Sterbehilfe, Suizid und das Leid derer, die bleiben – Interview mit Nina Ribi, Schweiz

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Als ich vor drei Wochen auf diesem Blog das Thema Cybermobbing und Suizid (“Selbstmord”) thematisierte, geschah etwas sehr Seltsames: Ich erhielt mehr Mails als Kommentare, in dem Absender ihre jeweilige Position nichtöffentlich vertraten. In einer Gesellschaft, die sonst fast alles auf großer Bühne thematisiert, fiel der Austausch von Meinungen zu “diesem” Thema schwer und selbstverständlich achte ich jede Bitte um Vertraulichkeit. Eine Zuschrift brachte mich jedoch besonders ins Grübeln. Die Schweizer Biologin und Autorin Filomena Nina Ribi, die ich hier auf dem Blog bereits zu “Verborgene Wunder einer Wiese im Tessin” interviewt hatte, schrieb mir von dem, was sie selbst erlebt hatte – und worüber sie mit einigen Jahren Abstand nun erzählen wollte.

Hier ist ihr Web-Interview.

* Liebe Nina, Dein Vater war Arzt, Universitätsprofessor und Direktor des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin an der Universität Zürich, sowie auch Präsident der Sterbeorganisation EXIT in der Schweiz. Kannst Du uns erklären, was es damit auf sich hat?

Mein Vater Meinrad Schär war ein Pionier der Schweizer Präventivmedizin und der Sterbehilfe. Er war Präsident der Sterbehilfeorganisation EXIT, die Personen mit hoffnungsloser Prognose und unerträglichen Beschwerden Begleitung beim selbstbestimmten Sterben bietet.

* 2007 hat sich dann Dein Vater auch selbst das Leben genommen. Im Vorgespräch hast Du mir gesagt, dies hätte Deine Einstellung zur Sterbehilfe verändert. Was ist da mit Euch geschehen?

Ich möchte zuerst zwei Arten des Selbstmordes unterscheiden: Suizid durch eine aktive Handlung, wie im Falle von EXIT, oder passiv durch das Unterlassen lebenserhaltender Massnahmen (Unterlassung lebensnotwendiger Medikamente, Nahrungsmittel oder Flüssigkeiten).

Jedes Jahr sterben in der Schweiz rund 1300 Menschen durch aktiven Suizid. Das sind mehr als 3 pro Tag. Mehr als durch Verkehrsunfälle und Gewalttaten. Weit mehr als 8000 Angehörige und Freunde erleiden jedes Jahr den Verlust eines Nahestehenden durch Suizid. (Initiative zur Prävention von Suizid in der Schweiz http://www.ipsilon.ch/).

In Deutschland gab es 10’144 Suizide im Jahr 2011. Das sind mehr als 27 Suizide pro Tag! Mehr als einer pro Stunde (Quelle: Statistisches Bundesamt https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/Todesursachen/Todesursachen.html).

Das Thema Tod und Sterben war für mich nie ein Tabu-Thema. In der Familie sprachen wir oft darüber. So wie auch andere Väter zu Hause sich über ihre Arbeit unterhalten. Für mich war es normal, dass ein Mensch, wenn er hoffnungslos und schwerkrank ist, selbstbestimmt über sein Tod entscheiden darf. Nun, ich hatte keine Ahnung.

Als mein Vater sich das Leben genommen hat, fühlte ich anschliessend eine tiefe Unruhe. Ich empfand sein Tod als „nicht richtig“, unnatürlich und besonders unruhig.

Der Körper besitzt ein Lebensdrang, sonst wäre es ja möglich nur indem man die Luft anhaltet, sich zu töten. Diese Lebensenergie und Lebenswille ist vorhanden solange der Körper irgendwie weiter funktionieren kann. Begeht aber jemand aktiv Suizid, tut er das, bevor sein Körper am Ende ist. Der Tod geschieht abrupt.

