Sind Rammstein links oder libertär? Warum die Hufeisen-Verteidigung einfach keinen Sinn mehr macht
So hatte ich mir die Gespräche auf und nach dem Evangelischen Kirchentag zu Nürnberg nicht vorgestellt. “Was sagst du / was sagen Sie denn zum Rammstein-Eklat?”, fragten Freunde, Dialogpartnerinnen, eine Journalistin, ein Sohn. Auf Twitter wurde angefragt, ob ich mich denn nicht “zu #Rammstein äußern” wolle?
Dabei hatte ich das schon: Als sich die Band 2019 noch vor den Querdenken-Querfrontlern in KZ-Kluft mit Judensternen präsentierte, um ihr neues Album zu bewerben, hatte ich trotz einiger Anfragen keine vorschnelle Stellungnahme rausgehauen, sondern mich erst vertieft mit Videos und Musik der Gruppe befasst, mit Fans ausgetauscht. Nach Prüfung hatte ich die Kritik etwa von Charlotte Knobloch und meinem Bundes-Kollegen Felix Klein unterstützt und die digitale Verrohung thematisiert, die uns dann ja auch während der Covid19-Pandemie um die Ohren flog: „Da werden Dinge verbreitet, die konnte man vor zehn, 15 Jahren nicht sagen.“ Ich glaubte nicht, dass sich die Bandmitglieder selbst als antisemitisch verstanden – aber fand es umso übler, dass sie offensichtlich bereit waren, Assoziationen des Antisemitismus aufzurufen. Ich sagte also: „Ich gehe davon aus, dass eine Band wie Rammstein die Empörung mit einkalkuliert hat und bewusst antisemitische Symbole bedient.“
Ausschlaggebend für diese Einschätzung war dabei nicht nur die werbewirksame Selbst-Gleichsetzung der Band mit jüdischen KZ-Häftlingen. Als SS-Offizierin wurde zudem eine schwarze Frau präsentiert. Und die vieldiskutierte Aussage, “Deutschland, meine Liebe – Kann ich dir nicht geben.” wurde wiederum ausgerechnet einem jüdischen Todgeweihten in den Mund gelegt. Distanzierte sich hier Texter und Frontmann Till Lindemann von (welchem?) Deutschland – oder wurde hier den im Holocaust-Ermordeten die Liebe zum Land nachträglich abgesprochen? Viele Juden, aber auch Sinti und Roma sowie politische Oppositionelle hatten Deutschland geliebt, ihm gedient, für es im 1. Weltkrieg gekämpft! Auch dem zum nationalesoterischen George-Kreis gezählten und leider gescheiterten Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907 – 1944) wurde noch als letzter Ausruf vor dem Erschießungskommando “Es lebe das geheime Deutschland!” zugeschrieben. Mag ja sein, dass Lindemann Deutschland keine Liebe geben konnte – diese jedoch den vom NS Ermordeten in KZ-Kluft mit Judenstern nachträglich abzusprechen war nach meiner Einschätzung auch künstlerisch mies.
Rammstein-Selbst-Gleichsetzung mit jüdischen NS-Opfern, die Deutschland keine Liebe geben können im Video “Deutschland”. Screenshot zur Dokumentation des Kritikpunktes: Michael Blume
Aber Rammstein konnte sich auch damals auf seine Fans verlassen. Nicht wenige schrieben mir erklärend oder gar wütend. Die Band sei “nicht antisemitisch, sondern links”. Sie stehe gegen Rassismus, für Flüchtlinge ein. Und überhaupt, in Deutschland gelte doch gefälligst Kunstfreiheit! Wir – “Sie und die Charlotte Knobloch” hätten doch “von dieser Musik keine Ahnung”, wir seien “nur mediengeil”.
Die Strategie der antisemitischen Provokation wirkte auch hier: Mehrdeutig kommunizieren und sich dann als Opfer vermeintlich böswilliger Kritik gerieren. Dabei hatte ich weder ein Verbot des Videos gefordert noch die Band des Antisemitismus bezichtigt – sondern nur genau des werbewirksamen, symbolischen Spiels, das ja dann auch zündete. So hatte ich dazu selbst kein einziges Medium kontaktiert und mich auch hier bei den scilogs bewusst zurückgehalten: “Auch – aber nicht nur – via Twitter erreichte mich aber auch die Frage nach einem Statement zum Rammstein-Video “Deutschland”. Klar habe ich dazu eine Meinung – allerdings bin ich kein Musik-, sondern “nur” ein Religionswissenschaftler. Daher zögere ich, ob ein Statement von mir dazu überhaupt interessieren würde…” Eine Nichtreaktion auf journalistische Anfragen wäre aber auch eine Nachricht gewesen.
Den Schmerz der Fans, die ihren Musikidolen emotional und oft auch biografisch verbunden sind, in ihnen “das Gute” sehen wollen und sie also dualistisch verteidigen, kann ich dabei sehr gut nachvollziehen. Auch mir fiel es nicht leicht, etwa das Werk von Xavier Naidoo nach seinen Adrenochrom-Verschwörungsmythen neu zu bewerten. Aber ich glaube, dass wir weder künstlerischen noch politischen oder religiösen “Idolen” bedingungslos folgen, sondern auch diese hin und wieder fair und kritisch hinterfragen sollten. Aufklärung bedeutet eben der Ausgang aus “jeder” selbstverschuldeten Unmündigkeit.
Und so fühle ich mich anlässlich der neuen Debatte über sexistische und gewaltverherrlichende Texte sowie den (noch nicht gerichtlich überprüften) Vorwürfen sexualisierter Gewalt gegen weibliche Fans in meiner immer vorläufigen Einschätzung bestätigt:
1. Links-Sein bietet keinen Schutz gegen Antisemitismus und Dualismus. Die brutale Realität der Stasi-DDR, die auch meine Familie betraf, bestätigte sich weltweit immer wieder.
2. Auf mich wirken weder die Texte noch etwa das Interview im erzkapitalistischen Playboy mit Joey Kelly vom Dezember 2017 nicht “links”, sondern allenfalls “libertär“. Hier brüstete sich der Rammstein-Texter Lindemann beispielsweise, “keine Frauen-Freundschaften” zu pflegen. Denn solche könnten nur klappen, “wenn man sie vorher gepoppt hat, dann vielleicht schon.” Denn: “Diese Spannung ist ja allgegenwärtig. Die schläft latent, und spätestens nach dem zehnten Gin Tonic passiert’s dann.” (Und, ja, auch Karl Marx war kein Heiliger – er brüstete sich jedoch nicht mit Sexismus, sondern verleugnete sogar einen mit der Haushälterin gezeugten Sohn.)
3. Im Gegensatz zum im Deutschland immer noch beliebten Hufeisen, nach dem Übles nur von Rechts- oder Linksaußen käme, stehe ich klar zur Dualismus-These nach Sacks, die jede Religion und Weltanschauung und entsprechend auch den dualistischen – bisweilen antisemitischen – Libertarismus im Gegensatz zum monistischen Liberalismus betrifft. Und, ja, Libertäre können dabei durchaus Grenzen gegen Flüchtlinge oder auch Rassismus ablehnen; ihre Wut richtet sich ja vor allem gegen den demokratischen Nationalstaat.
Auch die nun auch Rammstein vorgehaltene Drohung mit juristischen Konsequenzen habe ich seltener von Linken als von Rechtslibertären erlebt: So versuchte es der Kulturmarxismus-Verschwörungsmythen verbreitende Markus Krall ebenso gegen mich wie ein Blogger und Anwalt der sog. “Achse des Guten” sogar durch zwei Instanzen. Umgekehrt gelang ein juristischer Erfolg, um Twitter an deutsch-europäisches Recht zu binden. Sie sehen, ich gehe da – wo es sein muss – auch in den Konflikt, lasse mich keineswegs einschüchtern.
Denn wie es Jan Böhmermann in seiner aktuellen “Freiheit-Döpfner-Musk-Twitter”-Folge schildert, erleb(t)e ich es auch: Libertäre und insbesondere Rechtslibertäre meinen mit Freiheit oft vor allem ihre Freiheit “von” allgemeinen Regeln, während sie gleichzeitig Widersprechenden mit teuren, juristischen Verfahren drohen. Die hohen Kosten und unsicheren Ausgänge geben Finanzstarken auch im liberalen Rechtsstaat damit letztlich die Möglichkeit zum Unterdrücken missliebiger Stimmen. Ich verweise hierbei gerne auf “Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich” von Ronen Steinke, dessen juristisch-aufklärende Arbeit ich sehr schätze.
Also von mir eine freundliche Meinungsäußerung, gerne mit Ton:
“RAMMSTEIN! MEINE LIEBE – KANN ICH EUCH ALS BAND NICHT GEBEN. EUER GESCHÄFT IST VOLLER HOHN UND VERDIENT KEINEN GELDREGEN!”
Völlig erschöpft und harmlos nach Podium & Gesprächen gegen Antisemitismus auf dem Kirchentag zu Nürnberg. Selfie: Michael Blume
Angesichts des verlinkten Rammstein-Videos komm ich zu einem andern Schluss. Rammstein sind weder links noch libertär, sondern Herren und Meister des Chaos. Bekanntlich stiften solche Leute gerne Chaos, die wissen, dass sie die einzigen sind, die es beherrschen, während alle andern davon beherrscht werden.
Folgerung: Rammstein ist eine Egomanen-Maschine.
Nicht selten verbergen sich hinter vermeintlichem „Chaos“ erstaunlich organisierte Strukturen…
https://www.ndr.de/kultur/musik/Vorwuerfe-gegen-Rammstein-Lindemann-Worum-geht-es,rammstein172.html
#Rammstein #Lindemann #NDR-Recherchen
Ich hab mir jetzt das Video ‘Deutschland’ angeschaut, die credits machen mehr als 1/4 der Laufzeit aus, und am Anfang erscheint ‘Ruby Commey as Germania’.
Eine schwarze Deutsche als Darstellerin einer Allegorie, die eh nicht funktioniert (weil das antike Germania nicht viel mit dem heutigen Deutschland verbindet) einzusetzen schützt die Band zumindest vor dem Verdacht auf völkischen Nationalismus.
Die SS-Offizierin, die die Häftlinge hinrichten lässt, ist ‘Germania’.
Im Hintergrund steigt ein Aggregat4 auf, besser bekannt als V2, das einzige jemals ernsthaft eingesetzte Waffensystem der Geschichte, bei dessen Produktion (u.a. in Mittelbau-Dora) mehr Menschen starben als beim Einsatz.
Das Video war offensichtlich sehr teuer. Trotzdem werde ich wohl weiterhin keine Musik von der Band kaufen oder Konzerte besuchen.
Ich hoffe aber auch, dass sich die liebe CDU einigermaßen komplett von Resten des völkischen Denkens getrennt hat.
„Das hoffen wir alle!“
-Commander William Adama, Galactica
Erlauben Sie mir aber ein Nachhaken, @wereatheist.
Sie schrieben: „Die SS-Offizierin, die die Häftlinge hinrichten lässt, ist ‘Germania’.“
Nun, wenn wir dieser Deutung des Rammstein-Videos folgen, dann stünde also die SS für das „wahre“ Germania, wogegen die ermordeten Juden nachträglich als nicht-deutsch dargestellt würden.
