Stehen Elon Musk und Donald Trump vor dem Sieg im US-Finale? Säkularisierung und die Enge der Zeit

Im Februar 2022 verspottete Elon Musk die kanadisch-demokratische Regierung um Premier Justin Trudeau mit einem Bild von Adolf Hitler. Außer mir protestierte laut Stuttgarter Zeitung aus Deutschland noch Meron Mendel dagegen. Sonst war dazu weitgehend Schweigen – auch von Leuten, die sich über den Antisemitismus bei Zuwanderern oder Linken schnell und laut empören.

Ich hatte übrigens bereits damals wörtlich gewarnt:

„Der Fall zeigt meines Erachtens, wie viel Arbeit noch vor uns liegt. Millionen stecken noch im Sumpf der Wissens- und Realitätsverleugnung und viele radikalisieren sich dort weiter.“

Die Radikalisierung ging immer weiter – und sowohl Musk wie auch die Trump-Kampagne verbreiteten immer mehr antisemitische Verschwörungsmythen, ohne auf ernsthafte Widerstände zu treffen. Der zunehmend rechtsdualistische Milliardär konnte nicht nur Twitter kaufen und zu X machen, sondern sich dort auch noch drei Wochen nach dem Hamas-Terrormassaker gegen Israel und den Raketenangriffen der Hisbollah aus dem Libanon mit dem Iran solidarisieren – ohne dass diese Konsequenzen gehabt hätte. Die meisten deutschen “Zivilcouragierten gegen jeden Antisemitismus” grummelten allenfalls leise “Nie wieder ist jetzt!” und sparten sich ihren Gratismut für Empörung über Muslime und linksgerichtete Politikerinnen auf.

In einem X-Post vom 28. Oktober 2023, drei Wochen nach dem Hamas-Massaker in Israel und Hisbollah-Raketenbeschuss aus dem Libanon, stellte sich Elon Musk an die Seite des Iran und beschuldigte die USA, diesen zu bedrohen.In einem X-Post vom 28.10.2023, genau drei Wochen nach dem Hamas-Terrormassaker und Hisbollah-Raketenbeschuss gegen Israel, solidarisierte sich Elon Musk mit dem antisemitischen Regime des Iran gegen die demokratische Regierung der USA. Screenshot: Michael Blume

Gemeinsam mit HateAid und Anwalt Chan-jo Jun versuchte ich deutsches und europäisches Recht zu stärken und errang vor dem Landgericht Frankfurt auch einen großartigen juristischen Erfolg – der dann aber vom OLG Frankfurt wieder bemerkenswert aufgehoben wurde. Als loyaler Bundesbürger und Staatsdiener kommentierte ich freundlich:

„Für Betroffene von digitaler Gewalt und ihre Familien ist heute ein schlechter Tag. Einen wehrhaften Rechtsstaat, der konsequent gegen Hass und Hetze vorgeht, stelle ich mir anders vor.”

Nach der Niederlage von Twitter im Dezember 2022 gegen Dr. Michael Blume und HateAid titelte die Stuttgarter Zeitung unter einem Foto von Elon Musk: "Nach Landgerichtsurteil: Steht Twitter in Deutschland vor dem Aus?"

Nach dem Erfolg mit HateAid gegen Twitter & Elon Musk vor dem Landgericht Frankfurt keimte kurz die Hoffnung, die deutsche Justiz könnte aus ihrem historischen Versagen gegenüber Adolf Hitler und Alfred Hugenberg gelernt haben. Screenshot: Michael Blume

Selbstverständlich gab es weltweit viele, die die Gefahr aus der Kombination von Trumps dualistischem Messianismus und rechtsdualistischer Medienmacht erkannten. Noch wenige Tage vor dem Hamas-Angriff beeindruckte mich meine US-Kolleginnen Ellen Germain und Deborah Lipstadt im US-Department. Die Vizepräsidentin der Anti-Defamation League (ADL), Marina Rosenberg, überreichte mir sogar ein Exemplar des neuen Buches ihres CEO, Jonathan Greenblatt (beachten Sie bitte auch mal die Kommentare unter seinem hier verlinkten Interview). Dieser ist kein Panikmacher, sondern ein politischer Profi und langjährig enger Mitarbeiter von US-Präsident Barack Obama. Sein Buch beginnt in Deutschland und trägt den drastischen, auf die USA bezogenen Titel:

“It could happen here.

Why America is Tipping from Hate to the Unthinkable And How We Can Stop It” 

Marina Rosenberg und Dr. Michael Blume im ADL-Hauptsitz in Washington DC, USA.

“Fighting Hate for Good” mit der ADL-Vizepräsidentin Marina Rosenberg in Washington, 5.10.2023. Foto: Staatsministerium BW

Also: Stehen der rechtsdualistische Fossilist Donald Trump und der sexistische Transhumanist Elon Musk vor dem Sieg im US-Finale?

Ich meine: Leider ja – und sogar dann, wenn es Kamala Harris doch noch gelingen sollte, die Präsidentschaftswahl in den USA zu gewinnen. Denn bereits Abermillionen Menschen, mehr Männer als Frauen, sind über antisoziale Medien wie X, TikTok und Telegram über Jahre hinweg thymotisiert und radikalisiert worden. Außer Brasilien hat sich noch keine Demokratie ernsthaft dagegen gewehrt.

Und noch immer setzen die meisten von uns noch immer stärker auf fossile Gewaltenergien als auf erneuerbare Friedensenergien: Auch wir Europäer finanzieren seit Jahren durch unsere Importe von Öl und Gas die Kriegszüge, Raketen, Propagandaaktionen und Terrorgruppen von Russland und Iran gegen die Ukraine und gegen Israel sowie die eskalierende Klima- und Wasserkrise mit.

Und auch etwa das Hochwasser in Niederösterreich führte doch gerade nicht zu einer Besinnung von FPÖ-“Volkskanzler Herbert Kickl“-Mitläufern, sondern zu einer weiteren Eskalation von Wettermanipulation-Verschwörungsmythen. Auch aus Baden-Württemberg erblühte nicht nur die Querdenken-Verschwörungsbewegung, sondern auch der rechtslibertäre Podcast “Hoss & Hopf”, der auf YouTube & TikTok mehr Reichweite erzielt als alle demokratischen Parteien zusammen.

Der Finfluencer Philip Hopf empört sich über eine Aufklärungsfolge von "Blume & Ince".

Der inzwischen wie Markus Krall in die Schweiz umgezogene Krypto-Finfluencer Philip Hopf fand die Folge von “Blume & Ince” zu seinem Podcäst offensichtlich nicht so super. Screenshot: Michael Blume

Und der Unterschied zwischen einer bisher 30%igen und 50+%igen-Zustimmung zu rechtsdualistischen Verschwörungsmythen bis hin zum Faschismus liegt im Mehrheitswahlrecht und vor allem der sozialen Mobilität

Bis zur Säkularisierung konnten sich Ärmere bei geringer sozialer Mobilität mit einem besseren Jenseits oder einer Wiedergeburt trösten. In der Moderne aber wollen wir Fortschritt, Aufstieg jetzt, sofort, im Saeculum (dem Jahrhundert, der Jetztzeit). Nur noch Rechtspopulisten bieten nun dazu die anti-elitären “dark MAGA”-Verheißungen, während demokratische Konservative, Liberale und Linke die Realitäten der Klimakrise und Demografie bearbeiten und immer wieder um Geduld bitten müssen. Die säkulare Enge der Zeit sprengt Familien, Gemeinschaften, Demokratien

Ein zorniger Mann in Orange und ein rechtslibertärer Transhumanist teilen sich die verbrennende Welt und das zu erobernde Weltall vor einem raketenhaften X auf. Fossilismus und Tescreal-Transhumanismus plus Verschwörungsmythen bieten einen thymotischen & messianischen Cocktail, der nicht nur die USA vergiftet. Michael Blume mit Leonardo.AI, Oktober 2024

Selbstverständlich gebe ich auch weiterhin nicht auf und lasse mich dabei auch mit roten Dreiecken und gelbem Judenstern markieren. Aber eine Bitte hätte ich an alle Leserinnen und Leser doch: Lasst Euch bitte von niemandem mehr sagen, man(n) habe ja nicht wissen können, nichts tun können, habe eben unbedingt die X-TikTok-Reichweite gebraucht

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

45 Kommentare

  1. Guten Abend, @Michael.

    Ich erinnere mich an das Urteil des OLG Frankfurt zu Hass auf X und habe mir jetzt den verlinkten Text von HateAid nochmal durchgelesen. Wie Josephine Ballon sagt:

    “X hat jahrelang den Eindruck erweckt, dass Betroffene digitaler Gewalt über das offizielle Meldeformular eine Löschung von Inhalten verlangen können. Nun berufen sie sich vor Gericht erfolgreich darauf, dass ihre eigenen Meldewege dafür nicht gemacht sind. Das ist an Absurdität kaum zu überbieten.”

    Man muss sich dazu noch vergegenwärtigen, dass selbst ein mit Medien täglich professionell umgehender Mensch wie Du hier im eine gewissermassen kafkaeske Situation getrieben wurde – einfach weil Du Deine Rechte im digitalen Raum einfordern wolltest. Wie wird es dann den vielen, weniger bekannten und mit Medienumgang vertrauten Menschen ergehen, die digitalem Hass ausgesetzt sind?