Meine beste Freundin ist im Alter von 21 an akuter Leukämie erkrankt. Nach mehreren leidensvollen Monaten hatte sie sich entschlossen nicht weiter zu kämpfen und auf weitere Chemoterapien zu verzichten, da die Chancen auf Heilung gering waren. So hat sie auch eine Knochentransplantation abgelehnt und ist kurz danach gestorben. Eine Art passiver Suizid. Ich konnte ihr Tod aber besser verarbeiten, weil sie „natürlich“ gestorben ist, und sich das nicht aktiv selbst zugefügt hat.

Ich empfinde den aktiven Suizid als eine Form von Gewalt, ausgeübt an sich selbst. Jeder Mensch, der so stirbt, hinterlässt Angehörige und Freunde, die ihr Leben lang mit diesem Gefühl von Gewalt und Schuld klarkommen müssen.

Der natürliche Sterbeprozess mit seinen Phasen kann für den Betroffenen selbst, sowie für seine Angehörige dazu dienen loszulassen. Bei der aktiven Sterbehilfe fehlt hingegen dieser Prozess, weil die Person, die sterben will, in dem Moment meistens noch nicht im Sterben liegt.

Ich finde es eine fast nicht zu bewältigende Bürde, zu wissen, dass jemand durch aktive Sterbehilfe sterben wird und womöglich sogar ein Datum festgelegt wurde. Dann kann es geschehen, dass manche Familienmitglieder informiert sind, während andere, die etwas dagegen hätten, nicht. Diese Belastung führt zu Streitereien zwischen den Angehörigen. Es geht ja schliesslich um Leben oder Tod.

Nachdem mein Vater gestorben war, ging es mir sehr schlecht. Ich fand zum Glück halt in einer Selbsthilfegruppe für Suizid-Hinterbliebenen. Dort traf ich Ehefrauen, Kinder, Väter und Mütter, die auch jemand verloren hatten, so konnten wir uns über dieses heikle Thema austauschen. Die meisten Familien zerbrachen nach dem Todesfall und das Leben war nachher nie mehr wie vorher. Ich lernte eine Frau kennen, dessen Tochter sich das Leben genommen hatte. Anschliessend hatte der Vater (ihr Ehemann) Selbstmord begangen, weil er mit dem Schmerz nicht mehr wusste wie umzugehen. Eltern die ihr Sohn verloren hatten, liessen sich scheiden, andere zogen sich komplett zurück. Jeder verarbeitete seine Trauer auf einer andere Weise.

Ich schmiss meine frisch betretene Arbeitsstelle hin und zog weit weg um neu anzufangen. Ich hörte auf zu rauchen, da die Nikotin-Entzugserscheinungen verglichen mit der Trauer für mich keine grosse Rolle mehr spielten. Und ich fing an regelmässig Sport zu treiben: Joggen um meine Wut abzubauen.

Leider bleibt man oft alleine mit dem Schmerz, weil die meisten Leute nicht wissen was sagen, also meiden sie einem. Ich kann nur raten, wenn ihr ein Hinterbliebenen kennt, fragt ihn einfach ob er darüber sprechen will oder nicht. Nicht wegschauen. Das schlimmste, was man tun kann, ist einen Hinterbliebenen alleine zu lassen und zu ignorieren.

Einige haben mir in Bezug zu meinem Vater gesagt „Es war doch absehbar, dass er sich irgendwann das Leben nimmt.“

Ja, es war absehbar, ich wusste es jahrelang, das machte es aber nicht erträglicher, im Gegensatz. Ich wusste, dass er sich aktiv das Leben nehmen würde, nur wusste ich nicht wann. Niemand hat es gewusst. Das war eine grosse Belastung. Wahrscheinlich hat er es uns nicht mitgeteilt, weil ihm bewusst war, dass einige Familienmitgliedern versuchen würden ihn daran zu hindern (ich auch)…

Schlussendlich soll jeder selbst entscheiden, wie er gehen will. Man sollte sich aber auch darüber Gedanken machen, dass einer geht, aber die anderen bleiben und die müssen ihr Leben lang damit klar kommen.

