Loki, Otto Hirsch & Captain America – Die Avengers in Stuttgart

Nachdem ich zuletzt in drei Blogposts 1. die Bedeutung der Namen, 2. die (alphabetisierten) Groschenromane und 3. die Entstehung der Alphabete in der Saga der Schrift gewürdigt hatte, gönne ich uns nun einen Ausflug ins Kino bzw. Film-Streaming. Denn vor 10 Jahren kam mit Avengers (2012) von Marvel der erste Superhelden-Film in die Kinos, der dramatisch in – Stuttgart spielte. Mehr noch: Die Filmszene von etwas über 3 Minuten thematisierte ausdrücklich den Wohlstand der (in den USA nachgebauten) Stadt und die Tyrannei des Nationalsozialismus und von Adolf Hitler. Dies, als der mit Teufelshörnern gerüstete Loki den Stuttgarter:innen auf dem Schlossplatz erklärt, dass Menschen zur Unterwerfung geboren seien, bevor ihn Captain America daran erinnert, auch schon “das letzte Mal in Deutschland” gegen einen solchen Anspruch gekämpft zu haben.

Rührend ist aber auch der Mut eines älteren Mannes, der gegen Loki und dessen Faschismus aufsteht und dabei eine alte Weisheit zitiert: Freiheit muss in jeder Generation neu gegen Möchtegern-Tyrannen verteidigt werden.

 

Ein “alter Mann” erhebt sich auf dem Stuttgarter Schlossplatz gegen den teuflischen Loki. Screenshot aus “Avengers” (2012): Michael Blume

Leider konnte ich keine ganze Stuttgart-Sequenz des Filmes online finden, doch alleine diese Version der Schlossplatz-Szene fand bereits über 18 Millionen Abrufe!

Es gäbe zur Stuttgart-Episode in Avengers viel zu sagen: Humoriges, Geschichtliches, Kritisches, Würdigendes. Doch angesichts der ehrenvollen Otto-Hirsch-Auszeichnung 2022 entschied ich mich, die Szene in der Dankesrede erst einmal bewusst anzusprechen und mit Otto Hirsch zu verbinden:

“Daher möchte ich mich auch bei Ihnen, lieber Oberbürgermeister Frank Nopper und bei Ihrem Team, von Herzen für die Einladung an uns alle bedanken!

Denn vor genau 10 Jahren wurde Ihr, wurde unser Stuttgart zu Recht in den Rang der Superhelden-Städte erhoben!

Es ist kein Witz und so wirklich, wie Kino eben ist: Die Avengers entdeckten 2012 von ihrem fliegenden S.H.I.E.L.D.-Schiff den bösen Loki in der Stuttgarter Königstraße 28 auf dem Weg zu einem fiesen Iridium-Diebstahl!

Der mächtige Marvel-Loki ließ dann auf dem, nun ja, bemerkenswert nachgebildeten Schlossplatz vor einem Hefeweizen-Stand ein Polizeiauto durch die Luft fliegen und zwang die Stuttgarterinnen und Stuttgarter vor ihm niederzuknien. Dann hielt er ihnen eine zynische Ansprache darüber, dass Menschen doch nur zur Unterwerfung geboren seien.

Doch da erhob sich ein älterer Stuttgarter aus der Menge und riskierte sein Leben. Für mich ist dieser tapfere Weise niemand Anderes als Otto Hirsch. Denn er zeigt nicht nur Todesmut, sondern sagt auch Loki ins Gesicht, dass in jeder Generation tyrannische Menschen erscheinen werden; eine direkte Anspielung auf die deutsche Geschichte und die jüdische Überlieferung über den Antisemiten Amalek, der in jeder Generation das Zusammenleben neu bedroht.

Und dann kamen Captain America, Iron Man und Natasha Romanoff nach Stuttgart und warfen sich Loki / Amalek entgegen. Den Jubel im Kino „Gloria“ hier in der Königstraße über diese Szene werde ich nie vergessen!

Otto und Martha Hirsch „waren“ todesmutig, denn sie waren während der NS-Herrschaft mehrfach im Ausland und hätten noch fliehen können. Doch sie brachten nur ihre Kinder in Sicherheit und kehrten immer wieder ins Deutsche Reich zurück, um noch mehr Verfolgte zu retten. Sie standen gegen Amalek auf und gaben ihr Leben für ihre Mitmenschen.

