Queerfeindlichkeit als Dualismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

In “Rückzug oder Kreuzzug? Die Krise des Christentums und die Gefahr des Fundamentalismus” hatte ich die politikwissenschaftlichen Theorien des sog. Hufeisen (Extremismus gäbe es nur Links- und Rechtsaußen) sowie des “Kampfes der Kulturen” von Samuel Huntington (zu Gewalt komme es v.a. an den Grenzen von Kulturkreisen) widerlegt gefunden. Stattdessen bekräftigte ich die Dualismus-These von Rabbi Jonathan Sacks, wonach der Riss quer durch alle Kulturen und Religionen verlaufe: Oft bildeten rechte, libertäre und linke, religiöse und säkulare Freund-Feind-Verschwörungsgläubige sogar Querfronten, die durch nichts verbunden werden als durch gemeinsame, eben dualistische Feindbilder. Jede Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) wie der verschwörungsmythologische Antisemitismus, wie Rassismus und Antiziganismus, wie Sexismus, Antiamerikanismus, religiöser Hass auf vermeintlich “Ungläubige”, die Hitzemord-Verfolgung des Ezidentums und auch Queerfeindlichkeit lässt sich auf die psychologischen Mechanismen des Dualismus rückführen.

Aktuelle Beispiele für Freund-Feind-Dualismus wären QAnon und Querdenken gegen Covid19-Impfungen, der sog. “Islamische Staat” aus früheren Saddam-Anhängern und jungen Radikalen, der vor allem von Rechtsextremen und Libertären getragene Trump-Putschversuch gegen den US-Kongress, aber auch etwa die querfrontigen Pro-Putin-“Friedensdemonstrationen” von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer bis zu Reichsbürgern.

Ein Schaubild zum menschenfeindlichen, “pathologischen Dualismus” nach R. Sacks, Link zu einem DLF-Interview. Grafik: Michael Blume

Zwischen dem feind-seligen Dualismus und dem für Menschenwürde einstehenden Monismus ist dabei (wie ich im Tübinger Worthaus ausführte) auch der sehr große Mir-egal-Relativismus zu sehen. Der Regenbogen steht dabei als Symbol des biblisch-noachidischen Bundes für die Anerkennung von Vielfalt und Gleichberechtigung.

Passt rassistischen, islam- und christenfeindlichen Dualisten auch nicht: Zehra & Michael Blume im Regenbogenlicht während eines Aufenthalts in der Hospitalkirche Stuttgart. Foto: privat

Eine digitale, feind-selige Dualismus-Aktion versuchte am 22. Januar 2023 auch die säkular-rechtsgerichtete Aktivistengruppe “Ketzer der Neuzeit” um Leonard Jäger mit einem Angriff auf einen evangelischen Gottesdienst für queere Menschen in Berlin. Sie hatten sich dabei auch der Unterstützung der evangelikal-dualistischen Influencerin Jasmin Neubauer (auf Instagram @liebezurbibel) versichert und auf eine dualistische Querfront religiöser und rechtsextremer Queerfeindlichkeit gesetzt.

Doch die Aktion führte diesmal nicht zu einer Spaltung, sondern zu einer sehr breiten Solidarisierung von christlichen wie auch nichtchristlichen Monist:innen. Bischof Christian Stäblein, Pröpstin Christina-Maria Bammel und der Präses der Landessynode, Harald Geywitz von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) erklärten sich mit den Angegriffenen ebenso solidarisch wie zahlreiche digital Aktive und auch der früher mit Neubauer arbeitende SCM-Verlag.

Und auch ich sagte selbstverständlich als Experte für eine InstaLive-Runde mit Veronika Rieger und Präses Anna Nicole Heinrich sowie der yeet-Redakteurin und Moderatorin Sarika Feriduni zu:

Denn die Zurückweisung auch der Queerfeindlichkeit ergibt sich für mich nicht nur religiös (jeder Mensch “im Bilde Gottes geschaffen”) und säkular (Menschenwürde), sondern auch politikwissenschaftlich: Wenn die Dualismus-These zutrifft, dann lassen sich die verschiedenen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit nicht gegeneinander ausspielen, sondern nur in breiten, solidarischen Bündnissen überwinden.