Auf solche Gefühle, kann man sich nicht vorbereiten.

* Das ist wahr, Nina. Mir hat es damals sehr geholfen, über den “natürlichen” Tod meines Vaters sprechen und schreiben zu können, statt zu schweigen. In vielen Deiner Bücher – so in “Der Tod beendet nicht alles” – setzt Du Dich schriftstellerisch mit dem Thema Tod und Jenseits auseinander. Hat Dir das auch persönlich geholfen, mit dem Geschehenen klar zu kommen?

Ich schreibe über unterschiedlichen Themen, die mich beschäftigen. Der Tod ist eines davon. Das Leben aber auch. Als ich mit 20 meine Freundin im Spital besuchen ging und  es in ihrer Abteilung nur Kinder mit Krebs gab, die nach und nach starben, hat mich das gezeichnet. Eine Nacht träumte ich, wie meine Freundin zu mir kam, um sich zu verabschieden. Sie sah kerngesund aus und war fröhlich wie lange nicht mehr. Als ich aufwachte wusste ich: sie ist jetzt gestorben. Ich schaute auf die Uhr und erfuhr am Tag danach, dass das ihr Todeszeitpunkt gewesen war.

Ich stellte mir die Frage „Sehe ich sie wieder? Gibt es ein Leben nach dem Leben?“

Mein Vater meinte damals „Nein, da gib’s nichts!“

Ich bin da anderer Meinung.

* Vom Studium her bist Du ja Biologin und in unserem letzten Gespräch ging es um Dein sciebook über die Wunder einer Wiese im Tessin. Daher möchte ich fragen: Gibt es so etwas wie Suizid eigentlich auch im Tierreich, oder nur bei uns Menschen?

Mir sind Fälle bekannt, wo Haustiere sich sterben liessen indem sie nicht mehr gegessen oder getrunken haben, weil ihr Herrchen gestorben war. Für mich ist das passiver Suizid.

Es existiert auch den programmierten Tod bestimmter Zellen im Körper. Zum Beispiel bei der Apoptose. Da sterben die Zellen durch die Aktivierung von Selbstmord-Proteinen. Das Nachbargewebe wird nicht geschädigt und es dient „zum Wohl des Kollektivs“. Das geschieht bei der Umwandlung von der Kaulquappe zum Frosch oder bei der Eliminierung entarteter Zellen beim Menschen um nur zwei Beispiele zu nennen.

* In meinem “Psyche und Fantasie des Menschen” hatte ich gerade auch im Hinblick auf meine Studierenden das Thema Selbstmord als Folge von Cybermobbing thematisiert. Über das Netz werden ja auch neue Formen psychischer Gewalt ausgetragen, aber auch neue Debatten angestoßen. Wie sollten unsere Gesellschaften Deines Erachtens nach mit dem oft tabuisierten Thema Suizid umgehen?

Das ist eine schwierige Frage. Manchmal gibt es Zeichen, dass jemand Suizid begehen will, aber manchmal auch nicht (oder man sieht sie nicht). Und manchmal weiss man es, aber kann nichts dagegen unternehmen.

Man sollte zuhören, beobachten und möglicherweise gefährdete Personen ansprechen. Und vor allem da sein.

Für detaillierter Informationen bezüglich Anzeichen einer Suizidgefährdung:

http://www.tabusuizid.de/mediapool/119/1193723/data/Flyer_Anzeichen_Suizidgefaehrdung_vierseitig_Website_kleinste_Aufloesung.pdf

* Liebe Nina, vielen Dank für Dein Web-Interview. Ich denke, dass es wichtig ist, dass unsere jugend- und leistungsorientierte Gesellschaft sich auch mit dem Thema Tod auseinander setzt und Mobbingopfer, Suizid-Gefährdete sowie Angehörige nicht alleine lässt. Danke, dass Du Deine Erfahrungen mit uns geteilt hast.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

20 Kommentare

  1. achja. und wenn jemand wochenlang in seinem leid dahninsiecht, kann man sich als angehöriger entspannt zurücklehnen, weil ja alles so schön natürlich abgelaufen ist.

