Papst Franziskus am Ostermontag gestorben – Baldige Konklave erwartet

Obwohl die digitale Individualisierung, Polarisierung und Säkularisierung voranrast, wird diese Nachricht wieder Milliarden christliche und nichtchristliche Menschen berühren: Papst Franziskus (1936 – 2025) starb laut Video-(!)-Mitteilung des Vatikans heute früh um 7:35 Uhr römischer Zeit im Alter von 88 Jahren nach langer und schwerer Krankheit. Noch gestern hatte er unter Mühen den traditionellen Ostersegen urbi et orbi, der Stadt und dem Erdkreis, gewidmet.

Das Papstamt des Bischofs von Rom, der über 1,4 Milliarden katholischer Christinnen und Christen und damit die größte Religionsgemeinschaft der Erde verfügt, ist zugleich Staatsoberhaupt des winzigen Vatikanstaates in Rom. Der Nachfolger in diese Wahlmonarchie wird in einer Konklave genannten Versammlung ausschließlich männlicher Kardinals-Geweihter gewählt.

Mastodon-Post zur Todesnachricht von Papst Franziskus, seligen Angedenkens. Screenshot: Michael Blume

Als Religionswissenschaftler, aber auch als evangelischer Christ wünsche ich Franziskus und der katholischen Schwesterkirche von Herzen Segen und Annahme. An die ökumenische Einladung auch zu einer vatikanischen Bloggerkonferenz werde ich mich immer dankbar erinnern. Auf religions- und christenfeindliche Kommentare bitte ich unter diesem Blogpost zu verzichten bzw. werde diese nicht freischalten.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

32 Kommentare

  1. Schönen Ostermontag Michael!

    Danke für die Anteilnahme, ist doch der erste Südamerikanische Papst von uns gegangen.
    Wie man im Nachhinein sein Wirken und schaffen bewertet wird das nächste Jahr wohl öfters Thema werden.

    Kam gerade von der Emaus Wanderung zurück als man es mir sagte und ich muss meine Bewunderung ausdrücken das er wohl auch für den Segen Urbi et Orbi durchgehalten hat.

    Wer weiß, vielleicht wird in ein paar Monaten der erste Afrikanisch stämmige oder aus dem Asiatischen bereich kommende Papst seit Jahrhunderten die Kirche führen.

    • Vielen herzlichen Dank, @Berthold Forster – ich hoffe, Ihr hattet schöne Ostertage! Auch wir Blumes waren wandern und hatten gestern einen berührenden Ostergottesdienst erleben dürfen.

      Das Konklave zur Papstwahl 2025 wird voraussichtlich von etwa 135 bis 138 wahlberechtigten Kardinälen gebildet, die das 80. Lebensjahr am 20. April 2025 noch nicht vollendet haben. Mit etwa 53 Europäern – davon 17 Italienern – wird erstmals nur noch eine Minderheit aus unserem alternden Kontinent (bzw. Kontinentalfortsatz) stammen.

      In der römisch-katholischen Kirche treffen Tradition und Moderne immer wieder besonders intensiv aufeinander. Schon die Bekanntgabe des päpstlichen Ablebens durch ein Video schreibt Mediengeschichte. Doch all dies soll gerade heute nicht Überdecken, dass mit Papst Franziskus ein bemerkenswertes Oberhaupt von uns gegangen ist, nachdem er noch gestern zum Ostersonntag den Segen über die Stadt und den Erdkreis gespendet sowie den US-Vizepräsidenten empfangen hat. Auch das wird sicher in Erinnerung bleiben.

  2. Timing. Perfekt zu Ostern. Mein Timing ist allerdings mies, weil ich schon anfange, zu denken, während es angebracht wäre, mein Beileid auszudrücken, die Klappe zu halten und den Leuten ihre Zeit zum Trauern zu lassen. Also lösche ich erst mal alle Gedanken, die ich gerade dazu posten wollte – und sage einfach: Beileid.

