Musik, Hoffnung und der Erfolg von Yuval Raphael, Israel beim ESC 2025

Seit meiner Doktorarbeit zu Religion & Hirnforschung vor zwanzig Jahren fasziniert mich der evolutionsbiologische Zusammenhang zwischen Religiosität & Musikalität. Inzwischen habe ich eine Musik-Zeiterleben-Hoffnung-These dazu ausgearbeitet, bei verschiedenen Angelegenheiten vorgestellt und bereits weitere Einladungen zu Vorträgen und Diskussionen auch aus dem europäischen Ausland dazu erhalten. Dabei weise ich auch immer wieder darauf hin, dass der Titel der israelischen Hymne “Hatikva” = Hoffnung bedeutet. Es gibt sogar eine Hatikvah-Übertragung ins Deutsche. Und wo die Hatikvah im hebräischen Original angestimmt wird, etwa an Jom haAtzma’ut in Freiburg, singe ich dieses auch immer wieder gerne mit. Denn wer die Republik Israel vernichten will, ist auch kein Freund der Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Union, sondern schlichtweg antisemitisch und feindselig-dualistisch unterwegs. Gerade “weil” mir auch das Schicksal der Menschen in Gaza nahegeht, erinnerte ich auch im Landtag von Baden-Württemberg daran, dass die von Katar und Iran fossil finanzierte Terrororganisation Hamas die Demokratie verwarf und das Terrormassaker des 7. Oktober 2023 entfesselte. Wie die allermeisten Israelis und auch deutschen Jüdinnen und Juden spreche ich mich dabei für eine sofortige Freilassung aller Geiseln durch die Terrororganisation, die humanitäre Versorgung der Bevölkerung von Gaza und ein Ende des Krieges aus.

Dr. Michael Blume demonstrierte und sprach am 1. Mai 2025 zu Jom ha'Atzma'ut auf Einladung der Israelitischen Kultusgemeinde Freiburg für die sofortige Freilassung der Geiseln durch die Hamas und das Ende des Krieges samt der Versorgung der Menschen in Gaza.

Gemeinsam mit jüdischen und nichtjüdischen Deutschen demonstrierte & sprach ich am 1. Mai 2025 (in Israel: Jom ha’Atzma’ut, 3. Ijar 5785) auf dem Platz der Alten Synagoge in Freiburg für die Freilassung aller Geiseln durch die Hamas und ein sofortiges Ende des Krieges. Foto: Israelitische Kultusgemeinde Freiburg 

Nur eine weitere ICE-Bahnstation von Freiburg entfernt befindet sich das schweizerische Basel, wo 1897 der erste Zionistische Kongress zur Gründung der Republik Israel als Konkordanz- oder doch wenigstens Konsensdemokratie stattgefunden hatte. Die Parlamente knebelnde Parteien-Koalitionsverträge wurden in Israel erst in den 1980er Jahren üblich, in der Bundesrepublik Deutschland bereits ab 1961. Das heutige Israel entstand in Basel und oft hatte ich den Kanton Basel-Stadt und auch die dortige Shoah-Gedenkstätte Riehen bereits besucht.

Beim ersten Zionistischen Kongress in Basel präsentierte David Wolffsohn (1855 – 1914) mit dem eigenen Gebetsschal (Tallit) auch den ersten Entwurf der weiß-blauen Flagge Israels, wie sie bis heute weht. Er erinnerte sich später dazu:

„Auf Geheiß unsres Anführers Herzl kam ich nach Basel, um Vorbereitungen für den Zionistischen Kongress zu treffen. Unter den vielen Problemen, die mich damals beschäftigten, war eines, das in gewisser Weise das Wesen des jüdischen Problems in sich barg: Welche Flagge würde in der Kongresshalle hängen? Da durchfuhr mich eine Idee: Wir haben eine Flagge – und die ist blau und weiß. Der Tallit, den wir um uns wickeln, wenn wir beten: das ist unser Symbol. Lass uns diesen Tallit hervornehmen und vor den Augen Israels und aller Völker entrollen! Also bestellte ich eine blauweiße Flagge, auf die der Davidstern gezeichnet wäre. Und so entstand die Nationalflagge, die über der Kongresshalle wehte.“

Die blaue (“Techelet“) Farbgebung der Zizijot-Fäden am weißen Tallit geht dabei über den Talmud auf das Miteinander von Wasser und Himmel zurück.

