Ist Religion ein Produkt der Evolution? Tagung in Marburg vom 19. bis 21.10.2018

Der schöne Aufruf “Back to the roots” hat in meinem Leben eine Doppelbedeutung angenommen: Einmal habe ich ja jahrelang zur Evolution von Religiosität geforscht und publiziert, u.a. gemeinsam mit Rüdiger Vaas “Gott, Gene und Gehirn” und alleine eine Evolution-Religion-Biografie von Charles Darwin. Und zum zweiten fühlt es sich nun jedesmal gut an, wenn ich zu dem Thema immer noch Einladungen bekomme, beispielsweise zum SWR-Wissen-Radio Aula (“Die Evolution der Religiosität”) oder auch zu Tagungen.

Konkret freue ich mich auf den 19. bis 21. Oktober 2018 bei der Karl-Heim-Gesellschaft in Marburg, wo es mit interessanten Diskutanten – ganz unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen, Weltanschauungen und Religionen – um die Frage gehen wird: “Ist Religion ein Produkt der Evolution?”.

Faltblatt der Karl-Heim-Gesellschaft (pdf anbei), mit freundlicher Genehmigung

Aus meiner Sicht hatte der studierte Theologe Charles Darwin mit seiner Grundvermutung Recht: Auch die Religion lässt sich als erfolgreiches Produkt der Evolution hervorragend erklären – es braucht dafür keine unerklärlichen Sprünge, isolierten Offenbarungen oder ähnliches. Und diese Erkenntnisse sind meines Erachtens sowohl mit religiösen wie mit agnostischen und atheistischen Positionen vereinbar – verlangen jedoch von allen Beteiligten ein höheres Wissens- und Reflexionsniveau.

Aber gerade auch in den zahlreichen Rückmeldungen zum SWR-Radiobeitrag habe ich so viel erfreuliches Interesse und überlegtes Feedback von Hörerinnen und Hörern, Leserinnen und Lesern bekommen, dass ich keinesfalls aufhören mag. Und ich hoffe auch, dass die Kolleginnen und Kollegen in Marburg Video- oder zumindest Tonaufnahmen der Vorträge ermöglichen, damit ich ggf. auch auf diesem Blog dann wieder einiges zur Verfügung stellen kann. Weil: Back to the roots! 🙂

Einige Schriften aus der Evolutionsforschung zur Religion. Foto: Michael Blume

Avatar-Foto

Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

49 Kommentare

  1. Lieber Michael Blume, ich freue mich aufrichtig für Sie über die positive Reaktionen. Ich selbst habe habe Gott, Gene und Gehirn im Regal stehen und gehe konform, dass diese Erkenntnis vereinbar mit anderen Positionen ist. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass dies jedoch nicht der allgemeine Tenor unter Wissenschaftlern ist.

    Aus diesem Grund – und wohl auch aus einer anderen Intension heraus;-) – möchte ich Sie auf etwas aufmerksam machen, was im letzten Artikel Gefühle zwischen Leonard Cohen und Blogkommentaren eine maßgebliche Rolle spielte:

    [….verlangen jedoch von allen Beteiligten ein höheres Wissens- und Reflexionsniveau…]

    Dieses Wissens- und Reflexionsniveau spielt auch bei Empathie eine maßgebliche Rolle. Darin widerspiegelt sich eben jener Relativismus, den Sie für gefährlich halten. Kann es aber anders überhaupt funktionieren? Man mag William Sterns Formulierung, dass Intelligenz kein Verdienst sondern Verpflichtung darstellt, für (menschen-)verachtenswert halten (gemessen daran, was hieraus konstruiert werden kann) doch im Kern geht es nicht um das Überleben von intelligenten und empathischen Menschen sondern von DEN Menschen. Begabungen auf der einen Seite bedeutet im Kontext von Sterns Definition auch im Dienste der anderen zu stehen. Ohne Zweifel kann dieser zu erbringende Dienst überaus anstregend sein.

    • Hallo @Martin Schmidt,

      zunächst einmal: vielen Dank! Und: Klar, Evolutionsforschung an sich hat es gerade auch in der deutschen Wissenslandschaft schwer. Der Dialog mit den Naturwissenschaften war dem deutschen Idealismus von jeher „bäh“, die Sozialdarwinisten und Nazis haben zusätzlich großen Schaden verursacht.

      Da gilt es also m.E., Geduld wie auch Hartnäckigkeit zu üben und gelassen der kulturellen Evolution wie auch den Generationenwechseln zu vertrauen. 😉 🙂

      Ihre Ausführungen zu Empathie habe ich an dieser Stelle nicht verstanden. Evolutionsforschung ist eine deskriptive Tätigkeit, keine subjektiv-normative. Kann es sein, dass Sie eigentlich noch am letzten Blogpost knuspern? Vermute ich mal, ganz empathisch… 😉 👍📚🌈

    • Nach der hier verwendeten Definition wäre Religiosität die genetisch vererbte, neuropsychologische (und vor allem bei existentieller Unsicherheit aktivierte) Veranlagung zum Glauben an überempirische Akteure. Religionen wären dann die kulturellen Ausformungen derselben.

      Völlig analog zu Musikalität / Musiken und Sprachfähigkeit / Sprachen, übrigens. 🙂 #BiokulturelleEvolution

  2. Ich meine dass man das Grab Abrahams (die “Höhle von Machpela”) ganz real in Hebron besuchen kann.
    Ist auch völlig bibelkonform: 6 Gräber.
    Und imho historisch nicht umstritten.

    Weiterhin denke ich dass sich Darwin seine primitiven Mechanismen der Evolution geschenkt hätte hätte er auch nur geahnt wie gigakomplex das Leben ist.
    In den damaligen Mikroskopen war das Leben wohl nur eine weiße Masse?
    Die quasi überall einfachst entstehen konnte?

    PS nach Viktor Schauberger (damals Förster im letzten österreichischen Urwald) gibt es in der Natur (-> Leben) , imho sehr plausiblerweise, viel mehr Zusammenarbeit! als Konkurrenz!
    Wäre also wohl primär die Frage der Psychologie und des inneren Aggressionspotentials der damaligen Gesellschaften (allgemeine maximale Nationalismen und dito Rassenideologien, etc) in denen Darwin lebte?

