Tu Bischevat – das Neujahrsfest der Bäume. Die Klima- als Wasserkrise auch im Nahen Osten

Die gestrigen Gespräche auf der Didacta-Bildungsmesse in Stuttgart haben mich sehr gefreut und ermutigt. Der Herzensbildung-Vorschlag der Holocaust-Überlebenden Inge Auerbacher fand ebenso Anklang wie auch weitere Menschen vor allem online die Neuro- und Medienpsychologie je der semitischen und jafetitischen Alphabetschriften erfassten. Und weil das Interesse an der religionsbezogenen “Weite der Zeit” wächst, stelle ich Ihnen den heutigen, sog. “kleinen”, aber besonders schönen Feiertag Tu Bischevat aus der jüdischen Tradition und aus Israel vor.
Denn schon der Name Tu Bischevat – wörtlich: 15ter des (Monats) Schevat – enthüllt eine mediale Botschaft: Im alten Hebräisch gab es keine eigenen Zahlen, sondern die Buchstaben wurden als solche verwendet (sog. hebräische Zahlschrift). Und so wurde der 9. hebräische Buchstabe Tet mit dem sechsten hebräischen Buchstabe Waw kombiniert zu “Tu” = 15.
Im heutigen Neuhebräisch, Ivrit, werden meist die indisch-arabischen Zahlen verwendet. Am 14. Februar 1949, dem 15. Schevat bzw. Tu Bischvat 5709, eröffnete der spätere Staatspräsident Chaim Weizmann (1874 – 1952) die verfassungsgebende Versammlung des Staates Israel, aus der dann das Parlament – die Knesset – wurde.
Der hebräische Monatsname Schevat stammt wiederum aus dem noch älteren Akkadischen und bedeutet so viel wie Stamm oder Stab. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass sich damit bereits Traditionen des Lebensbaums verbanden, wie wir ihn heute aus nahezu alle Weltreligionen und großen Kulturen der Menschheit kennen.
Vorfreude auf das Wiederaufblühen der Bäume zwischen dem Charlottenplatz, dem Neuen Schloss (links) und dem Landtag von Baden-Württemberg in Stuttgart, Dezember 2024. Foto: Michael Blume
Im Schevat ging die Regenzeit in Israel zu Ende und stattdessen wurden – auch für die Festsetzung der fälligen Abgaben – die neuen Früchte und Bäume begrüßt. Dafür gab und gibt es sogar den Namen “Neujahr der Bäume”, Rosch ha-Schana La’illanot (Rosch wie in “guter Rosch, Rutsch!”). Aber wann genau war es anzusetzen?
Wie es sich für rabbinisch-talmudische Debatten gehört, gab es auch dazu unterschiedliche Meinungen. So plädierte die strenge Schule des Schammai für den 1. Schevat, die liberalere Schule des Hillel für den späteren 15. Schevat. Die Tradition des Hillel setzte sich auch hierbei durch. So wird auch am heutigen 15. Schevat 5785 weltweit von Jüdinnen und Juden sowie nichtjüdischen Befreundeten das “Neujahrsfest der Bäume” mit dem Verkosten neuer Früchte und Fruchtsalate begangen.
Gerne würde ich an dieser Stelle den Blogpost beenden – doch das kann ich leider noch nicht. Denn die medialen und vor allem digitalen Thymoten und Thymokraten lenken uns derzeit alle mit Terror, Propaganda und Kriegen von den Folgen der fossilen Wirtschaft für Mitwelt und Mitmenschen ab. Dazu gehört die schnelle Eskalation der globalen Erhitzung von der Klima- zur Wasserkrise. Noch im Mai 2023 hatte ich auch im Podcast “Verschwörungsfragen” dringend für ein Wasser-Miteinander israelischer und arabischer Staaten plädiert. Doch gegen die medialen, zunehmend thymotischen Diskursverschiebungen sah ich auch in 2024 kaum Chancen.
Nun aber meldete die Jüdische Allgemeine in ihrer Ausgabe vom 6. Februar 2025 – also dem 8. Schevat 5785 – auf Seite 4:
Klimawandel
Israel droht der trockenste Winter seit einem Jahrhundert. Bisher fiel nur etwas über die Hälfte der für die Jahreszeit üblichen durchschnittlichen Niederschlagsmenge, wie die Wasserbehörde mitteilte.
Im Januar sei in den Flüssen erstmals seit Jahren kein signifikanter Anstieg der Wassermenge verzeichnet worden, was auf extreme Dürre hindeute, hieß es.
