Trollkunde – Sockenpuppen, Cranks, Hater und ihnen ein Song

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Als “Trolle” gelten im Netzjargon jene freundlichen Leute, die die Möglichkeiten des Netzes vor allem nutzen, um andere Menschen zu belästigen. Längst sind Trolle auch halb-scherzhafte Forschungsobjekte, werden von Bloggern gesammelt, begutachtet und kategorisiert. So hatten wir erst neulich die Unterscheidung zwischen dem respektablen (nicht trolligen) Kritiker und dem ordinären, trolligen Basher vorgestellt. Aber es gibt auch weitere, interessante Exemplare!

Sockenpuppen

Als Sockenpuppen werden Trolle bezeichnet, die unter mehreren Namen auftreten – sei es, um Sperren zu umgehen, um den Eindruck einer größeren Menge zu erwecken oder einfach, um ihren Frust gleich in mehrfacher Form loszuwerden. Das Tragikomische an Sockenpuppen-Trollen ist, dass sie gerade wegen ihres großen Frustes und kleinen Geistes nicht wirklich in der Lage sind, unterschiedliche Schreibstile, Argumente oder auch nur Namen auszutüfteln. Sockenpuppen ausfindig zu machen ist meist so enttäuschend einfach, dass es manchmal kaum Spaß macht.

Cranks

Cranks können durchaus kluge und manchmal sogar freundliche Leute sein – die sich nur leider in ein eigenes System völlig eingesponnen haben. Ob es um Einsteins Relativitätstheorien, die Evolution der menschlichen Familienrollen, Gott, UFOs oder den Zusammenhang von Farben, Zahlen und Politik geht – Cranks sind der Auffassung, im Alleingang grundlegende Wahrheiten entdeckt zu haben und dafür höchste Anerkennung zu verdienen. Sie können einfach nicht verstehen, dass der Rest der Welt davon nichts wissen will. Also nutzen sie das Internet, um an allen möglichen Stellen für ihre “Entdeckungen” zu werben und fühlen sich durch die Zurückweisungen nur in ihrer Rolle als tapfere Streiter wider die Verschwörung gegen die verborgene und verdrängte Wahrheit bestätigt.

Tragischerweise haben viele Cranks in ihren Systemen durchaus interessante Gedanken eingewoben – doch ist es leider fast unmöglich, darüber mit ihnen zu diskutieren. Denn sie finden, dass alles auf das Gesamtpaket hinaus laufe und also der einzelne Gedanke nicht für sich betrachtet und diskutiert werden kann.

Hater

Sie hassen Frauen. Erfolgreiche Menschen. Menschen mit anderer Hautfarbe oder Religion. Menschen, die überhaupt eine Religion haben. Wissenschaftler. Künstler. Kinder. Tiere. Oder eben auch einfach Blogger, die über Themen bloggen, die sie aufwühlen.

Was im Einzelfall im Leben der Hater schief gelaufen ist, lässt sich online kaum rekonstruieren. Aber für sie ist das Netz eine – die – Gelegenheit, meist im vermeintlichen Schutz der Anonymität ihren Hass auszuleben und sich in Machtfantasien zu ergehen. Dass sie sehr unglückliche und bemitleidenswerte Menschen sind, merkt dabei jeder, was ihren Hass weiter verstärkt…

Ein Song für Trolle

Kluge Bloggerinnen und Blogger “füttern Trolle nicht” – das heißt, sie ignorieren oder löschen sie. Nur selten gelingt es, Trolle in konstruktive Diskutanten zu verwandeln. Sie gehören zum Hintergrundrauschen der Online-Welt und sind eine gute Erinnerung daran, dass wir Menschen nicht so rational und freundlich sind, wie wir uns selbst gerne sehen würden. Außerdem stärken sie durch ihre Besuche und Kommentare ausgerechnet die Blogs und Foren, die sie gerne bekämpfen würden. Es wird also Zeit, auch einmal ironisch “Danke!” zu singen.

Daher hier eine klassische “Liebeserklärung” an alle Trolle, der ich mich gerne anschließe:

Da der Song auf Englisch ist, hier der Liedtext, neudeutsch – die Lyrics:

Well hello friend Mister Insightful
Thank you for your comment on my little Youtube clip!
Most people say you’re cruel and spiteful,
But you’re right, how do I sleep at night? I am a massive prick.

