Liebe auf den zweiten Blick – Einstein und die Religion von Markus Mühling

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Als ich mich vor einigen Jahren mit vielen anderen für den (inzwischen erfolgten) Wiederaufbau der Ulmer Synagoge engagierte, zu der auch der kleine Albert Einstein und seine Familie gehört hatten, wuchs mein Interesse an der Haltung des bedeutendsten Physikers und Bürgerwissenschaftlers des 20. Jahrhunderts. Ich wollte wissen, was er mit Aussagen wie “Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft blind” oder “Gott würfelt nicht” denn nun “genau” gemeint hatte. Was genau meinte er mit “Religion” und “lahm”, mit “Gott” und “würfeln”? Erfreut stellte ich fest, dass von Markus Mühling ein ganz neues Buch “Einstein und die Religion” verfügbar war – wenn auch zu einem abschreckenden Preis von über 50 Euro!

MuehlingEinsteinWeltanschauung

Nach kurzem Zögern stürzte ich mich also auf das Werk – und war zunächst bitter enttäuscht, ja wütend.

Denn entgegen dem Buchtitel geht es kaum am Rande um Einsteins Prägungen durch das Judentum, dessen ausführlichen Erörterungen etwa zum Zionismus (und seiner dennoch bestehenden Skepsis gegenüber einem jüdischen Nationalstaat) werden kaum gestreift und auch die späteren ausführlichen Texte und “Glaubensbekenntnisse” des Physikers werden nur auf wenigen Seiten abgehandelt. Stattdessen verschmilzt Mühling die Begriffe von Religion und Weltanschauung und behandelt, auf welchen geistigen Grundlagen Einstein zu den Relativitätstheorien kam. Konkret untersucht er je erschöpfend den Einfluss so verschiedener Denker wie Bernstein, Mach, Kant, Schopenhauer, Pearson, Hume, Mill, Dedekind, Poincaré, Avenarius, Clifford, Duhem, Faraday und natürlich Spinoza auf den frühen Einstein. Seine fast 400 Seiten umfassende Arbeit mündet schließlich in die “Bedeutung religiös-weltanschaulicher Voraussetzungen für Einsteins naturwissenschaftliche Theoriebildung” – und nicht etwa auch für sein Leben, seine beiden Ehen, sein in späteren Jahren zunehmend gesellschaftliches und auch religionsbezogenes Engagement.

Der Autor möge mir also verzeihen, dass dies nicht die Fragestellung war, unter der ich mir das Buch angeschafft hatte – und so stellte ich es nach einer ersten Durchsicht zunächst reichlich frustriert in den Bücherschrank, in dem es lange Zeit “schlummerte”.

Liebe auf den zweiten Blick…

Doch nach Abschluss meiner Darwin-Biografie zu “Evolution und Gottesfrage” begann ich, die unterschiedlichen Religionsbegriffe von Darwin und Einstein gedanklich zu vergleichen. Die häufig zu lesende Annahme, Einstein habe einfach entsprechende Annahmen von Schopenhauer oder Spinoza übernommen, vermochte dabei nicht zu überzeugen – schon deshalb nicht, weil es sich um völlig unterschiedliche Denker und “Glaubende” handelte. Schopenhauer sympathisierte mit dem Buddhismus, Spinoza war wegen allzu pantheistischer (aber eben doch: theistischen) Ansichten aus seiner jüdischen Gemeinde ausgeschlossen worden. Einstein einfach der einen oder anderen Seite zuzuschlagen erschien mir zwar bequem, aber nicht überzeugend und ich grübelte, ob es dazu nicht Differenzierteres geben könnte…

So nahm ich also Mühlings Buch aus dem Schrank, las darin, kam nicht mehr davon los, nahm es mit in den Familienurlaub und tauchte am Mittelmeer in die Tiefen Einsteins (früher) Gedankenwelten ein. Das, was mich zunächst so abgestossen hatte – die Konzentration des Autors auf eigentlich weltanschauliche statt klassisch-religiöser Einflüsse – begann mich nun besonders zu faszinieren. Und, was soll ich sagen – inzwischen habe ich mir auch eine Reihe weiterer Einstein-Bände (einige davon antiquarisch) besorgt und eine Facebook-Pause eingelegt, um Einstein ebenso intensiv nachgehen zu können wie zuvor Darwin.

Mühlings Werk beeindruckender und streckenweise auch erfrischend mutiger Gelehrsamkeit hat mir also gerade nicht die Antworten geben können, die der Titel zu versprechen schien. Dafür hat es mir – wenn auch mit Verspätung – ganz neue Fragenhorizonte eröffnet. Sein Buch bietet keinen Abschluss, aber einen außerordentlich tiefen Einstieg in die Entdeckung von Einsteins Gedankenwelt. Manchmal “funkt” es halt erst beim zweiten Mal, aber inzwischen hat mich die Gedankentiefe des großen Physikers fest im Griff…

Und wie es der “Zufall” (an dem Einstein seine Zweifel hatte) so will, bloggte zuletzt auch noch der immer lesenswerte Joachim Schulz von der “Quantenwelt” genau zum Thema!

Also, Albert Einstein kriegt hier auf “Natur des Glaubens” jetzt schon einmal eine eigene Kategorie. Gebt mir bitte noch etwas Zeit (oder auch: hilfreiche Anregungen), aber eines darf ich versprechen: Wir lesen uns zu Albert Einstein! Mühling sei Dank! 🙂

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

55 Kommentare

  1. Gott ist identisch mit der Natur. Aber nicht nur mit der uns bekannten Natur. Sondern auch mit der uns unbekannten Natur. Bei dieser Religion handelt es sich um den Pan-en-Theismus.
    Es ist sinnvoll, wenn der Glaube weiter bestehen bleibt. Aber man soll kein (oder fast kein) Geld mehr ausgeben für den Glauben. Geld ausgeben kann man, wenn tatsächlich religiöse Heilungen erfolgen. Religiöse Rituale brauchen nicht von einem Priester durchgeführt zu werden, sondern man kann sie selber durchführen. Es braucht niemand Theologie zu studieren. Sondern es genügt, sich im Rahmen eines Philosophiestudiums mit Religionsphilosophie zu beschäftigen. Die Kirche muss abgeschafft werden. Dennoch wird es weiterhin religiöse Organisationen geben, z. B. Geistheiler-Organisationen. Ferner besteht die Möglichkeit, religiöse Kurse (z. B. schamanische Seminare) zu absolvieren.

