Rede zum israelischen Unabhängigkeitstag Yom haAtzma’ut in Freiburg

Als ein Mitarbeiter und ich einmal mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinde im Jaffa in Freiburg zusammentraf, bat mich der Vorstand um Irina Katz um eine Rede zum heutigen Yom haAtzma’ut. Schon weil ich der Beauftragte gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben in ganz Baden-Württemberg und also auch für Baden bin, sagten wir dies gerne zu. Mehrere anwesende Mitglieder formulierten dazu ihre Wünsche. “Du hast in Stuttgart schon zum Israeltag stark gesprochen. Im Landtag hast du als einer der ersten über die fossile Finanzierung von Katar, Iran und Russland samt der Terrorgruppen Hamas, Hisbollah und Huthi angeprangert. Bitte mache aber auch deutlich, dass fast alle Jüdinnen und Juden in Baden-Württemberg hinter Israel stehen, aber gerade deswegen die Politik der derzeitigen Regierung Netanjahu auch sehr kritisch sehen! Wir wollen die Freilassung der Geiseln, Sicherheit, Frieden mit unseren Nachbarn und dass Israel eine Demokratie mit freien Wahlen, unabhängigen Gerichten und Gleichberechtigung bleibt! Wir wollen den Antisemiten mutig entgegentreten, uns aber auch nicht durch irgendwelche Rechtsextremen missbrauchen lassen!”

Ich notierte mir diese und weitere Anregungen. Das waren recht viele und sehr unterschiedliche Wünsche, aber ich wollte es tun. Für mich war dabei klar, dass ich mich ohne Wenn und Aber für Existenz und Sicherheit der Republik Israel sowie die Menschenwürde aller einsetzen und also die Freilassung der israelischen Geiseln fordern, aber auch den Mut jener Palästinenser würdigen würde, die in Gaza gegen die fossil finanzierte und fatale Terrorherrschaft der Hamas aufbegehrten.

Eine Gruppe von Demonstrierenden bildet zu Jom haAtzma'ut, dem Unabhängigkeitstag Israels, eine Gelbe Schleife in Erinnerung an die Geiseln und Opfer der Hamas-Terrormassaker des 7. Oktober 2023. Zu sehen sind hier auch Dr. Michael Blume und Irina Katz.

Zahlreiche jüdische und nichtjüdische Menschen bildeten eine gemeinsame Gelbe Schleife in Erinnerung an die Geiseln und Terrormassaker der Hamas. Rechts neben mir Irina Katz von Freiburg. Foto: Israelitische Kultusgemeinde Freiburg

Nach einer hervorragenden Performance der Pforzheimer Musikerin Sharon galt es für mich. Eine Rede ist dann besonders leicht zu halten, wenn sie die Menschen emotional um eine einfachen Freund-Feind-Dualismus versammelt. Genau das sollte und wollte ich aber nicht tun. Statt Menschen weiter aufzupeitschen, wollte ich sie zum Nachdenken über Wissenschaft und in den Dialog einladen. Idealerweise würde ich auch wenigstens einige derjenigen erreichen, die der Kundgebung auf dem Platz der Alten Synagoge gleichgültig oder gar feindselig gegenüberstanden. Es gab Störversuche und auch viele Debatten zwischen den Menschen auf dem Platz der Alten, der zerstörten Synagoge Freiburg.

Die demokratischen Parteien waren an der Seite von uns Demonstrierenden gut vertreten. Zumal auch die mit dem Freiburger Direktmandat gewählte Bundestagsabgeordnete Chantal Kopf, MdB (Grüne) anwesend war und nach mir sprechen würde, wollte ich auch noch erwähnen, dass auch Israel in Basel wie die spätere Bundesrepublik Deutschland einmal als Konkordanzdemokratie, nicht als Konkurrenzdemokratie angelegt war.

Hier findet Ihr also meine Rede, freundlicherweise gefilmt vom Vorsitzenden der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Rami Suliman. Es war mir eine Ehre, das Wort erheben zu dürfen – und ich werde es in The Länd auch immer wieder tun!

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

37 Kommentare

    • Vielen Dank, lieber @Peter Gutsche! 🙏

      Obwohl ich das Redevideo erst heute Nacht eingestellt habe, kamen nun schon einige schöne Rückmeldungen. 😊🙏🖖

      Nun überlege ich, öfter mal mit einem Video statt mit Text zu bloggen. Am Liebsten würde ich spannende Fragen der Religions- und Politikwissenschaft in wenigen Minuten zu beantworten versuchen.

      Lieber Peter – was hältst Du von der Idee? Und falls Du sie gut fändest, würdest Du mir ein paar Startfragen schenken? 😊🎙️☕️

      • Ich denke, das wäre eine prima Idee, @Michael Blume.

        Ich bin zwar ein „Text-Mensch“ und bei Videos (zu denen es kein Skript gibt) fehlt mir mitunter die Möglichkeit, schnell „vor- und zurückzublättern“ und zu suchen. Aber dennoch wären vorzugsweise kürzere (<= 15 Min) Video ein Format, das, denke ich, viele ansprechen würde. Ich denke auch, dass es Dir erlauben würde, angesichts Deiner sicher sehr engen Zeitplanung sehr effektiv viel Inhalte herüberzubringen.

        Das Format mit den Fragen: Ja, unbedingt!

        So hast Du und Barbara Traub es ja im letzten Verschwörungsfragen-Podcast gemacht. Das hat mir sehr gut gefallen, und auch schon dort wurde ja bereits eine der Fragen beantwortet, deren Antwort (eingeschlossen mich selbst) vielen wohl nicht klar war (Unterschied zwischen israelisch oder israelitisch).

