Stimmen & Texte in Religionen, Wissenschaft und Politik
Immer wieder wenn ich den Begriff “Schriftreligionen” höre, zucke ich innerlich ein wenig zusammen. Denn einerseits wurden religiöse Traditionen über Jahrzehntausende ohne sog. “Heilige Schriften” tradiert und einige Religionen wie das Ezidentum tun das auch heute noch (weitgehend). Und andererseits verzichtet keine sog. Schriftreligion – nicht das Judentum, nicht das Christentum, nicht der Islam – auf die Übersetzung des geschriebenen Wortes in das gesprochene Wort: Durch Rabbiner und Pfarrerinnen, durch Imame und Gelehrte. Gehört es denn nicht zum Problem der römisch-katholischen Kirche, dass sie Frauen weitgehend vom Predigtdienst ausgeschlossen und das Wort alleine einer abgeschotteten, machtorientierten Hierarchie aus Männern anvertraut hat?
Auch in der Wissenschaft steht die Vorlesung als gesprochener Vortrag neben der geschriebenen Publikation – und wird, so hoffe ich, durch das Internet sogar eher weiter an Bedeutung gewinnen. So war mein Seminarvortrag zum “Zeitalter der Falsifikation” nach Karl Popper nur an eine kleine Gruppe adressiert – hat jedoch via YouTube innert eines Jahres bereits über 1.300 Abrufe erreicht. Auch der Podcast “Verschwörungsfragen” entstammt der Wertschätzung des gesprochenen Wortes. Denn ich glaube, dass jede Tradition und Botschaft verliert, die sich nicht auch der urtümlichsten und also auch emotionalsten Kommunikationsform zu bedienen vermag: Der Sprache.
Und wenn es also auch drei anstrengende Studio-Tage mit viel heißem Ingwer-Tee für den Hals gekostet hat, so freue ich mich doch, Ihnen heute auch die selbstgesprochene Hörbuchversion von “Rückzug oder Kreuzzug? Die Krise des Christentums und die Gefahr des Fundamentalismus” ankündigen zu können, die ab dem 14.02.2022 als CD im Handel oder auch zum Download erhältlich sein wird:
“Rückzug oder Kreuzzug?” von Dr. Michael Blume als Papierbuch, eBook oder Hörbuch. Foto: Privat
Damit ist also mit den Bänden “Islam in der Krise” und “Warum der Antisemitismus uns alle bedroht?” meine gesamte Religionen-Trilogie selbst gesprochen erhältlich. Es ist ja auch eine krasse Vorstellung, dass nicht nur die eigenen Texte, sondern auch die eigene Stimme ggf. über den Tod hinaus fortbestehen und fortwirken darf. Ich muss aber zugeben, dass ich das für “Verschwörungsmythen” und auch kommende Bücher nicht mehr zusagen kann. Erst einmal möchte ich es also bei der Lesung der Religionen-Trilogie belassen.
Reden – und Schweigen zum Holocaust-Gedenktag
Denn “weil” ich das Reden für so wertvoll halte, erscheint es mir auch wichtig, manchmal bewusst zu Schweigen. So entwickelt sich der deutsche Gedenktag zur Befreiung des KZ Auschwitz am 27. Januar jeden Jahres zu einer Tradition der Parlamente, also des Bundestages und der Landtage.
So gedachte in diesem Jahr der Landtag von Baden-Württemberg in Ravensburg der ermordeten Sinti und Roma und erinnerte also zurecht daran, dass die mörderischen Verschwörungsmythen des Antisemitismus immer auch mit Antiziganismus und Rassismus einhergingen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann und ich trafen uns in seinem Dienstzimmer in der Villa Reitzenstein und beteiligten uns gemeinsam und schweigend am digital-öffentlichen Gedenken unter dem Hashtag: #WeRemember.
Auch Schweigen kann eine Botschaft sein: Erinnerung an die Opfer des antisemitischen Nationalsozialismus mit Ministerpräsident Kretschmann. Foto: Staatsministerium BW
Für mich ging es dann aber noch per Zug nach Berlin, wo ich gemeinsam mit dem Dienststellenleiter Andreas Schulze, mit Vorstand Michael Kashi von den jüdischen Landesgemeinden unseres Landes und mit Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt ein Ehrenessen für Inge Auerbacher geben durfte.
Denn die badische Überlebende des KZ Theresienstadt Inge Auerbacher hatte im Deutschen Bundestag bewegend und überzeugend gesprochen – und war nicht zuletzt auch deswegen der Einladung nach Berlin gefolgt, um ihre damals ermordete Freundin Ruth zu besuchen.
Auch im direkten Gespräch erlebten wir Inge Auerbacher und ihre Helferinnen und Helfer als engagierte und warmherzige Menschen, die aus der auch schmerzhaften Erinnerung Kraft für ein Zusammenleben in Vielfalt (den sozialpsychologischen Monismus) schöpfen. Es war beeindruckend zu erleben, wie sehr die Holocaust-Überlebende trotz allem erfahrenen Unrecht die Orte ihrer Herkunft, die schwäbische und deutsche Sprache liebt. Ich wünsche mir – und werde mich dafür einsetzen – dass in unserem Land eine Schule nach dieser beeindruckenden Frau benannt wird, die im Deutschen Bundestag auch Baden und Württemberg überzeugend repräsentierte.
Und der Kampf gegen Verschwörungsmythen bleibt auch Verpflichtung: Nach der Anti-Antisemitismus-Rede in Filderstadt bin ich für Montag vom Zusammenhalten-Bündnis nach Pforzheim eingeladen worden, um dort zu einer prodemokratischen und prowissenschaftlichen Menschenkette zu sprechen.