    • @Mona

      Ja, wie geschrieben – Einsteins spätere Äußerungen standen bei Mühling nicht im Fokus, mich interessieren Sie aber natürlich sehr! 🙂 Danke fürs Mitlesen und -denken.

  2. Einstein zu lesen bedeutet immer auch ein wenig Einstein zu sein.
    Ansonsten und womöglich ketzerisch angemerkt: Jeder hat seine Grenzen, jeder ist fast überall bestenfalls nur interessierter Laie und es gibt zudem auch das Celebrity-Syndrom [1], das sich dadurch auszeichnet, dass in Überschätzung der eigenen Popularität bis Fähigkeit fachfremd zu diesem oder jenem geäußert wird, das eben den Kompetenzbereich überschreitet.

    MFG
    Dr. W (der ein gutes Beispiel wäre)

    [1] ‘celebrare’ = ‘rühmen’, ‘feiern’

    • @Webbaer

      Jetzt frage ich doch mal nach: Haben Sie sich den Dr.-Titel nur spaßeshalber zugelegt, oder würden Sie uns verraten, in welchem Fach Sie (wann?) promoviert haben?

      Ehrlich interessierte Grüße!

          • Ab einem gewissen Alter kann nicht mehr auf das Weiterkommen gehofft werden, Sie stehen ja noch fit im Stroh, bewerben sich auch fleißig, haben etwas zu sagen; hier kann Old Webbaer nicht mithalten, will es auch gar nicht.

            MFG + GN
            Dr. W

          • Lieber @Webbaer,

            ich denke nicht, dass die Schritte eines Pilgers mehr zählen als die eines anderen. Titel können eine Hilfe sein, aber auch ein Hindernis. Ob Einstein und Darwin ihre großen Erfolge auch in einer wissenschaftlichen Hierarchie hätten erreichen können? Ich habe da meine Zweifel…

            Also seien Sie nicht betrübt, sondern gehen Sie mit uns allen noch viele Schritte mit. Denn wer behauptet, ganz genau zu wissen, wohin die Wege führen, lügt (wahrscheinlich auch vor sich selbst).

    • Dem muss ich grundsätzlich zustimmen. Personen wie Einstein, Darwin usw. sind keine ausgewiesenen Experten in der Diskussion um religiöse Fragen (man erlaube mir die heimliche Voraussetzung, dass es solche Fachleute überhaupt gibt).

      Allerdings sollte es schon nachdenklich stimmen, dass so viele Väter (und Mütter) des Naturwissenschaftlichen Weltbildes eigentlich religiös waren. Haben sie denn alle die (angeblichen) Widersprüche zu ihren Erkenntnissen nicht gesehen?
      Wenn solche offenbar intelligenten Menschen nicht nur religiös sein konnten, sondern ihre Überzeugungen auch mit ihren Erkenntnissen vereinbaren konnten, ist dann nicht ein Teil der antitheistischen Polemik schlicht falsch?

      • Religiös in dem Sinn dass er an den jüdischen oder christlichen Gott geglaubt hat war Einstein nicht.

        Man sollte nicht vergessen dass auch Wissenschaftler eben Menschen ihrer Zeit sind und sich auch nicht unbedingt von der Indoktrination in der Kindheit lösen können.

        Insbsondere in der Frühzeit der Wissenschaft waren die Erkenntnisse noch nicht so umfangreich dass ein atheistisches Weltbild fast schon selbstverständlich aus den Forschungsergebnissen folgt.

        • Religiös in dem Sinn dass er an den jüdischen oder christlichen Gott geglaubt hat war Einstein nicht.

          Das hängt von der Phase seines Lebens ab, über die man grade redet. Einstein sprach selbst von seinen religiösen Kindheitsparadies.

          Man sollte nicht vergessen dass auch Wissenschaftler eben Menschen ihrer Zeit sind und sich auch nicht unbedingt von der Indoktrination in der Kindheit lösen können.

          Einverstanden. Das zieht es allerdings ins Psychologische.

          Insbsondere in der Frühzeit der Wissenschaft waren die Erkenntnisse noch nicht so umfangreich dass ein atheistisches Weltbild fast schon selbstverständlich aus den Forschungsergebnissen folgt.

          Ein vollständiges atheistisches Weltbild erhält man auch heute nur, wenn man Forschungsergebnisse aus verschiedenen Richtungen der Wissenschaft kombiniert – und dann noch etwas Spekulation hinzufügt.
          Dennoch gibt es natürlich Wissenslücken, hinter denen man einen Schöpfer vermuten könnte. Man kann natürlich auch die Position vertreten, diese offenen Fragen zu ertragen.

      • Einstein war Fachmann auf einem bestimmten speziellen Gebiet der Physik. Ihm zu unterstellen, dass ihm andere Themen genau wichtig waren, entspringt eher aus der Phantasie derjenigen Personen, von denen diese Unterstellung herkommt.
        Vielleicht sollte man einfach bloß davon ausgehen, dass es Themen gibt, welche für eine bestimmte Person eher unwichtig sind – statt davon auszugehen, dass Einstein allwissend war.

      • Es scheint mehr religiös angehauchte Physiker zu geben als Evolutionsbiologen. Religiosität im weiteren Sinne bedeutet einen Glauben an den Sinn und inneren Zusammenhalt unserer Welt zu haben. Die moderne Physik , gerade auch die Teilchenphysik und die Kosmologie unterstützt diesen Glauben, denn sie entwirft ein grandioses Bild der Bausteine unserer Welt und des Universums als Ganzes. Evolutionsbiologen dagegen müssen zum Eindruck kommen, Leben sei von Zufällen bis hin zu Absonderlichkeiten gelenkt.

      • Wollen Sie mit ihrem Kommentar sagen, dass man ein Fachmann für religiöse Fragen sein muss, um zu glauben?
        Einstein sehe ich in der Diskussion um verschiedene Formen des Glaubens – auch des Religiösen – nicht als Autorität, sondern als Repräsentanten des Naturwissenschaftlers/Grundlagenforschers, der sich damit beschäftigt, was die Welt im innersten zusammenhält. Diese Beschäftigung mit den Gesetzen, die unsere Welt lenken, führt automatisch in einen Bereich, den auch die Religion beansprucht. Gerade das Beispiel Einstein zeigt, dass es Berührungspunkte zwischen Glauben und Wissen gibt und dass Glauben auch ganz anders aussehen kann als es die abrahamistischen Religionen nahelegen.