Auch heute können und sollen wir in Stuttgart Mut und Gesicht zeigen. Die Ukraine verdient unsere Solidarität. Und nächste Woche, am 3. August, werden sich Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger genau hier auf dem Schlossplatz versammeln, um an den immer noch andauernden Genozid am Volk der Eziden zu gedenken. Die bei uns in der Region lebende Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad wird ebenso da sein wie die tapfere Überlebende und Autorin Farida, unsere Justizministerin Marion Gentges und viele mehr. Denn unser Land und unsere Hauptstadt haben geholfen und sollen weiter helfen.”

Kachel zur Erinnerung an Otto Hirsch. Staatsministerium BW, MfG

 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

15 Kommentare

  1. ich verlinke hier zur Rede Bundespräsidenten Steinmeier.
    Er spricht als Christ und theologischer Laie (das wäre ein eigenes Thema. die Laien in der christlichen Kirche) Themen, die bei “Kirchens” gerne diplomatisch bemäntelt werden https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier/Reden/2022/08/220831-Vollversammlung-Oekumenischer-Kirchenrat.html
    Die rechten Trolle haben es sich übrigens schon ausgekuckt. Ich überlege mir, Zeit zu investieren und mich hier in die Diskussion zu stürzen – mit der byzantinischen Orthodoxie kenne ich mich nämlich aus.

  2. @Michael 01.09. 21:56

    „Eine wirklich bemerkenswerte Rede unseres Bundespräsidenten!“

    Durchaus auf der Höhe der Zeit, wenn auch ein wenig Sonntagsrede mit Kriegslogik. Die Russisch-Orthodoxe Kirche ist nicht als einziger Ausreißer in einer vorbildlichen christlichen Gemeinschaft unterwegs.

    Autokratisch organisierte Kirchen haben entsprechend natürlich kein Problem mit autokratischen Regierungen. Und die Beschwörung einer Einheit der christlichen Welt sollte auch nicht absolut gesehen werden. Die interne Ausprägung der einzelnen Vereine sind ein weites Feld, und natürlich brauchen wir einen Dialog, der nicht nur alle Christen, sondern alle Religionen und Weltanschauungen umfasst.

    So gibt es eine ganze Reihe von christlichen Gemeinschaften, für die gerade Demokratie als Brutstätte für satanistisch-antichristliche Auswüchse gilt. Auch Rassismus und Antisemitismus ist in vielen Vereinen mit im Programm.

    Und auch gehört Umweltzerstörung zuweilen als Bestandteil zu der laufenden unausweichlichen Apokalypse, und ist damit ein Randproblem, weil die nach dem Endkampf kommende Glückseligkeit dann sowieso ganz ohne Welt auskommt.

    Ich meine zusätzlich, dass es vielen Vereinen einfach nur um (zahlende) Mitgliedschaft geht, denen dafür auch noch jedes Mittel recht ist. Selbst wenn man mit mehr oder weniger sanfter Gewalt Mitglieder rekrutiert, wird das zuweilen immer noch gerne angenommen.

    Insofern spricht unser Bundespräsident natürlich wenigstens Ideale an, die für sich durchaus beachtlich sind. Etwa:

    „Diese bunte Vielfalt gehört von Anfang an zu den Wesensmerkmalen des Christentums.“

    Da haben wir ja nun schon verbreitet Anderes erlebt.

    „Nur Gerechtigkeit, ökologische, ökonomische und politische Gerechtigkeit führt zum Frieden.“

    So ist das dann wohl tatsächlich.

    • @Tobias Jeckenburger
      Die Ablehnung der Demokratie ist unbiblisch. Die hebräische Bibel plädiert für konstitutionelle Monarchie, die Kritik am Königtum ist mit Händern zu greifen.
      Die griechische Bibel nimmt die Monarchie als unvermeidliches Übel hin.
      Die Hochschätzung der Monarchie kommt aus der christlichen Übernahme der Metaphysik des Aristoteles (nicht meines- aber das kann man vertreten) oder aus autoritärem Denken. Den letzteren setze ich Dostojewskis “Legende vom Großinquisitor” aus den Brüdern Karamasow entgegen.
      Das Thema Umwelt wäre ein eigenes- riesiges – Kapitel. Deshalb nur die pastoraltheologische Anmerkung: die Ablehnung des Umweltthemas ist meistens einer Sünde geschuldet: der Faulheit.