They call you hater well they’re just jealous
Your constructive pearls of wisdom give me thrills I can’t deny
How will we know if you don’t tell us
We could improve our Youtube channels by “fucking off and dying”?

Some might say you are a…
Sexually aggressive, racist, homophobe, misogynistic,
Cowardly, illitterate, waste of human skin,
Sexually aggressive, racist, homophobe, misogynistic,
Cowardly, iliterat, waste of human skin,
But I say: thank you beautiful stranger.

I love the way you don’t upload things
You know we’d be too dazzled by your cinematic vision
But you’re there on every comment string
Where you teach us, just like Jesus but while wanking like a gibbon.

I’m really sure that if I met you
You probably wouldn’t rape me like you promised that you would
We are like “that”; I really get you
You’re right about that laughing kid, he is a total “cnut”.

(Samba instrumental)

You wished me cancer and misspelled “cancer”
But I know that it’s a metaphor. You hope that I will grow,
Just like the tumour you hoped would kill me
Inside the tits on which you said you’d also like a go.

You said that girls shouldn’t do funny
But you’d fuck me double hard and let your mates go after you.
Oh what a line you lovely honey.
Are you on e-harmony? Oo! I’ll join the queue!

Some might say you’re a…
sexually aggressive, racist, homophobe, misogynistic,
cowardly, illitterate, waste of human skin,
sexually aggressive, racist, homophobe, misogynistic,
cowardly, iliterate, waste of human skin.

But if it wasn’t for you my darling,
I would never have written this tune.
Some might say that You’re So Vain,
But this song is all about you!

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

32 Kommentare

  1. ein Typus fehlte noch:

    und zwar: die Andersmeinenden.

    Das sind erfahrungsgemäß diejenigen, die regelmäßig als ‘Trolle’ bezeichnet werden. Lustigerweise auch und gerade in wissenschaftsnahen Blogs.

    MFG
    Dr. Webbaer (der eher zur Unterscheidung “Kommentator/Meinungsbeitragender – Störer” rät, man meint oft den Störer (der dem Inhalteangebot bewusst oder unbewusst schaden will), bringt es aber in Zusammenfassungen dieser Art oft nicht auf den Punkt)

  2. Hater

    Hater

    (…) Oder eben auch einfach Blogger, die über Themen bloggen, die sie aufwühlen.

    Was im Einzelfall im Leben der Hater schief gelaufen ist, lässt sich online kaum rekonstruieren.

    Das sind die Problemfälle, man darf sie auch Störer nennen.
    In der Tat haben Hater etwas Pathologisches und sind am besten zu ignorieren oder pastoral irgendwie anzuwürgen, manchmal wird die Zensur zwingend erforderlich. – Am besten aber abtropfen lassen, was am ehesten den Aufwand gering zu halten ist.

    Also auch den Hater nicht als ‘Troll’ bezeichnen und ihn nicht öffentlich anzugreifen, denn das motiviert ihn nur.

    Man kann es auch so zusammenfassen: Nie andere als ‘Troll’ bezeichnen, es gibt keine ‘Trolle’, sondern nur Störer.

    BTW: Der Begriff des Trollings oder des Trolls ist u.a. auf das skandinavische Fabelwesen zurückzuführen, dass nach Abschlagen des Kopfes vital bleibt, der Kopf wächst nach, und war ursprünglich auf Falschnachrichten gemünzt, die immer wieder hochkamen.

    Die Personalisierung des ‘Trolls’ ist nach Kenntnis dieses Kommentatoren im deutschsprachigen Raum erfolgt und scheint der deutschen Mentalität zu entsprechen, sich also gelegentlich über andere zu erheben.

    HTH
    Dr. Webbaer

  3. @Claudia Sperlich

    Oh ja, die Nazis – organisierte Hater. Auf ihrer Drohseite Nürnberg 2.0 habe ich ja einen eigenen Steckbrief als erster Religionswissenschaftler. Ich betrachte das als “Auszeichnung” fürs Web-Engagement.

    Freut mich, dass Dir der Blogpost gefallen hat!

  4. “Michael Mannheimer”

    Oh ja, die Nazis – organisierte Hater. Auf ihrer Drohseite Nürnberg 2.0 habe ich ja einen eigenen Steckbrief als erster Religionswissenschaftler.