        Die Frage mit der gelben Schleife finde ich bereits schon sehr gut. Du hast sie ja im anderen Kommentar bereits beantwortet.

        Also, welche Fragen würden mir einfallen? Ich zähle ein paar auf, die mir auf die Schnelle gekommen sind.

        Welche Parteien gibt es in Israel und was sind (ganz vereinfacht) ihre Ausrichtungen?

        Wie wird der demokratische Prozess in Israel gelebt (Meines Wissens gibt es keine 5%-Hürde o.ä.)? Hier wäre es spannend, wenn Du mit Deine Überlegungen zur Konkordanzdemokratie, die in diesem obigen Beitrag ja bereits anklangen, noch mehr ins Detail gingest. Vielleicht könnte die konkrete Ausrichtung der Parteien einen Hinweis darauf geben, wie man dort wieder zu mehr Dialog (Konkordanz) hinkommen und von Polarisierung und Konflikt (Konkurrenzdemokratie) wegkommen könnte.

        Benjamin Netanjahu ist ja ein politisches „Stehauf-Männchen“ ist und war schon einmal israelischer Ministerpräsident. Wie erklärst Du Dir seinen Erfolg und seine Beliebtheit?

        Woher erklärst Du Die – im Vergleich zur Bevölkerungszahl – hohe Beteiligung in Israel an den Protesten gegen die Angriffe auf die Gewaltenteilung durch die Regierung Netanjahu? (zumindest vor dem 7. Oktober 2023) Ich denke, wenn man einen Vergleich mit anderen Ländern macht, ist das schon beeindruckend – allem voran mit den USA, wo es ja nun wirklich genug Gründe gäbe, die Millionen Menschen auf die Straße treiben sollten (wenn man, wie gesagt, den relativen Anteil der Protestierenden in der Bevölkerung als Vergleich nimmt). In Israel waren an manchen Tagen ja locker zwischen 5 und 10 % der Gesamtbevölkerung auf der Straße. Würde man das in Deutschland erreichen wollen, müssten 4 bis 8 Millionen Menschen an einem Tag auf die Straße gehen. Entsprechend mehr in den USA.
        Hierzu gibt es eine Wiki-Seite.

        Mich würden Fragen zum Leben von Palästinensern in Israel interessieren. Eine konkrete Frage beträfe z.B. den Unterschied zwischen dem Status des Westjordanlandes und dem Gaza-Streifen (vor dem Krieg und jetzt). Wie war die Situation vor dem Krieg, wie ist sie heute?

        Was ich unbedingt – im Sinne Deines dialogisch ausgerichteten Blogs und auch Deiner Rolle – für sehr wichtig erachte: Welche Beispiele für jüdisch-palästinensische Zusammenarbeit gibt es? Ich denke da z.B. konkret an das „Friedensdorf“ Newe Schalom/Wahat al-Salām ungefähr in der Mitte zwischen Tel Aviv und Jerusalem.

        Wie geht es den Menschen dort jetzt? Wie hat die Gemeinschaft dort den 7. Oktober überstanden? Und: wie siehst Du die Situation ähnlicher Projekte seit dem 7. Oktober 2023?

        Zur Religion eine ganz konkrete und praktische Frage: Welche religiösen Feiertage gibt es bei Juden?

        Welcher Glaubensrichtung gehören die meisten Palästinenser an? Kann man sagen, dass es eine besondere Verwandtschaft oder einen Bezug von Palästinensern zu bestimmten anderen arabischen Ländern gibt? Welche sind das?

        Folgende Fragestellung berührt dann wohl ein sehr weites Feld – aber vielleicht kann man das ja aufsplitten: Welche Rolle spielen religiöse Identitäten für den israelisch-palästinensischen Konflikt? Und umgekehrt gedacht: Wie könnte die Religion hier zu einer Auflösung des Konfliktes beitragen? Welche Beispiele für den interreligiösen Dialog gibt es? (geht auch wieder in die Richtung der Frage nach der Zusammenarbeit weiter oben) Überhaupt: Kann man dieses sehr komplexe Thema so strukturieren und darstellen, dass möglichst viele Menschen Erkenntnisgewinn erhalten?

        • Hallo @Michael Blume,

          Eventuell würden sich folgende Fragen (oder ähnliche) gut als Einstieg in so ein neues Format eignen:

          Welche Rolle spielt der interreligiöse Dialog im Kampf gegen Antisemitismus? Welche Beispiele gibt es?

          Bitte erläutere die These vom Antisemitismus als Bildungsneid in 2 Minuten. (Darüber hast Du an vielen Stellen gesprochen und geschrieben, vielleicht könmten die grundlegenden Aspekte in 2 Minuten zusammengefasst werden.)

          Das hier könnte eine kleine Videoreihe ergeben und hätte einen geografischen Bezug: welche Orte sind im Judentum, im Islam, im Christentum und bei anderen Religionen jeweils von besonderer Bedeutung? Was ist deren Geschichte (einfach und kurz erklärt)?

          Das sind nur ein paar, hoffentlich hilfreiche Ideen.

          • Vielen Dank, lieber @Peter Gutsche 🙏

            Ich berate mich mal mit meinem Team, welche Themen ich mit beruflichen oder eben wissenschaftlich-privaten Erklärvideos oder auch Aufzeichnungen von Reden behandeln könnte! Wir hatten vor Jahren mal eine kleine Video-Serie „Blume erklärt…“ gestartet, aber die Resonanz blieb überschaubar:

            https://youtu.be/6f1hGRQ2Ri8

            Mir scheint, im Medium des Videos lässt sich noch viel machen.