    • Vielen Dank, @Paul S 🙏

      Dass es Ihnen diesmal gelungen ist, auf einen allzu langen und im Sprachstil groben Druko zu verzichten, rechne ich Ihnen hoch an. Mir macht es ja keine Freude, Ihre Kommentare zu kürzen oder gar nicht erst freizuschalten. Zumal Sie ja bereits gezeigt haben, dass Sie zu digitalen Dialogen grundsätzlich fähig sind.

      Ihnen Dank auch für Ihre Anteilnahme zum Tod eines bedeutenden Christen.

  3. @Katholische Kirche

    Diese Kirche ist dann wohl die längste durchgängig bestehende Organisation, die die Welt je gesehen hat. Das ist beachtlich.

    Dass hier die Würdenträger nicht heiraten dürfen, und dass neue Oberhaupt immer wieder neu gewählt werden muss, hat da sicher zu beigetragen.

    Zumal die meiste Zeit dieser 1500 Jahre überall sonst führende Ämter an feste Thronfolger vergeben wurden. Das hat das Zölibat von vorn herein ausgeschlossen. Die meiste Zeit war das entsprechend sogar richtig modern.

    Heute ja nicht mehr so. Vielerorts werden Amtspersonen einfach gewählt, Posten vererben gibt es kaum noch. Und Frauen werden auch beteiligt.

  4. Zwar bin ich nicht katholisch, aber in Bezug auf die Ökumene ist es wichtig, wie der Papst dazu steht. Ich sehe da Papst Franziskus als Brückenbauer.

    Als Argentinier hatte er einen anderen Blick auf die Weltkirche als wir Europäer, deren Bedeutung nachgelassen hat. Es wird interessant sein zu sehen, wen die Kardinäle zum Nachfolger wählen.

    Als ich heute vom Tod des Papstes hörte, war mir bewusst, dass seine wichtige Stimme in einer sehr schwierigen Zeit für die Welt für immer verstummt ist. Er wird fehlen.

    Möge er in Frieden ruhen.

    • Vielen herzlichen Dank für Ihre Anteilnahme, @Marie H.

      Auch wenn Papst Franziskus einige für mich unverständlich defensive Entscheidungen etwa um die Familiensynode oder die Amazonas-Synode traf und einige irritierende Aussagen gegenüber der Ukraine & Israel tätigte, so habe ich doch seinen Einsatz für die Armen und für die Mitwelt auch hier auf dem Blog immer wieder würdigen dürfen. Dass er in seiner ökologischen Enzyklika „Laudato Si“ auch einen islamischen Mystiker zitierte, habe ich als bedeutendes Zeichen empfunden:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/franziskus-ali-al-khawwas-der/

      Zugleich hat mich bewegt, dass ich in den letzten Wochen gegenüber Verschwörungsmythen aus vermeintlich „konservativen“ Konzernmedien und sogar gegenüber Mitgliedern der Christdemokratie die bleibende Relevanz der Kirchen betonen musste:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/mit-den-kirchen-glaubwuerdig-gegen-geschichtsvergessenheit-und-verschwoerungsmythen/

      Ich möchte hoffen, dass der Tod dieses großen, christlichen Geistlichen bei manchen Fossilisten und Relativisten zu einer Besinnung beitragen möge.

      Ihnen noch einmal herzlichen Dank für Ihre guten und dialogischen Beiträge, @Marie H.! 🙏

  5. … einige für mich unverständlich defensive Entscheidungen etwa um die Familiensynode oder die Amazonas-Synode …

    Das ging wohl vielen so (mir auch), die in Deutschland noch (Rest-) Sympathien für die kath Kirche haben: Da kommt endlich ein etwas reformfreudigerer Papst, aber bei innerkirchlichen Themen wie der Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Ehen oder der Lockerung des Zölibats passiert trotzdem nichts Konkretes. Aber die massiv ablehnenden Reaktionen afrikanischer Bischöfe auf den (aus deutscher Sicht) winzig kleinen Fortschritt von “Fiducia supplicans”* zeigen halt auch: Der Papst muss den Laden zusammenhalten – kein Papst will als Ursache eines neuen Schismas abtreten. Und da bleibt halt oft nicht viel Spielraum…

    *Erlaubt das Segnens gleichgeschlechtlicher Paare, aber nur informal außerhalb der Liturgie

  6. Mit dem Tode von Franziskus ist ein glaubwürdiger Mensch in die Geschichte eingegangen.
    Wie wird es weitergehen mit dem Klerus in Rom ?
    Der neue Papst wird von 120 Kardinälen aus aller Welt gewählt werden.
    Und alle sind Männer, so ist das Selbstverständnis der katholischen Kirche.