  3. Bereits die Frage »Ist Religion ein Produkt der Evolution?« suggeriert eine Natürlichkeit und existentielle Notwendigkeit religiösen Glaubens. Diese Suggestion hat offensichtlich eine enorme Strahlkraft aber leider mit fatalen Folgen.

    Religion basiert auf »Glauben statt Wissen«. Der Frühmensch projizierte seine eigene Willensbildung nicht nur auf die belebte Natur sondern auch auf Naturereignisse. So wie das Tier, vielleicht in Form eines Tigers, gefährlich für ihn war, und willentlich jagte und tötete, so wurde dieses Denkkonzept auf Feuer, Blitze, Donner und Regen übertragen. Irgendetwas Leibhaftiges musste doch verantwortlich sein. Götter und Dämonen wurden so geboren. Eine genetische Komponente als Erklärung für Glaubensmuster ist nicht notwendig. Wenn man unter Evolution Selektion und Mutation als konstruktive Werkzeuge der Entwicklung betrachtet, so ist das heutige Festhalten an Religion eine “törichte” Tradition.

    Plakativ formuliert: Das der (vermeintlich aufgeklärte) Mensch von heute seinen religiösen Fantastereien weltbestimmend nachgeht ist eine globale Katastrophe. Religion gehört abgeschafft. Solange Menschen, die für sich in Anspruch nehmen intelligent zu sein, Religion propagieren und zelebrieren wird es keinen nachhaltigen Denkfortschritt geben.

    Beispiel:
    Die Weltbevölkerung wächst unaufhaltsam an. Jedes Individuum erzeugt auf Grund der stetig aufrecht zu erhaltenden ca. 37 Grad Celsius Körpertemperatur sozusagen ein lokales thermodynamisches Ungleichgewicht, welches durch Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt werden muss. Dazu kommen diverse Standardgebrauchsgüter, Transportmittel,…usw.

    Nehmen wir mal an, daß das menschliche Wirken einen signifikanten Einfluss* auf das globale Klima hat, dann ist festzustellen, daß der mit Abstand größte „klimaschädliche“ Aspekt der Mensch selber ist, was von den Massenmedien grundsätzlich nicht kommuniziert wird. Eine Reduktion der Weltbevölkerung durch stark verminderte Reproduktionsraten ist der effizienteste „Klimaschutz“. Ob im (“westlichen”) Europa jemand mehr oder weniger Auto fährt, mehr oder weniger Strom verbraucht, … ist in Anbetracht der Bevölkerungsexplosion und massiver Industrialisierung insbesondere Asiens und Afrikas ohne wirkliche Bedeutung.

    * http://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/aa7541/pdf
    https://www.biologicaldiversity.org/programs/population_and_sustainability/pdfs/OSUCarbonStudy.pdf

    Zur Erinnerung: Um 1800 betrug die Weltbevölkerung mal gerade 1 Milliarde Menschen.1950 ca. 2,5 Milliarden, 2010 ca.7 Milliarden. Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1694/umfrage/entwicklung-der-weltbevoelkerungszahl/ http://pdwb.de/nd02.htm

    Die Prognose für 2040 liegt bei 9 Milliarden. Des Weiteren werden Menschen „im Mittel“ weltweit deutlich dicker. Realistisch betrachtet müssten wir also auch das mittlere Gewicht der Menschen berücksichtigen, was die Lage noch verschlimmert.

    Es wird in den nächsten 2 Jahrzehnten zu einer Industrialisierung mehrerer Milliarden schon existierender und mehrere Milliarden „neuer“ Menschen insbesondere in Asien und Afrika kommen. Auf diese Entwicklungen hat der „Westen“ kaum Einfluss. Viele dieser (neuen) Menschen werden zukünftig motorisiert sein und möchten technische Errungenschaften des Alltags besitzen, die allesamt bei der Herstellung und dem Betrieb Energie „kosten“.

    Vorschlag: Wenn Sie etwas bewegen wollen, dann müssen Sie mit einer rational begründeten Meinung „dahin gehen wo es kulturell-religiös wehtut“. Verklickern Sie den armen, meist irgendwie religiösen Menschen die einfache Parole: Sex ja, Reproduktion nein!

    Abschliessend: Bevor unnötig Mißverständnisse aufkommen, Spiritualität ist für den analytisch denkenden, von kulturreligiösen Indoktrinationen befreiten Selbst-Denker kein “Problem”. Denn die Kernfrage, woher “wir” kommen, ist berechtigt.
    Entstehungsmythen, egal welcher Ausrichtung, gehören jedoch nicht in konstruktive Denkmodelle zur Seinsbeschreibung. Wie gewalttätig, ausgrenzend und statisch, nach wie vor, insbesondere monotheistische Religionen agieren, sollte eigentlich jedem klar sein. Die Zunahme der Existenz moderner, aufgeklärter Zeitgenossen ist ein Mythos. Das Gros der Menschen ist (auch) im 21.Jahrhundert weit entfernt von basisnahen analytischen Argumentationen.

    • Lieber @Dirk Freyling,

      Sie sind jetzt sicher schon der 100te Rationalist, der hier vorbeispaziert und mal eben seine Privattheorie verkündet. Die nur leider seit Jahrzehnten überholt ist.

      Denn Effekte wie die – von Darwin übrigens bereits zu Recht erwartete – höhere Kooperationsbereitschaft und die durchschnittlich erhöhte Kinderzahl unter religiös aktiven Menschen hat sich eben keiner ausgedacht, die sind empirisch beobachtet worden. Und zwar auch nicht erst bei Schriftreligionen, sondern sogar schon bei Jägern und Sammlern, vgl.:
      https://www.spektrum.de/news/vom-nutzen-des-geschichtenerzaehlens/1524457

      Extrem kooperative und kinderreiche Religionsgemeinschaften wie die Amish oder Haredim verschwinden nicht, wenn wir uns das wünschen oder einreden. Sie müssen sich also jeden Tag neu entscheiden, ob Sie weiter nur Ihren jeweiligen ideologischen Vorlieben nachlaufen wollen – oder auch mal dahin gehen, wo die Daten hinführen und die Erkenntnis beginnt. Und die Forschungen weisen längst weit über die x-te Version von “Steinzeitmenschen konnten sich Blitz und Donner nicht erklären” hinaus. Hier eine einfach zu lesende und kostenfreie Einführung zum “Homo religiosus”, eine einstige Titelgeschichte bei Gehirn & Geist:
      https://www.spektrum.de/magazin/homo-religiosus/982255

      Trauen Sie sich. Ich gebe zu, dass empirische Wissenschaften die eigenen Vorurteile ganz schön herausfordern können – aber es lohnt sich.