    Das sind ja keine Nazis, sondern Rechte, die den Sozialismus hassen.

    Breivik ist ja auch kein Nazi, Pro-NRW ebenso nicht.

    MFG
    Dr. Webbaer (der hofft hier richtig verstanden zu werden)

  5. @Webbaer

    Der obige, englischsprachige Song bezieht sich ja auf “Hater” und zeigt “Don’t feed the Trolls”. Mutmaßungen über eine “spezifisch deutsche Mentalität” im Umgang mit Störern greifen da also nicht. M.E. bearbeiten konstruktive Web-Aktive vielmehr gemeinsame Erfahrungen und entwickeln humorvoll kulturelle Umgangsformen, die das Web (oder zumindest seine seriösen Regionen) dringend braucht.

  6. @Blume

    Der Webbaer hat vor dem Song abgebrochen zu lesen. Auf Vids zu klicken ist nie sein Ding geworden…

    Sie werden wohl recht haben, aber Trolle sind nun einmal eine Art Hoaxe, beachten Sie vielleicht dass Dr. W seit mehr als 30 Jahren im Bereich der netzwerkbasierten Kommunikation unterwegs ist, auch multilingual; richtig ist natürlich, dass es in puncto allgemeine Webkompetenz hier Verschiebungen gegeben hat.

    MFG
    Wb

  7. Trolle und Andersdenkende

    Der Crank ist ja in der Regel leicht zu identifizieren, anhand der obigen Kriterien. Der Crank nutzt das Forum, um auf seine Lieblingsidee aufmerksam zu machen – egal, ob es zum Thema passt oder nicht. Er kritisiert die Wissenschaft immer sehr grundsätzlich und beklagt eine Verschwörung gegen seine Idee.
    Der vom Wb eingeführte Andersdenkende wird in Blogs aber oft recht schnell als störend empfunden und dann als Troll diffamiert – entweder von den Bloggern selbst oder den Mitkommentatoren. Das gelingt, weil man sich ja nie über die Intention eines Kommentators sicher sein kann: Meint er es ernst oder will er stören? Und so kann man dem Andersdenkenden auch bequem einfach eine böse Absicht unterstellen.

    Bei manchen Blogs hat man doch den Eindruck, dass sich hier am virtuellen Lagerfeuer Gleichgesinnte an einem Thema wärmen und sich gegenseitig bestätigen wollen. Das ist schön kuschelig und wenn dann einer daherkommt und sagt, dass er mit dem Thema nichts anfangen kann oder es anders sieht, fängft er sich schnell ein “Troll Dich!” ein.

    Wer am Lagerfeuer sitzen darf und wer der Troll ist, bestimmt letztlich der Blogger, weil das die einzige praktikable Möglichkeit ist. Ich habe jedenfalls den Eindruck gewonnen, dass die Zahl der an einer Diskussion aktiv teilnehmenden Blogleser stark rückläufig ist. Es sind immer dieselben.

  8. @Stefan

    Die Beobachtungen teile ich – wobei es dazu m.E. kaum eine Alternative gibt. Wenn sich eine Diskussionskultur durchsetzt, wird dies immer auf das Abdrängen Nicht-Passender hinaus laufen. Wenn nicht, bleibt es wie bei YouTube, Welt online etc. bei oft hingerotzten Kommentaren ohne echte Diskussionen.

    Als Blogger hat man m.E. nur die Wahl, die Prozesse laufen zu lassen oder mit zu gestalten. Tut man nichts, so riskiert man aber auch die Beteiligung der konstruktiven Diskutanten. Rückblickend denke ich, ich hätte viel früher Grenzen ziehen sollen.

  9. Ich lese hier und auf den scienceblogs viel mit und schreibe dabei so gut wie keine Kommentare. Dabei frage ich mich aber immer unter welche Trollunterkategorie man den Webbären einsortieren kann. Ich persönlich würde ihn ja weniger als Troll sondern mehr als Kobold sehen.
    Klein, schlau und mit einem höllischen Spaß daran Leute zu verunsichern und etwas Chaos zu stiften.
    Ich zweifle allerdings hier und jetzt keine Sekunde daran, dass der angesprochene meiner Einschätzung innerhalb der nächsten Stunde widersprechen wird.