Im Babylonischen Talmud stellt Rabbi Meir die Frage, warum gerade Techelet als Farbe für den Faden der Zizit gewählt wurde. Seine Antwort lautet: »Weil die Farbe Blau dem Meer gleicht und das Meer dem Himmel gleicht und der Himmel dem himmlischen Thron gleicht.« 

Sie können sich also meine Anspannung vorstellen, als antisemitische Aktivisten gegen den Auftritt der israelischen Sängerin Yuval Raphael präzise in Basel beim Finale des Eurovision Song Contest 2025 mobil machten. Die Sängerin hatte das Hamas-Terrormassaker des 7. Oktober 2023 knapp überlebt und ihren Song “New Day Will Rise” ausdrücklich als ein Lied der Hoffnung auf Frieden und Sicherheit angelegt. Was für ein Schwachsinn es ist, die Künstlerin mit der derzeitigen Regierung zu identifizieren, wird schon daran deutlich, dass einige ultraorthodoxe Koalitionspartner von Premier Benjamin Netanjahu (Likud) das öffentliche Singen, ja sogar die mediale Abbildung von Frauen ablehnen! Wer sich wie ich mit Yuval Raphael solidarisierte, solidarisierte sich gerade nicht mit einer zunehmend umstrittenen Regierung und Kriegsführung, sondern mit dem israelischen Volk, den Opfern von Terror und Krieg und mit einer vielfältigen, säkularen und gewaltenteiligen Republik.

Die Ankündigungstafel für den Auftritt von Yuval Raphael für Israel beim Eurovision Song Contest 2025 in blau und weiß.

Ein historischer Moment, als in Basel, am Ort des Ersten Zionistischen Kongresses in Basel 1897, die blau-weißen Farben Israels zum Auftritt von Yuval Raphael beim Finale des Eurovision Song Contests 2025 aufleuchteten. Screenshot: Michael Blume

Und so kam es zwar zu antisemitischen Störversuchen während des ESC-Finales wie auch zu gewalttätigen Anti-Israel-Demonstrationen in der Stadt Basel. Doch Yuval Raphael konnte auftreten – und triumphieren. Beim internationalen Publikumsvoting belegte sie für Israel mit 297 Punkten sogar Platz Eins, während die Jurys sie mit 60 Punkten nur auf Platz 14 verbannten. Dennoch reichte es zur stolzen Gesamtwertung auf Platz Zwei!

Und aus langjähriger Erfahrung als BW-Beauftragter gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben kann ich Ihnen sicher sagen, was für eine Flut an Verschwörungsmythen losgebrochen wäre, hätte sich das Publikum gegen, die Jurys aber für Israel positioniert! So aber bleibt die Erkenntnis, dass die meisten Menschen in den ESC-Staaten sehr wohl zwischen einer mutigen Sängerin und einer umstrittenen Regierung unterscheiden können, dass ein demokratisches Israel im Frieden mit seinen Nachbarn eine europäische Perspektive haben kann, dass Musik Menschen über alle Religionen und Kulturen hinweg verbinden kann. So bleibt auch mir in diesen schweren Zeiten – Hatikva, Hoffnung.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

19 Kommentare

  1. Das ESC-Siegerlied “Ein bißchen Frieden” von Nicole, 1982 hatte auf mich schon als Kind eine große Wirkung. Damals war es noch Vorschrift, dass die Musizierenden in ihrer jeweiligen Landessprache vorzutragen hatten. So gewann Nicole auf Deutsch – und spielte dann zur völligen Verblüffung des Publikums “A Little Peace” mehrsprachig, Deutsch, Englisch, Französisch, Niederländisch! Hier eine Aufnahme von damals:

    https://www.youtube.com/watch?v=mnjahffO7eI

    In der Formulierung meiner Musik-Hoffnung-These spielte der ESC 1982 eine große Rolle. Hier eine Zusammenfassung durch Perplexity.ai:

    # Die Musik-Hoffnung-These von Dr. Michael Blume: Eine interdisziplinäre Analyse

    Dr. Michael Blume, Religions- und Politikwissenschaftler, entwickelt in seiner Arbeit eine These, die Musik als zentralen Träger von Hoffnung begreift. Diese These verbindet philosophische, theologische und kulturwissenschaftliche Perspektiven und wird durch das Werk Hans Blumenbergs sowie den Eurovision-Song-Contest-Gewinn „Ein bißchen Frieden“ von Nicole (1982) exemplarisch untermauert.