    Zu überlegen wären auch die zahlreichen Marienerscheinungen, die darauf hindeuten, dass auch Frauen Menschen sind . Es ist ja schon ein Widerspruch, alle Männer werden von Frauen geboren, aber ein Recht auf die Führung einer Kirche haben sie nicht.

    Und schon tut sich der nächste Widerspruch auf, Gott ist der Gott aller Menschen auf der Erde, die katholische Kirche erhebt den Alleinvertretungsanspruch auf der Erde.

    Ein gangbarer Brückenschlag für die katholische Kirche wäre die Anerkennung der Marienerscheinungen als Zeichen für die Aufnahme von Frauen als Priesterinnen .
    Die letzte Erscheinung war in Medugorje.

    • Lieben Dank, @N

      In Deutschland 🇩🇪🇪🇺 gibt es mit mehreren evangelischen Kirchen und auch der sog. „altkatholischen“ Kirche gleich mehrere, in denen Frauen und Männer längst gleichbestellt sind. Für mich persönlich war es auch wichtig, einer Kirche ⛪️ beizutreten, die demokratisch und gleichberechtigt strukturiert ist:

      https://www.elk-wue.de/

      Gleichwohl muss ich zugeben, dass evangelisch-demokratische Kirchen von der digital beschleunigten Säkularisierung und Individualisierung kaum weniger betroffen sind als die römisch-katholische Kirche. Dagegen wachsen oft sehr dualistische, aber eben kinderreiche Gruppen. Sehr viele Menschen auch in unserem Land wünschen sich zwar reformierte Kirchen, fühlen sich dann aber auch diesen kaum mehr verpflichtet. Das lässt sich zwar religionsdemografisch längst gut erklären, ist aber dennoch schade. Glaube ich.

      • Michael Blume,
        die evangelischen Landeskirchen trauern um den Papst. Das ist gut so, denn Toleranz ist ein wichtiger Grundstein für ein Zusammenleben der verschiedenen Konfessionen.
        Zur katholischer Seite ist die Meinung des ehemaligen Papstes Paul II anzumerken, der bei einem Besuch Schwedens gesagt hat , die evangelische Kirche sei keine Kirche.

        Also, gehen wir den Weg der Dogmatik, der Pragmatik oder den Weg der Logik gemeinsam ?
        Ihre Anmerkung mit der Säkularisierung stimmt, die Kirchenaustritte nehmen zu,
        die Ursache ist aber die Wohlstandsgesellschaft in der alle Risiken des Lebens mit Versicherungen unsichtbar werden.

        Der Weg der Realität wird die Katholiken zwingen den Frauen mehr Rechte einzuräumen. In unserer Kirchengemeinde muss der Pfarrer schon 5 Kirchen betreuen, und der Priestermangel ist die Realität.

        Und wenn man bedenkt dass viele “Glaubenswahrheiten” bei Konzilen beschlossen wurden und nicht eindeutig durch die Bibel begründet sind, dann ist die nächste Kirchenreform überfällig.

        Ich schreibe das deswegen, weil ihr blog sicher auch von Kirchenoberen gelesen wird, und denen sollte man ständig den Spiegel vorhalten.

        • Ja, @N – auch ich begrüße die ehrliche Anteilnahme meiner Kirche zum Tod des Papstes Francesco / Franziskus.

          Und ich darf Ihnen versichern, dass ich per Erwachsenentaufe glückliches Mitglied einer vollgültigen, gleichberechtigten und demokratisch organisierten, evangelischen Kirche geworden bin.