  10. @Michael Blume: ein Paradigmen-Troll?

    Danke für diese Meinungsdarstellung, auch wenn ich (vielleicht als Troll?) inhaltlich außer bei den Sockenpuppen nicht ganz mitgehe.

    In der Diskussion zu Ihrem oben verlinkten Blog wurde nämlich das Problems mit dieser Einteilung schon (aus meiner Sicht treffend) angesprochen: Viele (fast alle) Argumente beruhen auf Paradigmen. Wer ein anderes Paradigma also nicht teilt wird das darauf beruhende Argument nicht verstehen. Wenn er das Paradigma nicht versteht, wird er den Verfasser als Basher einstufen, manchmal als Hater. Und wenn sich der Verfasser dann bemüht, diesen Paradigmen-Unterschied herauszustellen – dann ist er nach obiger Definition spätestens im Wiederholungsfall ein Crank.

    Ich will damit nicht behaupten, dass es nicht auch unappetitliche Kommentare geben könnte (wie vorstehend). Doch gerade für die oben angesprochene Gruppe beruht vieles auch auf einem Versagen der Gesellschaft – das Problem liegt also (obgleich ich deren Ideen nichts abgewinnen kann) nicht nur in oder an dieser Gruppe. Aber es gibt doch Brillen, durch die wir die Welt sehen – und jeder hat seine Lieblingsidee, jeder hat seine Theorie der Welt. Und wir alle argumentieren aus dieser unserer ureigenen Theorie heraus.

    Dieses Problem ist nun in der Tat eines von Blogs. Denn in der gedruckten wissenschaftlichen Auseinandersetzung erscheinen die Argumente aus anderen Paradigmen oft gar nicht erst – sie werden vom Peer-Review verschluckt. Und selbst wenn dies nicht der Fall wäre, die Varianz der Paradigmen wird im Wissenschaftssystem gezielt klein gehalten: Man muss darin ja mehrere Jahre ausgebildet und hochgelobt worden sein – und wer verinnerlicht nicht in ca. 10 Jahren das Paradigma (nicht einzelne Aussagen) seiner Wissenschaft und seiner Ziehväter als die Wahrheit?

    Die ganz großen Wissenschaftler, die Paradigmen geändert haben, die waren dann oft auch Autodidakten. Sie haben sich ihr Weltbild gezimmert, sie hatten ihre Leitidee – und sie konnten oft nur dann zu Lebzeiten überzeugen, wenn sie harte Fakten zum Beweise hatten.

    In Blogs ist das aber ganz anders: Da kann jeder wissenschaftlich Interessierte mitschreiben. Und damit ist die Spannbreite der Paradigmen größer. Schließlich hat man zwar oft das Paradigma der eigenen Wissenschaft verinnerlicht, aber meist seine Alltagsmeinungen und -paradigmen in den anderen Wissenschaften behalten. Die Mehrzahl der Paradigmen beruht also nicht mehr unbedingt auf demselben Paradigma.

    Dazu kommt noch die Kürze der Kommentare, die oft geradezu zu Missverständnissen einlädt. Denn die Offenlegung von Paradigmenunterschieden zwingt meist zu längeren Ausführungen, umso mehr, als man online meist nicht weiß, was man als bekannt voraussetzen darf.

    Aus meiner Sicht gibt es daher schon einen prinzipiellen Weg, hinaus aus der Einheitskultur. Allerdings ist der wohl nicht immer zeitlich umsetzbar. Denn prinzipiell könnte man ja bei jedem unverstandenen Argument nachfragen, könnte das Unverstandene so wieder in die Diskussion einschleusen und darüber sicher teils zu neuen Erkenntnissen kommen, oder?

  11. @Noit Atiga

    Vorab: Sie sind keinesfalls ein Troll, sondern ein sehr geschätzter Diskutant. Und, ja, jede Form von Gesellschaft funktioniert nur auf Basis geteilter Paradigmen. Grenzen können da zu eng oder zu weit sein. @”Judenjaeger” ist gespeichert & gelöscht, rechtliche Schritte behalte ich mir vor.