    Man kann sagen, dass Plattformen wie X das Menschenrecht auf seelische und körperliche Unversehrtheit nicht wahren, und dass unsere Gerichtsbarkeit offenbar wenig Interesse hat, das zu ändern.

    • Danke & ja, @Peter Gutsche: Aus meiner persönlichen Sicht hat das OLG Frankfurt nicht nur meine Familie und mich für unser Engagement vor die Trolle geworfen, sondern auch jeden ernsthaften Rechtsschutz etwa von Ehrenamtlichen oder Kommunalpolitikerinnen gegenüber internationalen Digitalkonzerne fast unerreichbar gemacht. Wenn es mir selbst mithilfe spezialisierter Anwälte nicht gelang, rechtskräftige Meldungden vorzunehmen – wer will sich dann noch mit den Großen anlegen? Die Twitter-Anwälte konnten ihr Glück kaum fassen.

      Der deutsche Rechtsstaat ist bereits in den 1920er und 1930er Jahren vor dem Faschismus und Antisemitismus sowie dem Medienmogul Alfred Hugenberg in die Knie gegangen. Wie es recht genau ein Jahrhundert später ablaufen wird, wird sich zeigen. Mein Team & ich werden unermüdlich weiterkämpfen, solange Landtag und Landesregierung hinter uns stehen! ✊🇩🇪🇪🇺✡️🇮🇱🇺🇦🖖

  2. Mal wieder ein guter Text. Nicht eben die Laune hebend. Und eigentlich wollte ich nicht kommentieren, v. a. nicht wie so oft übermüdet am Handy tippend. Also fix ein kurzer und schmerzloser Kommentar ohne Seelensttiptease:

    Einer meiner Gesellschaftskundelehrer meinte schon vor 30 Jahren, dass eines Tages Konzerne alle staatliche Macht erlangen könnten. Ich nahm ihn nicht für voll, weil das für mich Science Fiction war wie in der Spielwelt von Cyberpunk 2020.

    Jetzt stehen wir tatsächlich vor einem solchen Szenario, nur dass zusätzlich rechtsextreme Evangelikalen mit im Boot sitzen. Der Markt regelt das. Und dann wird die Natur den Markt regeln. Tut sie eigentlich schon, nur wollen wir das nicht merken.

  3. Michael Blume
    23.10.2024, 01:31 Uhr

    Danke & ja, @Peter Gutsche: Aus meiner persönlichen Sicht hat das OLG Frankfurt nicht nur meine Familie und mich für unser Engagement vor die Trolle geworfen, sondern auch jeden ernsthaften Rechtsschutz etwa von Ehrenamtlichen oder Kommunalpolitikerinnen gegenüber internationalen Digitalkonzerne fast unerreichbar gemacht.

    Ich würde das nicht so explizit und einfach am OLG festmachen wollen. Den Rahmen für das OLG setzt ja die Politik und damit am langen Ende wir als Gesellschaft. Gerade das macht mir Angst: Wir lassen das wirklich zu…
    Das soll jetzt um Gottes Willen nicht das Nazirichterverteidigungsargument (ich kann dem Wortmonster gerade nicht wiederstehen 😉 ) werden: Natürlich hätte ich mir vom Gericht gewünscht, daß jemand da ganz primitiv thymotisch/nichtfeministisch mehr Eier in der Hose gehabt hätte.
    Aber am langen Ende haben wir das als Gesantgesellschaft so wie sie im Moment ist gewollt. Was ich sehr deprimierend finde.

    Der deutsche Rechtsstaat ist bereits in den 1920er und 1930er Jahren vor dem Faschismus und Antisemitismus sowie dem Medienmogul Alfred Hugenberg in die Knie gegangen.

    Auch da bin ich vorsichtig: Das war nicht nur einfach ein Systemversagen der Einrichtung Rechtsstaat.
    Das hat die Gemeinschaft der Menschen damals gar nicht verkehrt gefunden. So aus meinem Blickwinkel (ich hatte, einer der Vorteile des Älterseins, noch die Möglichkeit mich mit eigenen Verwandten zu reden die damals gelebt haben: Das war und ist immer noch ernüchternd und entmutigend). Weil ich nicht sehen kann, daß wir uns menschlich seitdem irgendwie weiterentwickelt haben.Sonst bekäme ein Faschist wie Höcke keinen solchen Zuspruch.

    @ Peter Gutsche
    23.10.2024, 01:09 Uhr
    Danke für das Zitat. Das erste was ich gedacht habe ist “Ich habs Euch ja gesagt!”. Allerdings ist mir das selbstzufriedene hämische Grinsen schnell wieder aus dem Gesicht gewichen. Eigentlich habe ich nämlich gehofft das es nicht so kommt.
    Die Augenwischerei mit dem Meldeformular hat man leider einfach ertragen um die Gewinninteressen nicht zu beeinträchtigen. Schade das. Und erschütternd das wir diese Augenwischerei einfach so ertragen haben. Haben wir doch im Grunde unseres Herzens gewusst das das so ist.

    @Michael viel Trost kann man ja über ein Forum nicht spenden. Ich wünsche Dir und Deiner Familie trotzdem viel Glück. Das ist schon ein echter Tiefschlag 🙁

    • @Uli Schoppe

      In der Tat zeigt doch Frankreich 🇫🇷🇪🇺 mit dem auch juristischen Vorgehen gegen den Telegram-Gründer Pawel Durow, dass auch europäische Rechtsstaaten gegen digitale Gewalt nicht völlig wehrlos sein müssen:

      https://www.spiegel.de/netzwelt/telegram-pawel-durow-kuendigt-kooperation-mit-behoerden-an-a-7c73ab94-fd1b-4720-ad0d-dcd5bacec0a7

      Dass mit dem europäischen Digital Services Act ein stärkeres Medienrecht entsteht, darf zudem gehofft werden. Andererseits verhöhnte Elon Musk via X auch schon den damals zuständigen EU-Kommissar, ohne dass dies bislang zu ernsthaften Konsequenzen geführt hätte. 🇪🇺

      https://www.handelsblatt.com/politik/international/elon-musk-eu-politiker-fordern-nach-fuck-post-hartes-vorgehen-gegen-x-chef/100059495.html

      Dass China 🇨🇳 selbst wie auch Indien 🇮🇳 das thymotisierende TikTok verboten haben, sei der Vollständigkeit halber erwähnt…

      • Hallo, @Michael Blume.

        Passend zur Befeuerung der thymotischen Empörungssucht durch antisoziale Medien (um das es in diesem Blogpost ja im weitesten Sinne geht) lese ich heute einem Tagesspiegel-Artikel:

        “Demnach lassen sich seit ‘Mitte des Jahres 2024’ vermehrt neue rechtsextremistische Gruppierungen feststellen, ‘die sich im virtuellen Raum über die Nutzung sozialer Medien etabliert haben’, heißt es aus dem Bundesinnenministerium. Der erreichte Personenkreis sei durch junge, teils minderjährige Akteure geprägt, die als ‘aktionsorientiert’ angesehen werden.”

        Ich würde das mal die Rekrutierung von Kindersoldaten nennen.
        Da läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter

        Wir leben in einer Dystopie.

        • Vielen Dank und leider ja, @Peter Gutsche 😮

          Obwohl ich ihm inhaltlich ja fern stehe, erkenne ich doch an, dass Platon als Reaktion auf die demokratisch beschlossene Todesstrafe (!) seines geliebten Lehrers Sokrates neben dem verschwörungsgläubigen Höhlengleichnis auch die Gefahren des Thymos als emotional-hormoneller Tendenz zum feindseligen, ja pathologischen Dualismus erkannte. Ich versuche, diese frühe Erkenntnis der griechischen Philosophie – die von Anfang an auch im Kontext von Demokratien und ihren Gefährdungen entstand – mit den Begriffen “Empörungssucht” und “digitale Thymotisierung” wieder zu beleben. Auf den Hinweis einer klugen Freundin und Kollegin nutze ich dazu auch die Erkenntnisse rund um die Botenstoffe Dopamin, Adrenalin und Testosteron.

          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/raus-aus-der-thymotischen-empoerungssucht-erfahrungsberichte-nach-dem-x-odus-asm-abschieden/

          Auch der US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama fragte in seinem Buch “Identität”, Hoffmann und Campe 2019, auf S. 13, weshalb…

          “…die zeitgenössischen liberalen Demokratien das Problem des ‘Thymos’ noch nicht vollauf gelöst hätten. Thymos ist der Teil der Seele, der sich nach Anerkennung seiner Würde sehnt; ‘Isothymia’ ist das Bedürfnis, anderen gegenüber als gleichwertig zu gelten, während ‘Megalothymia’ den Wunsch darstellt, von anderen als überlegen betrachtet zu werden.”

          Gerade auch die rechtsdualistische Tyrannophilie unter jungen Männern – von Trump-und-Musk-Fans bis zum Geschäftsmodell von Krypto-Finfluencern – lässt sich m.E. durch biografische und mediale Thymotisierung sehr gut erklären. Daher möchte ich einen Beitrag dazu leisten, diesen Begriff aus der griechischen Klassik wieder für unsere heutigen Debatten und Wissenschaften fruchtbar zu machen. Deswegen ist er auch in diesem Blogpost begrifflich und grafisch präsent.