      Ihnen alles Gute!

  4. Alle Eigenschaften von Lebewesen sind ein Produkt der Evolution.
    Jene Lebewesen, die sich häufiger fortpflanzen, sind auch häufiger zu finden.
    Jene Ideologien und Religionen, die eine häufige Fortpflanzung fördern, sind häufiger zu finden.
    Eine häufige Fortpflanzung führt zwangsläufig irgendwann zum Mangel an Ressourcen und zu Konkurrenzvorgängen.
    Jene Ideologien und Religionen, die eine häufige Fortpflanzung fördern, sind für die einzelnen Individuen nachteilhaft.
    —–
    Bevor jemand den Malthusianismus erwähnt:
    Von der Solarkonstante mit 1367 Watt pro Quadratmeter kommen bei uns im Jahresmittel höchstens 200 Watt pro Quadratmeter an.
    Der Wirkungsgrad der pflanzlichen Photosynthese liegt unter 2 Prozent.
    Der Grundumsatz des Menschen liegt über 100 Watt.
    Selbst wenn bei der Verarbeitung und der Verdauung keine Verluste vorkommen würden, würde man 25 Quadratmeter pro Person benötigen.
    Wenn man alle unvermeidbaren Verluste berücksichtigt, dann kommt man auf weit über 100 Quadratmeter pro Person.
    Diese Personen wären dann aber nur auf eine ganz primitive vegetative Existenz beschränkt.

  5. Michael Blume
    Ihr Denkansatz “Auch die Religion lässt sich als erfolgreiches Produkt der Evolution hervorragend erklären ” ist für Religiöse und für nicht Religiöse akzeptabel.

    Der Volksmund sagt, “Von Nichts kommt Nichts” und meint damit, dass alles eine Ursache hat. Und wenn es die Religiosität gibt, dann gibt es auch eine Ursache.

    Dirk Freyling
    “Entstehungsmythen, egal welcher Ausrichtung, gehören jedoch nicht in konstruktive Denkmodelle zur Seinsbeschreibung. ”
    Meiner Meinung nach, denken sie hier etwas zu eng. Entstehungsmythen sind nicht nur reine Phantasie, sondern eher eine Projektion menschlicher Logik. Der Gedanke, dass alles einen Anfang hat, ist ein logischer Schluss, der Gedanke, dass alles ein Ende hat, ist ein logischer Schluss. Wie würden Sie denn eine Seinsbeschreibung von sich selbst machen ohne Anfang und ohne Ende ? Pikanterweise übersteigt ja die Eingottreligion selbst diese Grenzen indem behauptet wird :”Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort”.
    Merken Sie etwas. Hier wird die Grenze der Transzendenz überschritten, indem die Seinsbeschreibung auch unser Denken mit einbezieht. Welche Naturwissenschaft macht das? Also, schauen Sie nicht hochnäßig auf die Altvorderen herab, die haben sich auch schon Gedanken gemacht und letztlich noch viel tiefere als heute.

  6. @Dirk Freyling

    “Glauben statt wissen” gilt noch heute primär für die Wissenschaft.

    Die Fragen werden immer noch deutlich mehr als weniger (wie sind also noch weit von 50%, ab dann würde es tendentiell relevant und zuverlässig, Wissen entfernt)!

    Und von zB 95% dessen was es im Universum gibt (dunkle Materie und Energie) weiß zumindest die westliche Wissenschaft nicht was es ist.

    Man muß auch seine Grenzen kennen.
    Sonst wird’s unwissenschaftlich.

    Es gibt in den Wissenschaften immer einen aktuellen modischen Mainstream. Darüber hinaus gilt ja leider immer noch die Aussage von Max Planck (die definiert quasi das “MaxPlanck-Syndrom” der Wissenschaft, es menschelt eben überall, nicht nur zB.. in der Religion): “eine neue Theorie setzt sich nicht durch indem die Gegner überzeugt werden sondern indem sie aussterben”.
    🙁

    Ok, es gibt quasi noch ein zweites “MaxPlanck-Symdrom”, quasi “MPS2”, das was Max Planck gesagt wurde als er Physik studieren wollte: “es ist schon fast alles erforscht, gibt nur noch kleine Lücken”.
    Wie oft gab es das schon.
    Und hat nie gestimmt. Bis heute.

    Selbst Erkenntnisse rein materialistischer/klassischer Physik wie die von Gerald Pollack (“Wasser: viel mehr als H2O”, müßte eigentlich alle Wissenschaften umkrempeln die mit der Biosphäre zu tun haben, incl. Medizin etc) werden weiterhin ignoriert.
    Was ist den dann erst mit den richtig quantenphysikalischen Dingen (die Quantenphysik hat den “Materialismus” eigentlich schon der Lüge überführt)

    PS in Jerusalem gibt’s ein großes künstliches Tempelbergsplateau. Und es gibt noch Steine vom letzten, herodianischen Tempel.
    Das alles kann man sogar anfassen.
    Man muß nicht glauben.
    Übrigens bestätigen die Juden in ihrer Hetzschrift Toledot Jeschu (die hat schon Luther geärgert/verletzt) die Evangelien grob.
    Wer noch glauben muß weiß eventuell einfach zu wenig.
    Glaube braucht ja auch eine Grundlage.

    Wenn zB Jesus zu jemandem sagte: glaubst du? dann stand damals diese Grundlage anfaßbar genau vor der Person.
    Neben den Kenntnissen im Tanach (nicht Talmud)

    PS2 Tom Bearden bezeichnet die heutige Wissenschaft zutreffend als Religion (ok, damit tut er den Religionen Unrecht die ja zB oft auf konkreten Erfahrungen basieren, erstmal wertneutral).
    Weil sie so viele Fakten ignoriert.

    PS3 Übrigens können Hühner erwiesenermaßen (einfach messen was ins Huhn reingeht und was zB hinten rauskommt, zB Kalzium, können die bei Bedarf aus Kalium herstellen, ist ja auch nur ein Buchstabe/Proton anders) Elemente transmutieren!
    Stichwort “Kervran”.