Das Recht auf Menschenwürde, Menschenrechte, Respekt – einschließlich des Rechtes auf ungestörte Gottesdienste – muss sich niemand erst verdienen. Mehr noch: Angesichts der schnell und global eskalierenden Wasserkrise werden nur monistisch-republikanische Arche-Regionen das 21. Jahrhundert überleben. Denn wo Dualismus hingenommen oder gar gefördert wird, zerreißt es das friedvolle und dialogische Zusammenleben, ohne das wir keine Zukunft finden. 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

8 Kommentare

  1. Herr Blume,
    …”Denn die Zurückweisung auch der Queerfeindlichkeit ergibt sich für mich nicht nur religiös (jeder Mensch “im Bilde Gottes geschaffen”)”

    Sie wissen doch, dass Sie »Gottes Wort« falsch weitergeben:

    Selbst Wikipedia reicht aus, um Ihre willentlich geäußerten falschen Worte als »euphemistischen Nonsens« zu entlarven, siehe exemplarisch »Bibeltexte zur Homosexualität«

    Humanismus ist keine Frage des Glaubens.
    Moderne Theologen wie Paul Tillich (1886 – 1965) hatten akzeptiert, dass es keinen wirklichen Glauben ohne Glaubenszweifel geben kann. Wo die Kirchen an Macht verloren haben, können auch Christen humane Elemente leben und propagieren. Aber: Würden die Kirchen auch Toleranz predigen, wenn sie noch so viel Macht hätten wie früher?

  2. @Hauptartikel

    „Wenn die Dualismus-These zutrifft, dann lassen sich die verschiedenen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit nicht gegeneinander ausspielen, sondern nur in breiten, solidarischen Bündnissen überwinden.“

    Derweil diese breiten Bündnisse schon fast von selber zustande kommen. Funktionierende Demokratien können meistens sehr gut miteinander. Bündnisse zwischen menschenfeindlichen Staaten gibt es auch, insbesondere als Gegenreaktion demokratischer Zusammenschlüsse. Tendenziell gehen die aber auch öfter doch auf einander los.

    Auch der Konflikt in der Ukraine hat vom Demokratieindex her auf beiden Seiten keine Spitzenwerte. Eine funktionierende ukrainische Demokratie hätte womöglich schon 2014 eine Verhandlungslösung angestrebt. Immerhin hat Chrustchow der Ukraine in einer Propagandaaktion die Krim geschenkt. Man hätte hier anbieten können, die Krim einfach zurückzugeben und im Gegenzug die restliche Ukraine der EU und Nato beitreten zu lassen.

    Wenn das funktioniert hätte, dann hätten wir die Zeitenwende weglassen können, und hätten ziemlich viel Geld nicht in Rüstung investieren müssen. Auch das Restrisiko einer atomaren Eskalation des aktuellen Konflikts hätten wir uns so sparen können.

    Es nützt ja nun nichts, die aktuellen Mängel der ukrainischen wie der türkischen Demokratie einfach zu ignorieren. Das sind entsprechend beide etwas schwierige Bündnispartner.

    • Danke, @Tobias Jeckenburger – auch gestandene Demokratien geraten ja immer wieder in Gefahr. Aktuell die USA, Großbritannien, Ungarn, Italien, Israel usw.

      Gleichzeitig zeigt die miserable Performance autoritärer Staaten wie Russland, China, Venezuela etc., dass fast nur monistische Demokratien das Zeug zur Arche-Region haben werden.

      Birgit Mattausch hat dazu einen lesenswerten „Brief an Europa“ geschrieben:

      https://www.evangelisch.de/blogs/spiritus/213175/06-03-2023

      Ihnen vielen lieben Dank für Ihr mutiges und konstruktives Interesse und Kommentieren!

    • @„Wenn die Dualismus-These zutrifft, dann lassen sich die verschiedenen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit nicht gegeneinander ausspielen, sondern nur in breiten, solidarischen Bündnissen überwinden.“

      Dank an LTGBQ+, danke für die Hilfe im Kampf für Freiheit, One Love, Cannabis ist eine Farbe des Regenbogens, ganz sicher.