  3. @Joachim 03.09. 19:22

    „Die griechische Bibel nimmt die Monarchie als unvermeidliches Übel hin.“

    Ich bin nicht sonderlich bibelkundig, aber dazu fällt mir die Bergpredigt zu ein.

    „Die Hochschätzung der Monarchie kommt aus der christlichen Übernahme der Metaphysik des Aristoteles (nicht meines- aber das kann man vertreten) oder aus autoritärem Denken.“

    Religion und Regierung arbeiten ja nun gerne zusammen. Entsprechend war das finstere Mittelalter natürlich auch ein Werk der Kirche. Aufgrund der schriftlichen Fixierung der Bibel hat die Schrift diese Zeiten dann aber doch überlebt, und konnte z.B. durch Luther wieder entdeckt werden. Wobei die evangelische Theologie dann später in der industriellen Revolution auch gut mit den Arbeitgebern zusammengearbeitet hat, was dann den Grundstein für die noch aktuelle Leistungsgesellschaft gelegt hat.

    Aber auch aktuell findet man dann wohl auch was in der Bibel, das eine Gesellschaft mit tätigem Mitweltbewusstsein und weniger Arbeitsstress unterstützt. Wenn nicht, dann geht es aber auch ohne Bibel. Diese ist ja nun wirklich nicht die einzige Quelle von Erkenntnis, Glaube und Weisheit. Wissenschaftliche Fakten können auch weiterhelfen. Und das Leben mitsamt seinen Dialogen kann sich auch mal selbst erklären.

  4. @Tobias Jeckenburger
    Auf welche Stelle der Bergpredigt beziehen Sie sich? Sie ist nicht sehr aussagekräftig zur Frage der Monarchie. Die klassischen Stellen sind: Römer 13 https://www.bibleserver.com/LUT/R%C3%B6mer13, Offenbarung 13 https://www.bibleserver.com/LUT/Offenbarung13 (ein sehr viel diskutierter Text, auch aktuell von einem freikirchlichen Pfarrer in Riedlingen, der sich in seinen Onlinepredigten auf odysee sehr verschwurbelt-eindeutig äußert.) und im Wort vom Zinsgroschen https://www.bibleserver.com/LUT/Matth%C3%A4us22%2C15-22
    Das “finstere Mittelalter” war nicht so finster, wie Sie meinen. Es war – im Unterschied zu allen anderen Kulturen dieser Zeit – durch einen Gegensatz von Staat und Religion gekennzeichnet, beispielsweise der Investiturstreit, aber auch der Armutsstreit der Franziskaner (in “Der Name der Rose” von Ecco wird das greifbar), es ist schon in der Ordensregel Benedikts von Nursia angelegt. In der gesamten Orthodoxie(Ausnahme Ägypten) , dem sunnitischen Islam oder dem japanischen Kaiserreich hatte der weltliche Fürst ein Eingriffsrecht in die Religion und ihr Führungspersonal (Fachbegriff “ius in sacris”), davon machte sich die Westkirche (=römische Kirche) sehr schnell frei. Auch Luther, gestand den Fürsten nur ein Organisationsrecht (“Ius circa sacris”) zu. Die Fürsten waren nur Notbischöfe bis sich die wieder Kirche selber organisieren kann.
    Das hat ohne Zweifel seine Vorlage in den Königebüchern der hebräischen Bibel, wurde aber anders aktiviert. Den rest später- ich meine, das reicht erst einmal für eine Diskussion.

  5. @Joachim Fischer 08.09. 17:32

    Die Bergpredigt finde ich nicht wieder. Können Sie die verlinken?

    „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet.“

    Das legitimiert doch grundsätzlich jede Regierung. Wer es wie auch immer geschafft hat, an die Macht zu kommen, gilt dann als quasi von Gott eingesetzt. Ich finde das ziemlich finster, wenn man jeden noch so üblen Despoten akzeptieren soll.