  7. Dirk Freyling
    “Eine genetische Komponente für die Erklärung dieser Glaubensmuster ist nicht notwendig…”
    Die damalige DDR hatte es geschafft innerhalb von ca. 40 Jahren ca. 85 % der Bevölkerung zu Atheisten zu “erziehen”. Würde ich die genetische Komponente in Betracht ziehen, so hätten nach 1989 (Wende) viele dieser Nichtgläubigen wieder den Weg zum religiösen Glauben gesucht, was nicht geschehen ist. Selbst die Kinder und Enkel dieser DDR-Generation scheinen -in freier Entscheidung- den atheistischen Weg zu gehen.Eine genetische Vererbung von RELIGION scheint mir daher sehr unrealistisch.
    Anmerkung:
    In den ostdeutschen Bundesländern erfreut sich die “Jugendweihe” weiterhin sehr großer Beliebtheit. Diese atheistische Feier dominiert eindeutig über solche christlichen Feiern wie Konfirmation oder Kommunion.
    Was der genetischen These von oben wiederum eindeutig widerspricht.

    • Eben nicht, @Golzower: Gerade auch die Nachfrage nach Jugendweihen, Verschwörungsmythen etc. belegt sehr klar, dass auch die sozialistische Diktatur keine „neuen Menschen“ züchten konnte. Alleine die Bereitstellung des gesamtdeutschen Rechts- und Sozialstaates mit entsprechend hoher existentieller Sicherheit hat eine massive Rückkehr in die Religionen verhindert, wie sie z.B. in Russland eingetreten ist.

      Und von den mittel- und längerfristigen Folgen der Religionsdemografie wollen wir jetzt mal einfach ganz absehen. 🙂

  8. PS @Dirk Freyling

    zumindest der rational denkende Menschen weiß das nicht die absolute Bevölkerungszahl eines zB Landes das Problem ist sondern das Produkt der Bevölkerungszahl mit dem pro Kopf Ressourcenverbrauch.
    Und so bekommt man dann ganz schnell heraus wo die echten Probleme sitzen (quasi der Balken im eigene Auge).

    Übrigens emittiert die Menschheit aktuell jährlich 1,7% (36.000.000.000 Tonnen) des vorindustriellen kompletten atmosphärischen CO2-Inventars.
    Mal für 10 oder 50 Jahre hochrechnen.
    Und man kann herausbekommen woher dieses CO2 stammt (Ergebnis: eher komplett aus unseren diversen Auspuffen/fossilen Lagerstätten)
    Der wirksamere Wasserdampf folgt dem CO2 dann sekundär.

    In Amerika gibt es seit 1980 die “georgia guidestones” (“neuere in Stein gemeißelte 10 Gebote”).
    Gebot Nr. 1 lautet: “halte die Menschheit immer unter 500 Millionen”.

    Das ist natürlich Lüge/Heuchelei da man zB.. heute auch deutlich mehr Menschen nachhaltig etc versorgen könnte.

  9. @Dirk Freyling
    Der Denkfortschritt, wie Sie ihn bezeichnen, sorgte letztlich für die grösste Herausforderung, vor der die Menschheit gestellt wird. Ansichten, wie sie im deutschsprachigen Raum von Stefan Bauberger (Physiker, Philosph und Priester) vertreten werden, gehen so weit, dass den Naturwissenschaften insofern ein Scheitern bescheinigt werden muss, da durch sie und der mit ihr einhergehende Technologie ein Höchstmaß an Umwälzung und Zerstörung widerfahren ist, die sich heute als Klimawandel bemerkbar macht.
    Das Argument, dass dies letztlich durch den Menschen verursacht wird und nicht durch dessen ratio ist hier aus mehreren Gründen nicht anwendbar, da dies ebenso für dessen Religiosität gelten würde.

    Forschungen wie die des Psychologen und Genetikers Thomas Bouchart oder Laura Koenigs weisen deutlich darauf hin, dass Religiosität in einem gewissen Maß genetisch verankert sein muss und für die Menschheitsentwicklung von Vorteil gewesen sein muss.

    Was das Bevölkerungswachstum angeht: Im aufgeklärten Westen, in dem die Religiosität im Vergleich zu Südamerika, Afrika, Vorder- und Südostasien deutlich geringer ist stagniert das Bevölkerungswachstum oder nimmt sogar ab, was als Folge eines irrtümlichen Rationalismus angesehen werden kann. Die Chinesischen Akademie der Wissenschaften hatteb im Interesse einer stabilen Bevölkerung die Regierung aufgefordert auf eine Zwei-Kind-Politik umzusteigen, was im Endeffekt bedeutet, dass Wissenschaft bei ausreichendem Kenntnisstand
    (hier Anthropologie) und Religion die gleichen Wirkungen haben können.

  10. Sehr geehrter Herr Blume,
    sehr aufschlussreich ist auch die
    “Rostocker Langzeitstudie zur Entwicklung von Gottesverständnis und Gottesbeziehung von Kindern, die in einem mehrheitlich konfessionslosen Kontext aufwachsen” von Szagun http://szagun.org/
    Lange wurde ja im Christentum und im Islam diskutiert, ob die Religion Veranlagung (lat. natura, arab. fitraطرة ) ist , oder ob sie durch Erziehung gebildet wird. Auf der Basis dieser Studie kann man sich dieser Frage ganz neu stellen.

  11. Menschliches Denken, Vorstellungvermögen, Phantasien sind ein Produkt der Evolution.
    Religion ist ein Produkt menschlicher Phantasie. Eine indirekte Folge also.

    • Oh ja, @Markweger: Auch Wissenschaften, Mathematik, Staaten, Völker und dieses Internet sind aus der menschlichen Phantasie hervorgegangen.

      Gerne würde ich Ihnen dazu das geniale „Homo sapiens“ von Yuval Noah Hariri empfehlen. Falls Sie Bücher lesen und auch solche jüdischer Autoren (zwei große „Falls“, ich weiß)… 😉

  12. @Jens Blume
    Erstens, was Phantasie betrifft, ja durchaus!

    Zweitens, es ist mir völlig gleichgültig, von wem ein Buch stammt. Dieses Vorurteil dass sie mir unterstellen habe ich überhaupt nicht. Ich lehne freilich eine Ideologie ab, ob nun politische Ideologie oder Reilgion, die sich selbst als etwas höheres hält als alle anderen. Ich lehne auch den Extremismus in unserer Geschichte ab, allerdings sehe ich auch keinen Grund ins extreme Gegenteil zu verfallen.
    Ich bin nicht der der nicht zu differenzieren vermag.