  1. Am Rande der Veranstaltung wurde auch gefragt, warum wir für die Freilassung der Geiseln und ein Ende des von der fossil finanzierten Hamas eröffneten Krieges eine gelbe Schleife 🎗️ bildeten. Ob das etwas mit dem gelben Judenstern zu tun habe, mit dem ich ja auch schon auf einem rechten Blog markiert worden war, vgl.?

    https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/mit-gelbem-juden-stern-markiert-als-superman-bildmontage-im-filmmengen-paradox/

    Aber, nein, die gelbe Schleife geht nicht auf das Gelb zurück, auf das Juden zuerst im heutigen Irak und dann auch in Europa und NS-Deutschland verpflichtet wurden. Hier die Hintergründe mit Felo.ai:

    Die gelbe Schleife, die als Symbol für die israelischen Geiseln der Hamas verwendet wird, hat eine tiefere Bedeutung, die mit Solidarität und Hoffnung verbunden ist. Diese Schleife wird oft als Zeichen des Gedenkens und der Unterstützung für die über 250 israelischen Bürger getragen, die seit dem 7. Oktober 2023 von der Hamas entführt wurden[4][10].

    **Hintergrund und Bedeutung**

    Die Verwendung der gelben Schleife hat historische Wurzeln, die bis in die 1970er Jahre zurückreichen, als sie populär wurde, um auf die Rückkehr von Kriegsgefangenen hinzuweisen. Der berühmte Song “Tie a Yellow Ribbon Round the Old Oak Tree” trug zur Verbreitung dieses Symbols bei, das für die Hoffnung auf die Rückkehr von Angehörigen steht[1][3]. In der aktuellen Situation wird die gelbe Schleife als ein kraftvolles Zeichen des Zusammenhalts und der Unterstützung für die Familien der Geiseln interpretiert.

    **Öffentliche Wahrnehmung und Aktionen**

    In vielen Städten, insbesondere in Israel, werden gelbe Schleifen in verschiedenen Formen und Größen hergestellt und ausgestellt, um die Aufmerksamkeit auf das Schicksal der Geiseln zu lenken. Diese Aktionen sind nicht nur eine Form des Gedenkens, sondern auch ein Aufruf an die Gemeinschaft, sich aktiv für die Rückkehr der Geiseln einzusetzen[1][4][12].

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die gelbe Schleife ein starkes Symbol für Hoffnung und Solidarität ist, das die Menschen dazu ermutigt, sich für die Geiseln und deren Familien einzusetzen.

    [1] https://www.tabletmag.com/sections/community/articles/tie-yellow-ribbon-gaza-hostages
    [2] https://x.com/GideonFalter/status/1825537108343230511
    [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Gelbe_Schleife
    [4] https://nationalpost.com/news/yellow-ribbon-campaign-israel-gaza-hamas
    [5] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/scholz-laesst-gelbe-schleife-ans-kanzleramt-haengen/
    [6] https://www.reddit.com/r/vexillology/comments/1cquttr/israeli_hostage_flag/
    [7] https://ganey-tikva-verein.gl/gelbe-schleifen-erinnern-an-die-geiseln/
    [8] https://www.juedische-allgemeine.de/meinung/kein-symbol-fuer-den-frieden/
    [9] https://blogs.timesofisrael.com/untie-those-yellow-ribbons-theyre-meaningless/
    [10] https://csi-aktuell.de/shop/gelbe-schleife-bring-them-home/
    [11] https://en.wikipedia.org/wiki/Yellow_ribbon
    [12] https://forward.com/culture/658086/watermelons-dogtags-red-hands-a-guide-to-the-symbols-of-oct-7-and-its-aftermath/
    [13] https://allisrael.com/why-yellow-ribbons-the-origins-of-the-symbol-of-hope-for-the-israeli-hostages
    [14] https://www.spiegel.de/politik/7-oktober-olaf-scholz-zeigt-solidaritaet-mit-israelischen-geiseln-im-gazastreifen-a-9fdb4f48-aa6b-4939-b306-48954b291d5a
    [15] https://allisrael.com/de/warum-gelbe-schleifen-die-urspruenge-des-symbols-der-hoffnung-fuer-die-israelischen-geiseln
    [16] https://www.bundesrat.de/SharedDocs/texte/24/20241007-Solidaritaetsschleife-7-Oktober.html
    [17] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/regierungspressekonferenz-2679118

  2. Danke für die wahren, klaren und gutherzigen Worte. Ich würde jede Aussage davon unterschreiben.

    Ich hoffe, dass weitere Multiplikatoren mit großer Reichweite auf das Thema Konkordanzdemokratie anspringen, damit sie als Option kollektiv ins Bewusstsein kommt. Viele der abgehängten und ängstlichen Menschen, die den Faschismus wählen, wähnen sich in einer Sackgasse. Vielleicht sind von ihnen viele offen auch für ein konstruktiven Systemwandel, der Hoffnung in sich trägt.