Das ist ziemlich genau der üble und auch historisch völlig unzutreffende Dualismus, den ich kritisier(t)e…
Derjenige der die Häftlinge hinrichtet bzw. über die Hinrichtung entscheidet ist der Gitarrist der Band. Rammstein sind in der KZ-Szene Opfer und Täter. Germania schaut zu – wie auch in der DDR. Germania ist bei diesen Unrechtsregimen also Mitläufer, und nicht mehr die “Königin”. Sie wird von der Kirche aufgegessen, und dann verbrüdert sich die Kirche mit den Nazis.
Sie dekontextualisieren hier eine einzelne Szene. Die viel naheliegendere Interpretation im Gesamtkontext ist, dass sich “Deutschland” ändert, und das Kirche und die Nazis sich an Deutschland vergriffen haben. Und es ist eine ziemlich offensichtliche Kritik an Autoritarismus. Aber den Bürgern wird eine Mitschuld gegeben. Zumindest kann man so auch den Wechsel im dritten Refrain zu “mein Atem kalt” interpretieren.
In der Regel lese und schätze ich Ihre Beiträge, aber hier haben Sie sich verrannt. Außerdem ist es wirklich der falsche Zeitpunkt für diese verspätete kulturwissenschaftliche Kritik.
Viel interessanter wäre ein Beitrag zu den schwerwiegenden Missbrauchsvorwürfe gewesen. K.O.-Tropen sind sowieso indiskutabel, aber auch die erhobenen Vorwürfe der Täuschung, Isolation,… sind für sich alleine schon schwerwiegend genug.
Nee, @Nix da – die Kritik ist nicht „verspätet“, sondern schon von 2019. Damals wurde jedoch kaum darauf reagiert. Und das – hier teile ich Ihr Entsetzen – bezieht sich nun ebenfalls auf Gewaltfantasien, K.O.-Tropfen-Szenen sowie Playboy-Interviews, die offensichtlich ebenfalls lange ignoriert, sogar im Gedichtband eines renommierten Verlages gefeiert wurden. Was also stimmt nicht mit uns, dass wir erst hinsehen, wenn es sich nicht länger verschweigen lässt?
Dass sich „Deutschland“ auch als Dekonstruktion jeder deutschen Staatlichkeit deuten lässt – da gehe ich mit. Das ist ja das Wesen des Libertarismus. Nur mündet dieser früher oder später in einer Gleichsetzung von NS-Regime, DDR, Kirche und Bundesrepublik. Kommt dann noch die samt Rache-Fantasien inszenierte Selbst-Gleichsetzung mit NS-Opfern und Judensternen hinzu; dann ist Querdenken tatsächlich nicht mehr weit. Hier wurden Abgründe überschwiegen.
Hier habe ich die libertäre Strategie der Gleichsetzung einmal an bis heute aktiv verteilten, deutschsprachigen Büchern von Roland Baader erkundet:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/verschwoerungsfragen-41-von-ns-gleichsetzungen-und-vergleichen-sophie-scholl-und-roland-baader/
Ich hoffe also, es wird deutlich: Die Kritik an Rammstein bedeutet mir auch eine Befragung unserer eigenen Wahrnehmungs- und Erinnerungskulturen.
Germania muss nicht ewig-gleich bleiben. Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Deswegen können wir aus ihr über uns selbst lernen. Auch in und für Deutschland.
Wenn ich mich richtig daran erinnere: Weil viele dachten, haha, Rammstein, Stöckchen – Warten wir erst einmal das gesamte Video ab, das im Trailer beworben wird. Und dann kann ich mich aber nicht mehr erinnern, von Ihnen noch etwas gelesen zu haben.
Ja, @Alubehüteter – ich halte mich weder für allwissend noch für allzuständig und sah auch keinen spezifischen Bezug zu Baden-Württemberg. Normalerweise äußere ich mich dann nur mit Bezug auf Anfragen – und selbst dann nicht immer. Diesmal „fragte“ der Kirchentag zu Nürnberg… 🤔📚✍️
Das war dann mein Fehler, da hat mich das Veröffentlichungsdatum auf die falsche Fährte gelockt. Ich bitte um Entschuldigung.
Die Gedichtsbände sind auch nicht mein Fall, aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten – über potenzielle K.O.-Tropfen nicht. Auch Abseits (straf)rechtlicher Konsequenzen, taugt der Skandal als Anschauungsbeispiel für bessere Prävention innerhalb der gesamten Branche.
Ich wollte eigentlich Deutschland weniger als eine komplette Ablehnung jeder Staatlichkeit verstanden haben, sondern viel mehr als eine Ablehnung der schlechten Aspekte Deutscher Geschichte bzw. über die Vereinbarung von Vaterlandsliebe (das brennende Herz – bei Rammstein generell negativ konnotiert) mit den vielen Schattenseiten. Und verweise hierfür auch auf die Lyrik.
Wie passt Germania als Teil der Polizei und Geisel der RAF in die Lesart der Ablehnung jeder Staatlichkeit?
Zum libertären Dualismus: Ich finde dieses Modell sehr nützlich zur Analyse von Crashpropheten, Bitcoin-Fans, o.ä.
Aber es ist letztlich ein Werkzeug zur Analyse deren Nützlichkeit vom jeweiligen Kontext abhängt.
Bei einer Band die mit Ambiguität spielt, wie Rammstein, ist es für mich nicht das richtige Werkzeug. Es ist hierfür zu plump (auch wenn das natürlich vor dem Hintergrund eines Musikvideos, und der generell einfachen Musik eine lustige Aussage ist).
Darauf können wir uns definitiv einigen.
Danke, @Nix da.
Es fällt mir wirklich schwer, beispielsweise auch die Rammstein-Lyrics von „Ausländer“ anders als rechtslibertär zu verstehen. Sie mögen Bewunderung oder Ablehnung für diesen männlichen Machismo ausdrücken – verbunden mit den selbstbespiegelnden Sex-Fantasien von Till Lindemann scheint mir jede „linke“, emanzipative Lesart hier ausgeschlossen. Die gleichberechtigte Verbundenheit sowohl zwischen Deutschen und Zuwandernden wie auch zwischen Männern und Frauen kommt schlicht nicht vor:
Der Refrain:
„Ich bin kein Mann für eine Nacht
Ich bleibe höchstens ein, zwei Stunden
Bevor die Sonne wieder lacht
Bin ich doch schon längst verschwunden
Und ziehe weiter meine Runden“
https://genius.com/Rammstein-auslander-lyrics
Danke für Ihr konstruktives Interesse!
Ich konnte leider nicht direkt auf ihren letzten Kommentar zu “Ausländer” antworten, deshalb hier die Antwort:
Meiner Meinung nach muss nicht jeder Song in gleichem Maße politisch sein. Ausländer ist der “Upbeat Song” auf dem Album, und soll im wesentlichen lustig sein, weil Erwartungen getäuscht werden („Ich bin kein Mann für eine Nacht. Ich bleibe höchstens ein, zwei Stunden”). Kennt man vielleicht aus einem anderen Genre – Ballermann-hits. Wenn den Song unbedingt politisch lesen will, dann könnte man im Video auch eine Spiegelung des Ausländers erkennen, der den Einheimischen die Frauen wegnimmt.
Ich glaube wirklich, dass es für sie schwierig wird beispielsweise “Angst” oder “Mein Land” (von 2011) als libertär zu lesen. Es sei denn Sie verstehen hierunter einen open-borders libertarismus. Hier weiß ich dann allerdings dann nicht wie sie den Bogen zum Dualismus gespannt bekommen.
Ja, @Nix Da – gerade auch „Mein Land“ ist da m.E. recht(s) eindeutig. Einerseits werden staatliche Grenzen ironisiert, andererseits taucht im Deutsch gesungenen Lied auch nur (kurz gegen Ende) die deutsche Fahne auf. Wir können uns doch sicher darauf einigen, dass gerade auch dieses Lied nicht als „links“ oder „apolitisch“ gelten kann?
Gute Grüße, schöne Nacht!
Es war vielleicht nicht das ‘wahre’, aber das meiste Deutschland das nicht explizit Nazi, aber Nazi-kompatibel war.
Johann Georg Elser ging es nicht um das wahre Deutschland, sondern der wollte einfach einen kriegsgeilen Herrscher stoppen.
Die Ehrenfelder Gruppe war vor Allem pragmatisch.
Provokation darf alles, nur nichts meinen. Es geht um das Herausfordern von Denkmustern, darum, bestehende zu zerbrechen und in Frage zu stellen. Meinung macht das Gegenteil, sie verkauft Denkmuster als absolute Wahrheiten. Meinungen sind wie Sportler – wenn sie nicht ständig herausgefordert werden, werden aus Champions bequeme, selbstgefällige Luschen. Und jede Lusche hält sich für einen Champion, weil tatsächlich kein Unterschied mehr besteht.
Warum gibt Gott den Leuten völlig verschiedene Religionen und sagt jeder, sie wäre die einzig wahre? Weil er ihnen auch sagt, sie sollen Frieden halten. In Frieden streiten zu können, auch wenn es unmöglich ist, sich jemals einig zu werden, ist die einzig wahre Religion. Die unlösbaren Widersprüche sorgen für den nötigen Krawall, der für Qualität und Entwicklung sorgt, der Frieden, die gemeinsamen Regeln, auf die man sich doch einigen muss, verhindern die Eskalation. Genau wie Sport, lebt alles, was lebt, vom Sportsgeist. Und wenn er stirbt, folgt es ihm ins Grab.
Pluribus in unum – eine absolute Wahrheit, die Sie immer finden werden, ob Sie aus einer beliebigen Philosophie heraus arbeiten, einer Religion, aus dem Atheismus, aus den Naturwissenschaften. Alles, was funktioniert, funktioniert so. Wenn Wahrheit das Wort Gottes ist, brüllt er diese von allen Bühnen lauter als Rammstein es je könnten.
Was die Missbrauchsvorwürfe gegen Lindemann angeht – Musik sucht sich nicht immer die würdigsten Propheten. Spezialisten widmen sich ihrer Spezialisierung und opfern alles andere dafür, wer viel übt, um der Champion zu werden, hat weder Zeit noch Kraft für anderes, es bleibt unterentwickelt und verkümmert. Dazu gehört nicht selten auch die charakterliche Entwicklung. Schätze mal, er hat seine Meinung so erfolgreich vor Provokationen geschützt, dass es schon die Polizei braucht, um ihn aus seiner Komfort-Zone zu reißen. Schade, dass die Musiker ihre Musik so oft mitnehmen, wenn sie fallen.
Und das Politspektrum ist immer noch ein Globus: An einem Ende der Massepol, wo der Futtertrog steht. Dorthin bringen alle das Futter zwecks überlebensnotwendiger Umverteilung – dort sitzen die fetten Schweinchen. An dem anderen der Energiepol, wo jene verbannt werden, denen man kein Futter gönnt, sowohl die Hungrigen, denen der Magen knurrt, wie auch jene, deren Ego zu groß für die Wirklichkeit ist – dort sitzen die Zombies. Die Ideologie der Partei wird umso bedeutungsloser, je näher sie den Polen kommen: Sie kriechen über den Globus, und ihre Mentalität, Ideen, Handlungen, passen sich ihrer Position an: Am Schweinepol denkt man nur daran, sich nicht zu bewegen, am Futtertrog festzuhalten, den Status Quo zu bewahren. Am Zombiepol – alles zu zerstören, was einem den Weg zum Futtertrog versperrt. In der Nähe der Pole gleichen sich die Parteien an, die größte Vielfalt herrscht am Äquator – wo die meisten Lebenswirklichkeiten verteilt sind, denn schließlich gibt es viele Wege, Futter zu sammeln und viele Rollen beim Futtersammeln.