          Nochmals vielen herzlichen Dank Dir für Deine konstruktiven Beobachtungen und Drukos! 🙏🙌😊

  4. Neu ist das Thema der Verflechtung von Macht und Geld nicht.
    Schon Jakob Fugger (1459-1525), damals der reichste Mann der Welt, vergleichbar mit heute sind das etwa geschätzte 400 Milliarden €, manipulierte mit seinem Geld die Kaiserwahl von Karl V. Fugger hat ganz massiv Einfluss auf die Politik der Habsburger gehabt.
    Das Ganze ist sehr gut beschrieben in dem Buch: ‚Ich kaufe mir einen Kaiser‘ von Richard Dübell.
    Zu der Zeit wurde auch der Buchdruck erfunden, eine Medienrevolution wie wir wissen. Die Parallelen zur Gegenwart sind beeindruckend.
    Immerhin hatte Jakob Fugger fürchterliche Angst vor dem Fegefeuer, was ihn veranlasste, in Augsburg die Fuggerei zu gründen. Wer in der Fuggerei für ganz wenig Geld wohnen durfte, der hatte sich verpflichtet täglich für das Seelenheil von Jacob Fugger zu beten.

    Ob Elon Musk wohl Angst vor dem Fegefeuer hat?

    • Vielen Dank, liebe @Elisabeth Krüger 🙏

      Ja, die Beispiele Jakob Fugger zur Zeit des Buchdrucks und die Fuggerei zu Augsburg für dessen Seelenheil sind als Vergleich sehr gut gewählt!

      Wir haben keine Hinweise darauf, dass sich Elon Musk ebenso mit seiner irdischen Sterblichkeit auseinandersetzen würde. Eher schon bekennt er sich zum sog. Tescreal-Transhumanismus, in dem manche für sich das Recht auf Langlebigkeit oder gar Unsterblichkeit beanspruchen.

      Über seinen menschenverachtenden Umgang und Sexismus gegenüber Mitarbeiterinnen berichtet im aktuellen SPIEGEL ja auch die frühere SpaceX-Managerin Paige Holland-Thielen.

      Wer wissen will, kann also wissen.

      Doch erkennbar viele, Abermillionen halten sich da eher an die säkulare “Verheißung” von Cypher aus dem Film Matrix:

      “Unwissenheit ist ein Segen!”

      In seinem posthum veröffentlichten “Rigorismus der Wahrheit” (Suhrkamp 2015) zu Sigmund Freud und Hannah Arendt schrieb der Holocaust-Überlebende und Münsteraner Philosoph Hans Blumenberg (1920 – 1996):

      “Es gibt keine Liebe zur Wahrheit. Vielleicht, weil es sie nicht geben kann.” (S. 13)

    • Sagen wir es so, das mit dem Fegefeuer da schwammen die Fugger auch nur auf dem Hype mit. „Pro Dio“ das Konto Gottes war damals eine allgemein übliche Geschäftsausgabe um zu belegen das der Herrgott dem krämerischen Tun wohlgesonnen sei. Die dahinter stehende Logik: Wenn nicht, dann hätte der Allmächtige mir nicht diese Gewinne beschert“. Gegen dieses Alibi war in dieser gottesfürchtigen Zeit nun mal kein Kraut gewachsen. Und als der damalige Top of the Pop der Reichen konnte Er es sich auch nicht leisten zu Kläckern.
      Andererseits und das darf heute auch nicht vergessen werden, ein erheblicher Teil unserer Kulturgüter wurden durch solch „fromme Stiftungen“ geschaffen.
      Richtig ist das sich die Fugger wie auch noch Andere gemeinsam in der Kaiserwahl engagierten. Die Beweggründe aber waren ganz rational. Nur innerhalb des habsburgischen Machtraumes hatten die oberdeutschen Kaufleute eine Rechtssicherheit und Gültigkeit ihrer Verträge und Privilegien. Diese wäre durch eine Wahl Franz I. zumindest in Frage gestellt worden. Die Fugger waren in solchem Denken ihrer Zeit weit voraus.
      Schätze wir müßten Elon Musks Agieren mehr unter einem solchen Duktus betrachten.

  5. Selbst wenn Trump gewinnen sollte, so bedeutet dies nicht, dass er auch im Amt des Präsidenten bleibt. Es gibt einige US Kommentatoren, die davon ausgehen, dass Musk, Thiel, Project 2025 Trump aufgrund seines mentalen Gesundheitszustand aus dem Amt drängen und J.D. Vance zu seinem Nachfolger machen werden. Diesen Verdacht äußerte Rick Wilson vom Lincoln Project. Doch um die Wahl für die Republikaner zu gewinnen, wird Trump aufgrund seiner Basis noch gebraucht.

    Zudem finde ich es derzeit extrem schwierig, mir auf die Wahlumfragen einen Reim zu machen. Da es nur noch zwei Wochen bis zur Wahl sind, kann durch entsprechende Werbung mit Lügen gegen Kamala Harris noch einmal massiv Stimmung gemacht werden.

    Was ich noch nicht ganz verstehe, ist die Frage, wie die Justiz gegenüber Alfred Hugenberg in den 1920er Jahren versagt hat. Die mir bekannte Kritik an den Gerichten der Weimarer Republik bezieht sich auf die Ungleichbehandlung rechter und linker Straftäter. Ich habe nirgends einen Hinweis gefunden, dass es Klagen gegen den Hugenberg Konzern gab. Ich bitte um Entschuldigung, falls ich etwas übersehen habe.

    Was nun X, Tiktok etc betrifft, so wird sich vermutlich kaum ein Politiker finden, der für ein Verbot plädiert. Denn viele davon, nutzen zB X selbst aktiv. Es werden die antisozialen Medien für die Verbreitung von Hass und Hetze, die folgenden Gegenreaktionen der politischen Feinde (Gegner ist mir in dem Fall zu schwach) und dann wieder in die Gegenrichtung, gebraucht. Ein Perpetuum mobile, das unsere politischen Umgangsformen bereits weitgehend zerstört hat. Was ich besonders niederträchtig von den politischen Playern bei X finde, ist, dass sie den Antisemitismus etc von EM indirekt unterstützen! Um dann in Sonntagsreden von Nie wieder ist jetzt zu sprechen. Daher ist es sehr gut von Ihnen, immer wieder auf die Vorzüge des Fediverse hinzuweisen.

    Danke für Ihre Arbeit, auch wenn es mühsam, anstrengend und manchmal gefährlich ist.

    • Vielen Dank, @SabineH.!

      Und, ja, meine Sorge um die deutsche Justiz bezog sich darauf, dass der damals noch österreichische Staatsbürger Adolf Hitler in zwei Verfahren (Landfriedensbruch 1921, Hochverrat 1924) allzu nachsichtig behandelt wurde, wogegen gegen den schwer-reichen Alfred Hugenberg überhaupt nicht vorgegangen wurde. Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert wurde dagegen auch noch als Reichspräsident immer wieder juristisch attackiert!

      Hierzu Perplexity.ai:

      In den 1920er Jahren gab es bedeutende juristische Verfahren sowohl gegen Adolf Hitler als auch gegen Friedrich Ebert. Hier ein Vergleich der wichtigsten Prozesse:

      ## Verfahren gegen Adolf Hitler

      ****Hitler-Prozess 1924****

      Der bekannteste Prozess gegen Hitler war der Hochverratsprozess, der vom 26. Februar bis 1. April 1924 in München stattfand. Dieser folgte auf den gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch vom November 1923[4].

      – Angeklagt waren neben Hitler neun weitere Personen, darunter Erich Ludendorff.
      – Der Prozess dauerte 25 Tage und erregte großes öffentliches Interesse.
      – Hitler nutzte den Prozess als Plattform, um sich selbst zu inszenieren und seine politischen Ansichten zu verbreiten.
      – Das Gericht zeigte sich den Angeklagten gegenüber äußerst wohlwollend.
      – Hitler wurde zu einer milden Strafe von fünf Jahren Festungshaft verurteilt, von der er nur etwa neun Monate verbüßte.

      ## Verfahren gegen Friedrich Ebert

      ****Magdeburger Prozess 1924****

      Der bedeutendste Prozess gegen Ebert war der sogenannte Magdeburger Prozess, der im Dezember 1924 stattfand[1][2].

      – Ebert klagte gegen den Journalisten Erwin Rothardt wegen Beleidigung.
      – Rothardt hatte Ebert vorgeworfen, durch Unterstützung eines Munitionsarbeiterstreiks im Januar 1918 die Kriegsniederlage mitverschuldet zu haben.
      – Das Gericht verurteilte Rothardt zwar zu drei Monaten Gefängnis wegen Beleidigung.
      – Gleichzeitig stellte es jedoch fest, dass Ebert durch seine Beteiligung am Januarstreik 1918 formaljuristisch Landesverrat begangen habe.