    • Herzlichen Dank, @Hui Haunebuh 🙏

      Ja, nachdem ich das Thema Konkordanzdemokratie mehrfach auf dem Blog und schon einmal auf Blume & Ince mit Monica Wüllner (CDA) vom CDU-Bundesvorstand angesprochen habe…

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/blume-ince-37-monica-wuellner-von-cda-cdu-und-die-konkordanzregierung/

      …gestern nun also erstmals in einer öffentlichen Rede in Freiburg im Breisgau. Denn nur eine ICE-Haltestelle weiter, in Basel, Schweiz 🇨🇭, hatte der erste Zionistische Kongress die Grundzüge der Republik Israel 🇮🇱 als Konkordanzdemokratie (!) entworfen (ohne dass dieser Begriff schon ausgearbeitet worden wäre). Heute leidet auch der einzige, jüdisch geprägte Staat der Welt unter der fortschreitenden Zerspaltung von Konkurrenzdenokratien, wie wir sie ja auch in den USA 🇺🇸 und in immer mehr Staaten der Europäischen Union 🇪🇺 einschließlich der Bundesrepublik Deutschland 🇩🇪 sehen.

      Bei einer aktuellen Mastodon-Umfrage dazu hielten es 70 (siebzig) Prozent der 120 Antwortenden für „denkbar“, dass sich Konkurrenzdemokratien im Verlauf von Medienrevolutionen selbst zerstören. Weitere 23% wollten zudem „erst drüber nachdenken“. Nur sieben bis acht Prozent hielten es für “undenkbar“.

      Leider gibt es bisher – beziehungsweise: weiterhin (!) – mit der Schweiz 🇨🇭 nur eine Demokratie, die sich vor einem Jahrhundert bewusst und ohne Wahlrechts- oder Verfassungsänderungen für eine demokratische Konkordanzregierung entschied. Obwohl sie damit als einzige Demokratie im Alpenraum und überhaupt auf dem europäischen Festland der Zerstörung durch den Faschismus widerstehen konnte, wird die Konkordanzdemokratie bis heute gar nicht als Alternative zu Parteien – Konkurrenzregierungen samt Knebel – Koalitionsverträgen erkannt! Entsprechend zerbrach nicht nur die deutsche Ampel – Koalition aus drei Parteien 🇩🇪, sondern auch die letzte, israelische Koalition vor dem wegen Korruption angeklagten Netanjahu aus acht (!) Parteien 🇮🇱. Auch etwa die Türkei 🇹🇷, EU-Mitglieder wie Ungarn 🇭🇺 und amerikanische Konkurrenzdemokratien wie in den USA 🇺🇸, Brasilien 🇧🇷 oder Argentinien 🇦🇷 ringen derzeit um ihr Überleben.

      Ich bleibe also dran, als Politikwissenschaftler, Europäer, Christ und Demokrat über den für unser aller Zukunft entscheidenden Unterschied zwischen Konkurrenz- und Konkordanzdemokratien zu informieren. 📚😌✊

  3. Demokratie geht durch den Magen. Das hat sie mit Dolchen und Brötchen gemeinsam.

    Den Jungen gehört die Welt, den Erwachsenen der Alltagstrott, den Alten das Altenheim, den Sterbenden das Sterbebett – je schwächer man wird, desto kleiner muss die Welt um einen herum werden, um sich darin great again zu fühlen.

    Daher der uralte Konflikt zwischen integrativer Gleichmacherei der Starken und reduktionistischer Gleichmacherei der Schwachen. Was Poser-Chinesisch ist und so viel bedeutet, wie dass es Zeiten gibt, in denen man die verschiedensten Leute unter einen Hut bringen muss, und die Starken machen da den Hut größer, die Schwachen die Köpfe kleiner.

    Demokratie ist teuer, Diktatur billig, Demokratie erfordert einen hohen Organisationsaufwand, Diktatur kann jeder Arsch mit einer Knarre. Und ich sehe überall die Resignation, Menschen, die keine Kraft mehr haben, sich dem Wandel zu stellen, die sich von ihren Pharaos mit ins Grab ziehen lassen – als wäre jedes Land ein Tischtuch, auf dem ein Thron steht, und je tiefer der Thron im Schwarzen Loch versinkt, desto mehr Tischtuch wird mit hineingezogen, die Grenzen werden aufgelöst oder verstärkt, doch das Tischtuch zerreißt trotzdem.

    Sieht so aus, weil es so ist, zu Risiken oder Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Meteorologen oder Astronomen. Oder Physiker, aber die sind zu sehr damit beschäftigt, nicht zu verstehen, dass Einstein sagt, dass alle Leute zu McDonalds strömen und die Quantenphysik, dass es darin zwischenmenschlich etwas komplizierter wird. Im gewissen Sinne beschäftigt sich Einstein mit Diktatoren, Quantenphysik mit Demokratien.

    Wenn Sie es von Netanyahus Standpunkt sehen wollen, müssen Sie das Tischtuch umkehren: Die Welt geht unter, die Erdkruste bricht auf, alles füllt sich mit Lava und kochendem Wasser, wer es nicht auf eine Bergspitze schafft, ist verloren. Und so haben wir einen Netanyahu auf dem Rückzug, eine Hamas auf dem Rückzug, eine GroKo auf dem Rückzug, eine Prinzessin Trump auf dem Rückzug, Pakistan, Indien, Oligarchen auf dem Rückzug. Irgendwelche Dodiks und Dobrints und Orbans und Xis und wer auch immer, jeder klammert sich an einen Felsen, der etwas langsamer erodiert, in den brennenden Abgrund stürzt als die Welt drum herum.

    So sehen die Untoten die Welt. Jene, die schon in der Geisterwelt leben, den Jahren des Abschieds zwischen Leben und Tod. Jene, die zu einer Welt gehören, die vor ihnen gestorben ist.

