Tag der Deutschen Einheit 2022 – Festreden für CDU Filderstadt und CDU Leinfelden-Echterdingen
Längst bewege ich mich in akademischen und bildungsbürgerlichen Milieus (auch des wissenschaftlichen Bloggens), in denen das Engagement in einer demokratischen Partei eher so unauthentisch und bei der CDU fast unvorstellbar erscheint. Nur wenigen fällt auf, dass es gerade dieser herablassende Habitus sowohl gegen Nicht-Studierte wie auch gegen unsere Geschichte war, der mich als Arbeiterkind mit DDR-Hintergrund von manch “progressiven” Parteien eher entfernte.
Habe ihn gerne unterstützt, doch leider scheidet MdB Michael Hennrich bald aus dem Deutschen Bundestag aus. Foto: CDU Leinfelden-Echterdingen
Und am Beispiel Italien ist es nun doch einigen deutlich geworden: Wo die europäische Christdemokratie unterging, zersplitterte der bürgerliche Flügel in liberale, konservative und schließlich rechtspopulistische und faschistische Reste. Auch die Erfolge der französischen Nationalisten nach der Auflösung der traditionellen Mitte- und Mitte-Rechts-Parteien, das Umkippen der US-Republikaner in den Trumpismus und der britischen Tories in die Brexit-Sackgasse (oft verstärkt durch Mehrheitswahlrecht) lassen mich Schlimmes ahnen, wenn sich manch feuchter Traum erfüllen und die deutschen Unionsparteien dauerhaft schwächeln, ja untergehen würden. Und tatsächlich leiden auch sie unter Auszehrung – seit 1990 hat sich die Mitgliederzahl der CDU praktisch halbiert, auch die CSU ist gealtert und geschrumpft.
So sprach ich heute gleich zwei Mal zum Tag der Deutschen Einheit: Einmal am Vormittag bei meinem Heimat-Ortsverband Filderstadt, wo ich für 30jährige Mitgliedschaft geehrt wurde.
Rede zum Tag der Deutschen Einheit 2022 bei der CDU Filderstadt von Dr. Michael Blume, rechts der stellvertretende Stadtverbandsvorsitzende Tobias Oehler. Foto mfG: Elke König, Pressesprecherin
Und noch einmal beim Bürgerempfang der CDU Leinfelden-Echterdingen zum Thema Digitalisierung und Demokratie.
Was bleibt nach den klassischen Formen? Festrede zum Tag der Deutschen Einheit in der Zehntscheuer Echterdingen. Foto: Michael Hennrich
Während ich in L.E. frei auf der Basis von Stichpunkten sprach, hatte ich mir für Filderstadt eine duale Rede (also Redeskript hier online, aber freier Vortrag) vorbereitet. Denn es waren viele langjährige Freund:innen und meine Mutter anwesend, zudem wollte ich auch an Verstorbene – wie meinen Vater Falko (1950 – 2012) – erinnern. So hatte mir der Handwerker, Kommunalpolitiker und Freund Erhard Alber (1953 – 2022) einen Brief hinterlassen, in dem er Rückblick auf sein Leben hielt und eine Nahtodeserfahrung von 2014 schilderte; mich bat, darüber zu sprechen. Diesen Wunsch konnte ich ihm also nun erfüllen und habe das Skript meiner Festrede zum Tag der Deutschen Einheit 2022 bei der CDU Filderstadt hier auch als pdf online gestellt.
Ein Vorbild im Ehrenamt, der mit Familie und Freunden für unsere Demokratie einstand: Erhard Alber. Foto: Michael Blume
Wo auch immer Sie im demokratischen Spektrum stehen – und auch, wenn Sie die Unionsparteien ablehnen sollten, bitte ich Sie doch eines zu bedenken: Jede lebendige Demokratie schöpft aus der Vielfalt der Parteien und Kandidierenden. Wie es keine Liga mit nur einer Fußballmannschaft geben kann, so auch kein Parlament mit einer Einheitspartei. Und die konfessionsübergreifenden Christdemokratien haben Europa nach dem 2. Weltkrieg und dem Holocaust entscheidend vorangebracht, versöhnt und auch geprägt – wenn sie auch etwa in Italien korrupt wurden oder auf soziale oder ökologische Fragen oft zu langsam reagierten. Mich verbindet mit Angehörigen aller demokratischen Parteien das Bewußtsein dafür, dass auch unsere Republik (wieder) scheitern könnte, wenn sich zu wenige Demokratinnen und Demokraten einbringen.