    ## Die Kernthese: Musik als Hoffnungsstifterin

    Blumes zentrale Aussage lautet: *„Der Sinn der Musik ist die Hoffnung, die die Liebe zu retten und den Glauben zu heilen vermag.“*[1][2] Diese These entsteht aus der Synthese biografischer Erfahrungen, neurobiologischer Erkenntnisse und philosophischer Reflexion. Musik wird hier nicht als bloßes Unterhaltungsmedium verstanden, sondern als Kraft, die existenzielle Krisen überwinden und gesellschaftliche Spannungen transzendieren kann.

    ### Neurobiologische und psychologische Grundlagen

    Blume verweist implizit auf die Fähigkeit von Musik, neuronale Netzwerke zu aktivieren, die mit Emotionen, Erinnerungen und sozialer Bindung verbunden sind. Durch rhythmische und melodische Strukturen könne Musik selbst in traumatischen Situationen kognitive und emotionale Resilienz fördern – eine These, die sich mit modernen Ergebnissen der Musiktherapie deckt.

    ## Hans Blumenbergs philosophische Fundierung

    ### Die „Matthäuspassion“-Analyse

    Blume stützt sich maßgeblich auf den Philosophen Hans Blumenberg (1920–1996), insbesondere dessen Interpretation von Johann Sebastian Bachs *Matthäuspassion*. Blumenberg schreibt:

    > *„Noch einmal vertieft sich der Sinn der Musik: Sie lässt das Unerträgliche ertragen und setzt an die Stelle der Gnade des Schlafes die jenen Schläfern unerreichbare Gunst ihrer Schönheit.“*[2][4]

    Diese Passage wird von Blume als Schlüssel zum Verständnis der Hoffnungsfunktion von Musik herangezogen. Blumenbergs Beobachtung, dass Musik durch ästhetische Erfahrung Leid transformiere, ohne es zu leugnen, bildet das philosophische Fundament von Blumes These. Die *Matthäuspassion* zeige, wie Musik religiöse Narrative (hier die Passion Christi) in eine universell erfahrbare Hoffnungsbotschaft übersetze – ein Prozess, der über konfessionelle Grenzen hinausweise[4].

    ### Metaphorik und „absolute Metaphern“

    Blumenbergs Konzept der „absoluten Metaphern“ – sprachlicher Bilder, die nicht durch rationale Begriffe ersetzbar sind – überträgt Blume auf die Musik. So wie Metaphern in Blumenbergs Philosophie als Brücken zwischen Unaussprechlichem und Rationalem dienen, ermögliche Musik die Artikulation von Hoffnung jenseits diskursiver Logik[2]. Dies erklärt, warum politische oder religiöse Botschaften in Musik oft ambivalenter und damit inklusiver wirken als in rein verbalen Manifesten.

    ## Nicole und „Ein bißchen Frieden“: Ein Fallbeispiel

    ### Der Song als kulturelles Phänomen

    Nicoles Sieg beim Eurovision Song Contest 1982 mit *Ein bißchen Frieden* dient Blume als zeitgeschichtliches Beispiel für die politische Wirkmacht musikalischer Hoffnungsstiftung. Der Song – entstanden im Kontext des NATO-Doppelbeschlusses und der Friedensbewegung – nutzt einfache, bildhafte Sprache („Wie eine Blume am Winterbeginn“) und eine schlichte Melodie, um Sehnsucht nach Frieden auszudrücken[5].

    Blume analysiert die Rezeption des Liedes als Paradox:

    1. **Emotionale Wirkung vs. politische Kritik**: Während das Publikum die Performance zu Tränen rührte, kritisierten sowohl rechte als auch linke Kommentatoren die vermeintliche Harmlosigkeit des Texts. Rechte Stimmen warfen Nicole vor, Deutschland durch „Mädchenhaftigkeit“ zu schwächen; linke Kritiker monierten, der Song verkläre Frieden statt systemische Veränderungen zu fordern[2][5].
    2. **Transnationale Resonanz**: Die mehrsprachige Performance (Deutsch, Englisch, Niederländisch) unterlief nationalistische Lesarten und schuf eine europäische Identitätsmomentaufnahme – Jahrzehnte vor Konzepten wie „Europop“[5].