    Der Rest ist Masse. Macht der Einzelnen, Macht der Gruppen. Kleine Gräber in den Wänden großer Gräber, wie die Mulden, die die Planeten in den Wänden der großen Sonnenmulde schaffen, die wiederum nur eine Mulde in der Galaxie-Muldenwand ist. Und alles wirkt zusammen und zieht uns tiefer und tiefer.

    Die neue Welt – wird im Niemandsland geboren. Auf dem ebenen Tischtuch. Zwischen dem Grab des Pharao und dem Grenzwall zum Land des nächsten Pharao, wo es noch flaches, festes Land gibt, ein Tischtuch, das erdbebensicher ist, das nicht alles zerstört, was man darauf pflanzen will. Wo die Geister der Vergangenheit nicht hinkommen, um sich an Blut ein Scheinleben anzusaufen.

    Wir brauchen eine Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der Geisterwelt. Statt dass ganze Länder, ganze Kontinente zu Gräbern werden, brauchen wir flaches Land und klare Bruchkanten zu kleinen, steilen Gräbern. So rutschen auch die Sterbenden später rein und haben’s schneller hinter sich.

    Eine winzige Welt, in der sich nur noch ein paar Diktatoren in ihren Särgen aneinander kuscheln, während sie Horden von Gespenstern das letzte Bisschen Leben aussaugen, oder eine große Welt mit viel Ebene für alle möglichen Arten von Leben zwischen diversen Machtzentren. Ersteres passiert von selber. Letzteres braucht ein wirtschaftspolitisches Stützgerüst, das wir selber entwerfen müssen.

    Die Geister sollen ihren Frieden haben, die Lebenden ihr Leben, oder alle zusammen die Hölle auf Erden. Beides geht nur gemeinsam, nicht gegeneinander. Welches Sternchen soll’s denn sein, auf dem Sie Ihre paar Jahrzehnte Spring Break vom Nichts verbringen wollen?

    • Danke für Ihren Assoziationstext, @Paul S.

      Sie schreiben unter anderem:

      “Den Jungen gehört die Welt, den Erwachsenen der Alltagstrott, den Alten das Altenheim, den Sterbenden das Sterbebett – je schwächer man wird, desto kleiner muss die Welt um einen herum werden, um sich darin great again zu fühlen.“

      Hier würde ich erneut betonen: Die „Enge der Zeit“ ist nicht nur eine Frage des Alters, sondern auch der Medienwelt. Eine ältere Dame kann auf ein glückliches Jenseits hoffen, wogegen sich ein junger Mensch in Verschwörungsmythen radikalisieren kann.

      Daher auch meine These, dass sich Konkurrenzdemokratien durch Medienrevolutionen selbst zerstören können!

  4. Vielen Dank für die sehr berührende Rede.

    Immer wieder wichtig: Der Hinweis, dass Israel nicht gleich Netanjahu ist. Und dass auf der anderen Seite die Hamas nicht “die Palästinenser” ist.

    Nachdem die sog. “Alternative” vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde, hoffe ich darauf, dass Politiker anderer Parteien nicht mehr vorrangig die “Probleme” der AfD Wähler lösen wollen.

    Regierung und Medien sind jetzt gefordert. Ich messe die neue Regierung auch daran. Auch weil CDU und CSU Marco Wanderwitz haben im Regen stehen lassen! Die meisten Unterstützer für ein Verbotsverfahren fand der Initiator Wanderwitz bei den Grünen.

    Ihnen nochmals herzlichen Dank für die engagierte Rede in Freiburg.

  5. @Blume: “Eine ältere Dame kann auf ein glückliches Jenseits hoffen, …”

    Kann sie/Du nicht, sie/Du kann nur auf eine schnelle Reinkarnation UND DANN Bewusstseinsentwicklung hoffen, weil der Sinn das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen Mensch OHNE Bewusstseinsbetäubung ist – Jesaja 55,8-11
    👋😇

  6. @Religionsfreiheit und Weltenende

    Es ist recht unterschiedlich, inwieweit Menschen Religionsfreiheit anerkennen. Das ist einerseits ein weites Feld, andererseits kann das richtig Probleme machen, wenn die Religionsfreiheit wirklich nicht weit reicht.

    Extrem wird es, wenn wirklich konkret auf das Weltenende gewartet wird. Noch extremer, wenn das Weltenende echt gefördert wird.

    Wie soll man da noch konstruktiv aufeinander zugehen? So wird auch noch die Klimakrise zum selbstverständlichen Teil des allgemeinen Untergangsprogramms.

    Eine grundsätzliche Ablehnung des sündigen Irdischen ist hier offenbar Teil des Problems. Religiöse Forderungen an ein Gottgefälliges Leben kollidieren hier mit der menschlichen Wirklichkeit. Und das zieht die Natur auf diesem Planeten gleich mit in die dann auch noch selbst geförderte Zerstörung hinein.

    Wie wichtig man sich hier selbst fantasiert könnte Teil des Problems sein. Wenn das eigene Seelenheil so hoch hängt, dass die ganze Welt dann nichts mehr zählt, dann haben wir offenbar den Salat.

    Auf der anderen Seite sind es auch eher religiöse Menschen, die verstehen, was hier passiert und die sich echt für das Miteinander und auch für diesen Planeten einsetzen. Und die insbesondere das Leben und den Kosmos echt zu schätzen wissen.