Ihnen allen noch einen schönen Tag der Deutschen Einheit, Danke für Ihr Interesse und alles, alles Gute!
@Hauptartikel
„Ich habe mich noch nie so geborgen und verstanden gefühlt, wie in diesem Augenblick. Doch dann kam der große Schock. Ich wusste auf einmal, dass ich wieder zurück musste, um für meine Enkelkinder da zu sein.“
Das ist ja nun wirklich eine vernünftige Einstellung. Kann man sich zum Vorbild nehmen. Wie man dazu kommt, genug Geborgenheit zu finden, da mag es wohl viele Wege für zu geben.
Wichtig allemal ist, dass man eben nicht nur für sich selber arbeiten muss. Man kann auch für Andere und das Ganze einiges mehr investieren. Vielleicht führt dies selber sogar wiederum zu Geborgenheit.
Kulturarbeit generell ist selber nebenbei meistens auch Arbeit an gemeinsamer Erkenntnis. Wissenschaft ist hier mit dabei, aber nicht damit alleine.
Wenn wir etwa Wege suchen, wie wir den Menschen in den armen Ländern helfen können, dann ist hier ganz vorneweg, wenn man dort in Bildung investiert. Das bringt sehr viel mehr als Einnahmen aus Rohstoffen oder auch Hilfsgeldern. Gerade wenn die Menschen in den jetzt schon heißen Gegenden noch mit dem Klimawandel klarkommen wollen, brauchen die eine florierende Binnenwirtschaft.
Was dort überall sich bemerkbar macht, dass ist dann auch unserer technische Vorsprung. Wenn wir den abbauen, dann kostet uns das nicht mal was. Im Gegenteil, wir brauchen dann nicht mehr die Welt mit allerlei Technik versorgen, und sparen dabei die Arbeitskraft ein, die wir wiederum in eigene Kinder investieren können.
Wir verlieren dabei nur Geschäftsmöglichkeiten, die wir aber gar nicht mehr brauchen, wenn wir unsere Hausaufgaben machen, und die Energiewende Wirklichkeit werden lassen.
Man muss jetzt nur davon runter kommen, immer mehr Wohlstand zu erarbeiten, auch wenn den keiner mehr braucht und man nur die Wahl zwischen Verschwendung und sinnloser Anhäufung von Vermögen hat. Das stört nicht nur Ökologie und Ökonomie, das beschädigt auch deutlich die eigene Beziehung zu Geisteswelten. Soweit man denn überhaupt eine hat.
“Wo die europäische Christdemokratie unterging, zersplitterte der bürgerliche Flügel in liberale, konservative und schließlich rechtspopulistische und faschistische Reste. ”
Ist es dann besser Rechtspopulisten und Faschisten in der Union zu haben, als dass diese zersplittert?
Als Religionswissenschaftler hat man vielleicht eine andere Sicht auf nicht in einer Partei sein, die seit Jahrzehnten konsequentes handeln gegen den Klimawandel verhindert.
Zur Frage der Zersplitterung statt Integration empfehle ich einen Blick zur europäischen und deutschen Linken, @Simon. Gerade auch in Italien gelang es der Linken nicht, Parteibündnisse zu schließen – wodurch sie trotz mehr Stimmen dem rechten, postfaschistisch geführten Block die Mehrheit überließ. Ich halte es also nicht für besonders klug, über politische Zersplitterung zu höhnen.
In Sachen Klimawandel – übrigens ein verharmlosender Begriff der US-Republikaner statt globaler Erwärmung – gehe ich in der Kritik auch an der CDU sogar einen Schritt über Sie hinaus, auch außen- und sicherheitspolitisch:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/ein-zweites-buch-leben-oel-und-glaubenskriege-neu-im-jmb-verlag/
Beste Grüße, bleiben Sie dran!