  12. Trolle und Andersmeinende

    Das gelingt, weil man sich ja nie über die Intention eines Kommentators sicher sein kann: Meint er es ernst oder will er stören? (Stefan)

    Das ist ja auch nicht die Frage, die man sich stellen muss. – RL stellt sich diese Frage dagegen sehr wohl, abär eben nicht im Web [1] …

    Wer einfach normal geübtes Verhalten ins Web überträgt, macht was falsch und muss an seiner Webkompetenz (eine vglw. neue Kommunikationskompetenz, die aber zunehmend an Bedeutung gewinnt, einfach weil bald jeder durchgehend mit dem Web verbunden ist und über das Web kommuniziert).

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1] man liest es einfach nicht oder “überfliegt” es und … vergisst es bedarfsweise

  13. Nachtrag

    Was man im Web auch lernen muss, ist Folgendes: Man schreibt einen Artikel oder Meinungsbeitrag und erhält dann eine merkwürdige Nachricht, die man nicht ganz versteht, oder direkte, vielleicht auch ruppig gehaltene Gegenrede…

    Was macht man da? – Andere lesen mit, man könnte jetzt einen persönlichen Angriff wittern, vielleicht war auch Polemik dabei, über die man sich geärgert hat, man fühlt sich (fälschlicherweise) öffentlich bloßgestellt.

    Und hier hilft dann das dicke Fell, und zwar von einer Dicke, die man RL gar nicht gewohnt ist, die man vielleicht gar nicht aufgebaut hat…

    MFG
    Dr. Webbaer

  14. Troll und Elch

    Ich weiß nicht, ob man Beitrag es wirklich wert ist, hier reingestellt zu werden, aber auf Verdacht lasse ich die Welt mal an den folgenden Gedanken teilhaben:

    Hater, Cracks und Kritiker sind eigentliche alle 3 keine richtigen Trolle, weil ihnen ein wesentliches Merkmal fehlt: Die mangelnde (!) Ernsthaftigkeit. Ein Troll war ursprünglich im Usenet (und vielleicht noch in einigen Mailbox-Netzen) die Bezeichnung für einen Beitrag (richtig, der Beitrag, nicht die Person), der absichtlich provozieren und Aufmerksamkeit auf sich ziehen will. Der Autor so eines Beitrages war ein “Elch”.

    Ein Troll ist also im Grunde genommen ein Provokateur, der Aufmerksamkeit sucht und das, was er schreibt, eigentlich gar nicht ernst meint. Das kann alles mögliche und unmögliche sein. Klassischerweise hat es aber was mit Betriebssystemen und Computertechnik allgemein zu tun.
    Gegen *diese* Gruppe von Personen wurde früher der Ratschlag gegeben, “don’t feed the trolls”. Zum einen, weil damals Speicherkapazität und Übertragungsvolumen knapp war und daher die Antworten auf ein Trollposting schon eine technische Belastung werden konnte (mal abgesehen von der Zeitverschwendung, die sich dann ergibt), zum anderen aber auch, weil den Trollen dadurch natürlich der Spaß vergeht.
    Solches Trollverhalten ist auch im RL bei Künstlern, insbesondere Satirikern, aber sogar unter Wissenschaftlern zu finden. Auch völlig normale User können ab und zu Trollverhalten zeigen. Das hat da allerdings einen anderen Sinn, es dient dazu, dem angesprochenen Thema durch zugespitzte Formulierungen und Antithesen Aufmerksamkeit zu schenken.

    Nicht ganz so harmlos und “normal” wie Trollverhalten ist dagegen das Verhalten der sog. “Hater”.
    Das sind Leute, die wirklich über Monate oder Jahre die Webpublikationen (sei es auf Videoporatalen, Blogs oder Foren) einer bestimmten Person folgen und dort ihre Hassnachrichten hinterlassen. Vielleicht ist es nicht bei allen Hatern was persönliches, aber die Gefahr besteht auch dann, wenn in geringeren Maße.
    Ich denke, diese Phänomen hat mit eigentlichen Troll-Verhalten weniger zu tun. Aus dem RL ist es vielleicht auch weniger bekannt. Allerdings sollen auch Zeitungen oder einzelne Schriftsteller/Intellektuelle in der Vergangenheit solche Hassbotschaften bekommen haben, wahrscheinlich ist das eher damit verwandt.
    Wenn man an solche Dinge im Hinterkopf wie Leute, die Prominente stalken usw., dann kann man sich denken, dass das sehr viel ernsthafter und auch unangenehmer ist als bloßes Trolling (im eigentlichen Wortsinn) es je sein könnte. Auch wenn die meisten Hater nicht so weit gehen würden, so investieren sie persönlich eine Menge Energie in solche Kommentare und das Verfolgen der von ihnen doch angeblich verabscheuten Publikationen.