        • Wollen Sie mit ihrem Kommentar sagen, dass man ein Fachmann für religiöse Fragen sein muss, um zu glauben?

          Nein, sonst hätte ich nicht das in Klammern hinzugefügt.
          Offenbar kann man auch Glauben, ohne sich so sehr damit zu beschäftigen, dass man als Experte anzusehen ist.

          Diese Beschäftigung mit den Gesetzen, die unsere Welt lenken, führt automatisch in einen Bereich, den auch die Religion beansprucht.

          Zumindest in der am Meisten vertretenen Auffassung von Religion. Es gibt durchaus Formen von Religion, die damit nicht in Verbindung kommen…

      • @Skeptiker

        Danke für Ihre anregend-skeptischen Gedanken!

        Darwin erlangte seinen lebenslang einzigen Studienabschluss in anglikanischer Theologie, als immerhin zehntbester seines Jahrgangs in Cambridge – darf also durchaus als “ausgewiesener Experte” in Religionsfragen gelten:
        https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/charles-darwin-als-theologe-evolution-und-gottesfrage-als-taschenbuch-bei-herder/

        Aber auch Einstein hat – recht nah an Dworkin, danke @Martin Holzherr – recht Interessantes zum Thema gesagt und geschrieben, wie ich zunehmend feststelle. 🙂

        Und ich sehe nicht, dass sich Religionswissenschaftlerinnen und Religionswissenschaftler den Anregungen dieser Forscher verschließen sollten – was ja nicht bedeutet, alles kritiklos zu übernehmen. So lag z.B. Darwin bei seinen Annahmen zur Evolution von Religiosität und Religionen in vielen Aspekten völlig richtig (z.B. Kooperationsvorteile), übersah aber andere (z.B. Signalfunktion von Opfern und Ritualen) und irrte sich bei manchem (z.B. vermeintliche Dominanz des Mannes in der Evolution des Menschen – und der Religion).
        http://www.blume-religionswissenschaft.de/pdf/FrauEvolutionReligionBlume.pdf

        Aber anregend ist er – und es wäre schon viel geholfen, wenn mehr Menschen (gerade auch in Wissenschaften, Medien & Öffentlichkeit) wenigstens einige seiner kultur- und religionsbezogenen Arbeiten kennen und damit Wesentliches über die Evolutionstheorie wissen würden! (Ich wäre ja sogar dafür, dass auch bei uns, wie jetzt im Vereinigten Königreich, eine Einführung in die Evolution schon in der Grundschule erfolgte.)

        • Okay, dass Darwin Theologie studiert hat und kann daher (unter einer bestimmten Betrachtungsweise) als Experte gewertet werden, ist mir eigentlich nicht neu.

          Dass Einsteins Gedanken deshalb weniger interessant sind, habe ich nicht andeuten wollen.

  3. Einstein glaubte nicht an einen persönlichen Gott. Er war Pantheist, was Richard Dawkins veranlasst ihn als Atheisten zu bezeichnen während Ronald Dworkin ihn aus demselben Grund – Pantheismus/Spiritualismus – als tief religiösen Menschen bezeichnet:

    “For most people religion means a belief in a god. But Albert Einstein said that he was both an atheist and a deeply religious man. Millions of ordinary people seem to have the same thought: they say that though they don’t believe in a god they do believe in something “bigger than us.”

    Ronald Dworkin ist ein Rechtsphilosoph und der Autor von Religion without God. Er beschäftigte sich mit moralischen Werten und Wertesystemen und aus dieser Sicht ist für ihn nicht der Glaube an Gott entscheidend, sondern der Glaube an etwas Höheres, an eine Ordnung in die der Mensch hineingeboren ist:

    I argue that a belief in god is not only not essential to the religious attitude but is actually irrelevant to that attitude. The existence or non-existence of a god does not even bear on the question of people’s intrinsic ethical responsibility or their glorification of the universe. I do not argue either for or against the existence of a god, but only that a god’s existence can make no difference to the truth of religious values. If a god exists, perhaps he can send people to Heaven or Hell. But he cannot create right answers to moral questions or instill the universe with a glory it would not otherwise have

    • @ Herr Holzherr :

      Einstein glaubte nicht an einen persönlichen Gott. Er war Pantheist, was Richard Dawkins veranlasst ihn als Atheisten zu bezeichnen während Ronald Dworkin ihn aus demselben Grund – Pantheismus/Spiritualismus – als tief religiösen Menschen bezeichnet (…)

      Wobei beides falsch sein dürfte. Der Atheist oder Antitheist ist idR schon davon überzeugt, dass es keinen Gott gibt und es keine Religiösität geben sollte, der tief Religiöse ist in der Regel religiös unterwegs derart, dass ihm zumindest teilende Religionsträger die Tiefe seiner Religiösität bestätigen können.
      Dem Pantheisten ist beides nicht eigen oder möglich.

      MFG
      Dr. W

      • PS:
        Dworkin war womöglich zu Thesen wie ‘Religion without God’ gezwungen, weil er Naturrechtsphilosoph ist und nicht wie andere sogenannte Rechtspositivisten die Rechtsphilosophie inklusive Implementierung nur als Dienstleister oder Diener der Moralphilosophie sah.

      • ” der tief Religiöse ist in der Regel religiös unterwegs derart, dass ihm zumindest teilende Religionsträger die Tiefe seiner Religiösität bestätigen können”
        Ja, Religiosität schliesst Teilen der Einsicht und des Erlebnisses mit ein. Ein theoretischer Physiker macht das ja: Er teilt seine Einsichten denen, die ihn verstehen können, mit. Und die Theorien sind eben mehr als nur ein paar willkürliche Formeln, sie schaffen eine Welt und wollen einen Aspekt der Welt abbilden. Für einen Physiker bedeutetet die von ihm benutzte Mathematik auch etwas, es ist mehr als ein Formalismus. Sogar scheinbar simple Formeln sagen viel mehr aus, als es zuerst den Anschein hat. Der Fields-Mediallenträger Cedric Villani hat sich beispielsweise intensiv mit der Boltzmann-Gleichung beschäftigt, dabei hat diese Gleichung auf einer Zeile Platz.
        Eine solche Welt (eine Theorie) zu schaffen und zu verstehen kann auch ein Erlebnis sein. Dieses Erlebnis teilen die Verstehenden ( die Verständigen?).

