so ne art ‘Whack-a-mole’ Taktik zu verwenden, indem man die Leute, wenn sie sich aus ihren Sümpfen & Löchern herauswagen, so dermaßen fertigmacht, dass sich die zuschauenden rassismusaffinen nicht-so-mutigen Leute einfach nicht trauen, ihrer “Freien Meinung” Ausdruck zu geben.
    Insbesondere weil man mit Leuten, die einen starken Glauben an <Wasauchimmer haben, nicht ergebnisoffen diskutieren kann. Es gibt Studien (zu faul zum Suchen), die nahelegen, dass Gläubige auf Evidenz gegen den Glauben mit noch mehr Glauben reagieren.

    • Tja dann “trauen” die sich nicht mehr etwas zu sagen und wählen still und leise Trump, AfD und Brexit und du hast gewonnen… Ach ne Moment…

      • Das ist auch deren Gutes Recht 🙂
        Es gibt seit den 1980ern Studien, die zu dem Schluss kommen, dass ca. 1/8 der Deutschen ein rechtsextremes Weltbild hat. Und das scheint sich wenig zu ändern.

  4. Interessant ist, dass die eiszeitlichen “Europäer” in der Tundra(!) südlich des Eisschildes, in Südfrankreich und Nordspanien, vorwiegend dunkelhäutig- und haarig war, wie Genomanalysen zeigen, wenn auch schon mit blauen Augen. Die Population ist noch bis ca. 7000 v.Chr so vorhanden [1], bis dann die Einflüsse zwei weiterer Gruppen, eingewandert von Südosten und Osten im Zuge der Sesshaftwerdung in ebenjener Zeit, beginnen, ihre Spuren zu hinterlassen [2].
    Und während nur wenige Jahrtausende später im noch nicht desertifikierten Mesopotamien die ersten Hochkulturen wesentliche zivilisatorische Errungenschaften etablieren, sieht es hierzulande diesbezüglich noch recht düster aus.
    Es gibt also überhaupt keinen Grund für “uns”, sich als irgendetwas Besseres zu fühlen.

    Und selbst wenn die schärfste aller Verschwörungstheorien, die “Umvolkung”, wie es in diesen Kreisen formuliert wird, stattfinden würde – auf evolutionären Zeitskalen wäre es auch von den “paar Hanseln” nicht aufzuhalten; allerdings auf kurzen Zeitskalen potentiell eine Menge Opfer fordern.
    Ob die Menschheit allerdings überhaupt einen solchen Prozess noch erleben würde, darüber gehen die Spekulationen auch weit auseinander.

    Kollektivangst als Machtbasis ist von wiss. Erkenntnis leider unberührt. 🙁

    [1] Nature 507, 2014, 225–228
    [2] Nature 513, 2014, 409–413, Pressemitteilung (deutsch)

    PS: Danke nochmal für die Termin- und Literaturtipps. Wenn der Terminkalender es hergibt, versuche ich bei einem Ihrer Vorträge anwesen zu sein. 🙂

  5. Und wenn das Poster umgesetzt wird, versprechen die JAD’ler auch dann die Flüchtlingsheime für die Afrikaaner nicht an zu stecken?

    • Wobei ich darauf hinweisen möchte, lieber @Omnivor: Weder der hier vorgestellte Theologe noch zum Beispiel die Abertausenden Altenpflegerinnen aus Osteuropa in Deutschland sind Flüchtlinge. Sie erfüllen vielmehr bei und mit uns Aufgaben, für die sich längst auch keine Rassisten mehr finden…

    • Klasse fand ich auf Twitter auch den Konter, wie jetzt, müssen wir jetzt Trump und all die anderen Auswandererkinder zurücknehmen?

      Amerika den Indianern?!??

  6. Den allermeisten Rassisten ist der Mann nicht nur geistlich, sondern auch geistig weit überlegen.

    Immerhin den ‘allermeisten Rassisten’, wobei der Rassismus allerdings so schlecht ist, dass sich seinen Vertretern gegenüber gar nicht überlegen gefühlt werden muss.
    KA, ist Gott schwarz oder weiß oder männlich oder weiblich? Klein oder groß, mit oder ohne Pickel am Start?
    Was weiß der Religionsforscher hierzu über den christlich-jüdischen Gott, JHWH?

    Gehört es sich eigentlich für Christen derart nachzudenken und gar einseitig zu bewerben suchen?

    Sehr lustig auch dies hier :
    -> http://www.telegraph.co.uk/news/2017/11/24/church-sweden-stop-clergy-calling-god-lord-bid-crack-gendered/

    MFG + schöne Woche noch,
    Dr. Webbaer

  7. Und wenn Gott schwarz wäre ?
    Das ist eine treffende Versinnbildlichung der heutigen Situation.
    Weiße Überheblichkeit versus Natürliche Demut.
    Auf jeden Fall ist der Titel geeignet, auch den eigenen Standpunkt immer wieder zu überdenken.
    In den katholischen Gemeinden werden tatsächlich Priester aus Afrika eingesetzt.
    Ich finde das sehr gut, auch wenn viele dadurch verunsichert werden.