  2. das ist dann natürlich ein anderer fall. sie schreiben ja nichts zu den hintergründen im falle ihres vaters. aus dem kontext entnahm ich, dass es in beiden fällen um eine eindeutige diagnose gieng.

  3. Seine letzte Predigt

    Der Suizid eines Menschen, der nicht todkrank war wirft natürlich eine Menge Fragen auf. Vor ein paar Tagen erhängte sich in Passau der kath. Studentenpfarrer Kuchar. Er wurde 42 Jahre alt. Die örtliche Zeitung schrieb: “Jeden Sonntag gab Kuchar ein Sonntagsblatt heraus. In die letzte, angeschlossene Fürbitte baute er dieses Mal Fürsprache für Selbstmörder ein: “Wir beten für alle, die freiwillig aus dem Leben gegangen sind. Gib ihnen den Frieden, den sie suchen, und hilf den Zurückgelassenen, sie gehen zu lassen.”

    Seine letzte Predigt trug die Überschrift “Verloren”. Darin heißt es: “Es gibt Menschen, die kann man wiederfinden, nach kurzer oder langer Suche. Was aber mit Menschen, die einfach gehen und sich nicht wiederfinden lassen? (…) Menschen, die gehen, gehen aus freien Stücken, weil anderswo der richtige Platz ist. (…) Und manchmal spürst du, dass du selbst verloren gegangen bist oder etwas in dir”.”

    http://www.pnp.de/…-betete-fuer-Suizidenten.html

  4. @Nina

    “Man sollte zuhören, beobachten und möglicherweise gefährdete Personen ansprechen. Und vor allem da sein.”

    Tja, aber was soll das bringen, wenn man diese Welt- und “Werteordnung” als SCHEINBAR unabänderlichen Prozess der zynischen und ignorant-arroganten Bewußtseinsbetäubung im geistigen Stillstand seit der “Vertreibung aus dem Paradies” erlebt, und das Alter als eine Auslieferung in Ohnmacht gegen die Systemrationalität zu befürchten hat???

  5. @ friedhelm

    Kein Angehöriger legt sich entspannt zurück, wenn der andere dahin siecht. Aber Leid, Schmerz, Krankheit und am Ende der Tod gehört nunmal zu unserer menschlichen Existenz dazu. Und nicht nur Jugend, Kraft, Erfolg, Schönheit, Sex ohne Ende und der ganz Kram. Aber das haben wir verlernt. Wir haben meist eine sehr eingeschränkte Sicht auf das Leben.

    Hier ist noch ein sehr interessantes Interview dazu.

    Franz Müntefering „Ich wünsche mir, dass ich sehenden Auges dahingehe“

  6. @ Martin Huhn / @ friedhelm

    Ich habe auch schon den natürlichen Sterbeprozess hautnah erlebt. Es ist nicht einfach, aber mit der Palliativmedizin kann man vieles erreichen.
    Heutzutage wird die Geburt und der Tod meistens in den Spital verlagert, früher fanden diese Prozesse zu Hause statt. Diese Verlagerung hat dazu geführt, dass man sich vor der Geburt und dem Sterbeprozess noch mehr fürchtet.
    Interessantes Interview von Franz Müntefering.

  7. Der Tod wird immer von Lebenden erlebt

    Jemand meinte einmal zu mir «Ob einer sterbe oder viele sterben, mache für die Betroffenen keinen Unterschied, denn jeder sterbe nur einmal».

    Was zuerst einleuchtet, enpuppt sich beim Nachdenken darüber als irreführend, weil von einem falschen Standpunkt aus gesehen: Die Toten wissen nichts mehr von dieser Welt, auch nichts mehr über ihren Tod. In Wirklichkeit sind die Lebenden vom Tod eines Angehörigen oder geliebten Menschen betroffenen – und das weit über den Tod hinaus. Der Tod gehört also letztlich zum Leben und zwar nicht nur zum Leben dessen, der geboren wurde und weiss, dass er sterben muss, sondern noch viel mehr zum Leben der Überlebenden, der Weiterlebenden.