    Ich habe früher viel gelesen, ich muss aber zugeben, wohl vor allem aufgrund des Internets, das ich schon länger kein Buch mehr gelesen habe. Da bin ich aber nicht der einzige. Tatsächllich bietet das Internet heute ja auch eine Fülle von Informationen.

    • Vielen Dank, @Markweger – tatsächlich hatte ich anhand Ihrer Gedanken und Ihres Schreibstils genau das vermutet: Dass das reflektierende Bücherlesen hinter das Internet zurückgetreten ist. Auch deswegen mein Appell.

      Ich kann Ihnen einfach nur versichern, dass sich das Judentum nicht für “etwas höheres hält als alle anderen”. Gerade auch nach jüdischem Glauben sind wir alle Kinder Noahs und es ist nicht nötig, Nichtjuden durch Bekehrung “zu retten”. Unter dem Stichwort “Noahbund” habe ich dazu einiges gebloggt.

      Hier auch eine Friedensvision aus einem Buch – der Bibel -, die zeigt, dass es gerade im Judentum keinen “rassischen” Überlegenheitsanspruch gibt und dass ein Frieden auch mit den Nachbarn dereinst gefunden werden soll. So heißt es in Jesaja 19, 23 f.:
      “Zu der Zeit wird eine Straße sein von Ägypten nach Assyrien, dass die Assyrer nach Ägypten und die Ägypter nach Assyrien kommen, und die Ägypter samt den Assyrern werden dem Herrn dienen.
      24 Zu der Zeit wird Israel der Dritte sein mit Ägypten und Assyrien, ein Segen mitten auf Erden;
      25 denn der HERR Zebaoth wird sie segnen und sprechen: Gesegnet bist du, Ägypten, mein Volk, und du, Assur, meiner Hände Werk, und du, Israel, mein Erbe!”

      Glauben Sie mir: Das Internet ist klasse. Aber es wird nie die Bildung & Reflektion ersetzen können, die auch aus echten Büchern stammt… 🙂

  13. @Michael Blume. Meinten Sie Eine kurze Geschichte der Menschheit oder Homo deus? Ich würde meinen, Eine kurze Geschichte der Menschheit wäre für den Anfang ausreichend. Wie hat die Washington Post doch gleich rezensiert: […. ist ein wichtiger Lesestoff für aufgeschlossene, nachdenkliche…]. Dem würde ich mich uneingeschränkt anschließen.

  14. Anhang:
    Wo liegt ungefähr die Low-Tech-Grenze?
    Ukara wird als afrikanisches Musterbeispiel für eine jahrhundertealte und bis heute intensiv wirtschaftende Agrargesellschaft beschrieben, die Ende des 19. Jahrhunderts bereits über 200 Einwohner pro Quadratkilometer ernähren konnte.
    1 Quadratkilometer sind 1.000.000 Quadratmeter.
    Das sind dann 5000 Quadratmeter pro Person.
    Die Verwendung fossiler Energieträger gilt natürlich nicht als Solarenergie.
    Außerdem betrieb man auf Ukara auch noch Fischfang in den umliegenden Gewässern, die nicht in der Landfläche berücksichtigt wurden.
    —–
    Wo liegt ungefähr die High-Tech-Grenze?
    Solarkonstante unter 1367 Watt pro Quadratmeter.
    Grundumsatz über 100 Watt.
    Rund 10 Personen pro Quadratmeter.
    Wohnfläche 25 Quadratmeter pro Person.
    250 Stockwerke mit 3 Metern Höhe.
    750 Meter Bauhöhe.
    Diese Dicke müsste dann eine Dyson-Sphäre um die Sonne haben.
    —–
    Bevor jemand das Derailing erwähnt:
    Es geht hier immer noch um eine friedliche Welt mit maximaler Vermehrung.

  15. Corrigendum
    Das mit “Homo sapiens” bezeichnete Buch von Yuval Noah Hariri trägt im Handel den Titel “Homo Deus”.

    Oder war gar gemeint, “Eine kurze Geschichte der Menschheit”?

    Eventuell muß man zwei Bücher lesen.

  16. Es bleibt nebensächlich, nur falls das nochmal jemand korrekt zitieren möchte: Im englischen Originaltitel steht kein Homo, da heißt es nur

    Sapiens – A Brief History of Humankind

    Warum bei der deutschen Übersetzung sapiens (weise; auch einsichtig, klug) gekürzt wurde, dazu mag sich jeder seine eigenen Gedanken machen – sapere aude.

    (Das Buch mit Homo, Homo Deus, gibt es seit Neuestem auch als Taschenbuch.)

  17. Klar scheint mir, dass religiöses Denken durch die Evolution ermöglicht wird, bei Pantoffeltierchen soll es ja noch nicht so verbreitet sein. Aber atheistische Pantoffeltierchen sind auch selten, genauso wie solche, die Briefmarken sammeln. Briefmarkensammeln bei Menschen wiederum wird durch die Evolution ermöglicht, aber als “Produkt der Evolution” wird man es kaum bezeichnen wollen. Kann man die Entwicklung der Religion wirklich von der kulturellen Entwicklung trennen und als “Produkt der Evolution” dingfest machen? Die Frage ist nicht polemisch gemeint, ich habe mich damit nicht näher beschäftigt. Viel Spaß bei der Tagung im schönen Marburg.

    • Lieben Dank für die Nachfrage, @Joseph Kuhn. Meines Erachtens sind gar keine Spezialannahmen nötig: Auch bei Sprache und Musik ist die biologische Evolution der neuronalen und anatomischen Grundlagen nicht zu trennen von der kulturellen Evolution der Inhalte. Es gab keine Evolution der Sprachfähigkeit (biol.) ohne Evolution von Sprachen (kult.), ebensowenig wie eine Evolution der Religiosität (biol.) ohne religiöse Traditionen (kult.).

      Und der Kooperations- und Reproduktionserfolg ist ja von den Agta bis zu den Amish längst ausreichend beschrieben.