      ## Vergleich und Auswirkungen

      – Hitlers Prozess endete mit einem für ihn vorteilhaften Urteil und steigerte seine Popularität in antidemokratischen Kreisen[4].
      – Eberts Prozess hingegen endete mit einem Skandalurteil, das ihn persönlich tief verletzte und seine Position als Reichspräsident schwächte[1][2][3].
      – Während Hitler den Prozess nutzen konnte, um sich zu profilieren, war das Urteil gegen Ebert ein schwerer Schlag für die Weimarer Republik.
      – Ebert starb am 28. Februar 1925, bevor er in Berufung gehen konnte. Sein Tod wird teilweise mit den Strapazen des Prozesses in Verbindung gebracht[3].

      Diese Prozesse verdeutlichen die politische Instabilität und die Herausforderungen für die junge Demokratie in der Weimarer Republik.

      Citations:
      [1] https://www.lexikon-der-politischen-strafprozesse.de/glossar/rothardt-erwin/
      [2] https://nicht-mit-ufos.de/inhalte/1924-12-23-der-praesident-als-landesverraeter-der-ausgang-des-magdeburger-prozesses
      [3] https://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/mit-worten-ermordet-friedrich-ebert_id_1964943.html
      [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Hitler-Prozess
      [5] https://www.deutsche-biographie.de/gnd118528610.html
      [6] https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/545843/26-februar-1924-prozess-wegen-hochverrats-gegen-hitler/
      [7] https://www.deutschlandfunkkultur.de/weimarer-republik-verleumdungskampagnen-gegen-reichspraesident-ebert-100.html
      [8] https://www.lto.de/recht/feuilleton/f/adolf-hitler-bayern-volksgericht-landfriedensbruch-justiz-haft-nationalsozialismus

      • Vor 100 Jahren, am 19.01.1924, fand im Württ. Landestheater Stuttgart die dortige Erstaufführung von Georg Büchners “Dantons Tod” statt. Im Rahmen der Inszenierung wurden ein paar Takte der “Marseillaise” gespielt. Daraufhin warf der Stuttgarter Jurist, Schriftsteller Georg Schmückle dem Intendanten Albert Kehm “Verletzung der nationalen Ehre” vor. Kehm strengte einen Beleidigungsprozess an, der bis vor das Reichsgericht ging. Er endete mit einem Freispruch für Schmückle!

        Die Aufführungen am 19. und 20.01.1924 wurden durch Pfiffe gestört, “als nach der Rede von St. Just ein paar Takte der Marseillaise zu hören waren.”

        Zitat aus der Württemberger Zeitung vom 21.01.1924.

        In der Inszenierung wirkten ua mit: Gustav Fröhlich (“Metropolis”, “Die Sünderin” etc), Franz Schafheitlin, der zwischen 1927 und 1980 in zahlreichen Filmen zu sehen war und Emmy Sonnemann, damals verheiratet mit dem Stuttgarter Schauspieler Karl Köstlin.

        Die Namen der drei Genannten entnahm ich dem Theaterzettel vom 19.01.1924 des Württ. Landestheaters, die online bei der WLB verfügbar sind.

        • Vielen herzlichen Dank, @SabineH., für diese zugleich beklemmende und erhellende Episode!

          Und, ja, religionsgeschichtlich gesehen handelt es sich bei Juristen – und viel später auch: Juristinnen – um eine staatliche Priesterschaft, die die jeweilige Zivilreligion auslegt und fortentwickelt.

          Es ist also eigentlich nicht verwunderlich, dass viele Juristen und manche Juristinnen einen Zug ins Nationale, Konservative und Traditionelle haben.

          Gerade deswegen würde ich mir schon wünschen, dass auch in der bundesdeutschen Justiz eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Scheitern der Rechtspflege in der Weimarer Republik und dann im NS-Regime stattfindet. Zumal es etwa Fritz Bauer auch noch in der jungen Bundesrepublik mehr als schwer hatte! Auch Roma und Sinti erlebten noch Jahrzehnte juristischer Diskriminierung.

          Dass die deutsche Justiz heute auch große Schwierigkeiten hat, mit der Medienrevolution der Digitalisierung mitzukommen, habe ich leider immer wieder erlebt… 🤷‍♂️🇩🇪🇪🇺📚

  6. Geister, die sich komplett von der Realität losgelöst haben, nennt man gemeinhin tot. Wenn jeder Mensch in jedem nur noch Wurm, Made und Ungeziefer sieht, wissen Sie – entweder geht Gott angeln, oder Sie sind in einer Leiche.

    Beides ist irgendwie wahr. Und auch Sie fliehen vor dem Galgenstrick der Zeit ins ewige Leben, oder? Verschwörungsmythen sind Gespenstergeschichten aus demselben Limbus wie Tolkien oder Religion. Gift und Arznei aus demselben Labor sind trotzdem nicht das Gleiche, aber was ist was? Der Körper, der es uns hätte sagen können, wird längst von Märchen zerrissen – der Leichenstarre der Etablierten, der Verwesung der Populisten. Irgendwie kommen alle Kadaver auf die Idee. Irgendwie joggen herzlich wenig Verstorbene aus dem Leichenschauhaus wieder raus, oder? Der Tod einer Welt ist nicht der Tod der Menschen, andererseits – wo sollen wir sonst hin?

    Ich weiß nicht, ob es für den Menschen ein Jenseits gibt. Doch auf die Menschheit wartet die nächste Welt, die sie sich baut.

    [Wegen Überlänge ab hier gekürzt, M.B.]

    • Danke für Ihren Textflut-Beitrag, @Paul S. Wir alle kommen wohl besser damit klar, wenn ich einfach kürze. Das ist ja besser, als gar nicht mehr freizuschalten.

      Es gab einige Sätze, die mir sehr zugesagt haben:

      Und auch Sie fliehen vor dem Galgenstrick der Zeit ins ewige Leben, oder? Verschwörungsmythen sind Gespenstergeschichten aus demselben Limbus wie Tolkien oder Religion. Gift und Arznei aus demselben Labor sind trotzdem nicht das Gleiche, aber was ist was?

      Dazu erst einmal ein klares Ja: Auch Verschwörungsmythen sind Mythen. Auch deswegen wende ich mich gegen den erkenntnistheoretisch falschen und irreführenden Begriff “Verschwörungstheorien”.

      Der bereits mehrfach erwähnte Hans Blumenberg hat diesen Zusammenhang in seinem großen Werk “Arbeit am Mythos” (Suhrkamp 1979, 2017) so gefasst:

      “Geschichten werden erzählt, um etwas zu vertreiben. Im harmlosesten, aber nicht unwichtigsten Falle: die Zeit. Sonst und schwererwiegend: die Furcht.” (S. 40)

      und

      “Der Mythos ist eine Ausdrucksform dafür, daß der Welt und den in ihr waltenden Mächten die reine Willkür nicht überlassen ist.” (S. 50)

      Ich meine, das ist sehr deutlich und sehr wahr formuliert.

      Entsprechend können auch wir alle wählen zwischen guten, dialogisch-monistischen Mythen wie dem Noahbund, die Leben und Erkenntnis fördern, zwischen neutralen, egozentrisch-relativistischen Mythen wie der neuesten Mode und zwischen bösen, feindselig-dualistischen Verschwörungsmythen, die Hass und Zerstörung auslösen.

      Irgendwie joggen herzlich wenig Verstorbene aus dem Leichenschauhaus wieder raus, oder? Der Tod einer Welt ist nicht der Tod der Menschen, andererseits – wo sollen wir sonst hin?

      Ich weiß nicht, ob es für den Menschen ein Jenseits gibt. Doch auf die Menschheit wartet die nächste Welt, die sie sich baut.

      Exakt so ist es, @Paul S. Ich kann weder als Wissenschaftler noch als Christ wissen, ob es ein personalisiertes Jenseits gibt. Ich darf jedoch darauf hoffen. Und ich darf ganz unabhängig von jeder religiösen Jenseitshoffnung (wie einer karmischen Wiedergeburt, einer Auferstehung zum Jüngsten Gericht usw.) erfassen, dass unsere heutigen Entscheidungen Auswirkungen auf künftige Generationen haben. Das ist ein Aspekt, in dem ich auch von meinen Kindern lerne. Und es ist eine Dimension, die mich zusätzlich motiviert, als Solarpunk für Erneuerbare Friedensenergien einzutreten und diese wo immer möglich zu fördern. Ob das etwas für das Jenseits bringt, bleibt eine Frage des Glaubens. Dass es aber etwas für die Zukunft der Menschheit bringt, ist wissenschaftlich interdisziplinär vom Ressourcenfluch bis zur Klimakrise erwiesen.

  7. Guten Abend Herr Blume,

    Mir viel gerade etwas beim recherchieren auf und musste an diesen Blog Post denken.

    Horkos (altgriechisch Ὅρκος Hórkos, deutsch ‚Eid‘, latinisiert Orcus[1], latein Iusiurandum) ist in der griechischen Mythologie die Personifikation der bindenden Kraft des Eides.

    Das hat zwar vielleicht nur am Rande damit zu tun, das die negativen Folgen im hier und jetzt zu Leben, große Verwerfungen für den Menschen mit sich bringen, da die eigene Sterblichkeit massiv in den Vordergrund rückt.
    Gerade dann, wenn man nach dem griechischen Modell folgend nur durch Erinnerungen und große Taten über den Tod unsterblich wird.