    Wie man stirbt sagt damit sehr viel über die Haltung zum Leben aus und wie der Tod angenommen oder gewählt wird, ist letztlich eine Botschaft an diejenigen, die den Menschen kennen, der da stirbt und mit dem sie gelebt haben.

  8. @ Martin Holzherr

    “Wie man stirbt sagt damit sehr viel über die Haltung zum Leben aus und wie der Tod angenommen oder gewählt wird, ist letztlich eine Botschaft an diejenigen, die den Menschen kennen, der da stirbt und mit dem sie gelebt haben.”

    Das finde ich auch.

  9. herr holzherr, manchmal wachsen sie mit ihrer einsicht sogar noch über sich selbst hinaus.

    “wie man stirbt”, “wie… angenommen wird”. sehe ich da gar ein vermarktungspotential? “richtig sterben” — gibt es den ratgeber schon?

    vielleicht lässt mich hier meine auffassungsgabe im stich — aber wird hier ernsthaft darüber diskutiert, was gute und schlechte wege sind, seinen abgang zu gestalten?

    schön wenn man die wahl hat und dann auch noch alles genau nach plan funktioniert. da können dann ja alle zufrieden sein.

    da wäre es leicht noch etwas zynischer zu werden, aber halten wir uns mal zurück.

  10. Zynismus @friedhelm

    “schön wenn man die wahl hat und dann auch noch alles genau nach plan funktioniert. da können dann ja alle zufrieden sein.
    da wäre es leicht noch etwas zynischer zu werden, aber halten wir uns mal zurück.”

    Das brauchen Sie gar nicht, das haben andere bereits erledigt. Schließlich gibt es auch für Sterbende eine Kostenpauschale und wer diese überschreitet hat Pech gehabt.

    http://www.br.de/…schalen-fuer-sterbende102.html

  11. sozialverträgliches Frühableben

    war das Unwort des Jahres 1998 in Deutschland. Es spielt darauf an, dass ein Mensch mit Erreichen des Rentenalters volkswirtschaftlich betrachtet mehr Kosten verursacht, als er Nutzen bringt.

    Bekannt wurde der Begriff dadurch, dass ihn Ärztekammerpräsident Karsten Vilmar in einem Radiointerview mit dem NDR verwendete. Mehr auf Wikipedia

    “vielleicht lässt mich hier meine auffassungsgabe im stich — aber wird hier ernsthaft darüber diskutiert, was gute und schlechte wege sind, seinen abgang zu gestalten?”

    Ja, es geht in unserem System des “Zusammenlebens” FÄLSCHLICHER- / INTRIGANTERWEISE immer um gut & schlecht, arm & reich, usw.!

  12. @ Horst

    Letztens las ich ein Artikel, in dem die Arbeitsstunden zusammen gerechnet wurden, die Pensionierte ehrenamtlich leisteten (vom Babysitten als Grosseltern zu Fachexperten bei Firmen). Der Geld-Betrag war astronomisch gross.
    Ein anderer Artikel trug den Titel “Freiwilligenarbeit: Das Geschenk der rüstigen Rentner”. Fast jeder zweite Pensionierte gibt sein Wissen an jüngere Generationen weiter. Gratis, aber niemals umsonst: Ehrenamtliche Arbeit nützt der Allgemeinheit wie auch den Senioren selbst. http://www.beobachter.ch/…der-ruestigen-rentner/
    Diese Daten wurden wahrscheinlich 1998 noch nicht berücksichtigt.

  13. Sehr wichtiges Interview!

    Ich glaube, bei keinem anderen Artikel in diesem Blog fiel mir das Lesen so schwer. Zu dem ach so abgeklärten “muss jeder für sich selbst entscheiden”, dass ich schon in mehreren Diskussionen zu dem Thema gelesen habe:

    “Ein Suizid betrifft viele Menschen.