Fazit also: Das Schreiben, das Reden und das Schweigen – alles hat seine Zeit. Doch immerzu dürfen und sollen wir voneinander lernen.
Kleine Anmerkung @Michael Blume, das gleiche Problem wie die rk-Kirche haben auch die orthodoxen Kirchen, nur fällt uns das vom deutschen Standpunkt nicht so auf.
Weil wir selbstverantwortlich entscheiden, was auf und unter unseren Blogs erscheint. Von Ihrem Zerwürfnis mit Kollegen Schleim weiß ich nicht, aber finde Ihre schnellen Wechsel aus Verabschiedungen und Forderungen („Ich verlange hier sofort…“) ebenfalls zunehmend befremdlich. Für digitale Macht- und Identitätsspielchen fehlen auch mir Zeit und Lust. Wir alle – Sie bestimmt auch – haben sicher Besseres zu tun.
Ihnen alles Gute.
Liebe Frau Wünsch,
das ist ganz einfach: Für die Moderation dieser Blogs gelten nicht „Geschäftsbedingungen“, da wir Bloggerinnen und Blogger diese nicht als Geschäft, sondern im unbezahlten Ehrenamt leisten. Was wir dafür erwarten dürfen sind ehrliches Interesse und ein konstruktiver Umgang. Wir sind nicht fehlerfrei, aber wir bemühen uns – nicht selten über Hunderte, gar Tausende Stunden hinweg.
Mit Dank für Ihr Verständnis und freundlichen Grüßen
Michael Blume
Zum Beispiel jetzt gerade…
Sie „bestrafen“ das Freischalten und Beantworten jedes Kommentars durch immer weitere Nachfragen auf der Verhaltensebene. Das kostet unnötig Zeit und bringt fast nichts.
Lassen Sie es doch einfach mal gut sein bzw. beschränken Sie sich bitte konsequent auf die hier gebloggten Sachthemen. Dann schalte ich Ihre Kommentare auch weiterhin gerne frei. Das wäre dann auf einem Wissenschaftsblog konstruktiv.
Ich bringe es hier unter. Wie Sie , @Micheal Blume vorausgesagt haben, bildet sich eine Anti-Corona-Religion: https://sanus-religio.de/
Danke, @Joachim Fischer. Historisch gesehen waren übrigens Pandemien tatsächlich sehr religions-produktiv. Problematisch ist freilich, dass der naturromantische „Sanus-religio“-Ansatz die etablierte Medizin und vor allem Impfungen von vornherein dem Bösen zuordnet. #Dualismus
M.E. handelt es sich hier vor allem um einen Versuch, die Menschenrechte der Gewissens-, Glaubens- und Religionsfreiheit gegen eine staatliche Impfpflicht einzusetzen. Das könnten spannende Gerichtsurteile werden…
und hier noch ein Beleg https://gegenstimme.tv/w/wnCg84mrboVr2fBpY7bNBw?start=6m1s Alles drin, auch gegen die Beschneidung wird gehetzt…. Nur zu Dokumentationszwecken- für mich ist das bullshit.
@sanus-religio
Das entweder-oder zwischen Selbstheilungskräften und medizinischen Maßnahmen ist hier ja der Unsinn. Das beißt sich ja meistens gar nicht. Wobei man tatsächlich auch aufpassen muss, was Ärzte so vorschlagen. Das macht nicht immer Sinn, mal hat der Arzt keine rechte Ahnung, und es soll vorkommen, dass er auch mal nur Umsatz machen will.
Was gerade die Coronaimpfung betrifft, so ist es in der Tat suboptimal, dass die Impfung nicht komplett vor einem schwerem Verlauf und schon gar nicht vor einer milden Omikron-Infektion schützt. Da sind wirklich nicht die Ungeimpften dran Schuld.
Außerdem ist es noch mal eine Besonderheit, wenn sich Jüngere nicht zum Selbstschutz, sondern der Infektionsraten wegen Impfen lassen sollen. Das macht schon einen Unterschied. Soviel Zwangssolidarität ist nicht wenig verlangt.
Allerdings sieht es aktuell so aus, dass sich mit Omikron so viele bisher Ungeimpfte in Genesene verwandeln, dass eine Impfpflicht keinen Sinn mehr macht. Die Genesenen sind für die nächsten Varianten dann höchstwahrscheinlich auch hinreichend vor schweren Verläufen geschützt. Wer hier die Impfpflicht um des Prinzips wegen dennoch durchziehen will, macht sich des Paternalismus verdächtig. Und den brauchen wir wirklich nicht, meine ich zumindest.
Ich persönlich halte auch viel von Selbstheilungskräften, und im Zweifelsfall vertraue ich darauf, und gehe nicht gleich zum Arzt, wenn es irgendwo mal hakt. Mit 58 bin ich nicht mehr 20, und mit Zipperlein muss man dann auch leben. Und auch Vorsorgeuntersuchungen mag ich nicht wirklich, zumal oft sogar nachgewiesen ist, dass die nur Umsatz, aber keine wirklichen Vorteile bringen.
Etwa soll es sinnlos sein, Prostatakrebs früh zu erkennen, weil der sowieso tödlich ist, wenn er wirklich bösartig ist, was auch wieder eher selten ist. Da hilft dann weder Früherkennung noch Operation. Die meisten Prostataveränderungen sind eben recht unproblematisch, und am Besten ist es, sich da gar nicht erst darauf untersuchen zu lassen. So wird man dann nicht vorzeitig zu einem Krebspatienten, was ja wiederum auch psychische Folgen hat, die nicht unwesentlich sind.