Natürlich hat jeder Pol selbst solche Pole, jeder Mensch hat sie und besteht aus Dingen, die solche Pole haben, wir verknüpfen uns über diese Pole zu größeren Strukturen. Alles nur Physik.
Monismus und Dualismus haben beide ihren Platz in der Welt. Beide dürfen nicht eskalieren, beide brauchen einander dazu. Und wenn sich Ihre Position auf dem Globus von der von Rammstein unterscheidet, ergibt das einen größeren Globus. Im Moment gibt’s viel Krach, weil die wirtschaftliche Stromversorgung versagt, der Globus schrumpft und alle Pole zusammenrücken, was zu Extremen auf beiden führt – jeder macht das Schwein zum Schild und den Zombie zum Schwert. Die Schwachen werden verschlungen, die Starken mästen sich an den Leichen und werden zu Riesen, Gog und Magog sammeln ihre Armeen, um die Polarisierung auf die höchste Größenebene zu tragen, Extreme trainieren ihre Muskeln, schärfen ihre Schwerter und satteln ihre Gäule, inzwischen ist die Jagdgesellschaft der Gottesgeißeln über vier gewachsen, doch der Boss auf dem fahlen ist immer noch der Gleiche. Alles nur Physik.
Das System muss mutieren, sich reorganisieren, denn die alten Futterquellen versiegen, und es muss lernen, neue zu nützen – es zerstört sich, um Platz und Legosteine für ein neues zu schaffen. Wir brauchen Streit zum Überleben. Das Überleben braucht viel Streit und nur wenige Überlebende. Unsere Streitkultur ist dem nicht gewachsen – jede Provokation darf ins Unendliche eskalieren, weil sie keine ernsthaftere Reaktion auslöst, als Grunzen vom Schweinepol, schon ein Quieken wird als Hysterie gesehen. Und sie eskaliert ins Unendliche, vom Wort zur Tat, bis Schwarz und Weiß und alles dazwischen SS-Uniformen tragen, und einander ins KZ stecken. Die Zombie-Apokalypse wird durch den Größenwahn der alten Champions ausgelöst, ihren Glauben, sie hätten gewonnen und könnten nun jedem Kampf ausweichen, die feige Flucht zum Sieg erklären – Provokateure werden zu Propheten, wenn ihr Wort erst noch Fleisch werden muss, um seinen Zweck zu erfüllen.
Rammstein hat Ihnen eine mögliche Zukunft gezeigt, die Albträume, die wir gerade wahr machen. Verwechseln Sie den Boten nicht mit der Botschaft. Auch wenn der Bote manchmal selbst ein Albtraum sein muss, um Albträume zu kennen. Lassen Sie zerbrechen, was Ihnen heilig ist, und bauen Sie aus dem Chaos etwas, was Ihnen heilig sein darf. Was immer heilig war, ist, und sein wird, wird nicht zerbrechen, also her mit den Provokationen, let’s get ready to rumble!
Nee, @Paul S. – da kann ich diesmal nicht mit.
Provokation zielt auf Reaktionen und ist damit kein Wert an sich. Klar werden auch Eltern von ihren Kindern bisweilen provoziert – das bedeutet nicht, allem nachzugeben.
Rammstein hat die Selbstgleichsetzung mit NS-Opfern samt Judensternen etwa bei Querdenken nicht „prophezeit“, sondern mit-etabliert. Rechtslibertäre verachten auch die Regeln des Anstands, daher auch der gewaltverherrlichende Sexismus. Ein Fortschritt ist das nicht, sondern Macho-Regression. Auch Kunst 🎭 und Musik 🎶 haben Besseres verdient als das…
Warum das nicht? – Mir war das zum ersten Mal aufgegangen bei vielen hochpolitischen Aktionen von Christof Schlingensief: Ich habe nicht verstanden, was der Künstler mir damit sagen will. Bis ich gemerkt habe: Er will mir gar nichts sagen. Er will zum Nachdenken anregen. Gewohntes in Frage stellen. Eingefahrene Denkstrukturen aufbrechen. Kunst ist nicht zwingend Bekenntnislyrik, Manifest.Nur sehr aus den Augenwinkeln beobachtet habe ich das etwa auch bei Houellebecq.
Das ist mir eine sehr wichtige Frage, weil ich glaube, jetzt zu verstehen, warum Sie „Germania“ unbedingt festnageln wollen. Was man meines Erachtens genau nicht kann. Vorbehalt: Ich werde das nicht zu lange verteidigen können, weil ich mich zu wenig befaßt habe mit #Rammstein.
Sie müssen es nicht „verteidigen“, @Alubehüteter. Es gibt immer und so auch in der Musik den Moment, wo dynamisches, im Ergebnis monistisches Aufsprengen in dualistische Zerstörung übergeht. Nicht Germania, sondern dieser Moment sollte interessieren.
Ich bin noch gar nicht dabei, sie zu verteidigen, und weiß auch nicht, ob ich das will, sie so weit verstehen will. Ist einfach nicht meine Musik.
Ich bin schon froh, daß die nicht rechts sind. Irgend jemand hat das machen müssen, was sie machen, diesen ganzen Wagner-Lang-Riefenstahl-Faden wieder aufnehmen und aktualisieren. Das war schon klar seit spätestens Kraftwerk.Und das hätte in ganz andere Hände fallen können. Weitgehend unpolitisch reicht mir schon.
Einen schönen guten Tag,
die politische Einordnung von Rammstein (links,rechts, libertär)
beruht auf einem fundementalen Mißverständnis : Die Gruppe
steht – ebenso wie ihr Vorgänger “Coppelius” und ihre Nachfolger
“Eisbrecher” – für ein Wiederaufleben der deutschen Romantik in moderner Kunst, eben der Rockmusik. Es ist kein Zufall, daß in den Texten von Rammstein häufig auf altes deutsches Liedgut (“sah ein Knab’ ein Röslein stehen..”) in verfremdeter Form zurückgegriffen wird.
Die deusche Romatik kommt aus der Kunst und hier ist sie zu Hause. Sie ist von Haus aus weder links noch libertär noch rechts, sondern antipolitisch. Wird sie zu einer politischen Stellungnahme genötigt (oder wie unter den Nationalsozialisten mißbraucht), ist sie nihilistisch. Der Diskussionsteilnehmer “Alubehüteter” hat hier als Einziger am 11.06. 20:38 den Sachverhalt ansatzweise erkannt.
Danke, @Stephan.
Die Einschätzung von Rammstein als “antipolitische” Neo-Romantik finde ich tatsächlich interessant. Denn in seinem großen und immer noch lesenswerten Werk “The Roots of Romanticism” hatte Isaiah Berlin in der deutschen Kleinstaaterei und also biedermeierlich-antipolitischen Romantik auch den eigentlichen Wegbereiter des Faschismus gesehen. Vgl.:
https://press.princeton.edu/books/paperback/9780691156200/the-roots-of-romanticism
Es würde sich m.E. sehr lohnen, dieser Berlin-Romantik-These mit Bezug auf die rechtslibertären Inszenierungen von Rammstein und ggf. auch Richard Wagner noch einmal nachzugehen!
Guten Tag Herr Blume,
es freut mich, daß meine Position Ihr Interesse findet – ich darf jedoch bemerken, daß ich Ihre Einschätzung der Rammstein’schen Inzenierungen als “rechtslibertär” nicht teile. Die deutsche Romantik ist eine komplexe geistige Strömung – der Raum ist hier zu klein für eine fundierte Einordnung.
Deswegen nur stichwortartig: Von den Schlegels und Novalis ausgehend kulminiert diese geistige Strömung in der Spätblüte der deutschen Romantik, der Philosophie Nietzsches, die im Namen der Schönheit (“Die Welt ist nur als ästhetische Erscheinung gerechtfertigt”) antimoralisch und antipolitisch argumentiert.
Hier ist auch der Kontext des Konflikts zwischen Nietzsche und Wagner zu sehen – die anfängliche Bewunderung Nietzsches für die Schönheit des Wagner’schen Werks schlägt in radikale Ablehnung um, als Wagner anfängt, moralische (im Sinne von böse) Botschaften zu verkünden – Nietzsche lehnt Wagner’s Antisemitismus ab, weil er einen Verrat
an der Herrschaft des Schönen darstellt.
Die deutsche Romantik findet ihre Fortsetzung in der Moderne im Werk des jungen Thomas Mann (“Bemerkungen eines Unpolitschen”) bis hin zu Botho Strauss in der heutigen Zeit.
Pauschal gesagt ist der universelle Nenner die Vergöttlichung des Ästhetischen – Schönheit als Religion. Die deutsche Romantik hat Kunstwerke auf höchstem Niveau hervorgebracht – wenn sie als Mittel der Moral und Politik eingesetzt wird, sind die Folgen katastrophal. Die Gruppe Rammstein als moderner Vertreter der deutschen Romantik in der Rockmusik praktiziert einen ausschließlich ästhetischen Umgang mit Moral und Politik. Der sexuelle Machismus Rammsteins gehört übrigens ebenfalls in diesen Kontext (Rockmusik ist dionysisch – Poltik/Moral ist apollinisch)
Danke, @Stephan – ich komme just gerade von einer überzeugenden Wagner-Aufführung der Württembergischen Philharmonie in Reutlingen.
Da Sie auf die Romantik-Argumente von Isaiah Berlin gar nicht eingegangen sind, dürfen wir also davon ausgehen, dass Ihnen diese bislang unbekannt sind? Und da Sie rechtslibertär in Gänsefüßchen gesetzt haben, erkennen Sie die entsprechenden, rechten wie auch libertären Ausprägungen also auch nicht bei Nietzsche? Dies würde ja erklären, warum Sie auch bei Rammstein nicht fündig werden konnten…
Ihnen beste Grüße!
Danke, dass sie das Thema aufgreifen, @Michael Blume.
Was mich dabei ärgert, ist nicht die Frage nach “Provokation oder ernst?” oder ob er rechts oder links sei.
Was mich wütend macht, lässt sich vielleicht am Besten mit einem (dummen) Witz erklären:
Sagt ein Masochist zum Sadisten “quäl mich!” und der Sadist sagt “Neihein!”
Es geht bei den Vorwürfen doch überhaupt nicht darum, dass er sich (angeblich) das “willigste Opfer” ausgesucht hat. (Er könnte ja auch Professionelle dafür bezahlen).
Wenn an diesen Gerüchten um die Rekrutierung der Opfer was dran ist, ging es darum, die wehrloseste Person herauszufiltern, nicht die willigste.
(Ich fürchte, da wurden keine “Masochistischen Fangirls” gesucht, sondern wirklich “Opfer”.)
Rezo arbeitet den Punkt mit der “Einvernehmlichkeit” gut heraus: https://www.youtube.com/watch?v=ZEf5t26u8PM
Wenn sowohl (Zitat) – Einfluss von Substanzen – unerwartete Situationen – Machtgefälle – keine Bezugsperson – Gruppenzwang – kein leichter Ausweg, als auch eine – Drucksituation zusammen kommen – dann geht es bei dieser Rekrutierung nicht um Sex, sondern um Machtmissbrauch.
Dann ist der Lustgewinn beim Sex nicht darauf bezogen, den anderen als Menschen wahrzunehmen, sondern die eigene Macht durch die Ohnmacht dieser anderen Person zu empfinden.
Und so was ist ausgesprochen verwerflich.
(Wäre, wenn sich herausstellt, dass Till Lindemann so tickt, was wir noch nicht genau wissen.)