    Was ja so einige Katastrophen der letzten Geschichte zu verantworten hat. Haben sie bemerkt das Putin in einem ähnlichen kurzfristigen Denkprozess eingetreten ist wie Hitler zu seiner Zeit? Es gibt nur Sieg oder Niederlage, alles steht auf einer Karte, wenn wir verlieren dann geht alles unter. Wäre ja interessant, ob Säkularisierung nicht sogar Apokalyptische annahmen und Kurzschluss Reaktionen die mit unmenschlicher Härte begangen werden verstärkt. Schließlich hat man ja nur dieses eine leben und diese eine Chance.

    Bei den Punks war es No Future und ich glaube das trifft sehr viele Dualisten in den Kern. Sie haben sich im hier und jetzt, aber die Zukunft, da sehen sie sich nicht. Im Prinzip erleiden sie ja bei jedem Zukunftsgedanken eine Erschütterung ihres ganzen Daseins.

    Sogar ein Hauptargument gegen eine Nukleare Katastrophe ist die, das ja auch Diktatoren an ihrer Familie hängen und sich auch selbst nicht dieser totalen Vernichtung preisgeben würden. Was aber, wenn der Gedanke im Diesseits so sehr gefestigt ist, das jeder Zukunftsgedanke und damit die Entscheidungsmöglichkeiten ausgeschaltet werden?

    Nun, bevor ich nur noch lose Sätze von mir gebe, ich fand es interessant das Horkos auf lateinisch Orkus geschrieben wird. Musste natürlich an Orks denken und zog sogleich parallelen. Also nicht in Form von bestrafenden Dämonen für Leute die Eide ablegten, sondern eher für Kreaturen die durch Eide und Schwüre gebunden und damit versklavt waren. Schließlich mussten sie Treue halten. Dann dachte ich an den Christlichen Anarchismus, wo mehre Vertreter sich auf den Ausspruch: “Schwört gar nicht. Euer Ja sei ein Ja, euer nein sei ein Nein” berufen. Also gar nicht Eide abzulegen und somit sich keiner Weltlichen Macht verpflichten. Laut dieser Auffassung ist die aktive Weigerung allem zu dienen, was böses tut (quasi den Menschenrechten zu wieder läuft? Wenn ich das so in die Gegenwart übertragen darf) die effektivste Form um eben Böses zu vermeiden. Es nicht tun und alle die es wollen auflaufen zu lassen. Schließlich kann ja auch Putin, die Hamas, Hisbollah und der Iran sich nur durch erkaufte und versklavte Zustimmung an der Macht halten. Und mit einer Prise Hass, stärker wie Kokain.

    Ich entschuldige mich falls es etwas unübersichtlich ist, es ist spät und mein Verstand etwas wirr.

    Wünsche noch eine Gute Nacht

    • Vielen herzlichen Dank, @Berthold Forster 🙏

      Ihr Kommentar wirkt auf mich gar nicht “wirr”, sondern sehr ermutigend! Denn ich hatte wirklich Sorge, ob Menschen bereit sein würden, in das doch schwere Thema der Psychologie und Philosophie von Zeit einzutreten.

      Doch auch gestern Abend in Freiburg bei einer Podiumsdiskussion auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Chantal Kopf (Grüne) mit Professorin Gesa Köbberling (EH Freiburg) und mir wurde das Thema von Interessierten sehr gerne, in einigen Fällen sogar begeistert aufgenommen. Nun habe ich sogar eine wachsende Hoffnung, dass das Thema endlich aus den Fachkreisen in die breitere Öffentlichkeit vorstoßen könnte – schließlich betrifft es von Medien und Literatur über Geld und Musik bis zu Demografie, Familien, Religion und Politik praktisch alle Bereiche unseres Lebens sehr direkt!

      Und auch Ihre Überlegungen zu Orcus – Orks sind da gar nicht daneben. Im Blogpost “Evolution, Zeit und Sinn” hatte ich bereits einen Absatz zur Zeit in der Fantastik eingefügt:

      “Sogar in der mythologischen Fantasy nach J.R.R. Tolkien (1892 – 1973) wird instinktiv erkannt: “Gute”, dialogisch-monistische Völker wie Elfen und Zwerge sind langlebiger als Menschen, “böse”, feindselig-dualistische Völker wie Orks und Untote haben keine Zukunftshoffnungen. Auch noch jeder moderne Film-Superschurke speist seine Motive aus nur drei Zeit-Motiven: Gier, Rache oder Gott spielen. Nicht zufällig sprechen wir auch im Deutschen von “Hass und Hetze” – Hetze ist die Verknappung von Zeit.”

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/evolution-zeit-und-sinn-warum-demografie-so-viele-triggert/

      Ja, sicher: Ein Nachdenken über unsere Verhältnisse zur Zeit ist noch kein etabliertes Thema, obwohl wir sogar unsere Partys an Zeitrhytmen wie Geburtstagen und Feiertagen ausrichten. Aber gerade deshalb möchte ich Sie und alle Interessierten ermutigen, mutig dorthin vorzustoßen. Ich meine: Es ist längst höchste Zeit, dass wir uns Zeit für die Zeit nehmen. 😉

      • @ Danke Herr Blume für die Antwort 🙂

        Freut mich das es auf interesse trifft, wobei es mich nicht wundert, schließlich ist es ein wichtiges Thema.
        Vielleicht ist es da wie bei Horror oder Grusel, es macht zwar Angst doch die Neugierde ist größer.

    • Lieber @Berthold Forster,

      ich habe mir Ihren Kommentar mehrmals durchgelesen und bin immer noch sehr betroffen und berührt. Ich glaube, Sie haben da ein Schlüsselthema angesprochen.

      „Wäre ja interessant, ob Säkularisierung nicht sogar Apokalyptische annahmen und Kurzschluss Reaktionen die mit unmenschlicher Härte begangen werden verstärkt. Schließlich hat man ja nur dieses eine leben und diese eine Chance.“

      Das moderne „Mantra“ in Lebensratgebern lautet ja: „Lebe im hier und jetzt!“. Das ist vielleicht ganz hilfreich für Menschen, die nach ihrem eigenen Empfinden ihre Lebenszeit an irrelevante Dinge verschwenden und / oder sich in toxischen Abhängigkeiten zu anderen Menschen befinden, welche sie von einem erfüllten Leben abhalten. Mit der Hilfe solcher Leitsätze können sie sich vielleicht besser aus solchen Abhängigkeiten lösen.

      Positiv betrachtet, ist es also gut, dass unsere modernen, säkularen Gesellschaften offener für unterschiedliche Lebensentwürfe sind, die den Menschen es ermöglichen, ihre Lebenszeit so zu gestalten, wie es ihren Vorstellungen entspricht.

      Ins Negative verkehrt, ist mit der Konzentration auf das Hier und Jetzt dem Egoismus hier Tür und Tor geöffnet. Und zu welchen Exzessen das führen kann, wurde uns in der Corona-Pandemie ja anschaulich vor Augen geführt, Stichwort Querdenker und „ich, ich, ich!“. Und dann, was Sie andeuten, können Menschen, die viel Macht haben, entsprechend schlimmere Dinge tun.

      Aber das „Lebe im hier und jetzt!“ – im positiven Sinne betrachtet – enthält keine eigentliche Sinnstiftung. Es geht nicht tiefer. Wie lässt es sich denn erklären, dass manche Menschen ihre Lebenszeit oder gar ihr Leben in den Dienst einer „größeren Sache“ stellen – ich meine hier durchaus Dinge wie sich für eine bessere Zukunft, für die Nachkommen einzusetzen oder ähnliches. Auch das meine ich wieder im positiven Sinne.

      Das Phänomen der Zeit ist rätselhaft. Und wir, die wir mit unserer Existenz daran haften, müssen irgendwie damit zurechtkommen.

      Hier kommt dann wohl das Thema Evolution ins Spiel: Wir sind einerseits Individuen mit unserer individuellen Lebenszeit, aber wir gehören einer Menschheit an, die schon lange existiert, die sich weiter entwickeln wird, auch wenn ich nicht mehr bin – eine Perspektive, in der ich nur ein kurzes Aufflackern bin.

      • Hallo @Peter Gutsche 🙂

        Danke das sie soviel Zeit investiert haben um sich mit meine Gedanken zu beschäftigen!

        Es ist ja auch interessant wenn man mal dahinterblickt, wieviel man in der Gegenwart tatsächlich ändern kann und was alles eher auf Planung beruht.

        Ich finde es immer spannend, es aus der Warte zu sehen das ja in mir immer noch die Ursprünge meines ersten Vorfahren zu finden sind ( ein Bakterium aus einer lang, lang vergangenen Zeit ^^)

        Dann habe ich ja etwas in mir was über eine Millarde Jahre Alt ist und dazu noch Lebendig. Ganz zu schweigen von meine Atome die durch eine Sonnenschmiede erschaffen wurden und seit dem Urknall bestand haben.

        Da bin ich meinem Schöpfer schon dankbar was er da so fabriziert hat ^^

  8. @Michael 23.10. 13:55

    „Und ich darf ganz unabhängig von jeder religiösen Jenseitshoffnung (wie einer karmischen Wiedergeburt, einer Auferstehung zum Jüngsten Gericht usw.) erfassen, dass unsere heutigen Entscheidungen Auswirkungen auf künftige Generationen haben.“

    Die Beziehungen zu Geisteswelten dürften sich allerdings auch zu Lebzeiten schon bessern, wenn man sich vernünftig im Leben bewegt. Das kann von konkreter Unterstützung bis zu einem intensiveren Erleben dieses einen Erdenlebens reichen.