Der Pegel des Kinneret stieg demnach im Januar lediglich um zwei Zentimeter. Der Wasserstand des größten Süßwassersees lag nach Angaben der Behörde Ende Januar bei 211,26 Metern unter dem Meeresspiegel und damit 1,74 Meter über der unteren roten Linie von 213 Metern sowie 3,61 Meter über dem historischen Tiefstand des Sees von 2001.
Der im Jordan gemessene Wasserdurchfluss war der niedrigste seit 1960.
Sowohl in meiner Rede vor dem Landtag von Baden-Württemberg am 9. November 2023 wie auch in mehreren Texten und Interviews zu erneuerbaren Friedensenergien hatte ich stur an die wissenschaftlichen Erkenntnisse erinnert: Wer es wirklich gut mit Israel, Jordanien, Ägypten, Gaza und Westjordanland, mit israelischen, palästinensischen, arabischen, kurdischen, mit jüdischen, muslimischen, christlichen und anderen Menschen meint, der schränke den Verbrauch fossiler Gewaltenergien so schnell wie irgend möglich ein. Auch immer größere Teile Europas und Amerikas sind längst von den Folgen der Klimakatastrophe betroffen. Umso länger wir das verdrängen, umso schlimmer wird es. Der post-fossile Solarpunk-Mitweltschutz ist die derzeit einzig nachhaltige Friedensbewegung!
Was muss eigentlich noch passieren? Ein ARD-“Brennpunkt” (!) zum verheerenden Brand in Los Angeles, Januar 2025, USA. Foto: Michael Blume
Denn schon jetzt steigen durch Hitze, Extremwetter und Dürren die Lebenshaltungskosten der Menschen – aller Menschen! – im Nahen und Mittleren Osten (MENA). Immer größere Gebiete werden faktisch unbewohnbar. Und da schwadroniert der Thymokrat Donald Trump über Gaza als US-amerikanische “Riviera”! Wenn wir vernünftig und also dialogisch-monistisch wären, so würden wir alle begreifen, dass wir uns Gewalt und feindseligen Dualismus gegeneinander eigentlich längst nicht mehr leisten können!
Meine herzlichen Grüße gelten allen, die heute Tu Bischevat für die Mitwelt sowie morgen den Valentinstag für Mitmenschen begehen. In alten Festen ist oft aktuelle Weisheit zu finden. Und behaupte bitte später niemand, wir hätten ja nicht wissen können…
Den Feiertag kannte ich bis jetzt nicht. Ich finde den Sinn dahinter gut.
Ihr Foto mit dem Neuen Schloss in Stuttgart gefällt mir sehr. Richtung Charlottenplatz befindet sich eine im Boden eingelassene Platte, die an den historischen Standort der Hohen Karlsschule erinnert.
Die Gegend rund um den Eckensee mit Oper, Landtag, dem Neuen Schloss und Richtung Königstraße dem Kunstgebäude atmet so viel Geschichte.
Vielen herzlichen Dank, @Marie H. 🙏
Ich hatte diesen ebenso wertschätzenden wie in die Weite der Zeit aufklärenden und warnenden Blogpost gestern zum Feiertag verfasst. Aber durch die mutmaßliche Terror – Fahrt in München und eine, weniger berichtete, Verhaftung eines 21jährigen mutmaßlichen Rechtsterroristen im Landkreis Meißen ist auch hier wieder eine mediale Überlagerung geschehen:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/nachahmung-via-medien-terror-durch-thymos-statt-durch-logos/
In den kommenden Jahren wird sich sowohl in Israel 🇮🇱 wie in der Europäischen Union 🇪🇺 die Tragfähigkeit demokratischer Systeme gegen die eskalierenden Thymokratien erweisen müssen. Es sieht derzeit nicht gut aus, zumal in den USA 🇺🇸 der Thymokrat Donald Trump nicht nur gezielt die Nation und Welt thymotisiert, sondern auch die Klimakatastrophe und Wasserkrise verleugnet.
Mein herzlicher Dank Ihnen für Ihre dialogischen Drukos, auch unter diesem „verwaisten“ Blogpost! 🙏
Eine aktuell interessante Spannung im Festkalender der katholischen Kirche zeigt sich heute – offiziell wird an 2 Brückenbauer der alten Kirche gedacht, Cyrill und Methodius – die viel zur Inkulturation des Christentums beigetragen haben – die kyrillische Schrift hat ihren Namen von Cyrill.