Aber ich sehe nicht viel Sinn darin, die Unschuldsvermutung gegenüber einer einzigen, männlichen Person höher einzuschätzen als die Unschuldsvermutung gegenüber mehreren Dutzend Frauen, deren Schilderungen unabhängig voneinander große Ähnlichkeiten aufweisen.
Wenn auch bislang keine Vergewaltigung nachzuweisen ist, die Manipulation scheint mir offensichtlich (schon länger) statt zu finden.
Sorgen macht mir, sollte die “öffentliche Meinung” Witterung davon aufnehmen, es statt um “cancel culture” um einen Lynchmob gehen könnte. Wegen der “Geister, die er rief”.
Man kann, hab ich mir sagen lassen, auch Sadismus einvernehmlich ausleben, aber dann muss man “seine Liebe” einem Masochisten schenken können und nicht wollen, dass es “echt” ist.
Danke, @Viktualia
Klar, die rechtsstaatliche Aufarbeitung wird noch dauern – und Rammstein hat ausreichend Geld und Zeit dafür.
Was mich jedoch bewegt ist die Normalisierung antisemitischer Anspielungen und sexualisiert gewalthaltiger Sprache. Ich frage mich ernsthaft ob eine z.B. arabische Band für vergleichbare Shows und Vergewaltigung-als-Gedicht-Texte so lange gefeiert worden wäre? Immerhin nehme ich nach breitem Schweigen in 2019 inzwischen doch breites Entsetzen gerade auch der jüngeren Generationen wahr, das gibt mir etwas Hoffnung…
Die Überwindung von Dualismus scheint mir eine Generationenaufgabe zu sein…
Da wären wir jetzt bei Bushido. Kenne ich mich aber gar nicht mit aus.
Das Bizarre scheint ja zu sein, daß Lindemann auch an einer Vergewaltigung nicht interessiert ist. Das ist ihm auch noch zu einfach. Ihm geht es um die Nötigung, die Grenzverschiebung. Daß Frauen einwilligen in etwas, in das sie eigentlich nicht einwilligen. „Freiwillig“ mitmachen, obwohl sie das nicht mitmachen wollen. Sie wissen nicht, wie ihnen geschieht, werden überrumpelt, überwältigt. Und machen sich selber den Vorwurf, „es“ doch selber „ irgendwie gewollt“ zu haben.
Es gibt eine Erzählung, die muß nicht stimmen, TL habe mit einer betäubten Frau geschlafen, sie sei aufgewacht, er habe sie gefragt, ob er aufhören solle. Alle berichten, wenn sie sich standhaft geweigert hätten, habe TL getobt, geschrien, Dinge zerstört – Aber sie gehen lassen.
Eine klare Ansage auf Insta: TL sucht für Aftershow Frauen, und er wird euch behandeln wie Sch…, genügend Frauen hätten sich gefunden. Freiwillig verprügeln, rücksichslos anal und oral nehmen lassen und dergleichen.
Danke, @Alubehüteter. Schon in Sachen Till Schweiger gab und gibt es Verblüffung, nun auch in Sachen Till Lindemann. Das Internet entfaltet emanzipative Wucht, indem es die früheren, medialen und meist männlichen Gatekeeper umspült.
Dennoch halte ich den Hinweis für bleibend wichtig, dass es Sache des Rechtsstaates bleiben muss, am Ende plausible Schilderungen und ggf. auch Folgen daraus zu ermitteln. Ich übte 2019 und übe auch heute Kritik an den öffentlichen Äußerungen von Rammstein. Aber ich halte das Netz nicht für ein geeignetes Schnell-Tribunal.
Auch ich möchte hier auf Rezo verweisen, immer noch das Beste, was es zu dem Thema gibt. – So, wie sich die Dinge darstellen, wird es vielleicht keinen einzigen Fall geben, der sich gerichtsfest beweisen läßt. Jede einzelne Geschichte, zumal jetzt, kann die einer Trittbrettfahrerin sein. Aber insgesamt gibt es zu viele Berichte aus sehr verschiedenen Perspektiven, die übereinstimmend das selbe Gesamtbild ergeben. Und zumindest die früh recherchierten können auch kaum abgesprochen sein. Man kann also nicht mehr sagen, da ist gar nichts, das sei alles erlogen oder fehlinterpretiert.
Mir ist klar, und Sie tun gut daran, daß Sie sich deswegen darauf konzentrieren, das Werk zu kritisieren. Sie sind kein Gerichttspsychologe oder -gutachter für dieses Thema.
Ich halte aber für einen Fehlschluss, zu sagen, „man habe doch schon immer wissen können“. Rammstein ventilierte auch kannibalistische Fantasien – Gut, man weiß natürlich nicht, ob da nicht auch noch was kommt. Das geht mir auch zu sehr in die Richtung, wer sich zu solch einer Party einladen läßt, der müsse wissen, daß es da wohl weniger um kuschelig-romantischen Blümchensex ginge. Ich halte genau das für den schwierigen Moment: Bislang hatte man sehr wohl eben trennen können zwischen Künstler und Werk. Für die Fans ist es schwer, einzusehen, daß das, was sie für drastische, lustvolle Provokation hielten – Gaby hat ‘nen Schäferhund –, tatsächlich ernst gemeinte, kranke Fantasie ist. Und nicht dabei blieb.
Das mit dem Schäferhund ist von den ‘Ärzten’, die auch sonst wenig mit Rammstein verbindet.
War mir klar, ich wollte auf vergleichbare Lust auf spätpubertierendes Provozieren verweisen. Aber Danke noch mal für die Klarstellung.
Danke für diesen Artikel. Die politische Analyse trifft gut.
Ich habe es nie verstanden wie die Band es geschafft hat, dass ihre politischen Provokationen “positiv” gelesen wurden, als hochintelligente entlarvende Satire, als entlarvendes Kunstprojekt.
Ich war in den 90er Jahren auf frühen Rammstein Konzerten. Ihr erstes Publikum waren bunte Punks, die alten Fans von Feeling B und den Inschis. Das änderte sich aber sehr schnell.
Wenn Rammstein auf einem Open Air auftrat waren die vorderen Reihen plötzlich voller Faschos. Punks mieden die Konzerte weil sie befürchten mussten aufgemischt zu werden. Es waren die Baseballschläger Jahre. Die Band hat sich nie klar positioniert und hat die neuen Fans in die Arme geschlossen… Da war klar, dass sie keine Linksintellektuellen waren. Wir wussten nicht welche Art von “Rechten” sie waren, aber wir begannen die Band zu meiden.
Vielen Dank, @Oberflächenspannung. Von Links übers Libertäre nach Rechtsaußen – diesen Weg sind leider nicht wenige Doitsche gegangen – und gehen ihn immer noch. Wo berechtigter Protest in Dualismus umschlägt, bekommen Verschwörungsmythen und Faschismus immer wieder neue Nahrung… 😖🎶🇩🇪🇪🇺
Danke, das ist ein interessanter Bericht. War mir so nicht klar.
Mein erstes Rammstein Konzert war im Panzerhof Dresden 1995, sie spielten vor Projekt Pitchfork. Zu diesem Zeitpunkt spielten sie noch viel im Kontext anderer Bands der Zeit. Wir waren sehr neugierig weil so viele der Bandmitglieder zuvor bei Feeling B waren und waren dann enttäuscht weil uns der Stil trotz fetter Bühnenshow nicht recht zusagte. Trotzdem ist mir ihr Auftritt stärker in Erinnerung als der Hauptakt. Sie waren dann beim Elbhangfest und im Starclub. Sie wurden schnell gross und bekannt. Mein letztes Rammsteinkonzert war das Woodstage Glauchau 1996. Danach mied ich sie aktiv.
Nur genau so hoch, nur genauso hoch. Die Art der Formulierung und die Erwähnung von Anzahl und Bezug auf das Geschlecht lässt aber (bei mir) den Verdacht aufkommen: Geringer, einfach geringer ist gewünscht… Aus der causa Kachelmann nix gelernt?
Das ist mit der causa Kachelmann überhaupt nicht vergleichbar. Und er verwehrt sich – mit Recht! – auch massiv dagegen auf Twitter.
Bei Kachelmann gab es die (Falsch-)Aussage einer einzigen Frau zu einer einzigen Situation. Bei Lindemann gibt es dutzende – also „mehr als ein Dutzend“ – übereinstimmende Aussagen zu etlichen Konzerten.
Mir geht eigentlich nur die Wertung in der Aussage auf den Nerv: Die Unschuldsvermutung ist abzählbar. Und die Betonung von “männlicher Person” die eine Aussage schon wegen des Geschlechts aufwerten soll. Gerade solche Einordnungen hat es im Bezug auf Kachelmann auch gegeben von sich berufen fühlender Seite. Und dutzende Aussagen sind so richtig auch kein Argument, die gibt es im Satanic Panic Bereich auch, das macht das ganze nicht stimmiger. Das sollen Menschen sortieren die wir sogar dafür bezahlen, die haben da potenziell mehr Übung. Keine SJW… DIe haben mir zuviel Überzeugungen.
Bei Kevin Spacry waren es auch mehrere Vorwürfe, es bleibt spannend. Da steht noch ein Verfahren an, das vom Oktober 22 war wohl nix. Was natürlich daran liegen wird das er ein weißer alter Patriarch ist. Oder so. Zu unser aller Glück werden solche Sachen nicht nachdem behandelt / entschieden was ich persönlich von der Angelegenheit halte. Dafür habe ich mir in meinem Leben zu viele Fehleinschätzungen gegönnt. Und regelmäßig standen mir da meine Überzeugungen im Weg.
Bei Marilyn Manson ist nach dem ersten Verfahren auch schon die Aussage auf dem Tisch das die Aussagen nicht stimmen und unter dem Druck von Außen entstanden sind. Wahrscheinlich ist da auch wieder jemand unter den ganzen Mikroagressionen zusammen gebrochen… ^^
@Uli Schoppe
Inzwischen habe Shelby Lynn von einem Rammstein-Anwalt eine Unterlassungserklärung erhalten.
https://www.tagesschau.de/investigativ/lynn-rammstein-100.html
Die 24jährige (Nord-)Irin wolle sich dieser aber laut Berichten nicht unterwerfen.
Wie Du schon sagtest:
Das Ganze ist zynischer Marktrealismus pur. Und mit dem Gebahren der Entrüsteten werden die auch noch geholfen ^^ Nein, Du bist nicht gemeint 🙂
Bei satanic panic sind sich aber alle Fachleute darin einig, daß diese Frauen wirklich Traumatisches erlebt haben und weitgehend verdrängt. Nur deuten sie es (meist unter therapeutischer Anleitung) falsch, finden Geschichten, die das Entsetzliche zum Ausdruck bringen und für sie verstehbar machen, das sie auch erfahren haben werden, nur eben nicht auf diese Weise (organisierter Mißbrauch im rituellen Kontext). Sie haben wirklich seltsame Vergleiche 🤔
Opfer von s.p. glauben, erlebt zu haben, was sie erzählen, was aber so nicht stimmen kann. Die Frauen, die von Mißbrauch durch TL berichten, haben überwiegend erlebt, was sie berichten, oder sie lügen. Sie werden nicht an eine Wahrheit glauben, die nicht stattgefunden hat. Die Ex von Kachelmann hat nachweislich gelogen.
Wenn man an eine Kontinuität von ‘Germania’ glaubt, aber eher als Katastrophen-Germania (die man nicht gut findet), ist die Szene nicht notwendig antisemitisch.