    Entsprechend wäre man hier auf Erden ganz persönlich besser dran. Ich muss dafür nicht auf ein Jenseits warten. Ich hoffe durchaus auf eine transzendente Weiterexistenz nach dem Tod, aber nicht als Fortsetzung dieser doch sehr biologischen Existenz. Danach wäre es mir auch überhaupt nicht. Aber eine Wiederauflösung im kosmischem Geist wünsche ich mir durchaus.

    Unerfülltes Leben wäre entsprechend schon ein Verlust. Und die Idee, dass man schon zu Lebzeiten gut leben will, die finde ich ziemlich gut. Das muss aber überhaupt nicht auf Kosten von Anderen sein, und auch nicht auf Kosten dieses wunderbaren Planeten.

    Und des Materiellen braucht es dafür gerade gar nicht so viel. Klar bin ich froh, wenn meine Heizung läuft und ich alles im Rewe kaufen kann, was auf meinem Einkaufszettel steht. In Verschwendung braucht dies allerdings überhaupt nicht ausarten. Da ist es mir viel wichtiger, mich mit dem Leben und diesem wunderbaren Kosmos auseinander zu setzen. Das sind im Prinzip geistige Bedürfnisse, die weder Geld kosten noch Geld einbringen müssen.

    Diese dann doch im wesentlichen geistige Existenz auf Erden sollte man nicht unterschätzen, finde ich. Das Biologische und in der Konsequenz auch Technische im Leben ist sicher dessen Grundlage, und da soll es nicht dran fehlen. So wie ich Essen muss, muss ich eine Wohnung haben, und wenn ich mir die globalen Herausforderungen ansehe, dann müssen wir auch die Energiewende haben.

    So dringend wir das Physische brauchen, ist es deswegen noch nicht das ganze Leben. Die Geistesseite ist nicht nur eine Frage des Jenseits, wir leben auch auf Erden nicht vom Brot allein. Entsprechend macht es überhaupt keines Sinn, sich mit Überfluss zu umgeben. Da gehe ich dann lieber Spazieren, mache Fahrradtouren oder lese online über den Urknall und die Entwicklung von Galaxien.

    Oder ich misch mich hier in die Diskussionen ein.

    „Dass es aber etwas für die Zukunft der Menschheit bringt, ist wissenschaftlich interdisziplinär vom Ressourcenfluch bis zur Klimakrise erwiesen.“

    Das Weglassen von Überfluss wäre entsprechend extrem beschleunigend, weil die dann freigesetzten Ressourcen an Geld, Arbeitskraft und Rohstoffen direkt in die grüne Technik investiert werden können. Und wenn wir damit fertig sind, arbeiten wir einfach weniger und vergnügen uns lieber mit dem Sammeln von Erkenntnis und Erfahrung mit Einander, mit diesem wunderbaren Planeten und mit diesem nicht weniger wunderbaren Kosmos. Wenn wir dann noch in richtig schön grünen Städten leben dürfen, die von Menschen und Natur und nicht von Autos dominiert sind, dann haben wir es doch. Da reichen dann auch recht kleine Wohnungen.

    Dann muss man auch weniger Putzen.

    • Vielen Dank, @Tobias 🙏

      Gerne greife ich einige Ansagen auf:

      “Unerfülltes Leben wäre entsprechend schon ein Verlust.”

      Dass wir unsere – kosmisch gesehen extrem kurze – Lebenszeit als erfüllt, weniger erfüllt oder unerfüllt erleben können, ist nach meiner Auffassung ein noch viel zu wenig erschlossenes Thema der Psychologie, der Theologien und der Philosophie.

      Entsprechend wichtig sind mir neben den Zeit-philosophischen Werken von Jeanne Hersch und Hans Blumenberg auch zeitgeschichtliche Arbeiten etwa von Wolfgang Achtner und zunehmend empirische Arbeiten wie “Werte der Hoffnung. Erkenntnisse aus dem Hoffnungsbarometer” von Andreas M. Krafft und das m.E. herausragende “Psychologie des Lebenssinns” von Prof. Tatjana Schnell. Wenn das Interesse da ist, würde ich gerne öfter über diese Themen bloggen!

      “Das Weglassen von Überfluss wäre entsprechend extrem beschleunigend, weil die dann freigesetzten Ressourcen an Geld, Arbeitskraft und Rohstoffen direkt in die grüne Technik investiert werden können. Und wenn wir damit fertig sind, arbeiten wir einfach weniger und vergnügen uns lieber mit dem Sammeln von Erkenntnis und Erfahrung mit Einander, mit diesem wunderbaren Planeten und mit diesem nicht weniger wunderbaren Kosmos.”

      Persönlich bin ich kein Freund eines verordneten DeGrowth, da ich die Freiheiten von Mitmenschen nicht beschneiden und auch keine Reaktanz auslösen möchte. Inhaltlich stimme ich jedoch nicht nur allgemein zu, sondern habe in einem Vortrag zur Philosophie von Karl Popper auch die Auffassung vertreten, dass dialogische, interdisziplinäre Erkenntnis ein gemeinsames Lebensziel religiöser und nichtreligiöser Lebensentwürfe sein kann:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/dennoch-liberale-anthropodizee-nach-karl-popper/

      Die überraschende Kreuz-Metapher in Poppers Hauptwerk der “Offenen Gesellschaft” scheint mir eine Einladung zu einer humanistischen Spiritualität der Erkenntnis zu sein:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/wisskon21-karl-popper-und-das-kreuz-der-falsifikation-religion-wissenschaft/

      Aber ich gebe zu, dass der Zugang zu diesen Themen schon etwas mehr geistige Arbeit voraussetzt, als es die auf schnelle Effekte setzende Unterhaltungsindustrie “erlaubt”…

      • @Michael Blume.

        ich habe jetzt erst diesen Kommentar gelesen, nachdem ich meinen vorherigen bereits gesendet habe.

        “Wenn das Interesse da ist, würde ich gerne öfter über diese Themen bloggen.”

        Ja! Unbedingt, bitte.

  9. Das ist jetzt etwas ab vom Thema, aber das treibt mich irgendwie um 😊
    Du hast es wieder erwähnt, ich kann nix dafür 😉

    Wie Du ja selbst schon mal geschrieben hast ist das Höhlengleichnis ja nicht so eindeutig festnagelbar sondern seine Interpretation schon stark abhängig vom eigenen Standpunkt.
    Was wäre denn so falsch an dem Standpunkt dazu den Du relativistisch nennst? Also dem, das wir es mit den letzten Wahrheiten gelinde gesagt schwer haben sie zu erkennen?
    Ich finde das angenehm demütig. Und ich bin vorsichtig gesagt nicht wirklich ein Platon Fan ^^
    Diese Sicht stützt auf jedem Fall Deine Aussage das es ziemlich uneindeutig in der Interpretation ist.
    Und, wenigstens etwas btt: Gerade diese Einsicht über die Möglichkeit letzte Wahrheiten zu erkennen wäre in meinen Augen etwas, das Trump und Musk wirklich gut tun würde…

    • Danke für die Nachfrage, @Uli Schoppe 🙌📚

      Das Problem mit dem erkenntnistheoretischen Relativismus beginnt m.E. bei seiner Selbst-Widersprüchlichkeit: Wer sagt, es gäbe keine absolute Wahrheit, verkündet eine absolute Wahrheit.

      Genau das tut ja auch das platonische Höhlengleichnis, das mit der Anlage der Höhle und den Gauklern sogar einen esoterischen Verschwörungsmythos einführt und zur letztlich gewaltvollen Befreiung aufruft.

      Gerade diese Einsicht über die Möglichkeit letzte Wahrheiten zu erkennen wäre in meinen Augen etwas, das Trump und Musk wirklich gut tun würde…

      Allzu reiche und mächtige Männer haben immer wieder größenwahnsinnig geglaubt, sie könnten nicht nur die Menschenmassen, sondern auch die Realität selbst manipulieren. Aber diese wehrt sich und die Trump-schen Wirtschaftspolitiken wie auch etwa Stalins Lyssenkoismus haben jeweils enorme Schäden an Mitwelt und Mitmenschen hinterlassen.

      Echte, erkenntnistheoretische Demut finde ich nicht im Relativismus (der Wahrheit leugnet) oder im feindseligen Dualismus (der Wahrheit bekämpft), sondern im dialogischen Monismus, der sich gemeinsam mit anderen an die Wahrheit herantastet, ohne je zu behaupten, ihre letzte Absolutheit besitzen zu können. Deswegen auch meine wiederkehrenden Bitten, zwischen wissenschaftlichen Theorien und orientierenden Mythen sorgsam zu unterscheiden.

    • @Uli Schoppe

      Einen schönen Tag Frau Schoppe,

      Ist es nicht so das der Relativismus keine Antwort gibt, sondern der Frage ausweicht? Quasi: wir hocken zwar alle auf dem gleichen Ball, aber jeder darf sich selber einen Reim darauf machen. Es gibt keine guten oder schlechten antworten, sondern nur antworten.