Konservatismus ist die Wahrung des Verfalls bis zum bitteren Ende. Dass das bittere Ende am Ende auch die Konservativen ereilt, und kurz davor zur Panik-Extremismus führt, ist im doofen Klugscheißer-Spruch mit drin.
Hundert Kilometer vorm Baum am Steuer eingedöst, alle Warnungen irritiert als lästige Fliegen nach rechts fortgewischt, bis das Auto einen gewaltigen Rechtsdrall bekam, dann voller Panik auf die Winsel-Notbremse, wenn der Baum bereits die Motorhaube spaltet und der Motor die Leber per Anhalter auf den Rücksitz mitnimmt – das ist in etwa der Werdegang der Konservativen. Nicht nur der deutschen oder heutigen, allgemein. Sie formen sich um die fettesten Schweinchen, die am Futtertrog immer zuerst fressen. Also merken sie auch zuletzt, dass der nicht mehr so reichlich nachgefüllt wird wie zuvor, und die kleinen Schweinchen ganz hinten nicht mehr nur aus Neid und Gier wild grunzen, sondern, weil sie allen Grund haben, vor Hunger auszurasten.
Es ist Futterneid, der uns zerreißt, die Unersättlichen wollen nicht Maß halten lernen, für den Rest bleibt nichts mehr übrig, über neue Futterquellen denkt keiner nach, weil es Ketzerei gegen den Allein Seligmachenden Kapitalismus und seine Propheten, die Finanzmärkte, wäre, und der sich sowieso zum Selbstläufer entwickelt hat, dem Allmächtigen Mammon, der die Welt mit unser aller destillierter, gebündelter Gier niederbrennt, ohne dass irgendeiner der Akteure etwas dagegen tun könnte – außer alle zusammen, doch dazu sind wir zu dumm. Zu konservativ.
Wir haben ein esoterisches Wirtschaftssystem, das predigt, man solle hemmungslos den Kühlschrank leerfressen und scheißen, wo man steht, durch Magie wird aus der Scheiße wieder Futter und fliegt auf Engelsschwingen in den Kühlschrank. Selbstverständlich ist der Kühlschrank leer, wir ertrinken in eigener Jauche, jeder klettert jedem auf den Rücken, um atmen zu können, und tritt wütend nach unten, damit ihm die Ersaufenden die Bananenschalen nach oben reichen, bevor sie die Chance hatten, sie selber auszulutschen. Kapitalismus ist Kettenbrief-Betrug, ein Pyramidenschema, das kollabiert, weil es kollabieren muss, mehr nicht. Eine Selbstmordmaschine mit verflucht guten Motoren, die ein anderes System genauso zu Extremleistungen boosten könnten.
Und die Konservativen? Geiz-Gier-Neid, mehr und mehr und mehr, mit aller Gewalt den Futtertrog schützen, auch vor neuem Futter. Wenn man sich einen Sozialstaat konsequent zu Ende denkt, bei dem Gier und Geiz den Ton angeben, kommt Auschwitz raus. Was zum Teufel erwarten Sie? Sie können den Leuten nicht das Brot wegnehmen und dann winseln, dass sie zu Kannibalen werden. OK, können Sie doch, jedem das Seine. Faschisten sind noch die Schlausten aller Konservativen. Zumindest sind sie konsequent.
Deutsche Einheit, das ist so Nineteens. 19 Jahrhundert, da hatten Europas Zwergstaaten noch die Macht, Imperien zu bilden, Völker zu versklaven, nationalistische Staaten zu bilden, indem sie einfach andere Nationen abschlachteten. Letzte Chance hat Hitler verpasst, schön, dass es nicht geklappt hat. Heute ist Deutschland Venedig, dass sich zwei Stadtteile wieder vertragen, sind Regionalnachrichten in der Lokalzeitung. Ich will keinen Euro-Hitler und auch kein Weltreich, aber eine echte, demokratische Vielvölker-Föderation käme jetzt echt nicht schlecht. Würde zumindest helfen, sich aus postamerikanischen Diadochenkämpfen rauszuhalten, wie dem in der Ukraine. Ist auch nicht unbedingt gesund, der Dümmste und Schwächste im Kannibalenrudel zu sein, wie wir gerade an der allgemeinen Abzocke der EU über Gaspreise und Inflation merken. Der Fetteste zu sein, macht einen nicht zum Sumo-Ringer, sondern zum Leckerbissen.