  8. Der Hinweis auf die gemeinsame Abstammung aller heute lebenden Menschen von afrikanischen Vorfahren ist richtig und wichtig, aber das alleine nimmt den Rassisten nicht den Wind aus den Segeln – denn man könnte ja theoretisch trotzdem menschliche “Rassen” als seitdem strikt getrennt lebende Populationen postulieren, mit klar abgrenzbaren Eigenschaften. Könnte man, aber es entspricht eben nicht den Tatsachen.

    Interessanter finde ich deshalb eine andere genetische Überlegung: Nimmt man sich zwei zufällig ausgesuchte, heute lebende Menschen vor – einen Europäer und einen Afrikaner, oder einen australischen Ureinwohner und einen Russen, wie auch immer – wie weit müsste man dann maximal in den Ahnenreihen zurückgehen, um auf einen gemeinsamen Vorfahren dieser zwei Menschen zu stoßen?

    Die Antwort ist nicht ganz leicht und eindeutig zu bestimmen, weil sie auf Modellrechnungen beruht. Aber Genetiker gehen derzeit davon aus, dass dieser “Most Recent Common Ancestor” aller Menschen vor nur etwa 3500 Jahren gelebt hat. Wir sind alle viel näher miteinander verwandt als man sich das gemeinhin vorstellt. Grund ist natürlich Migration, die es immer gab und immer geben wird.

    Dazu noch ein Zitat von Adam Rutherford, aus seinem Buch “A brief history of everyone who ever lived”.

    “Genetics has revealed that human variation and its distribution across the planet is more complex than any attempts to align it with ill-defined terms like race…. I am comfortable stating that from the point of view of a geneticist, race does not exist. “

    • @Hans Zauner
      “dass dieser “Most Recent Common Ancestor” aller Menschen vor nur etwa 3500 Jahren gelebt hat”
      Das finde ich ja extremst interessant. Ich dachte, es seien so um die 60.000 Jahre, als die Asiaten und vor allem die Australier nichts mehr mit “uns” zu tun haben wollten.
      Gibt’s Literatur dazu ?

      • @andreas

        Ein Original-Paper mit der entsprechenden Modellrechnung ist hier:

        “Modelling the recent common ancestry of all living humans”
        Nature 431, 562–566 (30 September 2004)
        doi:10.1038/nature02842

        zum Download hier:
        http://steveolson.com/uploads/2009/04/nature-common-ancestors2.pdf

        “Most recent common ancestor” wir meist mit “letzter gemeinsamer Vorfahr” übersetzt, aber das trifft das “recent ” nicht richtig. Es geht nicht um eine Art Adam. Neben und vor dem MRCA gab es noch viele weitere gemeinsame Ahnen.

        Hier noch ein Fundstück, das auch den Hausherrn hier interessieren könnte, gerade jetzt da es auf Weihnachten zugeht: Wie steht es eigentlich um die Behauptung, Jesus sei ein Nachfahre König Davids gewesen?
        Antwort: Das stimmt vermutlich sogar, aber es traf auch auf die meisten seiner Mitbürger zu.

        http://www.bbc.com/news/magazine-19331938

        • Eine weitere Erkenntis aus diesem Paper ist, dass nicht nur der MRCA vor erstaunlich kurzer Zeit lebte. Geht man nur ein paar tausend Jahre weiter zurück, dann kommt man an einen Punkt , an dem *alle* damals lebenden Menschen entweder zur direkten Ahnenreihe *aller* heute lebenden Menschen gehören, oder gar keine Nachkommen hinterlassen haben.

          Rohde, Olson und Chang schließen deshalb ihr Paper recht poetisch:

          “No matter the languages we speak or the colour of our
          skin, we share ancestors who planted rice on the banks of the
          Yangtze, who first domesticated horses on the steppes of the
          Ukraine, who hunted giant sloths in the forests of North and
          South America, and who laboured to build the Great Pyramid of
          Khufu.

  9. Das Christentum muss reformiert werden. Die Welt wurde nicht von Gott “erschaffen”, sondern existiert von Natur aus (und seit ewig). Es gibt einen Bereich in der Natur, der dem Menschen (genauer: dem Ich-Bewusstsein) ewig verborgen ist.
    Gottesdienste sind überflüssig. Man kann durch Traumsteuerung zu mystischen Erfahrungen gelangen. Eine moderne Mystikerin ist Judith von Halle (bitte googeln).

  10. Neben Bildung spielt auch die Geschichte des früheren Umgangs mit Andersrassigen eine wichtige Rolle um Rassenvorurteile am Leben zu halten. Die Schwarzen in den USA beispielsweise waren Sklaven und haben diese Herkunft (?) in den Augen einiger Weissen nie abgestreift. Ähnliches gilt scheinbar für Libyen wie der SPON-Artikel Libyens Sklavenmärkte Das Erbe des arabischen Rassismus zeigt.

  11. “Bemerkenswert fand ich, dass sie dazu nicht einmal Grundkenntnisse der Evolutionsforschung aufwiesen”
    ehämm…. das finden Sie bemerkenswert ??

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