    Und dann gibt es freilich Menschen, denen gar nichts heilig ist, und die sich so nur um sich selber drehen, dass sie von der mannigfachen Welt kaum was mitkriegen, und dann in eine Enge der Zeit geraten, die sie mit grenzenlosen Aktionismus zu füllen versuchen.

    Was dann am Ende genauso zerstörerisch werden kann, als wenn man auf ein gottbestimmtes Weltenende hinarbeitet.

    • Genau so ist es, @Tobias ! 🙏💡🙌

      Sowohl apokalyptische Mythen über eine nahende Großkatastrophe wie auch messianische Mythen über einen nahenden Erretter können sowohl dialogisch-monistisch wie leider auch feindselig-dualistisch sein. Hier auf dem Wissenschaftsblog “Natur des Glaubens” habe ich bereits im August 2024 das Thema auch vor dem Hintergrund der mehrfach verfilmten Buchreihe “Dune” des großen Science-Fiction-Autors Frank Herbert (1920 – 1996) und des kleinen Möchtegern-Messias Donald Trump aufgerufen:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/dune-von-frank-herbert-ist-eine-warnung-vor-politischem-dualistischem-messianismus/

      Wer religiös reflektiert und also dialogisch-monistisch an eine nahende Apokalypse oder auch an das Kommen eines Messias glaubt, kann daraus Hoffnung für eine Bejahung von Leben, Gemeinschaft, Kindern und Verantwortung schöpfen. Beliebte Weisheitssätze dazu, die auch gerne großen Namen zugeschrieben werden, lauten etwa: “Was würdest du tun, wenn du wüsstest, dass morgen die Welt untergeht? Ich würde mich mit den Menschen, mit denen ich gestritten habe, versöhnen und für die kommende Welt einen Apfelbaum pflanzen.”

      Wer jedoch feindselig-dualistisch an eine nahende Apokalypse oder gar an das Kommen eines Messias glaubt, wird zur Bedrohung für sich selbst und andere! Denn dann kickt die Erkenntnis des Philosophen und Holocaust-Überlebenden Hans Blumenberg (1920 – 1996): “Enge der Zeit ist die Wurzel des Bösen.” Solche Bewegungen wie etwa die Kreuzzüge der Christenheit, der aktuelle MAGA-Kult in den USA, die nationalreligiösen Mörder des israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin (1922 – 1995) oder die japanische Omu Shinrikyo-Sekte werden dann schnell unkritisch gegenüber ihren vermeintlich “wissenden”, religiösen und politischen Autoritäten – sowie gewaltbereit, ja terroristisch.

      Auch hier kann ich also allen sowohl religiös wie politisch Glaubenden nur dringend empfehlen, mit dem Solarpopper 🤭📚🌞 die erkenntnistheoretischen Grenzen jedes Historizismus immer wieder zu bedenken und zu achten!

      Karl Popper (1902 – 1994) wandte etwa gegen die fantastische Foundation-Mythologie seines SF.Bestseller-Zeitgenossen Isaac Asimov (1920 – 1992) ein:

      “Meine Widerlegung des Historizismus schließt natürlich nicht die Möglichkeit von Sozialprognosen aus. Ganz im Gegenteil, die Möglichkeit der Prüfung von Sozialtheorien – etwa von Wirtschaftstheorien – mit Hilfe der Voraussage, daß bestimmte Entwicklungen unter bestimmten Bedingungen eintreten werden, bleibt damit vereinbar. Widerlegt ist nur die Möglichkeit der Vorhersage geschichtlicher Entwicklungen, insofern diese durch das Wachstum unseres Wissens beeinflußt werden. […] Wenn es so etwas wie ein wachsendes menschliches Wissen gibt, dann können wir nicht heute das vorwegnehmen, was wir erst morgen wissen werden.

      Popper, Karl (1965 / 2003): Das Elend des Historizismus, Paul Siebeck Tübingen, S. XV, Hervorhebung im Original

      Konkret also zu unserer Diskussion: Wir können also sehr gut politikwissenschaftlich diskutieren, wie die Medienrevolutionen der Digitalisierung und KI jeweils Konkurrenz- und Konkordanzdemokratien herausfordern und daraus sogar Empfehlungen ableiten. Der religiöse Glaube, dass ein menschlicher Messias oder auch eine politische KI aber in kurzer Zeit all unsere Konflikte friedlich lösen werde, müsste sich dagegen erkenntnistheoretisch als Historizismus erkennen. Denn wir können einfach nicht wissen, welche Menschen und KI-Anwendungen uns auch nur in nächster Zukunft entgegentreten werden. Also plädiere ich für eine wissenschaftlich reflektierende, dialogisch-monistische Balance von Vernunft und Hoffnung.

      • Eine Nachfrage habe ich zu der pietistischen Erweckungsbewegung im beginnenden 19. Jahrhundert und wie diese in das hier Geschilderte passt.

        Aus einer Endzeitstimmung heraus entstand Neues?

        • Ja, @Marie H. – aus den christlichen und insbesondere pietistischen Erweckungsbewegungen des 19. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Religionsgemeinschaften und sogar weltweite Siedlungen. In den USA entstand sogar die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage („Mormonen“), über die ich auch mal ein sciebook geschrieben habe. Und die heute durch die Kombination aus Missionsarbeit und Kinderreichtum etwa so viele Mitglieder haben wie das Judentum und Sikhtum, sogar ein Mehrfaches wie die viele Jahrhunderte älteren Religionen Drusentum und Ezidentum. Oder auch die aus den Täufergruppen des 15. Jahrhunderts im süddeutschen Sprachraum erwachsenen und heute durch Kinderreichtum demographisch schnell wachsenden Amish.