        Alle, die tief in diesen Prozess des Entwickelns einer Theorie oder einer Weltsicht involviert sind bilden die (säkulare?) Glaubensgemeinschaft. Dass ihr Glaube in der Rationalität wurzelt macht das Erlebnis der errungengen Wahrheit sogar stärker als es der Glaube an etwas Überempirisches je sein kann. Naturwissenschaftler glauben zu wissen, dass sie wirklich etwas Wahres erblicken und nicht etwas Zusammenphantasiertes.

        • @ Herr Holzherr :

          (…) der tief Religiöse ist in der Regel religiös unterwegs derart, dass ihm zumindest teilende Religionsträger die Tiefe seiner Religiösität bestätigen können (…) [Dr. Webbaer]

          Ja, Religiosität schlie[ß]t Teile[] der Einsicht und des Erlebnisses mit ein. Ein theoretischer Physiker macht das ja: Er teilt seine Einsichten denen, die ihn verstehen können, mit.

          Gaa, das Fachwort, was hat hier der ‘theoretische Physiker’ zu suchen, wenn es um die Tiefe einer Religiösität geht? [1]

          Alle, die tief in diesen Prozess des Entwickelns einer Theorie oder einer Weltsicht involviert sind bilden die (säkulare?) Glaubensgemeinschaft. Dass ihr Glaube in der Rationalität wurzelt macht das Erlebnis der errungen[]en Wahrheit sogar stärker als es der Glaube an etwas Überempirisches je sein kann.

          Die wissenschaftliche Methode, gerne auch die in den Naturwissenschaften zeitgenössisch fast durchgehend verwendete betreffend, die skeptizistische, die zu falsifizieren sucht, Provisorien, “Krücken” meinend, sich dem, was ist, versucht anzunähern, wobei ihr die Grenzen der Erfassung, das Näherungsweise und die Interessengebundenheit der Arbeitenden bekannt sind, ist eben eine (angenommene, vielleicht auch: per Glaubensentscheid) Methode, die zumindest nicht die ‘Wahrheit’ konzeptuell annimmt und nichts, aber auch gar nichts, über anderen Glauben aussagt, sofern dieser keine wissenschaftliche Ansprüche erhebt.

          MFG
          Dr. W

          [1] nichts gegen Religiöse an dieser Stelle

          • Der Kern meiner Aussage Herr Dr. Webbaer ist folgender: Wer in Gemeinschaft forscht und dies als Suche nach der “Wahrheit” auffasst, der erlebt vieles, was auch in religiösen Gemeinschaften passiert: Die Forscher haben gemeinsame Überzeugungen, sie tauschen sich aus, sie verstehen sich auch nonverbal, weil sie die gleichen Gedankengänge machen wie ihre Kollegen. Junge Forscher haben Initiationserlebnisse wie frisch aufgenommene Gläubige in eine Glaubensgemeinschaft, Meetings, in denen bedeutende neue Erkenntnisse vorgestellt und diskutiert werden sind wie Hochämter. Michael Blume hat schon recht, wenn er sagt, religiöse Phänomen sind Teil unserer Ausstattung, sind vielleicht sogar in Hirnzentren zu finden. Die religiöse Anlage des Menschen kann aber ganz verschieden genutzt werden. Wer überhaupt keiner Gemeinschaft angehört, in der es um einen gemeinsamen Glauben und auch um gemeinsames Streben geht, weder in einer religiösen Gemeinschaft noch in einer Forschungsgemeinschaft, dem fehlt wahrscheinlich wirklich etwas.

          • @ Herr Holzherr :
            Aja, nun wird hier verstanden, was Sie meinen.
            Der wissenschaftliche Diskurs, der bestmöglich darum ringt, was ist oder zu sein scheint, Theorien, Modelle und vielleicht auch Anwendungen betreffend, liegt in bestimmten relig. Kreisen wohl ähnlich vor.
            Als typisch für das Religiöse würde Ihr Kommentatorenfreund dies aber nicht einordnen, insofern auch nicht den wissenschaftlichen Austausch als ‘religiös’ bezeichnen wollen.
            MFG
            Dr. W

  4. Als erstes Entschuldige ich mich für das nicht überarbeiten der zugeschickten Dinge über die Historie von Jesus und Mohammed, hatte viel zu tun werde es nachholen.

    Zweitens Einsteins Gott ist soweit ich dies beurteilen soll so blutleer das ich keinen Unterschied sehe ob er existiert oder nicht für uns als Menschen. Eine interessante Philosophie aber Religion würde ich eher nicht sagen.

    • “Einsteins Gott ist soweit ich dies beurteilen soll so blutleer das ich keinen Unterschied sehe ob er existiert oder nicht für uns als Menschen. Eine interessante Philosophie aber Religion würde ich eher nicht sagen.”

      Einstein bezeichnete sich selbst als Agnostiker, aber als “blutleer” würde ich seine Ansichten keineswegs bezeichnen. Er lehnte zwar einen persönlichen Gott ab, meinte jedoch, sich mit einer “kosmischen Religiosität” identifizieren zu können. “Auf die Frage eines New Yorker Rabbiners, ob er an Gott glaube, antwortete Einstein: „Ich glaube an Spinozas Gott, der sich in der gesetzlichen Harmonie des Seienden offenbart, nicht an einen Gott, der sich mit Schicksalen und Handlungen der Menschen abgibt.“ Und in einem Brief schrieb er: „Was ich in der Natur erblicke, ist eine großartige Struktur, die wir nur bruchstückhaft verstehen können. Diese Struktur muss jedem denkenden Menschen ein Gefühl von Bescheidenheit vermitteln – ein authentisches religiöses Gefühl, das mit Mystizismus nichts zu tun hat.””

      Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/geschichte/albert-einstein-relativ-unglaeubig/1233610.html

  5. Konkret untersucht er je erschöpfend den Einfluss so verschiedener Denker wie Bernstein, Mach, Kant, Schopenhauer, Pearson, Hume, Mill, Dedekind, Poincaré, Avenarius, Clifford, Duhem, Faraday und natürlich Spinoza auf den frühen Einstein.

    Heißt das, dass Einstein diese Denker alle gelesen hat, oder soll sich deren Einfluss auf andere Weise bis zu Einstein durchgearbeitet haben, über Bande, in dem ein Lehrer Einsteins etwa diese gelesen hätte?
    Viele von denen habe ich nicht gelesen, aber andererseits habe ich auch so manches gelesen, was hier nicht auftaucht.