Exakt das schrieb ich, @wereatheist. Jedes einzelne Symbol ist für sich mehrdeutig, doch in Kombination ergeben sie ein klares Bild.
Gilt auch z.B. für Gedichtbände…
Nur genau so hoch, nur genauso hoch.
Naja, die Schuld gelogen oder die, sexuell missbraucht zu haben unterscheiden sich schon noch.
Und gemeint war gerade dieses unlogische gegeneinander Abwiegen des Rechts auf eine Unschuldsvermutung: Dutzende Frauen der Verleumdung beschuldigen versus Verdacht auf einen ziemlich systematischen Missbrauch.
————————-
Bushido – Ach ja – den hatte ich gar nicht mehr als “Araber” gelesen. Berliner, der in Dubai wohnt. Ja, der Sexismus im Rap (oder Metall oder oder) ist wohl eher international.
——————-
Aber bei der Geschichte mit TL, ich möchte das nochmal betonen, geht es nicht nur um Sex, sondern – so wie bei den Problemen mit Nationalsozialismus und Antisemitismus – um Macht und deren Missbrauch.
Aus schierer Lust daran, es zu können.
Klar hat das eine gewisse Faszination, mit so was “spielen” zu können, nur weil das Etikett “Kunst” dran ist.
War “lyrisches Ich” nicht mal so was wie der unterdrückte Teil einer Person, eine Art, sich selbst frei zu erleben?
Eine Unschuldsvermutung ist wichtig, aber ja auch darum, sich ein besseres, ein objektiveres Bild der Sache machen zu können.
Ich denke nicht über eine Schuld von ihm nach, sondern über das Geschehen.
Stimme zu, das schrieb ich ja auch weiter oben. Glaubt man den Erzählungen, war ihm bloße Vergewaltigung zu billig. Anscheinend will er Grenzen verschieben, Frauen „freiwillig“ zu Handlungen bringen, die sie eigentlich nicht wollen, am nächsten Tag auch nicht gewollt haben werden.
Das Problem bei Rammstein scheint mir zu sein, dass die Grenzen zwischen Kunstfigur und dem Menschen Till Lindemann dauernd verschoben werden. Die Kunstfigur “absorbiert” den Menschen.
Dieses Medienproblem gab es gut sichtbar z.B. auch bei Martin Luther (der gezielt zu einer Medienmarke aufgebaut wurde) . Luther ist deshalb aufschlussreich, weil er das in seiner Unterscheidung zwischen “Amt” und “Person” auch reflektiert hat . (“Der Pfarrer ist ein Amtmann” Beleg weiß ich jetzt gerade nicht).
Zum Libertarismus : er ist vielleicht verwandt der Libertinage des 17. Jhds. (Maquis de Sade) . Er beansprucht “Freiheit für den “großen Meister”. Wenn er “Freiheit” hat, tropfen die Freiheiten auch auf seine Anhänger herab. (“trickling down” des Neoliberalismus). Der Denkfehler dabei ist, das “Freiheit” hierbei “Privilegien” meint, aber keine Freiheit z.B. i.s. der stoa oder Immanuel Kants. Langer Exkurs zu einem Nebenthema
Danke für die Gedanken, @Joachim Fischer!
Bei den Beobachtungen zum individualistischen Libertarismus und der paradoxen Tyrannophilie bin ich ganz bei Ihnen! Werden Staat und Religionen – etwa als von Juden, Jesuiten, Illuminaten vermeintlich kontrollierter „deep state“ – dualistisch als “das Böse” identifiziert, so bindet sich die Gut-Böse-Freiheitsverheißung an einen marktradikalen, tyrannischen und daher meist männlichen Kettenbrecher, so paradox dies von außen auch aussehen mag! Hier zu QAnon und Trump, mit Prognose noch vor dessen Wahlniederlage:
https://www.n-tv.de/politik/Tyrannophilie-Die-Erloeserfigur-im-QAnon-Kult-ist-Donald-Trump-article22098011.html
Auch Ihre Beobachtung zum selbstgebauten, dualistischen Absturz von „Medienphänomenen“ wie Rammstein oder Luther kann ich anhand von Beobachtungen zu Verschwörungsunternehmern sehr bestätigen!
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-04/querdenken-verschwoerer-mythologie-bargeld-antisemitismus-michael-blume
Haben Sie herzlichen Dank für den starken und überaus anregenden Kommentar!
“Rammstein” hat sicherlich ambivalent argumentiert und ist auch faschistisch [1] aufgetreten, angeblich im Guten, im Abweisenden, wie u.a auch Roger Waters und so.
Wobei dann im sog. Backstage-Bereich und bei sog. After-Show-Parties anscheinend, wie berichtet worden ist, fehlgegriffen worden sein konnte.
Wobei sog. Groupies, Dr. W redet nicht schlecht über sie, womöglich mit Drogen versorgt ungünstig behandelt worden sind, auch sog. KO-Tropfen [2] meinend.
Ist mehr los?
Wie reagieren die Staatsanwaltschaften bundesdeutsch, so ? :
-> https://www.t-online.de/region/berlin/id_100189508/rammstein-in-berlin-deshalb-schweigt-die-staatsanwaltschaft-zu-till-lindemann.html
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Webbaer
[1]
Faschismus liegt dann vor, wenn besondere Symbolik, vergleiche mit des Fasces, verwendet wird, sich eine Menge bildet, die die das eigene Wesen betont, andere Gruppen ausschließt, derart Gewalt als Abgrenzungsmaßnahme nicht ausschließt, weil sie auf andere Gruppen streng herab sieht, und generell andere Gruppen verachtet.
Im kollektivistischen Sinne.
Geht diese Definition?
[2]
Sog. KO-Tropfen sind i ihrer Wirkung höchst gefährlich, sie können durch Überdosierung auch den Tod des so Betroffenen bedeuten, Atemlähmung und so, sie gefährden direkt.
Auch schalten sie zuverlässig das (eigene) Hirn ab.
Dr. W schlägt vor diesen Vorhalt, diese angebliche Zuführung direkt als kriminell zu betrachten.
Wobei sog. Groupies an sich schon freiwillig den sog. Back-Stage-Bereich i.p. sog. After-Show-Parties betreten, denkbarerweise selbst nicht wirkstofffrei.
Auch deshalb darf sich auf diesen Punkt (“Roofies”) konzentriert werden.
Ich kenne mich mit Rammstein überhaupt nicht aus, mit Pink Floyd ziemlich gut. (Auf Seiten der verbleibenden Band.)
Der Moment der faschistoiden Uniform ist aus einer Rock-Oper. Das ist eine Rolle. Bei allem, was man ansonsten RW vorwerfen muß, aber das ist genau so billig wie die angebliche Judensau, die stets durch’s Dorf getrieben wird, seitdem das SWC darauf aufmerksam wurde. (Und was ihm vorzuwerfen ist, das ist eine Menge, Stichwort BDS; er jedenfalls verneint ein eigenständiges Existenzrecht Israels).
Roger Waters (ehem. “Pink Floyd”) und “Rammstein” mag der Schreiber dieser Zeilen musikalisch, nicht ist aber so gemeint, dass er sich so ihrem Umgang, auch ihrem politischen Umgang anschließt.
Bei “Rammstein” verdichten sich aktuell die Vorhalte, bei Roger Waters mit seinem notorischen “Antizionismus”, seiner “Israelkritik”, ist Dr. Webbaer vglw. nah beim werten hiesigen Inhaltegeber Dr. Michael Blume, denn Antizionismus wirkt in der Regel antisemitisch, aber sicherlich wird er hier nicht erste Steine werfen, Roger Waters erklärt ja seinen grundsätzlichen Antinationalismus und beharrt darauf kein Antisemit zu sein, Antisemiten mögen es nicht sich als Nicht-Antisemiten zu erklären, was vielleicht zu beachten ist.
Zum “Schwein des Anstoßes” an dieser Stelle ein älter “TAZ”-Artikel webverwiesen :
-> https://taz.de/Antisemitismusvorwurf-gegen-The-Wall/!5059725/
Sehr guter Artikel der taz zum Schwein, alle Informationen drin, Dank dafür.– Ob Waters ein Antisemit ist oder nicht, soll er mit seiner jüdischen Schwiegertochter ausmachen. Spätestens seit seinen Schwurbeleien über den Einfluß der Juden in der Kultur-, Unterhaltungs- und Veranstaltungsbranche insbesondere in den USA muß auch ich zugeben: Er äußert und verhält sich jedenfalls insgesamt wie einer. (Was soll das. Marek Lieberberg etwa hat ihn wie auch Xavier Naidoo jahrelang vehement verteidigt.) Wenn das noch „Israelkritik“ sein soll, dann ist sie schon sehr obsessiv und zumindest so hart an der Grenze zum Antisemitismus, daß ich das nicht mehr unterscheiden kann – Und mag.
Die Schwierigkeit der Rammstein-Fans ist, daß sie Revisionisten werden müssen. Schwer genug, wenn ein Idol sich menschlich als schwer daneben erweist, aber ich kann immer noch breathe/time und Shine on ungebrochen hören. Es bleiben starke Songs. Und den zutiefst humanistischen Fundamentalpazifismus von The Wall (den ich nie geteilt habe) kann ich dennoch weiterhin wertschätzen, auch wenn ich heute weiß, zu welch seltsamen Verrenkungen er gegenwärtig in der Ukraine-Frage geführt hat. Aber Rammstein wurde immer ironisch gehört, provozierend, brachial, „das meint der nicht so“. Doch. Genau so meint er es, er ist schwer krank im Kopf und lebt es teilweise auch aus. Das wird, denke ich, von vielen unterschätzt, die die Rammstein-Apologeten derzeit sehr heftig kritisieren. Hier wird nicht nur ein Idol entzaubert. Hier wird Fans ein Stück ihres Lebens genommen.
Das ist ganz schwer zu bearbeiten, Kommentatorenfreund ‘Alubehüteter’; der Schreiber dieser Zeilen sieht bei Leutz wie zum Beispiel Günter Grass, Jakob Augstein und Roger Waters einen dedizierten Antinationalismus, der es ihnen anscheinend sozusagen verübelt Israel als Staat, als Judenstaat anzuerkennen.
Versucht abär sie fair zu behandeln und er kann sich auch kaum vorstellen, dass hier Rassisten, gar Antisemiten (der Antisemitismus ist weit mehr als Rassismus, er lehnt auch kulturelles Judentum ab) am Start sind. [1]
Vielen Dank für Ihre Überlegungen und Einschätzungen.
—
“Rammstein”, in persona Till Lindemann, ist dann doch etwas anderes, auch wenn mit faschistischen Bildern künstlerisch gespielt wird, ablehnend, anzunehmenderweise.
Nichts gegen “Rammstein” bisher.
Zeugen dürfen gerne bei der Polizei Strafantrag stellen, versus Strafanzeige, hier besteht ein Unterschied.
Der Journalismus darf mitmachen, aber am besten Belege beibringen.
Auch sog. Roofies meinend, in ihrer behaupteten Verabreichung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Webbaer
[1]
Günter Grass war ja schon nett, der hiesige werte Inhaltegeber hat ihm auch einige Zeilen, zumindest im Kommentariat anderswo gewidmet.
@Dr. Webbaer
Das wiederum finde ich sehr schwierig zu vergleichen. Jakob Augstein (geb. 1967) ist eine andere Generation als Grass/Waters, Grass gehört sogar beinahe in die Tätergeneration, war selber in der SS, zu jung freilich, um sich verheerend schuldig zu machen.