    Crackpots dagegen sind wieder ein ganz anderes Phänomen und müsste meines Erachtens gesondert gewürdigt werden. Bei der Behandlung dieser Gruppe von User spielen auch andere Themen eine wesentliche Rolle, wie z. B. Wissenschaftstheorie (wieso ist seine These keine echte Wissenschaft, falls sie es nicht vielleicht doch ist), das jeweilige Fachgebiet auf dem der Crackpot sich bemüht (wo liegt eigentlich sein Fehler) und natürlich die mehr sozio-psychologische Frage nach der Motivation des Crackpots.
    Dahin kann sich im Zweifelsfall alles verbergen, vom Wissenschaftler der lautstark eine seriöse, aber veraltete/unpopuläre Hypothese vertritt, über den Hobbywelterklärer, der das Internet als Plattform nutzt und den hasserfüllten Gegner einer bestimmten wissenschaftlichen Theorie bis zur eher “innerlich verzweifelten” Person, die (s)eine religiöse oder philosophische Weltsicht gegen die neuere Erkenntnisse der Wissenschaft verteidigen will (Evolution vs. Schöpfung, Raumauffassung bei Einstein/moderne Geometrie vs. absoluter Raum bei u.a. Euler/Kant). (Bei letzterer Gruppe möchte ich anmerken, dass historisch gesehen viele berühmte Forscher auch für ihre Foschungen philosophisch oder religiös motiviert waren.)
    Wer weiß, vielleicht hat einer der Crackpots sogar einmal eine wahre Theorie vertreten, nur nimmt die wegen dem Medium in dem er publiziert kein seriöser Wissenschaftler ernst. Der größte Teil der Crackpots jedenfalls scheint mir außerstande zu sein, ihre Ideen zu beweisen, vielleicht auch weil ihnen dazu die Mittel fehlen…
    Insgesamt finde ich die “Cranks” eher tragisch als beängstigend oder unangenehm.

    Sockenpuppen dagegen ist ein Vorgehen, denen sich prinzipiell alle dieser 3 Gruppen bedienen können. Eigentlich kann jeder im Internet eine Sockenpuppe sein, auch wenn sich das für einen ehrlichen User natürlich nicht gehört. 😉

    Fazit ist also, dass Trolle (im eigentlichen Sinne) in der Regel noch die normalste dieser Gruppen bilden und deshalb auch separat genannt und behandelt werden sollten.

    Hoffe, ich habe euch jetzt nicht in den Schlaf gelangweilt. Bin dann mal wieder weg!

  15. @Anton Maier

    Lieben Dank, schlecht finde ich den Befund aber gar nicht. Ich begrüße Klarnamen, lehne aber eine entsprechende Pflicht ab.

  16. @Wegdenker

    Solid zusammengefasst, zu den ‘Trollen’ vielleicht noch: Jeder, der nicht 100prozentig ernsthaft zu einem Thema beiträgt, entweder aus Spaß nicht oder weil er eine Meinung vorstellt, mit der er sich nicht 100prozentig identifiziert – und wer tut das schon als moderner Mensch (oder Bär)? – ist ein ‘Troll’.

    Man könnte aber auch auf die Einstufung als ‘Troll’ verzichten und angenehmere Formulierungen finden – oder dbzgl. und sinnvollerweise gar nicht einordnen.

    MFG
    Dr. Webbaer

  17. @Michael Blume

    du hast es offensichtlich nicht gelesen. es geht darum, dass klarnamen nicht helfen zumindest auf großem maßstab

  18. @Anton Maier

    Schon klar und auch interessant. Nur habe ich mich doch m.W. nie für eine Klarnamenpflicht ausgesprochen… Die Studie widerlegt ja die Verrohungstendenzen im Web nicht, sondern zeigt nur, dass auch eine Klarnamenpflicht nur minimal helfen würde. Das scheint mir interessant und nachvollziehbar, aber auch nicht völlig überraschend. Nochmal danke für den Hinweis!

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