    Vage ist, was Gott oder Religion für Einstein sein soll – das ist ja in Diskussionen meist so vage, dass man stundenlang aneinander vorbei reden kann. Im Gegensatz zu anderen Diskussionen ist es mit einer kurzen Klärung der Begriffe hier selten getan, weil viele Leute ihr Herz an eine bestimmte Definition gehängt haben, und dann die Diskussion über die richtige Definition nicht fertig wird.

    Man kommt aber trotzdem nicht um die Diskussion drumrum.

    Definition wie “Gott ist die Natur, aber nicht nur die, die wir kennen, …” sind allerdings Kokolores. Erstens: Wenn Gott etwas unstrittiges wie Natur, Liebe, Wahrheit, Friede oder Leben wäre gäbe es keinen Diskussionsbedarf und keine Notwendigkeit für den Begriff.

    Von einer Natur zu reden, die wir nicht kennen, ist so ein Taschenspielertrick, ein geistiger Kreditbetrug. Es wird angenommen dass es eine Natur gibt, die wir nicht kennen, aber wie will der, der sich darauf beruft, Kenntnisse davon haben? Als eingeweihter Geheimnisträger, also Esoterikier, bzw. Priester, Zauberer und Zampano natürlich! Gähn. Immer wieder in neuer Verkleidung.

    Ein Gott oder eine Religion die nicht näher definiert wird lässt sich aber schlecht diskutieren. Jeder kann darunter verstehen was er will. Das ist, als würde man eine Knetfigur im Kreis rumreichen und streiten was sie darstellt, aber jeder würde vor der Meinungsäußerung darüber nochmal feste drauf rum wirken.

    Ein höheres Wesen, eine größere Macht? Man kann ein Kleinkind sein und sich auf die oberste Sprosse meiner Haushaltsleiter stellen, dann ist man ein höheres Wesen als ich. Das ist hier wohl nicht gemeint. Was also dann? Höher in welchem Sinne? Fühlt man solchen Formulierungen auf den Zahn zerfallen sie zu Gedankenklebstoff. Wir haben und brauchen abstrakte Begriffe wie die Liebe, die Wahrheit, aber als fassbare Entitäten in Raum und Zeit existieren diese deswegen noch nicht. Es gibt auch nicht Zucker an sich. Dann aber mit sprachlichen Verwechslungen zu operieren (“willst Du sagen, dass es keine Liebe/Wahrheit/kein Leben gibt?”) führt ins schlüpfrige Nichts.

    Was ist eine höhere Ordnung? Ich kann Menschen alphabetisch nach Vornamen ordnen, nach Alter, Schuhgröße, Religionszugehörigkeit – was ist eine höhere Ordnung? Mir ist keine objektive Rangfolge von Ordnungen bewusst. Ich finde, wer solche Begriffe in die Diskussion einführen will, muss sie klären.

    Aber was hat Einstein gemeint? Wir sind Wesen, die eine Struktur um sich herum erkennen können, ein riesiges Universum, Naturgesetze und Komplexität, die unser Hirn anstrengt und überanstrengt. Das soll Religiösität sein? Da gehe ich nicht mit. Man mag dabei von Bescheiden ergriffen werden, das würde ich dann “von Bescheidenheit ergriffen werden” nennen. Von da zum Bau einer gotischen Kathedrale wo sich Menschen versammeln um langweilige Formeln zu murmeln führt kein zwingender Weg. Man muss auch nicht in Bescheidenheit verfallen.

    Ich weiß auch nicht was spirituelle Gefühle sein sollen. Hunger, Durst, Kälte und Hitze sind Gefühle die sich auch nicht leicht mitteilen lassen, so dass sie jemand verstehen könnte, der sie noch nie hatte. Aber auch wenn mir nicht kalt ist wenn meiner Mutter schon kalt ist – ich weiß was kalt ist und sie weiß was kalt ist, und auch wenn wir nicht übereinstimmen, ob es heute im Wohnzimmer kalt ist kann ich ihr glauben, dass ihr kalt ist, obwohl mir nicht kalt ist.

    Beim spirituellen Gefühl ist das nicht so. Ich habe noch keine Schilderung gehört, die auf mich zutrifft. Ich kann beim Rockkonzert mit 10000 anderen begeistert sein und von der Musik, der Stimmung und dem Gefühl mit tausenden anderen das gleiche zu empfinden berichten, aber finde das nicht mystisch oder spirituell. Von solchen Gefühlen gibt es auch keinen Zugang zu den Gedankeninhalten der Religion. Ob Schöpfungsmythos oder Auferstehung – das löst bei mir keine Gefühle aus, die mich überwältigen. Als ich noch zur Kirche ging habe ich da aber auch eigentlich nie Ausdrücke von Gefühlen beobachtet. Die Leute gingen da abgeklärt hin und wenn sie Gefühle hatten behielten sie diese (zum Glück, auch) für sich.

    • @Stefan Wagner, @Mona, @Martin Holzherr, @Webbaer und @all

      Hören wir doch zu dieser Diskussion vielleicht am Besten mal Einstein selbst – und das meine ich ganz wörtlich. 1932 nahm er kurz vor seiner Ausreise aus Deutschland im Auftrag der “Deutschen Liga für Menschenrechte” (! – die es ja auch nicht im empirischen Objektsinne, wohl aber als Glaubensinhalte “gibt”) ein persönliches “Glaubensbekenntnis” auf Schallplatte auf. Hier ist es zum Lesen und mp3-Dokument zum Anhören! 🙂
      http://www.einstein-website.de/z_biography/glaubensbekenntnis.html

      @Martin Holzherr, Einsteins Formulierung, über “das Bewusstsein, der unsichtbaren Gemeinschaft derjenigen anzugehören, die nach Wahrheit, Schönheit und Gerechtigkeit streben”, dürfte Sie doch freuen. Es stärkt zumindest Ihr Argument. 😉

      • Einstein sagt in dem Tondokument: “Ich achte stets das Individuum und hege eine unüberwindliche Abneigung gegen Gewalt und gegen Vereinsmeierei. Aus allen diesen Motiven bin ich leidenschaftlicher Pazifist und Antimilitarist, lehne jeden Nationalismus ab, auch wenn er sich nur als Patriotismus gebärdet.” Trotzdem schrieb er wenige Jahre später jenen verhängnisvollen Brief an den US-Präsidenten Franklin Roosevelt, in dem er den Bau von Kernwaffen anregte und an dessen Ende das Manhatten-Projekt stand , also die Entwicklung, Herstellung und Erprobung von Kernwaffen.
        http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Atomwaffen/einstein.html

        • Einstein ist nach Amerika emigriert, weil er sich in Deutschland bedroht fühlte. Einen Sieg Hitlerdeutschlands wollte er um jeden Preis verhindern. Sein Brief war also auch persönlich motiviert. Wer das schlimmste verhindern will ist auch zum Schlimmsten bereit.