    ### Musik als Überwindung ideologischer Gräben

    Blume deutet Nicoles Erfolg als Beweis für die Fähigkeit von Musik, ideologische Dualismen (rechts/links, nationalistisch/internationalistisch) zu transzendieren. Indem der Song Hoffnung nicht als utopischen Zustand, sondern als prozesshaften „bisschen“-Zuwachs inszeniere, entspreche er Blumenbergs Idee der Musik als Medium des „Ertragens“ statt Lösens von Widersprüchen[2][6].

    ## Systematische Implikationen

    ### Gegenüberstellung von Musik und Sprache

    Blume folgt Blumenbergs Einsicht, dass Musik im Unterschied zur Sprache keine „Logik wider sich“ kenne[2]. Während verbale Diskurse stets Ausschlüsse produzieren (durch Definitionen, Dogmen etc.), ermögliche Musik eine Inklusion durch emotionale Resonanz. Dies erkläre ihre Rolle in interreligiösen Dialogen oder Friedensprozessen – Kontexte, in denen verbale Kompromisse oft scheitern.

    ### Hoffnung vs. Optimismus

    Entscheidend ist Blumes Unterscheidung zwischen *Hoffnung* und *Optimismus*:

    – **Optimismus** sei ein rationales Kalkül („Alles wird gut“),
    – **Hoffnung** dagegen ein durch Musik gestifteter „Grund zum Weitermachen“ trotz rationaler Zweifel[6].

    Diese Differenzierung knüpft an Blumenbergs Kritik reiner Vernunftgläubigkeit an: Wie Religionen biete Musik Antworten auf existenzielle „Abgründe“, ohne diese rational auflösen zu müssen[2][4].

    Quellen:
    [1] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/hoffnung-als-sinn-der-musik-eine-interdisziplinaere-these/
    [2] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/files/Sinn_Musik_Hoffnung_Blume19042024.pdf
    [3] https://www.lieder.net/lieder/get_text.html?TextId=103453
    [4] https://kunst-religion.de/die-theologische-grobzugigkeit-der-musik/
    [5] https://eurovisionworld.com/eurovision/1982/germany
    [6] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/musik-als-hoffnung-in-der-zeit-wie-erlebt-ihr-das/
    [7] https://www.youtube.com/watch?v=-aRUzA6sNKA
    [8] https://sueden.social/@BlumeEvolution/113372002699700448
    [9] https://philosophie-indebate.de/matthaeuspassion-ueber-den-raetselhaften-versuch-hans-blumenbergs-gott-fuer-die-moderne-zu-retten/
    [10] https://www.altemuehle.de/de/programm/item/fries-macht-musik-dr-michael-blume-liest-zum-thema-hoffnung-222
    [11] https://religionsphilosophischer-salon.de/10303_hans-blumenberg-schaetzt-die-matthaeuspassion_buchhinweise/philosophische-buecher
    [12] https://www.youtube.com/watch?v=I-PzcYMAQeM
    [13] https://presse-de.kirchejesuchristi.org/artikel/michael-blume-fuer-verdienste-um-werte-der-familie-ausgezeichnet
    [14] https://zeitzeichen.net/archiv/2017_M%C3%A4rz_matthaeuspassion-philosophie
    [15] https://geheimtippstuttgart.de/geheimtipp-blickwinkel-mit-dr-michael-blume/
    [16] https://www.youtube.com/watch?v=aMxM03PW5fc
    [17] https://spiritusblog.com/2019/10/16/blumenberg-v-sprachsituation-und-immanente-poetik/
    [18] https://de.wikipedia.org/wiki/Ein_bi%C3%9Fchen_Frieden


    Antwort von Perplexity: pplx.ai/share

  2. Guten Abend, @Michael,

    Danke dass Du Deine persönliche Begegnung mit der Musik teilst. Ich habe mir die Songs von Yuval und Nicole nochmal angehört und habe beide Musikstücke  sehr genossen, bei letzterem war es eine Zeitreise in meine Jugend.

    Deine These, nach der der Sinn der Musik die Hoffnung ist, die die Liebe zu retten und den Glauben zu heilen vermag, habe ich mir auch angeschaut (den verlinkten Vortrag). Hast Du dazu noch mehr veröffentlicht? Ich finde das extrem spannend.