      “Legalization of cannabis wouldn’t be a thing if it wasn’t the LGBTQ community,”

      “Cannabis and queers have always shared in the fight for respect and legal recognition, which inherently links the two communities,”

      “…cannabis use among queer folks is significantly higher than it is for straight folks — not because of HIV, but because of the myriad mental and physical illnesses queer people experience at a higher rate. According to the 2015 data from the National Survey on Drug Use and Health, sexual minority adults are more than twice as likely to use marijuana when compared to heterosexual adults. Almost a third of sexual minority adults (30.7%) reported using marijuana in the past year, compared to 12.9 percent of heterosexual adults.

      These higher rates of marijuana use coexists with the higher rates of depression, anxiety, PTSD, eating disorders, suicidal thoughts, homelessness, and physical pain that LGBTQ people experience due to marginalization and oppression.”

      High Pride: Pot Industry Embraces LGBTQ Culture, Everyone Wins
      “Queers love weed” — and no one knows that better than cannabis companies

    • Was für wirre Spekulationen.

      “Es nützt ja nun nichts, die aktuellen Mängel der ukrainischen wie der türkischen Demokratie einfach zu ignorieren. Das sind entsprechend beide etwas schwierige Bündnispartner.”

      Das Phantasieren von Verhandlungslösungen basiert auf einem Ignorieren der Mängel der russischen “Demokratie”.

  3. @Michael 06.03. 13:46

    „…dass fast nur monistische Demokratien das Zeug zur Arche-Region haben werden.“

    Ich mag mich damit nicht abfinden wollen. Vor dem Import von Flüchtlingen kommt finde ich der Export von vernünftigen und demokratischen Verhältnissen.

    Klar hilft Migration auch uns selbst, angesichts von Bevölkerungsrückgang durch Kindermangel das Wirtschaftswachstum fortsetzen zu können. Ich bin aber eben gar kein Freund von Wirtschaftswachstum.

    Wenn es denn nun anders nicht geht, und unsere Wirtschaftslobby einerseits und die Verhältnisse in den Herkunftsländern andererseits keine andere Lösung offen lässt, dann kann ich es auch nicht verhindern. Dann wünsche ich mir aber wenigstens eine vernünftige und schnellere Integration der Neubürger.

    Ansonsten denke ich, dass rein klimamäßig betrachtet vor allem die gesamte Weltproduktion von Nahrungsmitteln eine wesentliche Rolle spielt. Wie das lokal unterschiedlich ausfällt ist nicht so wichtig, Nahrungsmittel sind vergleichsweise gar nicht so teuer, und lassen sich recht einfach transportieren und weltweit verteilen.

    Viel wichtiger ist die gesamte lokale Wirtschaftstätigkeit in allen Regionen, und natürlich eine konsequente Begrenzung des Klimawandels durch die Energiewende. Aber auch eine Überprüfung unseres übermäßigen Wohlstands wird den Klimaschutz entscheidend beschleunigen können. Das hätte sogar die Nebenwirkung, dass hier der Arbeitskräftemangel wegfällt, und man auch keine weiteren Migranten bräuchte.

    Was natürlich wiederum nur richtig Sinn macht, wenn hier keiner mehr vor unerträglichen Verhältnissen zu uns flüchten will.

  4. Was cool wäre, wäre, wenn zumindest von unseren “queren” Freunden beim Menschen das Vorhandensein von zwei biologischen Geschlechtern, auch diesem Test folgend :

    -> https://en.wikipedia.org/wiki/Sex-determination_system

    … unangefragt bleiben könnte – und Leutz wie zum Beispiel Jan Böhmermann nicht anders berichteten, so zum Beispiel :

    Es gibt sehr wohl mehr als zwei Geschlechter. [Das dazu passende audovisuelle Dokument soll an dieser Stelle nicht verwiesen werden.]

    So als Einstieg für freundliche Auseinandersetzung ?!

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

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