    „Da sprach er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“

    Was im Zusammenhang in etwa so zu deuten ist: Wenn wir nun mal Kaiser haben, die mit allen Klauen ihre Macht verteidigen, dann zahlen wir einfach und wenden uns dennoch geistigen Qualitäten zu.

    Auch hier freue ich mich doch über einen Staat, der sich auch vernünftig um die allgemeine Lebensorganisation kümmert, und mir ansonsten mehr vom Leben lässt.

    Das Mittelalter war in seiner Zeit natürlich nicht viel finsterer als anderswo auf der Welt. Besser war wohl vielleicht die Zeit der muslimischen Herrschaft über Andalusien.

    Aber verglichen mit den letzten 200 Jahren war es eine finstere Zeit. Einmal für die Geistesfreiheit, und später auch was die weltliche Freiheit betrifft. Die konnte eigentlich erst nach dem 2. Weltkrieg bei uns im Westen wirklich zulegen. Und das wohl eher gegen den Widerstand der großen Kirchen.

    Und verglichen mit den Zeiten der sogenannten Naturreligionen und vielleicht sogar noch zu Zeiten der Kelten, war hier auch das Mittelalter kein wirklicher Fortschritt, sondern insbesondere auch ein finsteres Zeitalter, was die Geistesfreiheit der Menschen betrifft.

    Auch Rom ging es nach der Christianisierung nicht besser, im Gegenteil, damit fing der Niedergang der römischen Zivilisation an.

    „In der gesamten Orthodoxie(Ausnahme Ägypten) , dem sunnitischen Islam oder dem japanischen Kaiserreich hatte der weltliche Fürst ein Eingriffsrecht in die Religion und ihr Führungspersonal (Fachbegriff “ius in sacris”), davon machte sich die Westkirche (=römische Kirche) sehr schnell frei.“

    Immerhin konnten katholische Geistliche ihre Posten nicht vererben, und ein neuer Papst wurde immer von den Kardinälen gewählt. Das ist noch kein demokratischer Standard, weil die Kardinäle wiederum vom vorherigem Papst ernannt wurden. Aber im Mittelalter war dieses sicherlich demokratischer als üblich. Jedenfalls haben die großen Kirchen gegen das Modell der Monarchie nichts unternommen, und bei dessen Überwindung im letzten Jahrhundert eher noch Widerstand geleistet.

    Dass hier ganz aktuell der orthodoxe Kirchenfürst mit Putin gut kann, passt hier ganz gut ins Bild.

    • @Thomas Jeckenburger
      Die Bergpredigt finden Sie hier: https://www.bibleserver.com/EU/Matth%C3%A4us5%2C1-48
      Sie im Kontext von Staat und Kirche zu diskutieren ist im Rahmen eines Blogs in meinen Augen schwierig bis unmöglich- aber das liegt nur an der Form des Blogs.
      Es gibt wie Sie richtig festellten, die Auffassung, dass Christen den Staat hinnehmen sollen, das hat aber andere Gründe, als die von Ihnen genannten: der Staat wird nach christlicher Auffassung wie jede menschliche (Not) Ordnung irgendwann vergehen. Als Beleg dafür zitiere ich einen bekannten Pietisten

      (bitte erst das Zitat lesen, dann den Beleg – und den Aha-Effekt genießen!)

      „Was sind unsere Staaten und ihre Macht und Ehre vor Gott anders als Ameisenhaufen und Bienenstöcke, die der Huf eines Ochsen zertritt, oder das Geschick in Gestalt eines Honigbauern ereilt.“

      (Otto von Bismarck- ich finde leider auf die Schnelle den Beleg nicht)

      Daneben gibt es Gruppen, die gestützt auf die Offenbarung den Staat als satanische Einrichtung ablehnen wie die Täufer.

      Das “finstere Mittelalter” ist eine Erfindung der Renaisance. Die Hexenverfolgung gab es nicht im Mittelalter, Todesurteile wurden weit weniger verhängt und vollstreckt als in der Renaisance und schauen sie nur auf die italienische Renaisance, die weit blutiger war als das italienische Mittelalter.
      Wir schätzen bloss die Errungenschaften des Mittelalters weit weniger als die der Renaisance. Gute Presserbeit der Renaisancevertreter.