  7. Ich denke, kurze und prägnante Reden im Videoformat sind ein gutes, mediales Mittel, um Informationen zu transportieren.
    Die Rede war nicht zu lang und nicht zu kurz, informativ und beeindruckend in der klaren demokratischen Haltung aus der Mitte unserer Gesellschaft heraus.
    Das war gelungen und ein gutes Format.

    • Vielen Dank für das Interesse & die Rückmeldungen, @Elisabeth K. 🙏

      Die Idee zur Videoaufnahme durch den IRGB-Vorsitzenden und ersten jüdischen BW-Landesverfassungsrichter Rami Suliman entstand recht spontan, zumal Pro-Hamas-Störer präsent waren und auch während unserer Reden Polizeieinsätze auslösten.

      Ich werde überlegen und mit meinem Team beraten, hin und wieder eine inhaltliche Rede aufzuzeichnen und im Blog einzubinden. Danke, liebe Elisabeth! 🙏💡🖖

  8. @Michael 02.05. 15:24

    „Wer religiös reflektiert und also dialogisch-monistisch an eine nahende Apokalypse oder auch an das Kommen eines Messias glaubt, kann daraus Hoffnung für eine Bejahung von Leben, Gemeinschaft, Kindern und Verantwortung schöpfen.“

    Was mir nicht gefällt, ist die Idee eines gottgewollten und kompletten Weltenendes, was jetzt ein Ende des ganzen Kosmos eigentlich mit einschließen müsste. Wobei freilich diese Idee in Zeiten entwickelt wurde, in denen unser Planet der einzige bekannte Himmelskörper war, und gleich hinter dem Himmelzelt die himmlischen Sphären warteten.

    Großkatastrophen sind freilich eine ganze Reihe tatsächlich möglich. Atomkriege, wirklich hochtödliche Pandemien, vielleicht sogar zivilisationsgefährdende ausgeuferte Cyberkriege, Sonnenstürme, Supervulkanausbrüche oder Asteroideneinschläge. Dieses alles würde allerdings vermutlich nur 20 bis 90 % der Menschen das Leben kosten, es ginge danach hier auf Erden wahrscheinlich dennoch weiter.

    Auch die Klimakrise wird voraussichtlich weniger tödlich und eher für uns Menschen sehr unbequem und für die Naturräume ziemlich destruktiv sein. Mehr oder weniger, das hängt jetzt von uns ab, und von den Kipppunkten, die eventuell erreicht werden.

    Einen menschlichen Messias kann ich mir auch nicht wirklich vorstellen. Hat es sowas in den letzten 2000 Jahren gegeben? Dann gibt es das auch nicht, denke ich. Allerdings könnte ein Anschluss an ein seit Jahrmillionen existierendes intergalaktisches Internet durchaus einer richtigen Erlösung gleich kommen.

    Und die KI in vielleicht 50 Jahren könnte tatsächlich zum Gamechanger werden. Vielleicht sogar noch viel schneller.

    Überhaupt kann ich mir eine ziemlich entspannte Weltkultur vorstellen. Wir müssen es wohl nur wollen, und uns hier gemeinsam und gegen alle Widerstände auf den Weg machen.

    • Danke, @Tobias – wir dialogisieren auch hier wieder über Mythen und Zeitlichkeit. So wird in der jüdischen Tradition religiös von „der kommenden Welt“ gesprochen, im Christentum über das Vaterunser vom „kommenden Reich Gottes“ usw. Aber in allen Religionen und Weltanschauungen treten eben auch feindselig-dualistische Gruppen auf, die ihre jeweilige Apokalypse mit Gewalt ins Saculum (das aktuelle Jahrhundert) tragen wollen. Dagegen anzuarbeiten und aufzuklären bleibt mir – auch als selbst religiöser Mensch – zentral wichtig.

      Etwas anderer Meinung bin ich auch aufgrund der Erfahrungen im Irak jedoch hierzu:

      “Auch die Klimakrise wird voraussichtlich weniger tödlich und eher für uns Menschen sehr unbequem und für die Naturräume ziemlich destruktiv sein.“

      Das sehe ich anders, da wir nicht in einer von uns abgetrennten Umwelt mit „Naturräumen“ leben, sondern in einer Mitwelt, die direkt auf uns rückwirkt.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-feuer-von-los-angeles-umwelt-klima-oder-endlich-mitweltschutz/

      So konnten viele zu Jom haAtzma‘ut geplanten Veranstaltungen in Israel wegen Hitze und Waldbränden nicht stattfinden, auch die Dürren verschärfen sich weiter. Und in den USA breiten sich neue Varianten der Vogelgrippe aus, weil wir Menschen uns noch immer an die industrielle Massentierhaltung klammern:

      “ Mehr als 1.000 infizierte Milchkuhherden und mindestens 70 infizierte Personen, darunter schwere Fälle und ein gemeldeter Todesfall: In den USA grassiert das hochpathogene Vogelgrippevirus H5N1 mittlerweile in allen 50 Bundesstaaten und in Kanada. Ein Ende der Infektionswelle ist nicht in Sicht.“

      https://www.t-online.de/gesundheit/aktuelles/id_100701770/vogelgrippe-h5n1-virologen-warnen-vor-weltweiter-pandemie.html

      Auch nichtreligiöse Menschen sind nicht davor gefeit, sich die Weltwahrnehmung so zurechtlegen, wie es den eigenen Wünschen entspricht.