      Was sich zwar gerecht und frei anhört, aber eigentlich nur dazu führt das man auf der IST Situation verbleibt. Man bleibt sozusagen beim Status quo

      Was ja auch das miterleben von Zeit zerstört, da diese veränderung fordert.

      Wer Zeit wahrnimmt und Konsequenz zieht kann nicht in die Unschuld zurück.

      Soweit meine Gedanken, wünsche noch einen schönen Tag 🙂

  10. @Michael 24.10. 08:41 / 08:49

    „Persönlich bin ich kein Freund eines verordneten DeGrowth, da ich die Freiheiten von Mitmenschen nicht beschneiden und auch keine Reaktanz auslösen möchte.“

    Verordnen nicht. Aber aufrufen? Zumindest muss die Politik jetzt nicht gleich Investitionszulagen verschenken, weil die Wirtschaft ein bisschen schwächelt. Wir haben doch sogar Arbeitskräftemangel, dagegen hilft doch schwächelnde Wirtschaft.

    Sicher guckt die Politik immer auch auf die Steuereinnahmen. Mal in der öffentlichen Verwaltung KI und überhaupt erstmal IT konsequent einsetzen könnte hier nachhaltig helfen. Da sind doch massenhaft Leute zuviel mit zuviel blödsinniger Bürokratie beschäftigt. Dann muss man auch nicht immer gleich eben schwächelnde Wirtschaft fürchten. Und es hilft sofort gegen den Arbeitskräftemangel.

    Und wenn wir weniger Konsum hinbekommen, können wir doch sofort in grüne Technik investieren, wenn wir es nur wollen. Erst wenn wir wirklich auch weniger arbeiten wollen, schrumpft es dann tatsächlich.

    Je nachdem wie die US-Wahl ausfällt, müssen wir uns dann eventuell ziemlich anstrengen, wirklich effektiv in Europa aufzurüsten. Da könnten erhebliche Schwierigkeiten auf uns zu kommen.

    „Wenn das Interesse da ist, würde ich gerne öfter über diese Themen bloggen!“

    Wirklichen Sinn zu finden und dem zu folgen ist in der Tat ein wirklich großes Thema.

    „..scheint mir eine Einladung zu einer humanistischen Spiritualität der Erkenntnis zu sein..“

    Und ein Thema, dass sich durchaus mit vielen verschiedenen Weltbildern ausarbeiten lässt.

    „Deswegen auch meine wiederkehrenden Bitten, zwischen wissenschaftlichen Theorien und orientierenden Mythen sorgsam zu unterscheiden.“

    Derweil die Mythen richtig spannend werden können. Die soll man nicht immer ausklammern, aber freilich nie mit Fakten verwechseln. Es ist doch im persönlichen Umgang mit den ganz verschiedenen Menschen immer hilfreich, auch die Mythen des anderen kennenzulernen und öfter mal auch zu respektieren?

    Die persönlichen Mikrokosmen finde ich sowieso immer interessant. So pathologisch sie auch öfter mal gesehen werden können, bemerkenswert sind sie dennoch. Und die Mythen haben immer auch ihre Wirkung. Wenn dann noch dahinter irgendwas dran ist, umso mehr. Auch können manche Mythen sich sogar in Wissen verwandeln, wenn man dann später definitiv feststellt, das dem tatsächlich so ist.

    Manchmal auch andersrum. Und es entpuppt sich eine geglaubt sichere Erkenntnis dann doch noch als Mythos. Hypothesen und Vermutungen bewegen sich dann auch irgendwo im Mittelfeld.

    Man kommt also nicht daran vorbei, stets kritisch zu prüfen. Wenn man sich denn erfolgreich im Leben bewegen will. Sonst rennt man noch womöglich völligem Unsinn hinterher.

  11. @Peter Gutsche 24.10. 09:28

    „aber wir gehören einer Menschheit an, die schon lange existiert, die sich weiter entwickeln wird, auch wenn ich nicht mehr bin – eine Perspektive, in der ich nur ein kurzes Aufflackern bin.“

    So erklärt sich dann auch unsere Lust an Erkenntnis. Sowohl welche zu suchen, wie auch welche weiter zu geben. Hier trifft sich natürliche Neigung mit Sinnhaftigkeit.

    Die Evolution des Menschen ist aufs Wissensammeln und Weiterverbreiten ausgerichtet. Das ist grundlegend. Und es macht Hoffnung, dass wir bei allen Verirrungen doch auf dem richtigen Weg sind.

    „..dass manche Menschen ihre Lebenszeit oder gar ihr Leben in den Dienst einer „größeren Sache“ stellen…“

    Auch gar nicht mal so selten. Und wenn es um Erkenntnis geht, macht man beim allgemeinen Sammeln verbreitet gerne mit.

  12. Heute schreibt Thomas Spang in der Stuttgarter Zeitung auf S. 2, Tagesthema:

    Trump und die Tricks der NS-Propaganda

    Donald Trump verspricht seinen Anhängern bei der für kommenden Sonntag geplanten Kundgebung im Madison Square Garden von New York Eibe ‚Ultra-MAGA-Erfahrung‘, eine Make-America-Great-Again-Event der Superlative. […]

    Dass es sich bei seinen NS-Anklängen nicht bloß um unbedachte Worte, sondern um eine Strategie handelt, lässt sich an Trumps Wahlkampf ablesen. Trumps Slogan ‚America First‘ stammt von Hitler-Bewunderer Charles Lindbergh und gehörte zu den Parolen der Nazi-Kundgebung im Madison Square Garden.“

    1939 – vor 85 Jahren – hatten sich mehr als 20.000 deutsch-amerikanische Sympathisanten von Adolf Hitler im Madison Square Garden versammelt. Indem Donald Trump maximal polarisiert, strebt er eine Mobilisierung auch demokratieferner, weißer Rassisten an. Für den Wahl seines Wahlsieges hat er u.a. Massenabschiebungen und den Einsatz des Militärs auch im Inneren angekündigt.

  13. Im Endspurt verdichten sich die Hinweise, dass die Wahlkampfveranstaltungen von Kamala Harris stärker besucht werden und mehr Begeisterung erwecken als jene von Donald Trump:

    https://www.youtube.com/watch?v=Iiwi1LOEKhQ

    Ich sehe die Eskalation der rechtsdualistischen, teilweise faschistischen Rhetorik von Trump als Versuch, weitere, weiße Wählende zu mobilisieren. Dies könnte jedoch auch dazu führen, dass mehr Menschen für die US-Demokraten mobilisiert werden, die die Bedrohung erkennen. Wollen wir es hoffen.

  14. Der US-Comedian Tony Hinchcliffe sprach bei einer Wahlkampfveranstaltung von Donald Trump im Madison Square Garden in New York.

    “Im Moment gibt es buchstäblich eine schwimmende Insel aus Müll mitten im Ozean”, sagte er. “Ich glaube sie heißt Puerto Rico.” Anschließend machte sich Hinchcliffe über die Geburtenrate von Latinos lustig.

    Weitere Unterstützer, die Trump auf die Bühne bat, waren ein konservativer Aktivist, der Trumps Rivalin, Vize-Präsidentin Kamala Harris, als “Antichrist” bezeichnete, bevor er ein Kruzifix hochhielt. Trump-Berater Stephen Miller rief der jubelnden Menge zu “Amerika ist für Amerikaner und nur für Amerikaner”.

    https://web.de/magazine/politik/wahlen/us-wahl/comedian-hinchcliffe-sorgt-trump-wahlkampf-event-kopfschuetteln-40278822

    Über 3 Millionen Menschen in Puerto-Rico haben zwar ein Anrecht auf die US-Staatsbürgerschaft, dürfen aber nur dann bei den US-Präsidentschaftswahlen abstimmen, wenn sie mindestens 18 Jahre alt sind, ihren Wohnsitz in einem der 50 US-Bundesstaaten und sich dort ggf. ins Wählerverzeichnis eingetragen haben. Solange sie auf Puerto Rico selbst leben, haben sie kein Wahlrecht für die US-Präsidentschaft.

  15. In der heutigen Frankfurter Allgemeinen Zeitung findet sich auf S. 30 (“Medien”) ein stark recherchierter und gerade deswegen verstörender Artikel von Melanie Mühl unter dem Titel: “Eine Tracht Prügel von Daddy”.

    Darin heißt es u.a.:

    “Sowohl für Donald Trump als auch für Kamala Harris sind Podcasts ein wichtiger Baustein ihres Wahlkampfs. Jeff Gulati, Professor für Politikwissenschaft an der Bentley University in Waltham, Massachusetts, sagte in einem Gespräch mit der “Time”, Harris wähle den Auftritt in Podcasts, deren Publikum überwiegend aus Frauen und jungen schwarzen Männern bestehe wie etwa “Call Her Daddy”. Trump hingegen wende sich an junge, oft politisch unengagierte Männer, die “dazu neigen, ihn zu unterstützen, aber weniger wahrscheinlich wählen gehen.”

    Diese sogenannten “Bro-Stimmen” seien der Grund, weshalb Trump Auftritte bei Podcastern wie dem von jungen Männern gefeierten Ex-Comedian Joe Roegan hatte – und demnächst wieder bei bei Tucker Carlson haben wird.”