          • Nachdem im Dezember 1942 die erste Kettenreaktion gelang wurde die Atombombe vorbereitet. Die beteiligten Physiker – ohne Einstein – schickten eine Resolution an Präsident Roosevelt, die Atombombe nur über unbewohnten Gebiet abzuwerfen. Diese hatte aber keinen Erfolg und so wurde die Bombe drei Monate nach Kriegsende auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki abgeworfen. Der Physiker Robert Oppenheimer kommentierte das Ergebnis folgendermaßen: “Jetzt haben die Physiker die Sünde kennengelernt und dieses Wissen wird sie nie mehr verlassen.” Zu dieser Zeit wurde wohl auch der “verrückte Wissenschaftler” erfunden, der seitdem in vielen Romanen oder Filmen eine Rolle spielt. Und es gibt sogar eine Legofigur, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Einstein hat.
            http://spielzeugalarm.de/out/pictures/master/product/1/16.jpg

          • (Soll eine Antwort auf mona sein, aber da ist kein Link).

            so wurde die Bombe drei Monate nach Kriegsende auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki abgeworfen.

            Äh – 3 Monate nach Kriegsende in Europa. Für Japan-USA kam damit erst das Kriegsende.

      • Das Schönste und Tiefste, was der Mensch erleben kann, ist das Gefühl des Geheimnisvollen. Es liegt der Religion sowie allem tieferen Streben in Kunst und Wissenschaft zugrunde. Wer dies nicht erlebt hat, erscheint mir, wenn nicht wie ein Toter, so doch wie ein Blinder.

        Mit “das Gefühl des Geheimnisvollen” kann ich nichts anfangen. Geheimnisvolles kann bedrohlich, schön, langweilig und sicher einiges mehr sein.

        Ein Lavastrom, wenn man sowas nicht kennt, auch nicht aus Fernsehen oder Schilderung ist sicher Geheimnisvoll weil fremd und beeindruckend. Da ich sowas nicht selbst erlebt habe wäre das persönliche Erlebnis sicher auch etwas Neues, Beeindruckendes, ohne geheimnisvoll zu sein – über Vulkane und Lava kann ich weit über meinen Bedarf hinaus kluge Bücher lesen, die die Geheimnisse vertreiben.

        Eine Zeichenkette aus 0en und 1en über mehrere Bildschirmseiten ist ohne Kontext auch geheimnisvoll – ohne Analyse könnte es ein Text sein, ein Bild, eine Zufallsfolge, ein Programm, etwas komprimiertes und verschlüsseltes. Es kann mich völlig kalt lassen ohne dass ich das Geheimnis lüfte.

        Bilder und Installationen können mich berühren, aber man setzt sich damit auseinander um der geheimnisvollen Wirkung auf die Spur zu kommen. Würde man dem Gefühl blind huldigen wäre das religiös, aber die rationale Lüftung der Geheimnisse zerstört ihren Kunstcharakter?

        Ich halte von dieser Kategorisierung nichts. Es hat auch wenig bis nichts mit Religionen die im Umlauf sind zu tun, außer man sagt die religiösen Menschen wissen selbst nicht was sie tun. Mit solchen Kategorien kann man ja nicht Christ oder Jude, Moslem oder so was werden.

        Das Streben der Wissenschaft ist aber doch der Lüftung von Geheimnissen verpflichtet. Später hat man vielleicht mehr neue Geheimnisse als zuvor, aber den Zusammenhang zu Kunst und Religion sehe ich nicht.

        Und woher weiss Einstein wie gut er sich in Leute hineinversetzen kann, die das anders sehen, um sagen zu können, diese schienen ihm wie Blinde?

        Zu empfinden, dass hinter dem Erlebbaren ein für unseren Geist Unerreichbares verborgen sei, dessen Schönheit und Erhabenheit uns nur mittelbar und in schwachem Widerschein erreicht, das ist Religiosität.

        “Unerreichbares” wird hier von Einstein materialisiert, objektiviert – mir fehlt gerade das richtige Wort: Als ob es eine feste, gemeinsame Entität gäbe, etwas verbindendes hinter allem, was unerreichbar ist, ob es der absolute Nullpunkt der Temperatur ist oder Geschwindigkeiten jenseits der Lichtgeschwindigkeit oder unlösbare Gleichungssysteme oder der Kern der Erde.

        Schönheit und Erhabenheit unterstellt er einem hinter den Dingen liegenden Gemeinsamen, aber nur indirekt soll dieses für uns erfahrbar sein.

        Entweder es ist morgen für unsere Nachkommen erfahrbar, dann können diese ja sagen, ob es schön ist oder nicht, aber dann ist es nicht mehr nur mittelbar erfahrbar. Oder es ist grundsätzlich nicht erfahrbar, dann ist es Quatsch zu sagen es sei Schön oder Erhaben.

        Es ist mir genug, diese Geheimnisse staunend zu ahnen und zu versuchen, von der erhabenen Struktur des Seienden in Demut ein mattes Abbild geistig zu erfassen.

        Die Realität enthält auch Hunger, Krankheit und Tot. Es ist nicht alles Schön und Erhaben. In Not und Schmerz ist auch vieles profan und ekelhaft. Das Phantasieren vom Schönen und Erhabenen ist der Beweis der Sehnsucht danach, aber kein Indiz für dessen Existenz. Die Einsteinsche Demut mag daher nobel erscheinen – als Verklärung einer Einbildung sollte man das m.E. nicht ritualisieren. Man kann sich mal auf den Standpunkt stellen aber das Leben geht weiter.

        Eine Überhöhung, auch wenn keine Gefahr darin unmittelbar sichtbar wird, halte ich für überflüssig. Vor allem ist das Empfinden von Schönheit etwas, was mit “Empfinden von Schönheit” schon prima beschrieben ist. Es mit Religion zu vermengen, auch wenn es Religionen gerne mit sich vermengen, hilft m.E. wenig. Es trübt das Wasser statt es zu klären.

        • @Stefan Wagner

          Darf ich an Ihrem letzten Satz anknüpfen? Wenn es keine höchste Erkenntnis gibt – welches “Wasser” wäre denn dann “zu trüben”?