  6. @Joachim Fischer 11.09. 12:14

    „…der Staat wird nach christlicher Auffassung wie jede menschliche (Not) Ordnung irgendwann vergehen.“

    Das scheint mir eine durchaus interessante Idee zu sein. Allein die Idee, dass der Staat seinen Bürgern dienen sollte, und nicht die Bürger dem Ruhm und der Ehre der Obrigkeit dienen sollen, ist doch schon mal nicht nur wegweisend, sondern in vielen Demokratien bereits im Gange. Noch zählt das Geld der Lobbyisten mehr als die Lebensqualität und die Meinung der Untertanen, wir sind keinesfalls am Endpunkt angekommen. Und die Mitwelt zu integrieren ist weiterhin erst am Anfang.

    Auch gibt es zuwenig Rücksicht auf andere Staaten, mit vielfältigen unseligen Nebenwirkungen. Zurzeit mal wieder aktuell als dieser Krieg in der Ukraine.

    Aber die Grundidee, dass keine Notordnung, sondern ein wirklich vernünftiges und entspanntes Leben auf der ganzen Welt nicht nur möglich ist, sondern auch auf der Planliste der Götter steht, das hört sich wirklich gut an. Gesetze und Polizei werden bleiben, aber wenn alles so organisiert ist, dass jeder gut zurecht kommt, dass man kaum noch merkt, dass man reglementiert wird, dann ist das mehr als eben eine Notordnung.

    „Wir schätzen bloss die Errungenschaften des Mittelalters weit weniger als die der Renaisance. Gute Presserbeit der Renaisancevertreter.“

    Nun gut, hat bei mir auch funktioniert. Soweit ich in Geschichte aufgepasst habe. Dennoch kann es m.E. was dran sein, dass die Kultur der Römer wie der Kelten oder Wikinger für den Durchnittsmenschen lebenswerter war als das spätere Römischkatholische Christentum. Letztlich sind die Menschen immer mehr zu Leibeigenen geworden, und niemand hat sie mehr gefragt, was sie wirklich selber glauben wollen.

  7. Dennoch kann es m.E. was dran sein, dass die Kultur der Römer wie der Kelten oder Wikinger für den Durchnittsmenschen lebenswerter war als das spätere Römischkatholische Christentum. Letztlich sind die Menschen immer mehr zu Leibeigenen geworden, und niemand hat sie mehr gefragt, was sie wirklich selber glauben wollen.

    Autsch: Bei den Römern oder Wikingern waren Sie sicher gut dran, wenn Sie zur männlichen Oberschicht gehörten- aber das waren die wenigsten. Das Leben für den Durchschnittsmenschen war wohl eher weniger lebenswert. Leibeigene hatten Rechte, konnten sogar ihre Herren verklagen – Sklaven nicht. Bis heute wird in internationalen Verträgen beides unterschieden.

    Gerade im römischen Reich gab es scharfe Gesetzesvorschriften, was man zu glauben hatte. Das können Sie z.B. Hans Georg Thümmel, der dieses Jahr mit 100 Jahren gestorben ist nachlesen. (Ikonologie der christlichen Kunst : Band 1: Alte Kirche / Hans Georg Thümmel ). Das führte dann auch zu den Christenverfolgungen.

  8. @Joachim Fischer 15.09. 19:42

    „Bei den Römern oder Wikingern waren Sie sicher gut dran, wenn Sie zur männlichen Oberschicht gehörten- aber das waren die wenigsten. Das Leben für den Durchschnittsmenschen war wohl eher weniger lebenswert.“

    Naja, es gab Trinkwasserversorung und Toiletten in römische Städten, dies war wohl für alle Einwohner komfortabel. Auch gab es vermutlich mehr zu essen als im christlichen Mittelalter, insbesondere bei den Kelten und Wikingern. Weiß man heute aber so recht nicht. Die Römer haben wohl so manches aufgeschrieben, aber es ging dabei vermutlich wenig um das Leben des Durchschnittsmenschen.