Vor allem aber ist Waters Brite, zudem Sohn zweier kommunistischer, also politisch sehr bewußter Eltern. Sein Antinationalismus, so vorhanden, wäre ein sehr anderer. Ich sehe ihn geprägt vor allem durch einen radikalen Pazifismus, bei uns einem Reinhard Mey derzeit nicht fern.
Howdy, Kommentatorenfreund ‘Alubehüteter’,
wiederum vielen Dank für Ihre Ergänzungen.
Der Schreiber dieser Zeilen hat selbst mal ein wenig geforscht, warum Günter Grass gegen Kriegsende in der Waffen-SS, die im Kriegsgeschehen der Wehrmacht unterstellt war, geendet ist, und so nicht herausgefunden. (Bleibt aber eine interessante Frage.)
Auch bei Roger Waters und Jakob Augstein geprüft, welche Meinungen sie tätigten, seitdem unser werter hiesiger Inhaltegeber Dr. Michael Blume zum Antisemitismus-Beauftragten erkoren worden ist, Dr. Webbaer sich seitdem auch für Antisemitismus gesondert interessiert, den er zuvor “nur” für besonderen Rassismus gehalten hat; also auch bei Waters und Augstein ist dem Schreiber dieser Zeilen der, ihr Antrieb nicht klar geworden.
Die Aussagen schienen Dr. Webbaer wirr, inkohärent zu sein, Dr. W legte dann irgendwann “Hanlon’s Razor” an.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Webbaer
@Joachim Fischer 11.06. 07:41
„Er beansprucht “Freiheit für den “großen Meister”. Wenn er “Freiheit” hat, tropfen die Freiheiten auch auf seine Anhänger herab. (“trickling down” des Neoliberalismus). Der Denkfehler dabei ist, das “Freiheit” hierbei “Privilegien” meint, aber keine Freiheit z.B. i.s. der stoa oder Immanuel Kants. Langer Exkurs zu einem Nebenthema.“
Das mag tatsächlich das Geheimnis sein, wie die größte denkbare Sch. auch noch begeisterte Anhänger findet. Am Ende ist es nur noch einer, dessen Wille zählt. Erst die Wirklichkeit verursacht dann das unvermeidliche Scheitern, es geht dann den Weg allen Wahnsinns.
@Viktualia
10.06.2023, 22:50 Uhr
Dir ist aufgefallen das ich an der Stelle gar nicht von Schuld geredet habe? Sondern von der Unschuldsvermutung?
Genau darum geht es doch. Du meinst Du dürftest das Recht nach Deiner Befindlichkeit an der Stelle abwägen / wiegen. Gesinnung über Verantwortung. Noch haben wir zum Glück ein Tatstrafrecht.
@Uli Schoppe – was unterstellst du mir da?
Dir ist aufgefallen, dass es um Taten geht, oder?
Du bist derjenige, der die Tat, jemanden evtl. zu verleumden mit der Tat, jemanden zu missbrauchen gleichsetzt, nicht ich.
(Frauen, denen man Betäubungsmittel unterjubelt, wissen gewöhnlich, dass sie nicht wissen, was ihnen geschah.)
Es steht dir weder zu, Spekulationen über mich zu verbreiten, noch diese Gleichstellung von Machtmissbrauch mit “Verleumdung” zu machen.
Und komm mir nicht mit “nix aus Kachelmann gelernt?” – du lässt unter den Tisch fallen, worum es bei diesen Aussagen geht, nicht um das Machtgefälle zwischen einer einzigen Frau und einem einzigen Mann – das schon groß genug sein kann – sondern darum, wie das Machtgefälle einer ganzen Branche möglichst wehrlose jungen Frauen ausnutzt.
“Gesinnung” – was ist mit deiner Gesinnung los?
Punkt ist, dass es überhaupt nicht um eine Vergewaltigung geht, sondern um den systematischen Missbrauch von Macht.
Wenn du in dem Kontext davon sprichst, “Verantwortung” würde sich vor allem damit übernehmen lassen, den Herrn Lindemann gut zu behandeln, solltest du vielleicht mal deinen moralischen Kompass überprüfen.
Der kann mit seinen 60 Jahren ruhig 20jährigen an die Wäsche gehen, wenn die das mögen – aber vor allem sollte er dafür grade stehen können, was auf seinen Konzerten passiert.
Aus der Tatsache, dass für ein solches System mehr als eine Person nötig ist, lässt sich kein Beweis für seine Unschuld stricken – egal, wie wichtig einem die Unschuldsvermutung sein mag.
Die Show von Rammstein hat mich immer an eine Anekdote von Jane Goddall erinnert: Junge Schimpansenmännchen finden im Camp leere Kanister und entdecken, dass man damit lauten Krach machen kann. Also schlagen sie die Kanister gegen Bäume und gehen in Imponierstellung um die Weibchen zu beeindrucken.
Im Umgang mit dem anderen Geschlecht hat Rammstein offensichtlich auch nichts dazu gelernt.
P.S. Ich gehe nicht auf Konzerte, da sind zu viele grölende Leute.
Omnivor
11.06.2023, 22:07 Uhr
Das ist ein guter Hinweis. Was wir aber von den Affen wissen, ist, dass zwar die Männer-Affen den dicken Maxe spielen, Krach machen, prügeln, dass aber letztendlich die Frauen-Affen sich ihren Favoriten danach aussuchen, wer den dicksten Maxe gemimt, wer den meisten Krach geschlagen hat.
Aber beim homo sapiens sapiens macht sich niemand zum Affen.
Das verlinkte Video ist eine wirre Sammlung von Assoziationen zum Thema Deutschland mit den Band-MItgliedern als Hauptdarstellern in verschiedenen Rollen – nicht nur als Opfer.
Aus der entsprechenden Video-Szene eine “Selbst-Gleichsetzung der Band mit jüdischen KZ-Häftlingen” abzuleiten, unterstellt, es gebe ein künstlerisches Konzept mit einer Botschaft.
Ich sehe das Video als Beispiel für die übliche Rammstein-Bombastik, in die alles reinverwurstet wird, was grell, schrill und potentiell kontrovers ist.
Kann man beklagen, sollte man aber auch nicht überinterpretieren.
Danke für Ihre Einschätzung, @Thomas Damrau
Im Nachhinein hätten wohl einige gewünscht, sie hätten etwa Gedichte von Till Lindemann eher ernstgenommen. Ich bin ja klar der Meinung, dass es sich lohnt, Medienproduktionen von Leuten ernst zu nehmen, die damit millionenfach erfolgreich sind. Zumindest Herr Lindemann ist kein harmloser Verwirrter, sondern weiß genau, was er tut, sagt und kommuniziert. Ich meine, erfolgreiche Musik 🎶 sollte man(n) auch nicht unterschätzen…
Ihnen eine gute Nacht! 🌙
Da haben Sie meiner Meinung nach recht.
Weder das Lied, noch das Video zu “Deutschland” sind irgendwie antisemitisch. Und ihre Interpretation ist sehr weit hergeholt und überhaupt nicht offensichtlich. Selbst wenn die Zeile “deine Liebe kann ich dir nicht geben” wirklich den Juden in den Mund gelegt werden soll, ist verstehe ich nicht, wieso das antisemitisch sein soll. Man kann Rammstein gerne dafür kritisieren, dass sie immer wieder gezielt provoziert haben, indem sie z.B. Leni-Riefenstahl- Aufnahmen verwendeten oder vorab Bilder aus “Deutschland” veröffentlichten, die so als Einzelbilder ganz anders interpretierbar sind, als das Video als ganzes. Aber rechtes Gedankengut sehe ich darin nicht.
Aber das Merkwürdigste an Ihrem Beitrag ist die Verbindung der politischen Einstellung von Rammstein zu dem jetzigen Skandal. Dass alte reiche oder mächtige Männer ihre Position nutzen um sich junge Frauen zuführen zu lassen ist völlig unabhängig von der politischen Einstellung. Sowas macht ein Berlusconi ganz genauso wie ein Dominique Strauss-Kahn. Wenn sich die Berichte über Lindemann und die Groupies bestätigen, woran ich nicht zweifele, dann ist das ein ziemlich Menschenverachtendes, vielleicht sogar kriminelles Verhalten das zum Ende der Band führen wird.
Mmmnja, @Detlef Schulze – nun habe ja auch ich nicht geschrieben, dass die Bildsprache von „Deutschland“ antisemitisch „ist“ – sondern dass sie sich stark entsprechend deuten lässt. Auch zum Verhältnis zu Frauen hat sich Lindemann ja eindeutig uneindeutig geäußert.
Wichtig ist mir zudem noch der Hinweis dass nicht jeder Antisemitismus rechts ist; es gibt auch linken, libertären, religiösen und esoterischen AS.
Das habe ich heute auch nochmal in einem Interview für SWR2 zum Geburtstag von Anne Frank (12.6.1929 in Frankfurt am Main) deutlich gemacht:
https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/bw-beauftragter-gegen-antisemitismus-nur-ungebildete-sind-antisemitisch-das-ist-schwachsinn-100.html
Ihnen Dank für Ihr Interesse und alles Gute!
@ Herr Detlef Schulze :
Es geht um die Methode; sollten hier Wirkstoffe verabreicht, “aufoktroyiert” worden sein, wäre diese kritisierenswert bis ablehnenswert. [1]
Außerdem muss ‘rechtes Gedankengut’ nicht schlecht sein und ‘linkes Gedankengut’ nicht gut, dies Ihnen aus liberaler Sicht mitgeteilt.
Die Kunst darf mit faschistischen Bildern und Ideen spielen, sie darf so sogar zustimmen, sollte so aus diesseitiger Sicht nicht, die Kunst ist frei, sollte frei sein; aber eine “Gesellschaftskunst”, die ausschließlich dem Fortschritt und der Einstellung von Menschen gilt, sollte es aus diesseitiger Sicht ebenfalls nicht geben.
Wäre zumindest : zu langweilig.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Webbaer
[1]
Einige Kommentatoren meinen ja, dass “Rammstein” schlicht auf professionelle Kräfte, bei besonderem Bedarf nach einem den Andrenalinspiegel erhöhenden Konzert hätten zugreifen sollen.
Im sog. Suck-Room.
Dr. W meint so nicht, abär es sollte schon alles seine sozusagen groupie-konforme Richtigkeit haben, “Roofies” gehen so gar nicht.
Vgl. auch so mit politischer Meinung aus dem Hause “Rammstein” :
-> https://www.stern.de/kultur/rammstein–so-politisch-zeigen-sich-die-rocker-gerade-8829034.html
@Dr. Webbaer
Grundsaetzlich richtig. Wobei es natuerlich eine Grauzone gibt. Auch wenn hier keine Drogen in Drinks gemischt wurde und es keinen rechtlichen Straftatbestand gibt, ist das Verhalten natuerlich zu kritisieren. Da stehen Frauen mit Anfang 20 einem professionellen System von Groupie-Rekruten, Security-Leuten und Till Lindemann gegenueber. Nach den Berichten von Betroffenen geschieht das alles recht schnell und wenn den Frauen klar wird, in welcher Situation sie geraten sind, ist es dann schwierig “Nein” zu sagen und zu gehen. Das ist wie mit den Haustuergeschaeften von frueher oder den Souvenierverkaeufern in manchen Touristenmetropolen (“Just have a look at this bracelet, here! … You can have it for 5 Euro. I need to feed my family. My kids are sick!” ). Alles legal, aber trotzdem zu kritisieren.