Ein Walkadaver, ein Hai im Osten, ein Hai im Westen, viele kleine Piranhas drum herum, viele Maden und viel Leichengift im Innern. Kommt mir bekannt vor. Aus dem einen oder anderen Geschichtsbuch.
Respekt vor der Geschichte? Die Progressiven wiederholen sie, weil sie sie nicht kennen, die Konservativen, weil sie sie kennen, aber auf Sie scheißen. Wenn Sie mir Respekt erweisen, dann bitte auf die progressive Weise. Spart Seife, um den Vogelschiss abzuwaschen.
@Paul S
Da haben sie sich ordentlich an den Konservativen und dem Konservatismus abgearbeitet. “Wenn man sich einen Sozialstaat konsequent zu Ende denkt, bei dem Gier und Geiz den Ton angeben, …” kommt die Agenda 2010 heraus. Die entwarfen Soziale und Grüne. “Ein Frühling der Erneuerung, Bewegungsangebote”, so Göring-Eckhardt. Diese sozialgrüne Politik hat in Europa den größten Niedriglohnsektor geschaffen, Werkverträge (Fleischindustrie) und Leiharbeit in nie genannten Ausmaßen. Eine solche menschenverachtende Politik hätte ich niemals der Partei von Willy Brandt zugetraut. Da sind mir konservative Menschen sympathischer, da weiß ich, was mich erwartet. Den Kuschelkurs gegenüber Putin erwähne ich nur der Vollständigkeit halber.
Lieber Herr Blume, bis eben hatte ich zu Ihrer Person keine Suchmaschine bemüht, noch über anderweitige Kenntnisse verfügt. Nun muss ich Sie aus einer meiner Vorurteilschubladen herausholen, ein neues Einsortieren wird wohl unmöglich bleiben. DDR-Kind, Junge Union, jetzt Antisemitismusbeauftragter, Sie machen es einem aber auch echt schwer.
Sehr beeindruckend ist die Erwähnung des Schatzmeisters der Partei, die Demokratie gäbe es nicht,wenn es ihn nicht gäbe. Klasse!
Danke, @Axel. Wo immer es gelingt, neue Wahrnehmungs- und Denkwege freizusprengen, ist ein wesentlicher Aspekt meiner wissenschaftlichen Arbeit bereits erfüllt. 🙂
Ihnen alles Gute, bitte bleiben Sie dran!
Die Rede bewegt mich sehr. Aus mehreren Gründen.
Nach längerer Krankheit und Pflegebedürftigkeit starb mein Mann, Vater unserer Kinder im Jahre 2012. Wir haben nie über Tod und Sterben gesprochen. Aber wenige Wochen vor seinem Tod hatte er eine der ehrenamtlichen, kirchlichen Mitarbeiterinnen gefragt, was wohl nach dem Tod kommt. Die einfache Erklärung dieser Frau war ihr fester Glaube daran, dass beim Herrn ein Zimmer auf sie warte.
Was Sie über das politische Engagement gesagt haben, darf ich durchaus als Kritik verstehen. 2001 wurde ich Mitglied einer Partei und gehörte ihr 20 Jahre an. Ich war Kandidatin für den Kreistag, Gemeinde- und Ortschaftsrat. Außerdem wurde ich mehrfach in den Vorstand meines Gemeindeverbandes gewählt. Durch Haustürwahlkampf oder Wahlkampfstände an den Wochenenden habe ich die Kandidaten für MdL und MdB unterstützt.
Nach meinem Umzug in den Nachbarkreis fand ich sofort wieder Anschluss und mir wurde vom Stadtverband die Kandidatur als Beisitzerin angeboten. Das empfinde ich bis heute als große Ehre, da ich weder Abitur geschweige denn ein Studium habe. Ich glaube, es ist nicht wichtig, wo man herkommt. Für manche Parteien zählen Studium und Promotion und finanzieller Wohlstand. Ich war “nur” mit einem promovierten Juristen verheiratet.