    Ich bin mir nicht sicher, ob es weiterbringt oder nicht eher redundant ist, will es aber dennoch hier erwähnen. Ich wollte herausfinden, ob Deine These sich “zusammen denken” lässt mit der elementaren Zeiterfahrung, die mit Tonmedien und der Hör-wahrnehmung implizit verbunden ist. Du erinnerst Dich, dazu habe ich kürzlich einen bescheidenen, sehr auf die Wahrnehmung selbst fokussierten Blogpost geschrieben (um Musik ging es da erst mal nicht).

    Ich denke nach wie vor, dass (der in meinem Beitrag zitierte) James Joyce hier eine wunderbare poetische Denk-Anregung gibt, indem er die Modalität des Hörbaren (“modality of the audible”) mit dem “Nacheinander” in der Zeit verknüpft.

    Jetzt habe ich mich gefragt, ob dieses “Nacheinander” in der Zeit, der sequentiellenAspekt, das ist, was der Musik (als primär dem Hörsinn zugängliches Medium) das Element der Hoffnung einzuhauchen vermag.

    Um die Begriffe vorzusortieren, habe ich eine Anfrage an Felo AI gestellt und eine m.E. ganz interssante Antwort bekommen, aus der ich einen Abschnitt wiedergeben möchte.

    Antwort Felo AI:

    ## **Musik und Zeit**

    Musik entfaltet sich in der Zeit und erfordert Gedächtnis, um die nacheinander erklingenden Töne zu integrieren und Sinnzusammenhänge herzustellen. Diese zeitliche Abfolge ist entscheidend für die Wahrnehmung musikalischer Strukturen und Emotionen. Laut einer Analyse ist die Wahrnehmung von Musik ohne Gedächtnis nicht vorstellbar, da sie auf der Fähigkeit beruht, akustische Muster zu erkennen und diese in einen zeitlichen Kontext zu setzen.

    ## **Die Rolle der Hoffnung in der Musik**

    Michael Blume argumentiert, dass Musik eine transformative Kraft hat, die Hoffnung stiftet und emotionale Heilung ermöglicht. Diese Idee kann mit der Wahrnehmung von Musik als sequenzieller Erfahrung in Beziehung gesetzt werden. Wenn Musik nacheinander erklingt, können Hörer emotionale Reisen durchleben, die Hoffnung und Heilung fördern. Die zeitliche Struktur der Musik ermöglicht es den Zuhörern, sich in einem emotionalen Prozess zu bewegen, der sowohl die Liebe als auch den Glauben berührt.

    ## **Verbindung der Konzepte**

    Die Verbindung zwischen Blumes These und Joyces Konzept des “Nacheinander” liegt in der Art und Weise, wie Musik als Medium fungiert, das nicht nur Töne, sondern auch emotionale und spirituelle Erfahrungen transportiert. Die sequenzielle Abfolge von Klängen in der Musik spiegelt die zeitliche Dimension wider, die auch in Joyces “Proteus” präsent ist, wo die Gedanken und Wahrnehmungen von Stephen Dedalus in einem ständigen Fluss sind. Diese Fließfähigkeit kann als Metapher für die Hoffnung und die Suche nach Sinn in der Musik interpretiert werden, die sowohl die Liebe als auch den Glauben beeinflusst.

    Insgesamt zeigt sich, dass die zeitliche Struktur der Musik und die damit verbundene emotionale Resonanz eine tiefere Verbindung zu den Themen von Hoffnung und Heilung herstellen können, die Blume in seiner These formuliert hat.

    Ende der Antwort Felo AI:

    • Vielen Dank, lieber @Peter – und, ja, ich habe weitere Anfragen zur Musik-These erhalten und plane, auch in Zukunft weiter daran zu arbeiten.