    Der verstörende Titel ergibt sich aus einer thymotischen und sexistischen Gewaltverherrlichung von Tucker Carlson:

    “Erst vergangene Woche brachte der rhetorisch begabte Hetzer die MAGA-Massen bei seiner Wahlkampfveranstaltung Trumps in Duluth, Georgia in Stimmung, indem er Trump mit einem wütenden Vater verglich, der durchgreift. Auf der Bühne brüllte Carlson:

    “Er ist sauer, Papa ist sauer. Und wenn Papa nach Hause kommt, wissen Sie, was er dann sagt? ,Du warst ein böses Mädchen. Du warst ein böses kleines Mädchen, und du bekommst jetzt eine kräftige Tracht Prügel.'”

    Die Menge jubelte.”

    Eigentlich ein Pflichtartikel zur crossmedialen Thymotisierung, zumal auch geschildert wird, wie Carlson in seiner Podcast-“Show” Antisemitismus und Holocaust-Verharmlosung verbreitet. Mehr auch gewaltverherrlichen, mehrere Medienangebote verknüpfenden Thymos kann ich mir kaum denken…

  16. Vor fünfzig (!) Jahren, 1974, erschien bei Suhrkamp in Frankfurt am Main von Hans Blumenberg das intensive „Säkularisierung und Selbstbehauptung“.

    Auf S. 15 schrieb der Philosoph (Hervorhebungen im Original):

    „Hannah Arendt spricht von einer Weltlosigkeit ohnegleichen als Gepräge der Neuzeit. Der Mensch sei, als er die Hoffnung auf das Jenseits verlor, nicht mit der dadurch freigewordenen Intensität des Bewußtseins auf das Diesseits eingegangen; vielmehr wurde er aus der jenseitigen und der diesseitigen Welt auf sich selbst zurückgeworfen.

    Die Wirklichkeit der Welt, der er sich gegenüber sah, sei ihm nun gerade zweifelhaft geworden, indem sich der unmittelbare Sinneskontakt durch die mathematisierte Physik als Darbietung nur der vordergründigen Erscheinung soliderer Realitäten erwies. Auch in dieser These wird die Neuzeit zur Fortsetzung des Christentums mit anderen Mitteln, aber in derselben Richtung der Entweltlichung. Der Mensch habe sich erheblich weiter von der Erde und der sinnlich gegebenen Realität entfernt, als irgendeine christliche Jenseitshoffnung ihn je von ihr entrückt hatte.

    Als Zitatquelle gab Blumenberg Arendts „Vita activa oder Vom tätigen Leben an, Stuttgart 1960, S. 312.

  17. So, heute wählen also nun die USA 🇺🇸 🗳️ 🤔.

    Habe Hoffnung, dass Donald Trump überzogen hat und Kamala Harris eine überraschend starke Mobilisierung von Frauen und jungen Leuten gelingen könnte. Aber das U.S.-Wahlsystem mit Mehrheitswahlrecht und Wahlleute-System sowie medialer Polarisierter stärkt den Rechtsdualismus.

    Perplexity.ai:

    Dr. Michael Blume sieht Probleme sowohl im Mehrheits- als auch im Verhältniswahlrecht.

    Beim Mehrheitswahlrecht kritisiert er den “False-Balance-Effekt”, der populistische Kandidaten begünstigt, da sie weniger kritisch betrachtet werden als ihre demokratischen Konkurrenten[1].

    Im Verhältniswahlrecht hingegen können Wähler leichter zwischen Kandidaten wechseln, was die Effekte des False-Balance-Problems mindert, jedoch kann es zu einer Zersplitterung der politischen Landschaft führen, was stabile Regierungsbildungen erschwert[1].

    Citations:
    [1] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/zur-wahl-in-frankreich-haben-demokratien-ein-eingebautes-false-balance-problem/
    [2] https://www.studienstiftung.de/portraets-interviews/michael-blume-wir-brauchen-wieder-einen-bildungsbegriff-der-sich-seiner-juedischen-christlichen-und-humanistischen-wurzeln-bewusst-ist
    [3] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/labour-triumph-aber-kein-erdrutschsieg-ein-genauerer-blick-auf-die-wahlen-im-vereinigten-koenigreich/
    [4] https://www.ev-akademie-boll.de/fileadmin/user_upload/06_Service/02_Online-Dokumente/430118_10_blume.pdf
    [5] https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Blume
    [6] http://www.blume-religionswissenschaft.de/pdf/HayekPotsdam0607.pdf
    [7] https://www.boell-bw.de/de/2022/12/05/dr-michael-blume-gegenstrategien-von-seiten-der-politik-und-den-institutionen
    [8] https://stm.baden-wuerttemberg.de/de/themen/beauftragter-gegen-antisemitismus

    • Mal sehen, wie der Tag heute verläuft. Ob wir vermehrt von Angriffen auf Wahlhelfer hören. Hoffentlich kommt niemand ernsthaft zu Schaden.

      Es gibt m.E. auch heute schon die Gefahr, dass in den Red States Leute, die wählen wollen, eingeschüchtert werden. So viele verschiedene Szenarien, was da von interessierter Seite inszeniert werden könnte.

      Gewählt werden heute auch die künftigen Mitglieder des Repräsentantenhauses und die Senatoren. Beide Institutionen sind im Januar entscheidend bei der Ratifizierung der Wahl.

      So oder so gehen wir einer gefährlich ungewissen Zeit entgegen.

      Sollte Trump jedoch gewinnen, dann liegen die Horrorszenarien auf dem Tisch.

      Das betrifft dann auch Europa und Deutschland. Innenpolitisch sieht es derzeit ebenfalls nicht gut aus. Ob die Regierung Scholz tatsächlich bis September 2025 im Amt bleibt, ist nicht sicher. Auch bei uns wird X zum Verteilen von Hass und Lügen genutzt. Ohne Konsequenzen.

      Ausdrücklich geht mein Dank an Sie für den leider vergeblichen Versuch, X juristisch in die Schranken zu weisen.

      Leider ist nicht sicher, ob es nach der nächsten BTW auf Bundesebene noch einen oder eine Beauftragte(n) gegen Antisemitismus geben wird. Dass nur der/die Wehrbeauftragte eine Bestandsgarantie hat, halte ich für keine gute Entwicklung. Auch was den Datenschutz angeht, wäre der Verzicht auf einen/eine Bundesbeauftragte(n) für diese wichtige Aufgabe schlecht.

      Ich muss es nehmen wie es kommt.

      • Vielen herzlichen Dank, liebe @SabineH.!

        Ich befinde mich gerade auf der Rückreise von der Bund-Länder-Kommission (BLK) der Beauftragten gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben in Deutschland – die es inzwischen in allen Bundesländern mit Ausnahme von Bremen gibt. Wir sind wohlauf und arbeiten hart, vor allem aber auch überparteilich, wissenschaftlich orientiert und gemeinsam! 🙂

        Die Anspannung zur US-Präsidentschaftswahl war auch in Berlin geradezu körperlich zu spüren und so habe ich heute früh einen sowohl mythologischen wie auch humorvollen Blogpost dazu eingestellt:

        https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/us-praesidentschaftswahlen-2024-zwischen-touchscreen-analysen-und-harris-heldinnenreise/

        Auch ich bin sehr gespannt, was der Tag und die Woche so bringen – zumal ja nicht nur die US-Regierung mit dem zugespitzten Mehrheitswahlrecht, sondern auch die bundesdeutsche Ampel-Koalitionsregierung auf Basis des Verhältniswahlrechtes ringt. Die digitale „Enge der Zeit“ emotionalisiert uns alle – und ich sehe den Blog als ein kleines Angebot, dieser Enge auch immer mal wieder dialogisch zu entgehen.

        Ihnen Dank für das Interesse und die starken Drukos!

        • Hallo,
          eine Ergänzung/Gedanke zur Enge der Zeit und zur thymotisierungs Diskussion hier.

          Ich frage mich ob neben des dialogischen Monismus.(Austausch, selbstreflexion, wissen um eigene Ambivalenzen usw. ) auch Formen des Gebets oder der säkularen Meditation uns auf individueller Ebene aus der Enge der Zeit führen können.
          Bei größerer Verbreitung solcher Praxen auch gesellschaftlich.

          Inspiriert bin ich sowohl durch eigene Meditationspraxis als auch eine sehenswerte Videoreihe von Gerd Scobel zu wissenschaftlichen Grundlagen von Meditation und Achtsamkeit.
          (3sat mediathek, es lebe der ÖRR)

          Achtsamkeit zwingt uns in ein radikales jetzt.
          Ein Gegenprogramm zu unserer/meiner Sucht nach sozialen Medien/emotionalisierten Inhalten nachts um 0.13h.

          Die Welt ist die gleiche wie gestern.

          Radikales akzeptieren bedeutet dann doch anzuerkennen:
          Wir haben eine funktionierende Demokratie. Dies ist nicht selbstverständlich und abhängig von unser aller Handeln.(Arbeit an eigenen antidemokratischen Anteilen, am eigenen Antisemitismus…)

          Danke für diesen Blog und den sehr spannenden Diskurs hier.
          Gruß und eine geruhsame Nacht
          Aaron

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