          Jehoschua / Jesus selbst predigte übrigens nie in einer Kirche, sehr wohl aber in einer Synagoge. Denn er war nicht nur Jude, sondern der erste Mensch in der Literatur, der als „Rabbi“ (= Lehrer / Meister), von Maria Magdalena laut Joh. 20, 16 sogar zum Pessach – Ostereignis als „Rabbuni“ = mein Lehrer, Meister angesprochen wurde.

          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/pessach-ostern-und-die-macht-der-zeit-medien/

          Das Christentum ✝️ und das rabbinische Judentum ✡️ haben sich also mit- und leider auch gegeneinander entwickelt, woraus auch weitere Religionen wie der Islam ☪️, das Sikh- und Bahaitum erwuchsen. Die gemeinsame, mediale Grundlage all dieser sog. abrahamitischen Religionen bilden die (semitisch-linkslaufenden und jafetitisch-rechtslaufenden) Alphabetschriften. Ich empfehle daher Kirchen und Religionsgemeinschaften stets den ehrlichen und intensiven Dialog in gegenseitigem Respekt und vor allem ehrlicher Lernbereitschaft.

          Ihnen und Ihrer Gemeinde eine gesegnete Zeit.

  7. @Michael 21.04. 14:17

    „Doch der Monotheismus übernahm dann auch das Imperium Romanum samt der Hauptstadt und des Oberpriesteramt des „Pontifex maximus“, des ersten Brückenbauers. Hier ist auch das Ökumenisch-Interreligiöse bereits angelegt.“

    Eine gewisse Religionsfreiheit gabs doch bei den Römern vor Einführung des Christentums, danach dann eher weniger davon. Es ist mir unklar, ob diese dann eingeführte Staatsreligion wirklich ein Fortschritt war.

    So oder so, ohne Konfessionsfreiheit taugt die beste Religion nichts, meine ich. Soll jeder mit seinem Leben erst mal arbeiten, da geht es lang, finde ich.

    Auch heute noch.

    Die Idee dahinter war und ist dann wohl, dass man von Gott belohnt wird, wenn man den richtigen Glauben auch bei anderen fördert. Gibt es das denn wirklich?

    Wenn ich überzeugt bin, und meine, anderen mit dieser Überzeugung schon helfen zu können, das wäre dann allerdings ein Argument. Das finde ich dann wieder gut, als lebendiger Glaube sozusagen. Der dann auch gerne demografisch wirksam werden darf.

    Aber auch hierbei darf es viele Lösungen geben, nur Eine muss ja nun nicht sein. Im Gegenteil, wenn es viele interessante Varianten gibt, findet man auch eher was Passendes? Letztlich haben wir ein ganz persönliches Leben zu meistern, das geht nicht immer nur auf eine Art. Ohne Vielfalt wird das öfter nix.

    Allein der Weg auch zum Glauben ist doch eine Reise, der ist nicht angeboren.

  8. @Michael 22.04. 15:06 / Felo.ai

    „Es besteht somit ein komplexes Zusammenspiel zwischen der biologischen Veranlagung, der kulturellen Umwelt und der individuellen Lebensgeschichte, das die konkrete musikalische und religiöse Erfahrung eines Menschen formt.“

    Die Wirklichkeit selber würde ich jetzt aber auch noch betonen. So wie Musik nicht irgendwelche tradierten Töne sind, sind eigene spirituelle und religiöse Erfahrungen keine Phänomene, die so nebenbei irgendwann mal erfunden wurden.

    Ein neues bewegendes Musikstück zu entwickeln ist eine erhebliche Herausforderung, es gibt hier durchaus nur sehr spezielle Möglichkeiten, dessen Grenzen auch die physische Wirklichkeit setzt.

    Genauso brauchen spirituelle und religiöse Erfahrungen einen Kosmos, der diese Möglichkeiten tatsächlich auch anbietet. Die derzeit bekannte Physik liefert dieses allerdings noch nicht. Da gibt es m.E. noch was zu entdecken, das man eben nur hin und wieder mal im konkretem Leben erfahren darf.