      Aus meiner Sicht bist Du mit der Zeit-These hier auch goldrichtig – denn dahin zielt ja die Hoffnung (hebräisch: Hatikva). Musik und Hoffnung transzendieren sich Zeit, borgen sich Zukunft in die Gegenwart, ohne Gewissheit zu versprechen. Ein Aspekt, der mich sehr fasziniert ist der, dass Musik nicht falsifiziert werden kann: Es gibt bessere oder schlechtere Musik, aber keine “falsche” im Sinn einer endgültigen Widerlegung. Die von Hans Blumenberg (1920 – 1996) in einem ganzen Buch rezensierte “Matthäuspassion” von Johann Sebastian Bach (1685 – 1760) gehört in den Bereich der Überzeitlichkeit, aber auch das große “Time” von Hans Zimmer:

      https://www.youtube.com/watch?v=va1oiojnGrA

      Im Dialog mit dem australischen Neurowissenschaftler und Nobelpreisträger John Carew Eccles (1903 – 1997) formulierte Sir Karl Popper (1902 – 1994) zu Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791):

      “Mozarts Jupiter-Symphonie ist offenbar weder die Partitur, die er niedergeschrieben hat und die nur eine Art konventioneller und willkürlich verschlüsselter Festlegung der Symphonie ist, noch ist sie die Gesamtsumme der imaginierten akustischen Erlebnisse, die Mozart während der Niederschrift der Symphonie hatte. Sie ist auch nicht eine der Aufführungen und auch nicht alle Aufführungen zusammen oder die Klasse aller möglichen Aufführungen. Das ergibt sich daraus, daß Aufführungen gut oder weniger gut sein können, daß aber keine Aufführung wirklich als ideal bezeichnet werden kann.

      Irgendwie ist die Symphonie das, was durch Aufführungen interpretiert werden kann; sie ist etwas, bei dem die Möglichkeit besteht, durch eine Aufführung interpretiert zu werden. Man kann sogar sagen, dass die ganze Tiefe dieses Gegenstandes der Welt 3 nicht durch eine einzige Aufführung ausgelotet werden kann, sondern nur dadurch, daß man ihn immer wieder in verschiedenen Interpretationen hört.

      In diesem Sinne ist der Gegenstand der Welt 3 ein wirklich idealer Gegenstand, den es wohl gibt, der aber nirgendwo da ist, und dessen Dasein irgendwie die Potentialität seines wiederholten Interpretiert-Werdens durch den Geist der Menschen ist.”

      Aus: Popper, Karl & Eccles, John (1977 / 1990): Das Ich und sein Gehirn. Piper, S. 534

      Und Eccles antwortet ihm etwas später ebenso mit einer intensiven Betrachtung von Zeitformen:

      “Wir hören Musik.

      Wie ich beschrieben habe tritt sie in die auditorische Maschinerie ein und wird in erster Instanz vom rechten Temporallappen bearbeitet.

      Man kann sich vorstellen, daß ein großer Teil der Erfahrung aus all unserer vorhandenen Kenntnis und unseren erlernten Fähigkeiten dazu verwendet wird, uns die vollständige Analyse und Synthese zu bringen, den vollständigen Sinn für die Perfektion der Durchführung, für die Zeitabläufe, die Melodien, die Harmonie und alles übrige in zeitlicher Aufeinanderfolge.

      Es käme einem sehr gelegen, Bewußtsein mit den tatsächlichen Orten in Verbindung zu setzen, an denen all die unglaublich komplexen neuronalen Operationen mit ihrer ganzen Grundlage im Lernen der Vergangenheit, mit den Erinnerungen und der gesamten Struktur, die in diesen Abschnitt genetisch eingebaut ist, die die anfänglichen Fähigkeiten, Musik zu verstehen gewährleisten, vonstatten gehen.”

      Aus: Popper, Karl & Eccles, John (1977 / 1990): Das Ich und sein Gehirn. Piper, S. 555

      Entsprechend fasziniert mich der Kernbefund Deiner Feol.ai-Suche:

      “Die Verbindung zwischen Blumes These und Joyces Konzept des “Nacheinander” liegt in der Art und Weise, wie Musik als Medium fungiert, das nicht nur Töne, sondern auch emotionale und spirituelle Erfahrungen transportiert. Die sequenzielle Abfolge von Klängen in der Musik spiegelt die zeitliche Dimension wider, die auch in Joyces “Proteus” präsent ist, wo die Gedanken und Wahrnehmungen von Stephen Dedalus in einem ständigen Fluss sind. Diese Fließfähigkeit kann als Metapher für die Hoffnung und die Suche nach Sinn in der Musik interpretiert werden, die sowohl die Liebe als auch den Glauben beeinflusst.”