Viele Gruesse,
DS
Es ist womöglich so, dass sog. Rock-Musik auch darum stets bemüht war, wenn von männlichem Personal vorgenommen, weibliche Anhängerschaft herbei zu schaffen.
Derart ist aus diesseitiger Sicht nicht grundsätzlich zu kritisieren; Andere sind bspw. in Wirtschaftsunternehmen erfolgreich, um dann, erst im vorgerückten Alter, teils verglatzt (Dr. W ist nie verglatzt!), bei Weibsvolk anstellig zu werden, gar erst so anstellig werden zu können.
Sozusagen.
No problemo, Kommentatorenfreund Herr Detlef Schulze, vielen Dank für Ihre Nachrichten.
Mit freundlichen Grüßen und einen schönen Tag des Herrn noch
Dr. Webbaer
PS:
Ja, Dr. W kennt aus eigener Erfahrung, aus dem Bereich der Wirtschaftsunternehmen, derartige und wie gemeinte Heranführung, die idR nicht systematisiert erfolgt.
Champagner, ein “Näschen” hier und da; es fällt Dr. W hier schwer einzuordnen.
Dr. W bleib stets beim Allohol und der Zigarre, LOL, ein kleines lol an dieser Stelle.
@Detlef Schulze – “wenn den Frauen klar wird, in welcher Situation sie geraten sind, ist es dann schwierig “Nein” zu sagen und zu gehen. Das ist wie mit den Haustuergeschaeften von frueher oder den Souvenierverkaeufern”
Wir bitte? Was für eine Art Täter-Opfer Umkehr ist das denn bitte?
Um die Geldbörsen der Frauen geht es nicht.
Und die Methode, die sie ja eigentlich erfasst hatten, hat weder die reichsten, noch die willigsten sondern die eingeschüchtertsten bevorzugt.
Es ging um Macht, um die Ohnmacht der Frauen.
Nicht um Geld, darum, dass der arme Lindemann Hilfe brauche, die er sich erschleiche, von solchen, die sich “moralisch verpflichtet” (sick?) fühlen zu geben.
Also wirklich, was für ein Vergleich.
——————————
Meine Güte – wenn ein Obsthändler seine Ware schön drapiert, würde kein Mensch sagen können, “er hat es darauf angelegt, bestohlen zu werden, mir lief das Wasser im Mund zusammen, ich konnte nicht anders, er ist schuld!”
Warum bekommt man als Frau von manchen Männern nicht mal so viel Rechte wie ein Stück Obst?
——————–
Alles legal, aber trotzdem zu kritisieren.
Kritisieren? Verachten, verurteilen (die Tat, nicht den noch nur Verdächtigen), es aussprechen, Haltung zeigen.
Bitte denken sie doch mal darüber nach, ob eine andere Haltung den potentiellen Opfern gegenüber nicht auch einen konstruktiven und vor allem möglichen Beitrag darstellt.
So was passiert, weil es “selbstverständlich” ist. Man sollte mehr Unverständnis zeigen, finde ich.
(No front, aber der Vergleich war – anders objektiv.)
@Viktualia
Ich bin mir nicht sicher, wo Sie glauben ich betreibe Taeter-Opfern umkehr. Vielleicht waren meine Beispiele etwas zu flapsig gewaehlt. Mir ging es gerade darum zu betonen, dass die Frauen gezielt in eine Lage gebracht wurden, wo es schwierig war einfach wieder zu gehen.
@Detlef Schulze – Nachtrag: “sich moralisch verpflichtet fühlen” nehme ich zurück, “sich genötigt fühlen” war, was ich suchte.
In beiden Fällen (Lindemann und Souvenirverkäufer) werden die Frauen “genötigt”, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, weil jemand “schauspielert”.
Aber mir scheint, sie verwechseln da Kinsky mit Columbo.
Und der Unterschied liegt nicht nur darin, dass es sicher unangenehmer ist, von Kinsky zu etwas genötigt zu werden.
Die Nötigung durch Columbo macht nur dann Sinn, wenn es darum geht einen Täter zum Opfer zu machen; so wie ja auch der Händler nicht nur lügt, weil er Fantasie hat, er hat das Ziel, an das Geld zu kommen.
(Das nehm ich echt übel, über die Geldbörse zur “Macht” und von da zum “selber schuld”?)
Ja, wer Macht (Geld) hat, sollte Verantwortung tragen können, aber was sie daraus gemacht haben ist schräg.
Sorry, es ist nicht besonders sozial von mir, darauf jetzt mit einem zweiten Beitrag einzugehen.
Aber ich bin es so leid.
Ich bin diese Verdrehungen, diese Ungerechtigkeit, vor allem aber die Selbstverständlichkeit leid, mit der “erklärt” wird, warum Frauen “so etwas passiert”. Es passiert, weil Männer es tun.
Mensch, Männer, nehmt euch doch mal selbst unter die Lupe, satt uns Frauen zu sezieren!
@Detlef Schulze, bitte bedenken sie, das es zwar für sie persönlich angenehmer ist, sich etwas erklären zu können – aber denken sie doch mal an die gesellschaftlichen Konsequenzen dieser “Erklärungen”, dieser vereinfachten Sichtweise.
Glauben sie wirklich, sie legen Tätern mit so was Steine in den Weg?
Oder nicht vielleicht doch denen, die eigentlich Schutz verdienen?
Welche Partei zeigt Rammstein die Rote Karte ?
Die Bühnenschow ist pornografielastig, die Liedtexte sind frauenfeindlich und damit gegen das Grundgesetz.
Was Rammstein macht, fällt nicht mehr unter die Kategorie Kunst und ist damit nicht mehr schützenswert.
Dr. W. , nicht um den heißen Brei herum reden, sondern wie Viktualia Stellung beziehen.
Und was den Herrn L. betrifft sollte unsere Justiz schneller reagieren.
@Detlef Schulze – “Mir ging es gerade darum zu betonen, dass die Frauen gezielt in eine Lage gebracht wurden, wo es schwierig war einfach wieder zu gehen.”
Sie haben zwar anscheinend wahrgenommen, dass es da ein selektierendes Procedere gab, haben dieses aber dann mit einem “Souvenirhändler” verglichen, der mit der Gutmütigkeit einer Kundin spielt.
Natürlich ist das eine Täter-Opfer Umkehr – wieviel “Macht” hat denn bitte ein fliegender Händler?
Und wie können sie es wagen, das Mitgefühl, das eine Frau dazu bewegen mag, für ein (angeblich) krankes Kind ein paar Euro locker zu machen, damit zu vergleichen, durch Macht/Stress/K.O. Tropfen willenlos gemacht zu werden?
Oder überhaupt diese beiden Formen von “sich genötigt fühlen” als etwas gleichwertiges zu schildern?
Nochmal langsam: in ihrem Beispiel hat die Frau die Macht, dem Händler zu geben, was er braucht – oder ihr Geld zu behalten. Sie wird zwar manipuliert (vom Schwächeren!), entscheidet aber selbst.
Nicht “für den Händler”, sondern für ihr Mitgefühl.
Und was machen sie aus dem Mitgefühl? Die Ohnmacht aus dem eigentlichen Fall! Ich bin echt entsetzt.
Ganz unabhängig von Rammstein möchte ich nicht in der vernagelten Welt leben in der andere Leben weil sie ihre altbackene Moral allen anderen aufzwingen wollen. Rammstein fällt aus ganz anderen Gründen da raus was Kunst ist und darf.
Den Satz verstehe ich nicht, @Uli Schoppe:
„Ganz unabhängig von Rammstein möchte ich nicht in der vernagelten Welt leben in der andere Leben weil sie ihre altbackene Moral allen anderen aufzwingen wollen.“
Sie wollen nicht in einer Welt leben, in der Andere mit anderen Moralvorstellungen leben, die sie als allgemein durchsetzen wollen? Was genau lehnen Sie mit „altbacken“ ab? Liebe, Treue, Respekt, Mitweltschutz, Sex nur bei gegenseitigem Einverständnis unter Erwachsenen? Wer genau „vernagelt“ was?
Bei mir kommt an, dass Sie sich (Reaktanz) durch die Diskussion über Rammstein bzw. Till Lindemann auch selbst getroffen und in Ihren Freiheiten bedroht erleben. Oder wollten Sie darüber hinaus anderes bzw. mehr sagen?
Mit der Begründung hätte man auch den Hüftschwung von Elvis verbieten können und die Songtexte der Stones (Under my thumb, Brown Sugar).
Lieber @Alubehüteter,
es steht doch ausdrücklich im Blogpost: Auch 2019 hat niemand ein “Verbot” gefordert. Und weder Elvis noch die Stones haben sich wie Till Lindemann in einer Soloshow vor Tausenden mit einer nackten Osteuropäerin über dem Schoss filmen lassen und ihr für das Gejohle (!) des Konzertpublikums immer wieder einen Klaps auf den Hintern gegeben, wenn sie ein deutsches Wort falsch vorlas. Hier mit dem Konzertausschnitt und den Publikumsreaktionen:
https://www.t-online.de/unterhaltung/stars/id_100191864/till-lindemann-rammstein-fan-kein-zufall-dass-ich-ausgewaehlt-wurde-.html
Wer das für links, emanzipativ und künstlerisch angemessen halten will, hat m.E. einfach ein Problem mit der Wahrnehmung. Ich verstehe den Schmerz, wenn sich toxisch-libertäre Haltungen als falsch erweisen. Aber ich meine, hier sind nicht nur Grenzen des guten Geschmacks, sondern auch der Menschenwürde überschritten worden. Nicht alles, was nicht strafbar sein mag, muss von Menschen bezahlt und bejubelt werden…
Alubehüteter,
das Schwein sitzt auch im Auge und Ohr des Betrachters. Ganz richtig.
Solange keine Übergriffe publik wurden und werden ,befinden wir uns in einer Grauzone.
Jetzt, wo sich Frauen melden,die vergewaltigt wurden , muss das man darüber sprechen und auch Konsequenzen ziehen.
Bei jeder Musikveranstaltung gibt es eine Security. Die muss man verpflichten, notfalls per Verordnung, dass “back stage” auch kontrolliert wird.
Danke, @irgendwer
Würden Sie auch sagen, dass die Verantwortung auch bei den Kundinnen und Kunden solcher Musik & Musikveranstaltungen liegt? Immerhin ermöglichen sie solche „Kunst“ durch Nachfrage & Geld? 🤔🎶💶
Es gibt Menschen, die sich für alles verantwortlich fühlen und solche, die ihre Verantwortung nicht erkennen.
Die Verantwortung bei Bühnenshows liegt darin, dass Jugendliche vor sexuellen Übergriffen geschützt werden müssen. Der Kuppelparagraph § 180 StGB unterscheidet noch zwischen 16 Jährigen und 18 Jährigen .
https://www.anwalt.org/foerderung-sexueller-handlungen-minderjaehriger/
Auf dieser Grundlage sind Kontrollen möglich.
Auf der anderen Seite wollen wir keine Sittenpolizei und Jugendlichen müssen Freiheiten erlaubt sein. Es ist eine Tatsache, dass junge Mädchen zu Veranstaltungen gehen mit der Absicht , mit dem Bandleader zu schlafen. Sie können dann damit vor ihren Freundinnen prahlen.
Fazit: Von Jugendlichen ein Verantwortungsbewusstsein zu verlangen ist nur eingeschränkt möglich. Von den Veranstaltern ist aber zu erwarten, dass sie die Gesetze einhalten. Siehe nochmal § 180 StGB.