          Auch in Ihren Ausführungen sind für mich Überzeugungen, Hoffnungen und Leidenschaften zu erkennen. Einstein hat über seine viel nachgedacht, sie als nicht rational herleitbar, von Hoffnung und Glauben getrieben erkannt und als “religiös” gekennzeichnet und ausformuliert. Sowohl orthodox Religiöse wie Antitheisten haben sich darüber massiv beklagt, doch er ist dabei geblieben. Einem Freund schrieb er:

          „Ich habe keinen besseren Ausdruck als den Ausdruck ‚religiös‘ für dieses Vertrauen in die vernünftige und der menschlichen Vernunft wenigstens einigermaßen zugängliche Beschaffenheit der Realität. Wo dieses Gefühl fehlt, da artet Wissenschaft in geistlose Empirie aus. Es schert mich einen Teufel, wenn die Pfaffen daraus Kapital schlagen. Dagegen ist ohnehin kein Kraut gewachsen.“ (Brief an Solovine vom 1.1.1951 in Mühling 2011, S. 75)

          Bedenkenswert, finde ich.

          • Herr Blume.
            Man kann Wasser trüben, ohne dass es das höchste Wasser ist. Die Idee einer höchsten Erkenntnis ist mir generell fremd. Wie bestimmt man die Höhe einer Erkenntnis?
            Mit “höchste Wahrheit” wird meist eine Lüge dekoriert, mit “tiefste Wahrheit” desgleichen.
            “Überzeugungen, Hoffnungen und Leidenschaften” mögen in Religionen vorkommen wie Mehl, Eier und Milch im Brot vorkommen können – dennoch kann es auch ein Kuchen sein, in dem diese Zutaten enthalten sind.

            Sie behandeln Einstein wie einen Propheten, dessen Wort wir trauen sollen, weil er ansonsten so viel Reputation genießt. Dem kann ich nicht folgen. Wenn seine Aussagen mich überzeugen sollen, dann müssen sie das unabhängig von dem, der sie äußert. Überzeugungen, Hoffnungen und Leidenschaften kommen in Religionen vor, aber machen sie noch nicht aus.

            Fast immer erschaffen Religionen Regeln, denen man folgen muss. Fast immer berufen sie sich auf alte Überlieferungen. Fast immer wollen sie die Entstehung der Welt erklären. Sie unterrichten Rituale und grenzen aus. Wenn Sie eine finden, die all das nicht hat, dann brauch ich sie immer noch nicht. Wenn ich auf Gesundheit hoffe oder auf gutes Wetter morgen ist das nicht religiös.

          • Lieber Herr Wagner,

            was genau ist denn das Problem darin, Einsteins religiöse Position zu erkunden und darzustellen? Falls Sie sich davon irgendwie gestört oder bedroht fühlen, dann brauchen Sie es doch einfach nicht lesen… Mich wundert diese zunehmende Tendenz von Religionskritikern etwas, statt einer sachlichen Diskussion Schweigen erzwingen zu wollen… Das hier ist ein Info-Angebot, nicht mehr und nicht weniger…

            Wenn Sie schreiben, es gäbe “keine höchste Wahrheit” – dann verkünden Sie eine! Auch Relativismus und Skeptizismus sind weltanschauliche Positionen, die auf wissenschaftlich nicht ableitbaren Überzeugungen beruhen und über deren Für und Wider sich (z.B. vor dem Hintergrund evolutionärer Erkenntnistheorie) debattieren lässt. Dass wir überhaupt erkennen und auch Wissenschaft betreiben können sind m.E. starke Gegenargumente gegen eine dogmatische Verneinung von Erkenntnisfortschritt.

            Einstein meinte nun, dass eine “religiöse” Haltung notwendig sei, um wissenschaftliche Erkenntnisfortschritte zu erzielen – wobei er eine bestimmte, eigene Definition von Religion vertrat. Als “Prophet” hat er sich m.E. nicht verstanden, sich aber halt auch nicht den Mund verbieten lassen. Wie jeder andere Wissenschaftler scheint auch er nicht unfehlbar gewesen zu sein, aber doch interessant. Natürlich nur für die, die wollen.

    • “Mir ist keine objektive Rangfolge von Ordnungen bewusst.”

      Na dann ist das Leben bisher ziemlich gerade / glatt an dir vorbei gelaufen, so wie es bei der Masse in Bewußtseinsbetäubung und Bildung zu SKM für den nun “freiheitlichen” Wettbewerb sein soll!

  6. Experten wie Einstein sind in der Regel Experten in einem bestimmten Gebiet und man kann ihre Expertise anhand der Beleg- oder Widerlegbarkeit ihrer Hypothesen überprüfen. Sind die Beweise positiv, kann man solchen Experten auch in ihrem Fachgebiet vertrauen. Bei Gottes-, Schöpfungs- oder Jenseitsexperten konnte ich anhand solcher Kriterien noch keine vertrauenswürdigen Experten identifizieren.

    • In der Rhetorik und Diskussionsführung gibt es einen üblen Trick, um von eigenem Unwissen abzulenken: Statt einer zum Thema passenden sachlichen Antwort gibt man eine völlig sinnlose Behauptung von sich. Damit kann man geschickt von eigenem Unwissen ablenken bzw. Verwirrung stiften.
      Wenn also Einstein zu einem speziellen Problem der Quantenphysik von sich gibt, dass der Alte/Gott nicht würfeln würde, dann ist diese Aussage völlig sinnlos: denn sie läßt sich weder beweisen, noch wiederlegen. Daraus dann abzuleiten, Einstein hätte eine Sachaussage zum Thema ´Zufall/Vorherbestimmung´ gesagt, ist dann eine Sekundärinterpretation

      • @KRichard

        @adenosine hat Recht: Einsteins Aussage bezog sich auf die Frage des Determinismus in der Quantenphysik. Und hieran kann man gut erkennen, dass für Einstein Wissenschaft eben nicht nur “geistlose Empirie”, sondern durch seine Religiosität als Vertrauen in eine bestimmte “Beschaffenheit der Realität” motiviert war. Quelle z.B. Brief Einsteins an Solovine vom 1.1.1951 in Mühling 2011, S. 75

        Bei allem Respekt darf ich Sie bitten, sich wieder eines angemessenen Tons zu bedienen. Langjährigen, stets sachlichen Kommentatoren wie @adenosine einen “üblen Trick, um von eigenem Unwissen abzulenken” vorzuwerfen ist ebenso starker Tobak wie herrisches Einfordern von Belegstellen. Dieser Blog ist ein ehrenamtlich erstelltes, freiwilliges Angebot, sich sachlich, fair und lernend auszutauschen.