    Die wissenschaftliche Methode ist hier im Prinzip recht blind für, weil sie eben explizit nur mechanisch regelmäßig Ablaufendes anerkennt. Jegliche einmalige Erfahrungen werden systematisch weggefiltert und fallen in so ziemlich allen Wissenschaftlichen Theorien unter den Tisch.

    Nicht so das Leben des individuellen Menschen, das kann voller Spiritualität sein, wenn man denn nun Glück hat und es der Kosmos gut mit einem meint. Mich würde es noch nicht mal wundern, wenn auch z.B. Elefanten spirituelle Erfahrungen machen. Heilige Schriften verfassen können die mit Sicherheit nicht, aber das Elefantenleben könnte dennoch auch echt spirituelle Aspekte einschließen.

    Einfach weil der Kosmos das von Grund auf anbietet. Schon auf der biologisch-physikalischen Ebene, nicht erst in Psychologie und Kultur, da kommt das dann nur wirklich zur Entfaltung. Das gilt für Spiritualität wie für Religion und vermutlich eigentlich auch für Musik.

    Musik ohne Seele? Das schafft nicht mal Techno. Das geht einfach nicht.

    • Ja, @Tobias – ausdrücklich auch zu diesem Satz:

      “Musik ohne Seele? Das schafft nicht mal Techno. Das geht einfach nicht.”

      Auch nach meiner Auffassung handelt es sich sowohl bei Musikalität wie auch bei Religiosität, Wissenschaft, Spiritualität und Philosophie um Erkenntnisprozesse unserer beschränkten Säugetiergehirne im Hinblick auf ein fast unendlich komplexes, mehrdimensionales Universum. Ausführlich dazu gesprochen und geschrieben hatte ich bereits für Konferenzen in Bristol (2010) und Barcelona (2011):

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/vernunft-und-glauben-in-den-wissensgesellschaften-r-ckblick-auf-die-barcelona-konferenz/

      Im Blogpost zur schönen Beschimpfung als Solarpopper hatte ich dazu ja den bedeutendsten Erkenntnistheoretiker Karl Popper (1902 – 1994) zitiert:

      “Für die, welche vom Baum der Erkenntnis gekostet haben, ist das Paradies verloren.

      Je mehr wir versuchen, zum heroischen Zeitalter der Stammesgemeinschaft zurückzukehren, desto sicherer landen wir bei Inquisition, Geheimpolizei und einem romantisierten Gangstertum.

      Wenn wir mit der Unterdrückung von Vernunft und Wahrheit beginnen, dann müssen wir mit der brutalsten und gewaltsamsten Zerstörung alles dessen enden, was menschlich ist.

      Es gibt keine Rückkehr in einen harmonischen Naturzustand.

      Wenn wir uns zurückwenden, dann müssen wir den ganzen Weg gehen – wir müssen wieder zu Raubtieren werden.

      Wir stehen hier vor einer Frage, die wir klar beantworten müssen, so schwer dies für uns auch sein mag.

      Wenn wir von einer Rückkehr in unsere Kindheit träumen, wenn wir versucht sind, uns auf andere zu verlassen und auf diese Weise glücklich zu sein, wenn wir davor zurückschrecken, unser Kreuz zu tragen, das Kreuz der Menschlichkeit, der Vernunft und unserer Verantwortung, wenn wir den Mut verlieren und der Last des Kreuzes müde werden, dann müssen wir uns zu stärken versuchen, mit dem klaren Verstehen der einfachen Entscheidung, die vor uns liegt.

      Wir können zu den Raubtieren zurückkehren.

      Aber wenn wir Menschen bleiben wollen, dann gibt es nur einen Weg, den Weg in die offene Gesellschaft.

      Wir müssen ins Unbekannte, ins Ungewisse und ins Unsichere weiterschreiten; wir müssen die Vernunft benutzen, die uns gegeben ist, um, so gut wir es eben können, für beides zu planen: für Sicherheit und Freiheit.”