      Aus meiner Sicht bilden Wissenschaft, Religion und Musik je unterschiedliche Erkenntniswege, die Zeitlichkeit neurobiologisch und erkenntnishaft unterschiedlich aufnehmen und bearbeiten. Es wäre mir eine Ehre, an diesem Thema auch in den kommenden Jahren dialogisch weiterarbeiten zu dürfen. Auch deswegen hat mich Dein starker Kommentar sehr gefreut – vielen herzlichen Dank! 🙏 🎶 🤓

  3. Musik hat eine besondere Wirkung auf Menschen in unterschiedlichsten Situationen. Sie hilft, dass Emotionen fließen können. Gefühle von Vertrautheit und Verbundenheit werden durch Musik verstärkt.
    Musik hilft, Trauer zu überwinden. In meiner Familie trauern wir gerade sehr.
    Auch eine langjährige Freundin wird in zwei Tagen beigesetzt.
    Musik ist tröstlich.

    • Vielen Dank, liebe @Elisabeth K – Dir mein herzliches Beileid zum Tod Deiner langjährigen Freundin.

      Und inhaltlich volle Zustimmung. Ich meine sogar, wir sollten uns in Zukunft die psychologische Verbindung zwischen Hoffnung und Trost genauer anschauen.

      Auch auf mich starke Wirkung hatte das große “Geboren um zu leben” von Unheilig, hier noch einmal gespielt auf seiner Abschiedstour:

      https://www.youtube.com/watch?v=VfItMzC-SgY

      Lieben Dank für Deinen Kommentar und herzliche Grüße in diesen für Dich auch schweren Tagen aus dem Süden. 🙏

  4. Wie viele Thesen haben Sie eigentlich momentan aufgestellt und wie kommen Sie denen nach? Ich komme da nicht mehr mit.
    Musik und Religion bzw. Spiritualität liegt doch einigermaßen auf der Hand.
    Ich würde sogar behaupten, Musik als Kulturleistung ist eine eigene Form und ein eigener Stil des Lebens. Wobei Leben an sich schon unheimlich ist. Das ist schon der Singsang der Sprache. Und Sprache haben auch nichtmenschliche Tiere, wie man zunehmend anerkennt.

  5. nur ergänzend,
    man besuche einmal einen Gottesdienst für Italiener in einer deutschen Kirche.
    Auch wenn man nicht alles vesteht, irgendetwas ist anders. Es ist die Stimmung.
    Kirchenlieder auf italienisch hören sich anders an als deutsche Kirchenlieder.
    Und wenn die Frauen ihren Choral anstimmen, dann toppt ihr Gesang sogar die besten Opernchöre. Das ist ein einschneidendes Erlebnis, und dann versteht man die Kraft, die von einem Lied, einem Gesang ausgehen kann.

    • Danke, @Der Hopper – und ja. Ich durfte bereits katholische Gottesdienste in
      Italien, den USA, Israel und auch beispielsweise in Kurdistan-Irak besuchen. Und ich stimme sehr zu, dass der Chorgesang eine sprachlich und emotional unvergleichliche Bedeutung und Wirkung hat.

      Gerade heute durfte ich zu einem Hackathon im Innenministerium Baden-Württemberg auch den Kindergarten-Chor der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) hören. Auch das sehr bewegend.

      Musik 🎶 verbindet Menschen – auch in Kirchen, Religionen und Völkern sowie über diese hinaus. Deswegen ist der ESC-Erfolg von Yuval Raphael so wertvoll! Und deswegen ist es unverzichtbar, dass wir alle für Demokratien eintreten, in denen alle Menschen und also auch Frauen ihre Stimmen öffentlich erheben und singen dürfen.

  6. Aus Spanien und Belgien wird der Erfolg von Yuval Raphael empört bestritten, werden Boykotte gefordert und israelfeindlicher Antisemitismus geschürt.

    https://www.n-tv.de/leute/Spanien-will-Israels-Spitzenplatz-im-Publikumsvoting-ueberpruefen-lassen-article25779076.html

    Auch deutschsprachige X-er lassen sich ihre Wut wieder nicht nehmen. Während sich die einen darüber empören, dass eine Israelin beim Publikum so gut abgeschnitten hat, ärgern sich andere darüber, dass wieder eine Frau ihre Stimme erhoben hat. All dies unterstreicht, wie wertvoll der ESC-Erfolg von Yuval Raphael auch in die Zukunft wirkt.