Die Entscheidung, meine Partei zu verlassen, ist mir schwergefallen. Es gab ein sehr positives Gespräch mit dem Vorsitzenden des Stadtverbands. Auf beiden Seiten ist keine Verbitterung aufgekommen.
Personen, die für ein Amt an der Spitze einer Partei kandidieren, haben programmatische Vorstellungen. Leider haben sich die Befürchtungen, die zu meinem Abschied geführt haben, bestätigt. Und ich war nicht die Einzige.
Man kann als einzelnes Mitglied nichts bewegen, aber man sollte sich nicht verbiegen müssen.
Dennoch haben Sie mit dieser Rede meinen wunden Punkt getroffen.
Sie gehören zu den wenigen Menschen, die Brücken bauen. Nicht jede hält. Aber ich sage aufrichtig Dank dafür.
Am heutigen Tag haben ua die Grünen im Bundestag an Walter Lübcke erinnert. Damals war es noch selbstverständlich, dass angesichts dieser schrecklichen Tat die demokratischen Parteien zusammengerückt sind und solidarisch waren. Wie sehr sich die Lage der Demokratie in unserem Land verändert hat, zeigt der Vorfall in Neu-Ulm im bayerischen Landtagswahlkampf 2023 als das Spitzenduo einer demokratischen Partei mit einem Stein beworfen wurde. Kein Wort der Solidarität aus der Partei von Walter Lübcke oder deren bayerischen Schwesterpartei. Es macht mich traurig. Manchmal wütend. Unduldsam und unsolidarisch.
Trotzdem: DANKE!
Vielen herzlichen Dank, @Marie H.!
Gerne möchte ich Sie von dem Eindruck freisprechen, meine Rede könnte “durchaus als Kritik” an Ihrem Lebenslauf verstanden werden. Sie haben, wie Sie schreiben, Jahrzehntelang Kommunal- und Parteipolitik mitgestaltet, sich ehrenamtlich eingebracht, Mitgliedsbeiträge bezahlt und zur Demokratie bekannt. Wenn dann auch irgendwann ein Punkt kommt, an dem es mit der eigenen Partei nicht weitergeht, ist das nach meiner Auffassung zu respektieren.
Auch ich hadere mit manchen bundespolitischen Personal- und Themenentscheidungen “meiner” CDU und würde mir vor allem mehr Mitweltschutz, mehr Einsatz für erneuerbare Friedensenergien und mehr europäisches sowie außenpolitisches Engagement wünschen. Allerdings bin ich nun seit über 30 Jahren engagiertes Mitglied und habe nicht vor, aufgrund kurzfristiger Weichenstellungen ins allzu rechtslibertär angehauchte Cadenabbia-Blau die Christdemokratie aufzugeben. Mir sind die Abertausenden oft großartigen Kommunal- und Landespolitikerinnen und -politiker viel wichtiger, die oft in Verantwortung stehen, konservative, progressive und bisweilen auch noch aufgeklärt-religiöse Positionen zu einer erfolgreichen und ehrlich technologieoffenen Politik verbinden. Womöglich findet ja in der Bundeszentrale in Berlin sogar mal wieder eine Besinnung auf mittel- und langfristige Themen statt, wie sie gerade auch einer werteorientierten Partei gut anstehen würden. Auch für die deutsche Autoindustrie möchte ich trotz der derzeitigen Shareholder-Value-Kurzsicht die Hoffnung auf Besserung noch nicht aufgeben.
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/enge-der-zeit-statt-technologieoffenheit-shareholdervalue-strategien-bei-boeing-und-mercedes/
Im Laufe der Jahrzehnte habe ich in der deutschen und auch internationalen Politik quer durch alle demokratischen Parteien hoch engagierte und anständige Menschen getroffen, die unser Vertrauen verdienen. Als beispielsweise die Menschenrechtsanwältin Amal Clooney angegangen wurde, habe ich mich auch beim Interview mit dem SWR für sie verwendet. Ob sie das überhaupt mitbekommen hat, weiß ich gar nicht und es tut auch nichts zur Sache. Medialer, dualistischer Hass kann vielleicht nicht immer verhindert werden, sollte aber nicht unwidersprochen bleiben.