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/solarpunk-und-solarpopper-wasserstoff-hoffnung-wunsiedel-bayern/

      Ich glaube, dass uns die Musikalität dazu Erleben und Hoffnung vermittelt, die Religiosität Sinn und Gemeinschaft, die Wissenschaft und Philosophie intersubjektive Befunde usw. Nicht nur aus religiöser, sondern auch aus nichtreligiöser Perspektive scheint mir das Streben nach mehrdimensionaler Erkenntnis ein verbindender Wert des Menschlichen zu sein.

  9. Ich bin nicht religiös. Ich bin nicht katholisch. Was ich an Franziskus trotzdem aufrichtig bewunderte und womit er mich auch einnahm, war seine Bescheidenheit, Volksnähe und Menschenfreundlichkeit. Da war er eine Ausnahmeerscheinung zu so manchem Kirchenfürsten.

  10. Anschließend an unsere Diskussion weiter oben (wieso gab es innerkirchlich so wenig Reformfortschritt unter Franziskus?), und inspiriert durch deinen anderen Blogartikel über das Regierungssystem der Schweiz, würde ich folgende These aufstellen:

    Das Papsttum ist eine Konkordanz- Wahlmonarchie. Zwar kann der Papst auf dem Papier quasi wie ein Diktator regieren und seine Vorstellungen auch gegen die Kardinäle und die Kurie durchsetzen. In der Praxis wird er das nicht tun. Denn die Konklaveordnung verlangt, dass eine Zweidrittelmehrheit zur Papstwahl nötig ist. Kandidaten müssen für eine breite Mehrheit der Kardinäle tragbar sein. Allzu forsche Vertreter eines Lagers (z.B. liberale Reformer oder traditionalistische Ultras) haben von vorneherein keine Chance.

    Und auch nach der Wahl wird der mit dieser Mehrheit gewählte Papst bedacht sein müssen, möglichst viele mitzunehmen – denn anders als Bürger eines Landes können Kirchenmitglieder einfach davonlaufen oder Abspaltungen gründen. In Kirchensprache heißt die “Konkordanz” : “Synodalität”: Auch da hat Franziskus ja immer klar gemacht, dass es bei Synoden nicht um Kampfabstimmungen geht, sondern darum, so lange miteinander zu reden, bis man tatsächlich einen gemeinsamen Weg findet. So polarisiert wie die Weltkirche mittlerweile ist, scheint das aber kaum noch möglich.

    Das nur so als vielleicht interessanter Querbezug. Das Papsttum und das Wahlverfahren müsste natürlich trotzdem grundlegend reformiert werden, finde ich: Mehr Mitbestimmung des Kirchenvolks, und wieso sind eigentlich keine Frauen im Konklave?

    • Danke & ja, @Hans – das Äquivalenz zur demokratischen Konkordanz wäre die kirchliche Synodalität , die etwa im Konzil von Konstanz (1414 – 1418) nahe an einen Alpenraum-Föderalismus geführt wurde:

      https://de.m.wikipedia.org/wiki/Konzil_von_Konstanz

      Doch mit Buchdruck, elektronischen und schließlich digitalen Medien setzte sich dagegen dann leider doch ein patriarchaler Zentralismus in Form einer Wahlmonarchie durch. Es ist ja kein Zufall, dass seit dem II. Vatikanum (1962 – 1965) kein Papst mehr die Einberufung eines Konzils wagte, obwohl dieses laut damaliger Beschlüsse doch mindestens alle 50 Jahre tagen sollte…

  11. @Michael 22.04. 18:40

    „..scheint mir das Streben nach mehrdimensionaler Erkenntnis ein verbindender Wert des Menschlichen zu sein.“

    Und wir sind längst nicht am Ende der Erkenntnis angelangt. Hier sehe ich durchaus Chancen, dass Wissenschaft auch Spiritualität und Religion erfassen kann und dass Religion und Spiritualität Wissenschaft besser integrieren kann.

    Wir sind hier seit Jahrhunderten doch längst auf der Suche. Man will doch gerne alles verstehen, das ist doch urmenschlich. Letztlich entscheidet die Wirklichkeit selber, wie weit sie sich verstehen lässt?