  18. Ein Buch “Homo sapiens” gibt es auch von Ray Kurzweil,
    der ziemlich genial ist.
    —–
    Nachtrag des Anhanges:
    Die Leistung der Sonne beträgt 3,846 mal 10 hoch 26 Watt.
    Es gehen sich also 3,846 mal 10 hoch 24 menschliche Grundumsätze aus,
    wenn man auf alle anderen Aktivitäten verzichtet.
    Dieses Ziel erreicht man von 7,5 Milliarden Menschen ausgehend
    in 49 Verdoppelungs-Generationen mit insgesamt 1470 Jahren Dauer.
    Danach benötigt man noch weitere Fixsterne für die Dyson-Sphären,
    und zwar alle 30 Jahre doppelt so viele.
    Zu diesem Thema gibt es auch ein Buch: “Accelerando” von Charles Stross.

  19. @ Michael Blume:

    Danke für die Antwort. Wenn die Evolution der neuronalen Grundlagen der Religiosität nicht von der kulturellen Evolution der Inhalte zu trennen ist: Müsste man dann nicht auch schon aus diesem Grund ein Misstrauen gegenüber religiösen Tendenzen pflegen, eben weil sie evolutionären Rückenwind haben und somit erst einmal unter Irrationalitätsverdacht (als rein kausale Outcomes) zu stellen wären? Analog dem, wie wir auch anderen evolutionär begünstigten Heuristiken/Neigungen/… mit Vorsicht begegnen müssen, weil evolutionärer Erfolg nicht Wahrheit verbürgt?

    Viele Grüße!!

    • Ja, unkritisch sollte man auch Produkte der Evolution nicht feiern, @Joseph Kuhn: Auch deswegen stimme ich Darwins Aussage zu, Religionen sollten auch rational reflektiert werden (er hatte ja auch selbst Theologie studiert). Und habe ja auch viel über die Gefahren von Radikalismus und Fundamentalismus geschrieben.

      Gleichwohl vermag ich „irrational“ nicht mit „schlecht“ zu identifizieren. Auch die Evolution von Liebe, Musikalität, Kreativität usw. scheint mir nicht nur „rational“ zu sein.

      Darf ich entsprechend ehrlich interessiert nachfragen, wie Sie „Rational“ definieren würden?

  20. @ Michael Blume:

    “Darf ich entsprechend ehrlich interessiert nachfragen, wie Sie „Rational“ definieren würden?”

    Kommt auf den Kontext an. In dem Fall war es einfach so gemeint, dass evolutionär ausgelesene Neigungen oder Kognitionen zunächst nur einen zurückliegenden Überlebensvorteil widerspiegeln und nicht notwendigerweise wahre Aussagen über Sachverhalte.

    Dass Musikalität nicht nur “rational” ist, dem stimme ich zu, auch wenn ich gar nicht weiß, was das Wort hier genau bedeutet (Sie meinen vermutlich so etwas wie “nicht nur logisch nachvollziehbar” oder “nicht nur das Denken ansprechend”?), und mit Kategorien wie “schlecht” wäre ich in solchen Zusammenhängen ohnehin sehr vorsichtig.

    Sorry, wenn das etwas kryptisch und auch etwas vorläufig klingt. Auf die Frage, was 2+2 ist, hätte ich eine klarere Antwort geben können (und zwar mit wahrheitsbeanspruchender, in gewissem Sinne rationaler Begründung, nicht nur kausal erzeugt ;-)).

  21. Als rationales Verhalten kann man es bezeichnen, wenn man genetisch oder kulturell verursachte Verhaltensweisen unterdrückt, die auf längere Sicht unangenehme Auswirkungen haben.
    Zu diesen, auf längere Sicht schädlichen, Verhaltensweisen gehört zum Beispiel die Fremdenfeindlichkeit, oder die übermäßige Vermehrung.
    (Deshalb meine seltsame Berechnung eines Amish-Haredim-Universums.)
    Die Musik gehört nicht zu den Verhaltensweisen, die man aus rationalen Gründen unterdrücken sollte.
    Grundsätzlich stammen alle Verhaltensweisen aus genetischen oder kulturellen Ursachen.
    Die Vernunft alleine setzt keine Ziele, sie dient nur zum Erreichen der Ziele.

  22. @Blume
    Ich halte Ratio/Vernunf für nur einen Teil des Bewusstseins. Was ist mit Trieb-Motivation,Instinkt,Intuition,Kreativität,Phantasie,Gefühl-Emotion,Information,Logik,Lernen usw?Es gibt Zustände,in denen mal das eine,mal alles alles zusammen kommt. Vielleicht ist Ratio nur ein Veto,letzte reflektierende Instanz? Daraus eine einheitliche allgemeingültige Definition zu machen scheint mir sinnlos.

    Mich hat ein Freund mal gefragt, warum es im Islam keinen Humor gibt. Es ist ‘alles’ ernst. So kommt es zumindest rüber. Gotteslästerung zum Beispiel. Ehrverletzungen.Irgendwie kennen das ältere der Lebenden noch. Mir scheint auch,dass eher Ernst als Angst einige umreibt. Gibt es islamische religiöse Ansichten zu Humor?

    • Danke, @Mussi – und, ja, in seinen „besten Zeiten“ gab es auch im Islam einen reichen Humor, z.B. die Schwänke des Nasreddin Hodscha. Der Verlust an Ambiguitätstoleranz und also auch Humor scheint mir tatsächlich Ausdruck einer tiefen Krise zu sein – und diese wiederum zu verschlimmern.

  23. Ich antworte auf zwei Diskussionen, das bitte ich zu beachten:
    1. Religion und Humor. Ich halte es für ein Erbe der Spätantike und ihrer Verstädterung, dass der sehr derbe Humor in der hebräischen Bibel nicht mehr wahrgenommen wurde. Texte wie 1. Mose 38 oder Ri 3, 12 ff (Ehud verschwindet durch die Toilette ) wurden sehr bald ignoriert. Auch im von Mohammed ist Humor überliefert. Die Hadith zu den vier Frauen und den Sklavinnen an einer Hand ist wahrscheinlich ein sehr derber, aber keinesfalls frauenfeindlicher, Männerwitz. (Die Sklavinnen wären dann die Finger – näher muß ich das wohl nicht ausführen…)
    2. Die evolutionären Vorteile der Religion scheinen mir darin zu liegen, dass eine Struktur aufgebaut wird, an der man sich orientieren kann. In der Pflegeethik ist das Problem als “Triage” bekannt. Es ist eine Regel und Reihenfolge im Notfall nötig, nach der man hilft, sonst hilft man gar keinem. Religiöse Regeln – so unsinnig sie aussenstehenden auch sein mögen- helfen, in Entscheidungssituationen eine Entscheidung zu treffen und nicht kopflos durch die Gegend zu rennen und gar nicht helfen zu können.