  7. @Musikalität, Spiritualität und Religiosität

    Ergänzend vermute ich noch, dass dieses Zugänge zu echten Geisteswelten liefert. Und so zu einer wirklichen Macht werden kann, die uns Menschen nachhaltig bewegen kann. Und so universal diese Geisteswelten dann sind, kann es für uns Kulturwesen auch echten Zusammenhalt stiften, der über alle Gemeinschaften hinaus wirken kann.

    • Tobias Jeckenburger
      “Und so universal diese Geisteswelten dann sind, kann es für uns Kulturwesen auch echten Zusammenhalt stiften, der über alle Gemeinschaften hinaus wirken kann.”

      Philosophie wird nicht mehr über Bücher verbreitet sondern über Liedtexte.
      Man denke an die französischen Chansons,
      Und wenn die mit einer eindringlichen Stimme gepaart sind, dann werden daraus
      Evergreens. Non, je ne regrette rien von Edith Piaf als älteres Beispiel, was hauptsächlich die Frauen anspricht.

      Schon aus diesem Grunde sind internationale Musikveranstaltungen ein Kulturgewinn.
      Meine Meinung zu den Vorfällen, telefonische Stimmabgaben lassen sich nicht kontrollieren. Deshalb sollten nur die anwesenden Zuschauer/Zuhörer stimmberechtigt sein.

  8. Wir betrachten Musik aus unserer Musiktradition heraus und übersehen dabei häufig, dass die Melodien, die Instrumente auf anderen Kontinenten ganz andere sind. Vieles davon klingt fremd für unsere Ohren. Mir scheint es aber wichtig zu sein, Menschen aus anderen Regionen der Welt auch mit Hilfe von deren Musik zu verstehen.

    Bei uns ist Musik ungeheuer vielfältig. Manche spielen selbst ein Instrument, während andere Konsumenten/Hörende sind. Durch die vielen verschiedenen Musikrichtungen besteht manchmal die Neigung, Menschen, die einen anderen Musikgeschmack haben zu belächeln oder sich arrogant über diese zu erheben.

    Dabei vergessen manche, dass Musik zum Wohlbefinden dazugehört (nicht für alle). Musik lebt auch durch die menschliche Stimme, die zusammen mit der gesungenen Melodie eine einzigartige Interpretation darstellt. Es macht für mich einen Unterschied, ob ich “My Way” von Frank Sinatra oder Placido Domingo höre.

    Ich finde es wichtig, dass es Wettbewerbe wie “Operalia” oder “Jugend musiziert” gibt.

    Trotz KI wünsche ich mir die musikalische Kreativität von Menschen. Außerdem hoffe ich, dass noch sehr viel Unbekanntes gefunden und aufgeführt wird. Ein Beispiel ist die “Messa per Rossini”, an der auf Initiative von Giuseppe Verdi 13 Komponisten mitgewirkt haben. Erst in den 1970er Jahren wurden die Noten wiedergefunden und 1988 das Werk in Stuttgart uraufgeführt.

    Trost, Hoffnung, Zuversicht, Freude und Kraft schöpfe ich aus der Musik. Auch übrigens aus den Texten. Und aus der Historie hinter der Musik. Es gibt so viel neben den “Unsterblichen” wie Bach und Mozart.

    • Vielen Dank, liebe @Narie H. – hier kann ich wirklich nur Satz für Satz zustimmen (zu-stimmen(!)). Genau so erlebe ich Musik auch und bemühe mich daher auch immer wieder um die Öffnung in neue, musikalische Welten. Die menschliche (!) Kreativität enthält die Keime der künstlerischen, poetischen und auch musikalischen Entdeckung, die ich bei KIen nicht erkenne. KIen geben bestenfalls wieder, was Menschen zuvor entdeckt und erschaffen haben.

    • Marie H.
      New Day Will Rise ist im Stil europäischer Musiktradition. Wenn man es nicht besser wüsste, dann ist das eigentlich ein französisches Chanson.
      Aller erste Klasse !

      Was sich stark vom europäischen Geschmack abhebt das ist indische Musik, chinesische und japanische Musik .
      Wobei die traditionelle indische Musik noch ein Geheimtipp ist.

  9. It’s laborious to find knowledgeable people on both Israeli Democracy & the importance of Music for all Human beings. But you sound like you already know what you’re speaking about! Thanks from a hoping and praying and singing Nation!

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