  9. @Michael 03.05. 08:32

    „Das sehe ich anders, da wir nicht in einer von uns abgetrennten Umwelt mit „Naturräumen“ leben, sondern in einer Mitwelt, die direkt auf uns rückwirkt.“

    Natürlich sind wir von den demolierten Naturräumen auch selbst betroffen. Wenn etwa die Meere so leiden, dass sie weniger produktiv werden, dann gibts auch für uns weniger Fisch. Und wenn immer öfter Ernten wegen Dürre oder Hochwasser ausfallen, dann reicht das Essen nicht mehr, und wir müssen dann weniger Fleisch essen, weil die Futtermittel knapp werden.

    Allerdings sind vor allem Menschen betroffen, die sowieso in heißen und trockenen Gegenden wohnen und dann noch von Armut, Korruption oder gar Krieg betroffen sind. Da wird es schnell lebensgefährlich, nicht mehr nur ziemlich unbequem.

    Die Naturräume sind mir aber auch für sich wichtig. Dieser wunderbare Planet hat auch unabhängig von der Nutzung durch uns Menschen zusätzlich eigene Werte.

    „Und in den USA breiten sich neue Varianten der Vogelgrippe aus, weil wir Menschen uns noch immer an die industrielle Massentierhaltung klammern…“

    Ganz weg vom Fleisch komme ich jetzt aber dennoch nicht. Und erst recht sind mir Milchprodukte und Eier wirklich wichtig. Statt industrieller Massentierhaltung kleinbäuerliche Tierhaltung wäre zwar tierfreundlich, aber nicht nur teuer, sondern auch eher mit noch mehr Pandemierisiko verbunden, weil dann der Kontakt von Nutztier und Mensch und auch von Nutztier und Wildtier intensiver würde.

    Was bleibt, wäre eine tierfreundlichere Massentierhaltung, das geht allemal. Und wohl auch die Hoffnung auf mit grünem Wasserstoff gefütterten Bakterienkulturen, die gleich tierische Proteine und Fette liefern.

    Oder ich guck mich endlich mal nach noch mehr pflanzlichen Eiweißquellen in meiner Küche um.

  10. Vielen Dank für die ausfürliche Antwort, @Michael Blume!

    So kritisch ich ja immer die Ergebnisse von KI-Anfragen hinterfrage, so sehr bin ich doch jetzt doch überrascht und erfreut darüber, dass Du mit Hilfe von Felo ai diesmal auch ein wunderbares Kompositum als Wort-schatz (!) gehoben hast:

    Fehlbarkeitseinsicht

    Ist das nicht ein wunderbar präziser und verständlicher Begriff? Zwar kein neuer Begriff, aber ich glaube nicht, dass er hier im Dialog schon oft genutzt wurde (kann mich aber natürlich irren… Fehlbarkeitseinsicht eben). 🙂

    • Das stimmt, @Peter Gutsche – “Fehlbarkeitseinsicht” ist eigentlich ein Schlüsselbegriff für Solarpunks und Solarpopper! 🌞

      Danke auch, dass Du Dich immer mal wieder auf meine KI-Experimente einlässt. Ich sehe in Schulen, aber auch bei meinen eigenen Kindern, bei meinen Studierenden und auch zunehmend in der Arbeit, wie rasend schnell und überwiegend unreflektiert sich KI-Anwendungen ausbreiten. Und als dialogischer Monist versuche ich, das kritisch-konstruktiv zu begleiten. 🤔📚☕

  11. @Michael 04.05. 12:31

    „Ich sehe in Schulen, aber auch bei meinen eigenen Kindern, bei meinen Studierenden und auch zunehmend in der Arbeit, wie rasend schnell und überwiegend unreflektiert sich KI-Anwendungen ausbreiten.“

    Faktencheck und echte Weiterbildung macht ja auch sehr viel mehr Spaß, als sich in asozialen Netzwerken bepöbeln zu lassen? Wenn ich die Wahl habe, mich echt und zügig da schlau zu machen, wo meine Interessen liegen, dann tue ich das. Und lasse die Facebook-Timelines und andere Konzernangebote einfach beiseite.

    Weil da auch einfach überhaupt nichts bei raus kommt.

    Umso wichtiger sind KIs, die nicht von Digitalkonzernen verbogen werden. Besser auch dieses so weit irgend möglich in Opensource weiterentwickeln. Wikipedia ist schon wirklich sehr hilfreich, KI kann auf derselben Wissensbasis und darüber hinaus noch deutlich schneller in der Nutzung sein.

    Das sollte so attraktiv werden, dass man der eigenen Neugier kaum mehr widerstehen kann. Und man keine Zeit mehr damit verschwendet, sich mit immer wieder neu gepanschten Gerüchten zu beschäftigen.

  12. Lieber Herr Dr. Blume,

    haben Sie vielen Dank für Ihre zugleich Israel verbundene und aber auch regierungskritische Rede. Sie kam nicht nur auf dem Platz der Alten Synagoge gut an, sondern wird seitdem auch in der Stadt diskutiert. Es war eine sehr gute Idee von Herrn Rami Suliman, diese Rede mit einer Handykamera aufzuzeichnen.

    Danke aus Freiburg!

  13. Die Rede hat mir gefallen. Ich finde es gut, daß Sie immer wieder das Recht von Frauen auf Musik betonen! Wenn ich da von einigen Parteien auch in Israel lese, mache ich mir Sorgen um meine israelischen Schwestern!!

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