    So wie die Astronomie die kosmischen Weiten erfasst, kann dann auch Religion über den Erdkreis hinaus ins Kosmische vordringen? So wie die Quantenphysik unverständlich bleibt, kann dann Spiritualität z.B. als Panpsychismus hier neue Perspektiven suchen.

    @Popper

    „Wenn wir uns zurückwenden, dann müssen wir den ganzen Weg gehen – wir müssen wieder zu Raubtieren werden.“

    Die andere Richtung, in den Kosmos hinein, das ist doch wirklich Die Perspektive. Nicht unbedingt Musk auf den Mars. Sehen in den Kosmos hinein, das reicht doch erst mal, da sind Welten zu entdecken und letztlich auch Bewusstseinswelten, die man auch im ganz Kleinem finden kann.

    Dieser Planet, der bleibt unsere Basis. Die es zu Pflegen gilt. Und wir Menschen selbst sind der Faktor, der auch unsere Zukunft ist.

    • Vielen Dank, lieber @Tobias

      Ein Autor, der ebenfalls in die Richtung mehrdimensionaler Erkenntnis denkt, ist Hanno Hagemann in „Mehr im Leben. Warum wir Religion brauchen, um die Welt zu verstehen“, tredition 2024.

      Dieser geht u.a. von einer Aussage Jesu aus Matthäus 7,16 aus: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“

      Dazu schreibt Hagemann auf den Seiten 264 – 265:

      Das Früchtekriterium bietet damit eine Möglichkeit der kritischen Überprüfung von Glaubenslehren. In diesem Sinne ist es auch aus psychologischer Sicht vorgeschlagen worden, um unangemessene oder pathologische Formen von Religion von persönlichkeitsfördernden, erkenntnisgewinnenden abzugrenzen. […]

      Wollte man eine Parallele zu naturwissenschaftlichen Theorien ziehen, so könnte man schließlich sagen, dass sich – ähnlich wie dort – auch Anschauungen im religiösen Bereich in der Praxis bewähren müssen, um plausibel zu erscheinen.

      Dass dabei lebensfördernde Effekte der Nächstenliebe, des Mitgefühls oder des sozialen Engagements als besonders überzeugend angesehen werden, ist letztlich eine moralische Setzung. Dies beruht allerdings auf der Erfahrung dessen, was die Menschheit schon immer als erstrebenswert erachtet hat. Von daher besteht mit Blick auf diese Werte eine hohe, nicht nur religiöse, sondern auch kulturelle Kongruenz.“

      Dieser Perspektive stimme ich zu und habe daher zum heutigen „Welttag des Buches“ einen entsprechenden Schwerpunkt gelegt:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/der-lesende-widerstand-gegen-die-digitale-gegenwartsexpansion-gedanken-zum-welttag-des-buches/

      Dir lieben Dank für Deine anregenden Drukos! 🙏☺️🙌

  12. @Michael Blume 22.04. 15.06 Uhr

    “Sie sind ein großer Mozart-Verehrer.”

    “Ja! Obwohl wir in meiner Kindheit sehr viel umgezogen sind, blieb die Familie eigentlich immer in dem Bereich zwischen Inn und Salzach. Und den größten und wichtigsten und schönsten Teil meiner Jugend habe ich in Traunstein verlebt, das sehr Salzburgisch geprägt ist. Da ist Mozart sozusagen von Grund auf in unsere Seele eingedrungen, und immer noch rührt er mich zutiefst an, weil das so leuchtend ist und doch zugleich so tief. Es ist eben keineswegs nur Spielerei, es ist auch die ganze Tragik des Menschseins enthalten.
    Die Kunst ist schon elementar. Die Vernunft allein, wie sie sich in den Wissenschaften ausdrückt, kann nicht die volle Antwort des Menschen auf die Wirklichkeit sein und nicht alles ausdrücken, was der Mensch ausdrücken kann, will und auch muss. Ich denke, das hat Gott in den Menschen hineingelegt. Kunst ist mit der Wissenschaft die höchste Gabe, die er ihm gegeben hat.”

    Aus: Salz der Erde, Joseph Kardinal Ratzinger im Gespräch mit Peter Seewald. Heyne Verlag, Ausgabe 06/2004.