        • Ich habe hier @adenosine überhaupt nichts vorgeworfen! – sondern auf eine schlechte Gewohnheit in der Rhetorik hingewiesen; welche von Einstein angewandt wurde.

          • @KRichard – ja, es ist eine der großen Tücken der Online-Kommunikation, dass sie mangels Gesicht, Stimme etc. leicht mißverstanden werden kann. Auch deswegen dränge ich immer wieder so auf einen gesitteten Ton – das entgleist sonst alles.

            Inhaltlich muss ich freilich den Einstein an dieser Stelle verteidigen dürfen: Man kann ihm ja einiges vorwerfen (z.B. die Unterstützung für die Atombombe oder sein manchmal sehr herablassender Umgang mit Frauen, inkl. seiner ersten Ehefrau) – aber rhetorische Nebelkerzen doch eher nicht. Ich vergleiche ja gerade auch Darwins und Einsteins Äußerungen zu Religion und kann schon sagen, dass sich Einstein da durch die Jahrzehnte sehr stringt und präzise (um nicht zu schreiben: starr) geäußert hat. Seine religiösen Auffassungen sind nicht leicht zu verstehen, aber unklar vernebelnd äußerte er sich nicht, oft doch eher klar bis schroff.

  7. @Blume: in Wikipedia [Gott würfelt nicht] steht, dass Einstein im Zusammenhang mit Würfeln von ´der Alte´ spricht. Die Aussage ´Gott würfelt nicht´, wäre demnach eine Sekundärinterpretation – ob von Niels Bohr oder von Heisenberg, ist aus dem Artikel nicht klar ersichtlich.
    Daher mein Fragen:
    1) gibt es von Einstein selbst das eindeutige Zitat ´Gott würfelt nicht´? – oder handelt es sich dabei immer nur um Interpretationen
    2) Wenn es sich bei ´Gott würfelt nicht´ nicht um ein Originalzitat handelt, wie wissenschaftlich seriös ist es, dieses weiterhin als Einstein´s Zitat auszugeben.
    3) Einstein spricht von ´der Alte´- wenn damit Gott gemeint ist, dann wäre Gott in Einstein´s Verständnis ein alter Mann. Dies steht doch im Widerspruch zu anderen Aussagen.

    • Mit “Gott würfelt nicht” meint Einstein: Die Natur wird nicht durch Zufallsprozesse gesteuert, denn Einstein ist ein Pantheist, er glaubt an eine grosse Ordnung, an ein zurecht Staunen und Ehrfurcht erweckendes Universum. Einstein hielt die Lehren von Judentum und Christentum für Aberglauben – Aberglauben, der sehr viel Unheitl auf der Welt angerichtet hat.

      • @Holzherr: Meine Fragen beziehen sich darauf, ob eines der bekanntesten Einstein-Zitate wirklich von Einstein selbst stammt – oder ob es sich dabei um ein ihm untergeschobenes Plagiat aus anderer Quelle handelt.

        • Einstein schrieb in einem auf den 4. Dezember 1926 datierten Brief an Max Born[1][2] (evtl. auch in einem Brief an Niels Bohr[3]):

          „Die Quantenmechanik ist sehr achtunggebietend. Aber eine innere Stimme sagt mir, daß das noch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, daß der nicht würfelt.“

          Einstein glaubte, dass „der Alte“ (gemeint ist Gott) nicht würfle, denn er lehnte die wahrscheinlichkeitstheoretische (stochastische) Erklärung der Quantenmechanik ab

      • @Martin Holzherr

        Volle Zustimmung zum Kontext der “Alten”-Äußerung. Aber das mit Pantheist & Ablehnung von Juden- und Christentum ist etwas zu platt. Einstein hat auch die Bezeichnung als “Pantheist” von sich gewiesen – und den Atheismus als noch schlimmer als die teilweise von ihm kritisierten Religionen bezeichnet. Auch vom “jüdischen Volk” sagte er sich nicht los und hatte große Sympathien z.B. für die Quäker. Umgekehrt kritisierte er z.B. auch schon mal den Militarismus als “militärische Religion”. Religion war auch für ihn immer, was man daraus macht.

        “Wenn die Bekenner der gegenwärtigen Religionen sich ernstlich bemühen würden, im Geiste der Begründer dieser Religionen zu denken, zu urteilen und zu handeln, dann würde keine auf den Glauben gegründete Feindschaft zwischen den Bekennern verschiedener Religionen existieren. Noch mehr, sogar die Gegensätze im Glauben würden sich als unwesentlich herausstellen.” – auf die Bitte um eine Botschaft für den Nationalen Kongress von Christen und Juden als Zeichen amerikanischer Brüderlichkeit, handschriftlich in Deutsch auf das Anfrage-Telegramm vom 27. Januar 1947

    • @KRichard

      Einstein sprach von “Der Alte würfelt nicht” in der Diskussion um die Determinismus-Frage in der Quantenphysik. Er äußerte sich in diesem Zusammenhang auch brieflich, wo er sogar die Verwendung “The Lord – Der Herr” verwendete. Dazu – mit Orginalverweisen – ist mehr bei Mühling zu finden. Und, ja genau – Einstein wies einerseits jede antromorphe Vorstellung des Göttlichen mit Abscheu von sich und verwendete andererseits Ausdrücke die “Der Alte”, “The Lord” oder gar “die Gedanken Gottes”. Das kann man als “Widerspruch” ansehen oder – wie Einstein selbst – als eine höhere Form der nicht-antromorphen, “kosmischen Religiosität”.

    • Der betreffende Ausspruch wurde von Einstein mehrmals in verschiedenen Varianten verwendet und wird in aller Regel nicht als Glaubenbekenntnis an einen persönlichen Gott interpretiert, sondern als Metapher für “Ich glaube nicht an zufälligen Ereignissen ohne direkte Ursache.”

  8. “Dem wohlmeinenden Menschen erwächst die Pflicht, in seinem Kreis unentwegt zu versuchen, die Lehre der reinen Menschlichkeit lebendig zu machen, so gut er es vermag. Wenn er dies ehrlich versucht, ohne von den Zeitgenossen verstossen zu werden, so darf er sich und seine Gemeinschaft glücklich preisen.” (Albert Einstein)

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