    Von jedem Suizid sind nach Schätzungen der WHO durchschnittlich deutlich mehr als sechs Personen betroffen. Nicht nur Angehörige, auch Freunde, Kollegen, Mitschüler etc. können in einem Maße betroffen sein, dass sie auch selbst Unterstützung benötigen. Der Trauerprozess nach einem Suizid kann erschwert sein und mehrere Jahre dauern.”

    Quelle:
    http://www.suizidpraevention-deutschland.de/…tml

  14. @ kunar

    Mit “jeder soll selbst entscheiden, wie er gehen will” meinte ich, dass man niemand zwingen kann zu leben wenn er selbst nicht will. Aber man kann natürlich versuchen die Lebensfreude der Person wieder aufzubauen.

    Dieser Satz hatte mich damals beeindruckt: “Sterben wollen die wenigsten, nur so wollen sie nicht weiterleben”.
    Quelle: “Suizid und Todessehnsucht – Erklärungsmodelle, Prävention und Begleitung” von Ebo Aebischer-Crettol.

  15. So isses

    Schlussendlich soll jeder selbst entscheiden, wie er gehen will. Man sollte sich aber auch darüber Gedanken machen, dass einer geht, aber die anderen bleiben und die müssen ihr Leben lang damit klar kommen.

    …halt.

    BTW, das Sterben ist eine Form von Gewalt, ausgeübt am Selbst.
    Was hier vielleicht ein wenig tröstet, ist der Sachverhalt, dass der Tod notwendig ist; ältere Menschen fürchten ihn auch oft nicht, sondern eher den Vorgang.

    MFG
    Dr. W (der eher am Rande noch anmerkt, dass Straftatbestände in diesem Zusammenhang ungünstig sein können)

  16. @Webbär

    Oha, wir sind hier einer Meinung! Was machen wir denn jetzt!? 😉

    @Nina

    Vielen Dank für das starke Zitat mit Quellenangabe! Du hast hier und auf FB wichtige Debatten angestoßen. Danke auch dafür – und für Deinen Mut, eine Perspektive auszusprechen, die sonst so oft verschwiegen wird.

  17. “Entscheidung für sich selbst”

    @nina

    Damit wollte ich Ihnen (ich gehe davon aus, dass Sie Nina Ribi sind) nicht widersprechen, sondern im Gegenteil sogar zustimmen. Ich empfinde dieses Interview als viel wichtiger (und besser) als den ersten Artikel.

    Beim Thema Selbstmord kann man so leicht in eine philosophische Ecke abgleiten… aber wenn es einen wirklich betrifft, dann sieht alles ganz anders aus. Ich wehre mich sehr gegen Stimmen, die das so abtun, als ob man das “nur mit sich selbst” verhandeln müsste, so als ob man einen einzelnen Menschen klinisch sauber aus der menschlichen Gemeinschaft entfernen könnte, ohne dass andere (und das sind besonders nahestehende Menschen) davon betroffen wären (und vielleicht selbst in lebensgefährliche Stimmungen geraten).

    Mir kamen sofort Erinnerungen hoch an eine andere Diskussion zum selben Thema: http://www.stefan-niggemeier.de/…#comment-155823 (mein eigener Kommentar – ich habe auf einige mir wichtige Diskussionsbeiträge verwiesen).

    Ich finde an dem Interview hier sehr wichtig, dass man zwar so aufgeklärt und offen über Selbstmord sprechen kann – aber wenn dann wirklich ein geliebter Mensche geht, dann ist man selbst sehr getroffen. Mit meinem Verweis auf die Forschung wollte ich nur zeigen, dass das ein allgemein bekanntes Phänomen ist.

  18. @ Kunar

    Vielen Dank Kunar für das Feedback 😉

    Übrigens, mir war der Werther-Effekt bekannt, und genau deswegen habe ich versucht so wenig wie möglich über die genauen Todesumstände zu sprechen.

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