Mir geht es nicht nur um die Verantwortung der betroffenen Mädchen und Frauen, lieber @irgendwer – sondern um die der zahlenden Kundschaft. Wie viele der johlenden Typen oder auch Mütter hätten es wohl gut gefunden, wenn die Partnerin oder Tochter im Lindemann-Konzert so demütigend inszeniert werden würde? Aber bei einer Osteuropäerin soll es okay, ja künstlerisch zum Bejubeln und Bezahlen sein? C‘mmon!
Wer die Verantwortung für die Menschenwürde aller erst ab dem Strafrecht sieht, sieht sie m.E. gar nicht…
Auch Ihnen einen Tagesspiegel-Artikel mit bemerkenswert unterschiedlichen Fan-Reaktionen z.K.:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/es-ist-wie-liebeskummer-berliner-rammstein-fans-uber-die-vorwurfe-gegen-till-lindemann-9991819.html
@Michael Blume – ich bin erstaunt!
Aber ich meine, hier sind nicht nur Grenzen des guten Geschmacks, sondern auch der Menschenwürde überschritten worden.
Ist das nicht – dualistisch?
Diese Menschen überschreiten bei dieser “Art von Kunst” nicht unsere, also ihre und meine, Menschenwürde.
Sie reagieren mit ihrem eigenen “Geschmack” darauf, dass sie die eigene “Menschenwürde” (also das, was sie sich darunter vorstellen), eingeschränkt sehen. Sie empfinden Ohnmacht und sagen “Ja” zu dieser Version von Macht, weil sie sich damit “identifizieren können”.
Und wenn sie, werter Herr Blume, das nicht sehen, was ist das anders als dualistisch, weil sie sich – absolut zu Recht – angegriffen fühlen?
Aber der Angriff auf sie (oder ihren/unseren Geschmack) ist nur Kollateralschaden des mangelnden Gefühls für die eigene Würde dieser Menschen.
Lindemann mag mächtig sein, “würdig” ist er eher nicht.
(Wir reden ja von Kunst, nicht von einer “Dokumentation” – egal, wie künstlerisch sie das finden, sagen zu können “gefällt mir nicht” ist doch existentiell für den Begriff “Würde”.
Eine Doku zu leugnen wäre dagegen “würdelos”.)
———————
Ich möchte das jetzt nicht als Kritik an ihnen verstanden wissen, ich wundere mich bloß. Ihr Entsetzen kann ich sehr gut nachempfinden (und vielleicht hab ich das Konzept “Dualistisch” ja doch noch nicht verstanden.)
Tatsächlich habe ich bei der Lindemann-Inszenierung (im Gegensatz zum Beispiel zur antisemitischen Obsession von Roger Waters) eher an Relativismus statt gleich an Dualismus gedacht, @Viktualia. Die Fans redeten (und reden sich zum Teil immer noch) ein, dass alles nur „gespielt“ und im Übrigen freiwillig sei.
Eine dialogische Monistin erkennt dagegen, dass hier die Menschenwürde der Vorgeführten verletzt wird. Die Osteuropäerin wird hier nicht als gleichberechtigte Partnerin inszeniert, sondern als Unterworfene: Sie liegend, er sitzend, sie über seinen Knien nackt, er angekleidet thronend, sie seine Sprache lernend, er Hiebe und Demütigungen verteilend. Und das Ganze nicht in einem privaten, sexualisierten Rollenspiel, sondern ausdrücklich als Teil eines Bühnenprogramms vor Tausenden.
Strafbar muss das – bei Einwilligung der immerhin erwachsenen Frau – nicht sein, aber der dialogische Monismus wird m.E. schon auf die Mit-Verantwortung der Nachfragenden und Zahlenden für das entwürdigende Schauspiel hinweisen. Nicht alles, was strafrechtlich erlaubt ist, muss gute Kunst sein. Monismus ist eben gerade nicht relativistisch oder gar dualistisch.
Sehr erfreulich empfinde ich daher auch die Reaktionen klügerer Fans, die ihre Empfindungen auch „wie Liebeskummer“ beschreiben:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/es-ist-wie-liebeskummer-berliner-rammstein-fans-uber-die-vorwurfe-gegen-till-lindemann-9991819.html
Auch ich empfinde die Annahme von Verantwortung immer wieder als schmerzhaft, ein ernsthafter Monismus überspielt das nicht.
Jetzt kommt Kulturkritik,
Viele sehen in Deutschland das Freudenhaus Europas. Osteropäerinnen werden nach Deutschland gelockt um dann in einem Freudenhaus zu enden. Die Polizei in Mannheim wagt sich nicht mehr in das Rotlichtviertel, weil hier die Banden regieren.
Wie kommt das rüber, was Rammstein macht. Zeigen die nur was schon ist, ist das Kritik, wie wird die Show aufgenommen ?
Wenn man fehlende Moral beklagt reicht das nicht, man muss tätig werden. Sie sind ja schon mit dem Antisemitismus betraut, und auch feinfühlig genug um hier solche Zustände anzuprangern.
Gestern hörte ich den Satz:“Bei euch ist alles aus Gold, ihr sind nicht betroffen.“( zum Nachdenken)
Klar, @irgendwer – auf Anfragen reagiere ich auch bereits früh bei Bands wie Rammstein. Gleichzeitig erwarte ich aber auch nicht, dass die Menschen mich als Ober-Moral-Agentur sehen und zu jedem Thema hören bzw. lesen wollen. Auf diesem Blog stehe ich ja für Diskussionen auch als Wissenschaftsblogger gerne zur Verfügung, aber das muss dann m.E. in einer gewaltenteiligen Demokratie auch reichen. Und auf dem Kirchentag diskutierte ich ja gerade auch – den sich manche v.a. Rechtslibertäre und -außen lautstark “unpolitischer” wünschen…
@Michael Blume, Kunst kann man ablehnen, sobald man diese Ablehnung verspürt, ist der Drop mit der eigenen Würde gelutscht, das war mein Punkt.
Haben sie mir da eben unterstellt, ich würde die Dame, die das Opfer darstellt, entwürdigen, weil ich die Inszenierung “Kunst” nenne?
Doch sicher nicht, oder?
Als “dialogische Monistin” erkenne ich, dass die Menschenwürde des dargestellten Opfers eben nicht verletzt, sondern, bei guter Kunst (was es definitiv nicht war) dadurch erhöht wird, dass sie exemplarisch auf die Not hinweist. Das ginge ja nicht, wenn sie es gar nicht täte.
Und bei schlechter Kunst ist sie immer noch “würdevoller” als der Täter, da beide, wie sie feststellten, ja eben nicht “gleichberechtigt” sind.
(Her Blume, mir mangelt es da an Logik. So, wie sie es schildern, wäre ein Anprangern schlechter Zustände durch Kunst ja gar nicht mehr möglich oder selber ein Vergehen.)
Ihren Punkt mit dem Relativismus der Fans kann ich nachvollziehen, aber darum schrieb ich ja auch von deren Ohnmacht. Natürlich merken die nicht, dass da ein Unrecht geschieht, sie fühlen sich nur “verstanden”.
Und ich meinerseits verstehe, was da für eine Dynamik zugrunde liegt und muss sie nicht so abwerten, das war mein Punkt.
Ich glaube, wir sind uns eigentlich einig, @Viktualia: Nicht jede Kunst ist “gute Kunst”. Das wäre ja Relativismus. Die Monistin / der Monist unterscheiden dialogisch gute und schlechtere Kunst, was jedoch nicht mit Verbotsforderungen zu verwechseln ist. Ich freue mich dabei über die Diskussionen der Fans, die ja für die Nachfrage und Bezahlung auch von Rammstein und Lindemann verantwortlich sind.
Beste Grüße für einen schönen Samstag!
Ja, @Michael Blume, ich dachte auch gerade, wir haben eher ein Missverständnis, was die Sache mit der guten und der schlechten Kunst anlangt.
Einerseits wird da ja nicht der Masochismus der Frau, sondern der Sadismus des Mannes inszeniert, was bei guter Kunst bedeuten würde, auch seine Ohnmacht einzubeziehen, was hier aber ja gar nicht passiert.
Weshalb bei schlechter Kunst die Identifizierung leichter fällt (nur mit dem Wunsch nach Macht, nicht mit der eigenen Ohnmacht) und andererseits auch aus der Darstellerin des Opfers was zum Fremdschämen macht.
Auch wenn man sich für den Hauptdarsteller viel mehr schämen müsste.
Sorry, Herr Blume, ich hoffe, sie verstehen, dass ich dieses “Problem” quasi nicht von außen betrachten kann.
Diese Art, über Frauen zu urteilen (statt über die, die uns unterdrücken), ist für Frauen ja Alltag.
Kein Grund für „Sorry“, liebe @Viktualia – ich stimme Ihnen da zu.
Erwachsene dürfen im Privaten und gegenseitigen Einverständnis auch BDSM praktizieren, klar. Sexualität und Liebe müssen nicht rational, allerdings konsensual ausgestaltet sein. Dann halte ich das auch nicht für würdelos.
Die Präsentation entwürdigender Praktiken als Kunst, für die Menschen zum Bezahlen und Applaus aufgerufen werden, darf und sollte jedoch auch kritisiert werden. Ich stimme Ihnen zu, dass Lindemann die Frau objektiviert, während seine eigene Rolle unreflektiert bleibt. Schlechte Kunst, zu der mich der damalige, mindestens relativistische Fan-Jubel hat seufzen lassen…
Meine Hoffnung ist, dass manche inzwischen doch zum kritischeren Nachdenken geschritten sind und auch unsere Diskussion hier ein klein wenig dazu beitragen konnte.
Da ist mir gerade noch eine pikante Information untergekommen:
https://www.spiegel.de/ausland/russland-rammstein-gitarrist-kritisiert-haftstrafe-fuer-nawalny-mitstreiter-a-1703ae29-0183-41b3-b473-6b9c33e9a689
Ein Mitarbeiter Nawalnys, ein Andrej Borowikow wurde in Russland zu 2,5 Jahren Strafkolonie verurteilt, weil er “Rammstein Kunst”, also ein Porno Video (“Pussy” https://de.wikipedia.org/wiki/Pussy_(Lied)#cite_note-25) von denen geteilt hat.
“Auf den offiziellen Kanälen der Band gab es dagegen weiter keine Stellungnahme zu dem Prozess gegen Borowikow. Der Oppositionelle hatte sich zuletzt enttäuscht gezeigt über die ausbleibende Unterstützung der Band.
Laut Borowikow hatte in der Vergangenheit auch Alexej Nawalny das Management der Band angeschrieben. »Aber nichts kam zurück. Es ist bitter und sehr enttäuschend, gerade für eine Band, die sich mit Skandalen einen Namen gemacht hat.«”
Es hat zwar der Schlagzeuger sein Bedauern ausgedrückt, aber Lindemann mag gerne in Russland auftreten, bzw. auch auf russisch singen:
“Borowikow sagte zuletzt, er glaube, dass die Zurückhaltung der Band mit finanziellen Interessen zusammenhänge. Gerade Rammstein-Frontmann Till Lindemann ist immer wieder in Russland unterwegs, wie Bilder auf seinem Instagram-Account zeigen. Er veröffentlichte zuletzt sogar einen Song komplett auf Russisch (»Lubimij Gorod«, Lieblingsstadt).”
Mir fällt kein Kommentar dazu ein, es ist einfach nur krank, so mit Fans, mit Menschen, denen Unrecht geschieht, umzugehen.