  13. @Michael 23.04. 23:18 / Hagemann

    „Das Früchtekriterium bietet damit eine Möglichkeit der kritischen Überprüfung von Glaubenslehren.“

    Neben dem Umgang mit sozial Schwachen denke ich hier gleich an die Akzeptanz anderer Religionen und weltanschaulichen Zugängen. Und natürlich an dem Stellenwert dieses Planeten, dessen Bewahrung und auch Pflege.

    Es ist ja nun öfter zu beobachten, dass das sündige Irdische komplett entsorgt wird auf dass wir dann ins Himmelreich einziehen können. Da halte ich gar nichts von.

    Ich hab da eher halbe Ewigkeiten vor Augen, wie dieser Planet mitsamt seinen Menschen auf Jahrmillionen wirklich florieren kann. Inclusive einer Orientierung in die Weiten des ganzen Kosmos. Das kann auch gerne in die tatsächlich praktizierten Religionen eingehen.

    Wobei mir ein Sinn von religiöser Gemeinschaft überhaupt nicht so ganz klar ist. Wenn der Einzelne selber sich was Persönliches zusammenstellt, dann kann das doch auch gut sein.

    So haben wir dann auch nicht mehr die Eine Glaubenslehre, sondern in jedem Menschen eine Eigene. Die man dann wieder anhand ihrer Früchte einschätzen darf. Insbesondere darf der Einzelne selber seine eigene Orientierung anhand genau dieser Früchte prüfen und bei Bedarf anpassen.

    Das erscheint mir wesentlich zielführender, als sich in Traditionen zu verlieren. Gerade das Studium der Bibel sehe ich recht kritisch, rein praktisch wird man da mit Mythen mehr oder weniger erschlagen. Da empfehle ich stattdessen das Studium des Lebens.

    Wenn man sich hier engagiert, und sich entsprechend auch austauscht, dann kommt da doch auch was bei heraus. Das dann auch gleich ein Miteinander werden kann. Das ist dann auf jeden Fall irgendwie offener als z.B. die straff durchorganisierte katholische Kirche.

    Man kann ja sogar beides machen. Einmal in einer großen Kirche mitmachen, und sich gleichzeitig seine eigenen Konzepte basteln. Eine Kirche, die das wiederum nicht erlaubt, die würde ich allein schon deswegen komplett ablehnen. So viel Freiheit muss einfach sein.

  14. Ein Selfie mit strahlendem Grinsen und dem Bundespräsidenten aus dem Regierungsflieger. Markus, wie er die Treppen des Fliegers herabschreitet. Ein Bild des Papstsarges. Söder auf dem Petersplatz von links, rechts, vorn, unten. #Trauer #Abschied #Franziskus #Papst #Dankbarkeit. Ein Video gab es auch noch.

    Vom Trauergottesdienst in der Münchner Marienkirche folgten weitere Söder-Ikonen. #Glauben. Auch als Atheist betete man zu Gott, dass jemand dem Söder das Handy wegnimmt.

    Marie-Agnes Strack-Zimmermann sah es wohl ähnlich: »Beerdigungs-Reiseselfies haben doch etwas recht Würdeloses. Die Beerdigung des Papstes ist nicht das Oktoberfest. Da kann man schon froh sein, dass Söder nicht auch noch einen Döner in der Hand hat«, schrieb die FDP-Politikerin. Die Grüne Ricarda Lang fand schnell das passende Meme.

    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/markus-soeder-und-die-papst-trauerfeier-selfies-an-eitelkeit-nicht-zu-uebertreffen-kommentar-a-45840b17-b7dd-436d-a9bd-14a5a0027e42

    *facepalm*

  15. Die Religiosität wird ja immer genauer erforscht. Sogar das Feld der “Religionspsychologie” gibt es, und Victoria Rationi hat vor kurzem eine erstaunliche Gemeinsamkeit mit der Religionssoziologie bezüglich der Ursachen von Religiosität herausgearbeitet: Unsicherheit – entweder auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene (oder auf beiden). Siehe “Warum manche Menschen glauben ..”

    Barbara

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