Schon aus demokratischer Staatsverantwortung sollte nach meiner Auffassung die mediale und politische Polarisierung nie so weit gehen, dass gemeinsame Koalitionsregierungen unter Demokratinnen und Demokraten unmöglich werden. Als Ricarda Lang, eine Bundesvorsitzende der Grünen, in Crailsheim angegriffen wurde, habe ich dazu öffentlich und deutlich Stellung genommen – auch wenn das bedeutete, dass der Hass vor allem auf Telegram & TwitterX eskalierte und meine nächsten Veranstaltungen selbst unter Polizeischutz stattfinden mussten.
Ich sagte dort:
“Erst vor wenigen Tagen wurde auch hier in Crailsheim eine Bundesvorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, von Verschwörungsgläubigen aufs Übelste diffamiert und mit höhnischen, hasserfüllten Rufen und Pfeifen überschüttet.
Frau Lang stammt aus der gleichen Filder-Stadt wie ich, wir gehören unterschiedlichen, demokratischen Parteien an und haben zu manchen politischen Punkten eine unterschiedliche Meinung. Und, wissen Sie was? Ich finde das gut. Ich finde sogar, das muss in einer Demokratie so sein – erst Vielfalt ermöglicht die Freiheit der Diskurse und Wahlen!
Meine Eltern sind in der ehemaligen DDR noch unter dem Regime einer „Einheitspartei“ und einer „Nationalen Front“ aufgewachsen, die Vielfalt und Zweifel eben nicht zuließ. Der Name „Deutsche Demokratische Republik“ missbrauchte die Bezeichnung „demokratisch“, um Vertrauen zu erschleichen und Propaganda-Geschichten zu erzählen. Ich möchte in einem Land leben, in dem die Vielfalt der Religionen, Weltanschauungen und auch demokratischen Parteien nicht als Problem, sondern als Chance begriffen wird. Ich würde mir mehr Menschen in demokratischen Parteien – in allen demokratischen Parteien – wünschen. Aufgeklärte Demokratinnen und Demokraten sind zueinander keine Feinde, sondern miteinander Suchende auf dem Weg zu nie perfekten, aber immer besseren Antworten.”
Die ganze Crailsheim-Rede stünde hier:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/tag-der-weissen-rose-in-crailsheim-gedenkrede-fuer-den-ermordeten-hans-scholl/
An dieser positiven Grundeinstellung auch zu anderen, demokratischen Parteien ändert sich übrigens auch nichts durch einzelne Politiker wie den früheren Bundestagsabgeordneten Volker Beck, der nach meinem Geschmack antisoziale Medien allzu polarisierend bespielt. Seinen offensichtlich auch durch X geprägten Kommunikationsstil muss ich mir ja nicht zu eigen machen – die meisten Grünen tun das auch nicht. Zwischen dem Verhalten von Einzelpersonen und ganzen Parteien ist m.E. immer sorgsam zu unterscheiden.
Ihnen herzlichen Dank für das konstruktive Interesse und die starken, auch sehr persönlichen Drukos, mit denen Sie diesen Blog bereichern!
Ich muss darauf hinweisen, dass ich nicht wegen einer Einzelperson gegangen bin. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich den Herrn nicht mag. Für mich war es das deutliche Ergebnis der Mitgliederbefragung. Wenn so viele andere in meiner Partei durch ihre Wahl deutlich machen, dass sie eine andere Zukunft für die Partei wollen als ich, dann war da kein Platz mehr für mich und meine Vorstellungen.
Ich habe in den Jahren zwischen 2015 und 2020 mehrere Austritte erlebt. Alles übrigens Männer Ü60. Es war mein Irrtum zu glauben, dass die eine Minderheit seien.
Für mich bedeutet “Cadenabbia” weniger die Farbe und ihre Interpretation. Die Farbe nach dem Urlaubsort von Konrad Adenauer zu benennen, zeigt mir, wohin manche offenbar zurück wollen. In die 50er, als Politik noch männlich dominiert war.
Was wohl jemand wie Annemarie Griesinger darüber denken würde? Die erste Frau im Kabinett.