Diese Perspektive könnte uns auf die Ukraine und ihre Anstrengung, sich gegen eine gewaltsame Vereinnahmung zu wehren, verweisen. Eine Anstrengung, die wir als Europa ja unterstützen.
Da wird Ihr Appell zu den Friedensenergien, bzw. zu Rohstoff-orientierten Kriegshandlungen vermutlich an Bedeutung zu nehmen – gleichzeitig – so zeigt auch die Lebensgeschichte dieser beiden Brüder – ist so eine Transformation immer auch stark umkämpft.
Vielleicht hilft ja der innere Bezug zur Mitwelt konkretisiert in der Freude über die bevorstehende Baumblüte.
Ein wichtiges Lied der Friedensbewegung bedenkt ja die Mandelbäume…
Vielen Dank, @HG Unckell – gerade erst hatte ich auf der o.g. Didacta auf die Bedeutung je der vokalarmen, semitischen und vollvokalisierten, jafetitischen Alphabetschriften hinweisen und diese in den Drukos ausführlich diskutieren können.
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/plaedoyer-fuer-herzensbildung-mit-inge-auerbacher-mein-beitrag-zur-didacta-2025/
Denn, ja, die Entwicklung der jafetitischen, kyrillischen Alphabet-Schrift war von enormer religionsgeschichtlicher und medienpsychologischer Bedeutung, bis heute. Und ich denke dabei auch an die Ukraine, die gerade vom Thymokraten Donald Trump in sog. “Friedensverhandlungen” mit dem fossilen Thymokraten Wladimir Putin geflankt wird.
Gerne werde ich mich auch in diesem, bereits allzu warmen Jahr an der Baumblüte erfreuen – wenn es auch bereits mit kleinen Trauer-Stichen verbunden ist. Unsere Mitwelt und unsere Mitmenschen hätten es doch so verdient, früher und entschiedener vor der fossilen Verbrennung bewahrt zu werden!
Ihnen meinen herzlichen Dank für Ihre immer wieder sehr tiefen und freundlichen Drukos! Ich meine, da auch Herzensbildung zu spüren! 🙏📚💟
Zum Thema Wasserkrise im Mittleren und Nahen Osten passt nachfolgender Artikel der Johannes Gutenberg Universität Mainz.
„Die Region ist besonders stark vom sogenannten Wasserstress betroffen, erheblich verstärkt durch den globalen Klimawandel“.
https://www.magazin.uni-mainz.de/mit-polymeren-und-natuerlichen-temperaturschwankungen-zu-sauberem-trinkwasser/
Die Johannes Gutenberg Universität ist vor einigen Wochen von Twitter/X zu Mastodon gewechselt. Dort habe ich den Account entdeckt und folge diesem. Vor über 50 Jahren habe ich an der Johannes Gutenberg Universität studiert und fühle mich dieser Universität verbunden.
Vielen Dank, liebe @Elisabeth K – das ist wirklich schön und ermutigend! Und der Erfinder des Buchdrucks mit Alphabet-Lettern, Johannes Gutenberg (1400 – 1468) schrieb damit ja auch buchstäblich Weltgeschichte!
So frage ich mich oft, wie die Weltgeschichte verlaufen wäre, wenn nicht der osmanische Sultan Bayazid II. (1447 – 1512) bald nach dem Tode Gutenbergs den Buchdruck in arabischen Lettern verboten hätte. Wäre auch die islamische Zivilisation eine führende Kraft der Gelehrsamkeit und Wissenschaften geblieben? Oder hätte die Schnelligkeit der Entwicklungen die Menschheit endgültig überfordert, wie sie es heute zu tun scheint?
https://www.theologie-naturwissenschaften.de/startseite/leitartikelarchiv/islam-und-wissenschaft/
Auf jeden Fall aber stimme ich Dir zu, dass die Klimakatastrophe als Wasserkrise eigentlich den dialogischen Monismus, also die auch wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit aller Völker erfordern würde. Ich bin daher schon sehr erleichtert, dass heute weitere, israelische Geiseln freikommen sollen und arabische Staaten unter der Führung Ägyptens an einem Friedensplan für Gaza arbeiten.
Dafür, dass Du Dich auch hier immer wieder auf die Weite der Zeit einlässt, von mir ganz herzlichen Dank (auch an Deine Alma mater) 🤓! 🙏📚🙌