  24. Ihr lieben fleißigen Schreiberlinge…! Für einen Außenstehenden ist es nicht einfach, euren Gedanken zu folgen. Zum einen scheint ihr den Diskurs zu suchen, andererseits Bestätigung. Ich wünschte, ich hätte jemanden wie Herrn Blume zum Freund, um so manchen Abend in alkoholgeschwängerter Atmosphäre philosophieren zu können. In meiner Umgebung (ein ländliches Gebiet in Ostdeutschland) ist das eigentlich nur mit sich selbst möglich. Wie Vieles.
    Da ihr öffentlich Aufklärung betreibt, möchte ich mich auch kurz beteiligen. Ich mache soetwas sonst nicht, strebe nicht nach Öffentlichkeit sondern nach Ruhe und Wahrhaftigkeit. Aber ich habe heute zur Abwechslung etwas Zeit und Langeweile. Beim Schreibstil der meisten hier ist eine gewisse Selbstüberhöhung zu erkennen und die Tendenz zum Belehren. Zweifler scheinen nicht unter euch zu sein. Das ist gut für euer Selbstverständnis, erschwert aber neue Erfahrungen und Einsichten.
    Die Frage, ob es einen Gott gibt, eint euch. Ihr glaubt, die Wahrheit zu kennen. Der eine sagt: “Ja, schon immer!”, der andere: “Niemals, alles nur Evolution, logische Entwicklung, Werden und Vergehen, Veränderung.”. Zwei Seiten einer Medaille. Wer hat Recht? Beide und Keiner!
    Der eine bezieht sich auf die Welt die er kennt, in die er hineingeboren wurde. In dieser wird er sterben wie der andere. Es ist die “materialistische”, “rationale” Welt, die wir alle kennen, mit der wir kämpfen müssen jeden Tag und die uns täglich an Grenzen führt. Sie ist schrecklich und schön. Sie unterliegt ständiger Veränderung. Ihr fielen unzählige Lebewesen zum Opfer und unzählige wurden hineingeboren. Karl Bednarik: Auch die Menschheit ist selbstverständlich davon betroffen und wird unweigerlich untergehen! Früher oder später. Ist ganz egal. War schon immer so. Betraf Mikroben, Sterne, Planeten, Dino Saurier (betraf uns also auch schon früher, weil wir verwandt mit denen sind).
    Die andere Seite der Medaille glaubt, etwas erkannt zu haben. Fühlt, dass da mehr sein muss. Möchte nicht sterben. Hofft auf ewiges Leben. Wünscht sich einen Vater, einen Herrn und Führer. Sinn hinter allem.
    Gilt das wirklich nur für die eine Seite der Medaille?

    Und die Wahrheit?
    Sie liegt auf jeden Fall hinter den Dingen. Ist es nicht vermessen, sich überhaupt ein Bild davon machen zu wollen? Wie soll das auch funktionieren, als in jeder Hinsicht begrenztes Wesen? Und zusätzlich muss man sich ja auch noch fragen, was an unserer Welt nur scheint – und gar nicht ist. Manch einer zweifelt gar am freien Willen.
    Zusätzlich, oder zuallererst müsste man fragen, was man unter “Gott” eigentlich versteht. Es ist wie mit der Liebe. Alle wollen es genau wissen und doch ist es für jeden etwas anderes. Die “Gott” gänzlich ablehnen, lehnen oft dass ab, was ihnen darüber erzählt wurde. Den Mann mit Rauschebart, der über gut und böse entscheidet. Den muss man ablehnen. Man muss auch all das ablehnen, was Menschen darüber schrieben und nur dem folgen, was einem selbst eingegeben wurde. Die Wahrheit ist nicht kompliziert. Jeder kann sie verstehen, wenn er nur will und ein wenig nachdenkt. “Gott” findet sich leicht.
    “Er” ist in dir. Er sagt dir, dass das, was du gerade liest, ein Teil der Wahrheit ist. Sollten sich auch Rechtschreibfehler eingeschlichen haben.

    Ich denke über Gott und den Sinn des Lebens nach, seit ich 12 Jahre alt bin. Das ich Ostdeutscher bin, half mir, mich Religionen vorurteilsfrei zu nähern. Aber ich gebe zu, die “Rationalisten”, die zuerst an sich und dann lange an nichts glauben, sind hier häufiger anzutreffen.
    Und wie “Gott” wollte, kamen die Erkenntnisse “ganz von selbst”. Aber Worte sind leider zu begrenzt, als dass man anderen hiervon erzählen, geschweige denn, jemanden überzeugen zu könnte. Ich kann nur all denen, die nicht “wissen” wie ich und die nicht einmal glauben können sagen: versucht es bitte weiter. Seid euch dabei bewusst, dass ihr niemals in der Lage sein werdet, alles zu begreifen. Aber nur in der Gewissheit, dass alles einen Sinn hat, dass das Leben wertvoll ist, dass wir alle einmalig und doch mit allem verbunden sind und besonders die Liebe Wesentliches verändern kann, macht es auch auf Dauer Spaß!
    Der Mensch ist nicht Krone der Schöpfung. Es ist nur ein winziger Teil davon. Alle Teile, aus denen der Mensch zusammengesetzt ist, sind unglaublich alt. So alt wie unser uns bekanntes Universum. Nach unserem irdischen Tod werden sie sich verändern.
    Was ist Materie? Nichts anderes, als sich ständig verändernde Energie. Sie kann nicht aus dem Nichts entstehen und nicht im Nichts enden.
    Kaum ein anderes Wesen kann die Schöpfung so wahrnehmen und genießen wie wir. “Gott” und seine “Schöpfung” können sich durch uns selbst erfahren (psst, hier versteckt sich ein Sinn des irdischen Lebens).
    Niemand muss belehrt werden. Für alle gilt das Gleiche. Es braucht keinen Tag des jüngsten Gerichts. Denn wer hier Mist baut, nur an sich denkt, die Natur, Lebewesen, Tier und Mensch schadet, bekommt auch hier die Quittung! Versprochen.
    Und wer es gut meint, dem wird Gutes wiederfahren (auch wenn er trotzdem einmal von dieser Welt scheiden muss). Der Tod allerdings – ist nur eine Illusion. Aber eine gute. Das muss ich zugeben.