    „Gerade im römischen Reich gab es scharfe Gesetzesvorschriften, was man zu glauben hatte.“

    So weit wie ich weiß, hatte man nur die Menschen verpflichtet den römischen Göttern zu huldigen und denen zu opfern. Es ging hier nicht um Glauben. Und jeder durfte auch zusätzlich gerne noch anderen Göttern huldigen. Das kollidierte hauptsächlich speziell mit Christen, die eben keine anderen Götter als ihren eigenen verehren durften. Und nur im Christentum ging und geht es so zentral um Glauben.

    Über die Glaubensfreiheit bei den Kelten und Wikingern weiß man auch nicht viel. Zumindest war da nichts groß aufgeschrieben und damit festgeschrieben. Man weiß wohl nur, dass die Druiden etc. sich durchaus überregional getroffen und vermutlich dabei auch ausgetauscht haben.

    Man weiß hier wohl einfach wenig drüber. Zumindest bei Asterix kommen die Kelten aber sehr gut weg.

    Zeitgenössische Naturreligion gibt es ja immer noch bei den Nomaden rund um die Arktis. Die kommen ganz gut zurecht, und insbesondere an Essen fehlt es denen gar nicht. Denen geht es offenbar sehr viel besser als den Menschen im Mittelalter.

    • @Tobias Jeckenburger

      Wie gut die öffentlichen Toiletten und die Thermen im römischen Reich für die Gesundheit waren, ist unter Archäologen heiß umstritten. Es kam regelmäßig zu Methanexplosionen durch Faulgase.
      Im Mittelalter sind die Zahlen für die Nahrungsversorgung sehr unterschiedlich, je nach Zeit und Ort. Bei einem Ratsessen in Konstanz wären wir beide geplatzt, so viel wurde aufgetischt und gegessen.
      Bei den Kelten gab es Kopfjäger und Menschenopfer.
      Das Thema “Politische Religion” bei den Römern wäre lohnend zu diskutieren- aber dafür fehlt mir die Zeit. Die Römer waren gegenüber den monotheistischen Religionen wenig tolerant.

  9. @Joachim Fischer 16.09. 13:51

    „Die Römer waren gegenüber den monotheistischen Religionen wenig tolerant.“

    Mit der Übernahme des Christentums als Staatsreligion haben sie auch gleich diese Intoleranz aufgegriffen und ausgebaut. Und haben das Christentum vermutlich auch gleich so zurechtgebogen, dass es als Staatsreligion taugt. Etwa die Institution der Beichte ist neu erfunden worden. Ich hab mal gelesen, dass da keiner so recht weiß, wo die Kirchengründer das hergeholt haben.

    Die nächsten 1000 Jahre waren dann auch religionstheoretisch recht langweilig. Nun gut, aber eben auch sehr beständig. Eine andere Organisation, die inzwischen sogar 1500 Jahre durchgängig existiert, die hat die Welt noch nicht gesehen. Das ist absoluter Weltrekord.

    Die Kirche hat sich mit den Regierenden meistens ganz gut verstanden, gerade mit Autokraten meist besser als mit Demokraten. Entsprechend gehen ohne gewaltsame Unterstützung durch die weltliche Macht der katholischen Kirche auch nach und nach immer mehr Mitglieder verloren.

    • @Tobias Jeckenburger
      Zur Beichte: die hat Jesus definitiv von seinem Vetter Johannes dem Täufer übernommen, woher er sie hat, ist unbekannt. Sie passt aber sehr gut zur Predigt Jesu “Kehrt um /ändert euern Sinn, dennn das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen”. Die Darstellung der Beichte als Disziplierungsinstrument ist eine Darstellung aus der französischen Aufklärung, die grob verzerrend ist. (Wobei – zugegeben- sich gerade die Jesuiten am Anfang sehr ungeschickt verhalten haben). Gut gemacht gleicht sie eher einer kognitiven Verhaltenstherapie, die in der Antike schon bekannt war. (z.B. bei Epiktet oder Cato minor) . Ich diskutiere aber in so einem offenen Forum nicht gerne das Thema Beichte.
      “Tausend Jahre Stillstand” verkennt die enormen religiösen Entwicklungen zwischen Augustinus und dem Hochmittelalter und später. Ich empfehle hier Kurt Flasch: “Philosophie im Mittelalter”, trotz mancher Kritik gibt es noch nichts besseres.
      Noch ein Filmhinweis https://www.youtube.com/watch?v=4EmPoXkJ-74

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