    Gute Nacht an alle da draußen!

  25. Hallo Herr Blume,
    am 27. August 2018 schreiben Sie um 16:37 von Yuval Noah Harari´s Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“.
    Daraus ein kleiner Auszug, der es in Bezug auf die Religion ausgesprochen aufgeklärt auf den Punkt bringt:
    „Das Einmalige ist, dass wir uns über Dinge austauschen können, die es gar nicht gibt. Soweit wir wissen, kann nur der Sapiens über Möglichkeiten spekulieren und Geschichten erfinden. Legenden, Mythen, Götter und Religionen tauchen erstmals mit der kognitiven Revolution auf. …“ (S. 37)

    „Groß angelegte menschliche Unternehmungen – angefangen von einem archaischen Stamm über eine antike Stadt bis zu einer mittelalterlichen Kirche oder einem modernen Staat – ist fest in gemeinsamen Geschichten verwurzelt, die nur in den Köpfen der Menschen existieren. Glaubensgemeinschaften basieren auf diesen kollektiven Mythen. Zwei Katholiken, die einander nie zuvor begegnet sind, verstehen einander ohne lange Erklärungen, weil beide glauben, dass es einen Gott gibt, der seinen Sohn auf die Erde geschickt hat, und dass dieser sich kreuzigen ließ, um die Menschheit von ihren Sünden zu erlösen. …“ (S. 41)

    „Heute gilt Religion oft als Inbegriff von Ausgrenzung, Streit und Hass. Doch die Religion war die dritte große Kraft, die zur Einigung der Menschheit beitrug. Da alle gesellschaftlichen Ordnungen von Menschen erfunden werden, sind sie zerbrechlich, und je größer eine Gesellschaft, umso zerbrechlicher sind sie. Den Religionen kam eine zentrale Aufgabe zu, weil sie diese zerbrechlichen Ordnungen legitimierten, indem sie auf einen übermenschlichen Willen verwiesen. Die Religionen behaupten nämlich, dass unsere Gesetze nicht etwa einer menschlichen Laune e3ntspringen, sondern von einer absoluten Autorität angeordnet wurden. Auf dieser Grundlage lassen sich einige Prinzipien Formulieren, die nicht in Zweifel gezogen werden können und der Gesellschaft ein stabiles Fundament geben.“ (S. 254)

  26. @Phil
    Wenn andere Menschen dieselben Überzeugungen mit einem teilen, einen sie, die gemeinsamen Überzeugungen. Unterschiedliche Überzeugungen dagegen bieten ein Konfliktpotential. Dass Minderheitsreligionen verfolgt wurden, sei es das Urchristentum oder das Judentum in Europa, ist nun mitnichten ein Geheimnis. Und wer die Kirchengeschichte etwas genauer kennt, … .

    Dies gilt vor allem dann, wenn die Überzeugung mit einem Wahrheits- und Absolutheitsanspruch einhergeht. Das ist nicht bei jeder Überzeugung der Fall (siehe unten: Kulturliebe).

    Es irritiert mich, dass Sie in Ihrem Kommentar – logisch betrachtet – so argumentieren, als gäbe es nur eine einzige und daher nur eine einigende Religion und das Konfliktpotential, das dadurch vorhanden ist, dass es mehr als eine Religion gibt, ausblenden.

    Mit der Kulturliebe ist es etwas anderes. Bei Kultur ist klar, dass es keine einzig wahre Kultur gibt, und Kulturen koexistieren, sich vermischen und verändern können.

    Bei Religion nicht unbedingt. Patchworkreligionen sind im Konzept von Religionen mit Absolutheitsanspruch nicht vorgesehen.

    Religionen grenzen sich von anderen Religionen oder vom Naturalismus ab. Und natürlich grenzt sich auch ein Atheist von den theistischen Offenbarungsreligionen ab, aber nicht von anderen Atheisten.

  27. @Phil,

    Das Einmalige ist, dass wir uns über Dinge austauschen können, die es gar nicht gibt. Soweit wir wissen, kann nur der Sapiens über Möglichkeiten spekulieren und Geschichten erfinden. Legenden, Mythen, Götter und Religionen tauchen erstmals mit der kognitiven Revolution auf.

    Wieviele “Dinge, die nur in Erzählungen existieren” finden sich in dieser Nachricht von 2004:

    Der chinesische Computerhersteller Lenovo übernimmt die Marke Thinkpad von IBM für 1,25 Milliarden Dollar.

    Lenovo und IBM sind “juristische Personen”, also Akteure, die mit keinem lebenden Individuum identisch sind. Das Thinkpad, auf dem meine Frau ihre Diplomarbeit geschrieben hat, ist ein konkretes Gerät, aber die Marke als solche ist im Wesentlichen nur eine Erzählung – und den Dollar hat Harari selbst als Beispiel genannt.

    Meine gesamte wirtschaftliche Existenz basiert darauf, daß mir fiktive Entitäten über ihre Angestellten und Subunternehmer ausrichten lassen, welches Gerät bei welchem Kunden welche Reparatur benötigt, und mir für die Erledigung dieser Aufträge ein ebenso fiktives Tauschmittel auf ein Konto bei einer Bank überweisen… erzählen Sie das mal einem Australopithecus.

  28. Hallo Herr Hertlein,

    Ihr Zitat: „Es irritiert mich, dass Sie in Ihrem Kommentar – logisch betrachtet – so argumentieren, als gäbe es nur eine einzige und daher nur eine einigende Religion und das Konfliktpotential, das dadurch vorhanden ist, dass es mehr als eine Religion gibt, ausblenden.“
    Ich habe lediglich wiedergegeben, was Harari schreibt, bewertet habe ich es (noch) nicht 😉
    Das Konfliktpotential blende ich nicht aus. Zu diesem Thema kann ich Ihnen die Bücher „Gewalt als Gottesdienst“ von Hans G. Kippenberg oder „Das Gewaltpotenzial der Religionen“ von Ina Wunn und Beate Schneider empfehlen, welches ich zum Großteil gelesen habe.

    Ihr Zitat: „Und natürlich grenzt sich auch ein Atheist von den theistischen Offenbarungsreligionen ab, aber nicht von anderen Atheisten.“
    Von anderen Atheisten habe ich mich auch schon abgegrenzt, keiner ist unfehlbar, was sein Wissen / seine Überzeugungen betrifft.

Schreibe einen Kommentar