Ist Dummheit gefährlicher als Bosheit? Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945) hatte Recht

Gestern war für mich als Christ, Demokrat und auch als Beauftragter gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben ein schwerer Tag. Denn es jährte sich am 9. April der 80. Jahrestag der Ermordung von Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945) im KZ Flossenbürg. Bonhoeffer gehörte zur “Bekennenden Kirche” und war einer der wenigen Theologen, die früh den menschenverachtenden und antichristlichen Charakter des Nationalsozialismus erkannten und anprangerten. Für viele von uns Christinnen und Christen spielt sein religiös-politisches Vor-Denken im Range des großen Rabbi Jonathan Sacks (1948 – 2020) eine riesige Rolle.

Genau aber deswegen wird Bonhoeffer nicht nur verdrängt, sondern auch zunehmend dualistisch umgedeutet: Vor allem in den USA zum vermeintlich rechtsdrehenden Evangelikalen, vor allem in Deutschland zum vermeintlich religionsfeindlichen Individualisten. Die Zahl der Menschen, die sich noch ernsthaft mit dem Glauben, Lieben, Hoffen und Denken Bonhoeffers befassen, sinkt rapide. Auch in großen, deutschen Medien werden stattdessen Kirchen und Christen wieder als “links” und “nicht mehr wichtig” verspottet und gar als “tiefer Staat” – Verschwörer bezeichnet.

Fossil finanzierte Neo-Faschisten zerstören wieder Demokratien, in den USA und auch mitten in Europa. Nur noch wenige widersprachen, als Union und FDP zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz im Bundestag Mehrheiten mit der AfD suchten. Stattdessen erzählte mir ein ÖRR-Journalist, er sei aufgefordert worden, mich nicht mehr zu interviewen. Dies nennt sich in der deutschsprachigen Politik trocken “Stummschalten”, funktioniert aber aufgrund des Fediversums immer schlechter.

Und obwohl der deutsche Bundestag einstimmig den Genozid am Ezidentum durch den sogenannten “Islamischen Staat” anerkannte, werden wieder auch völlig rechtstreue und gut integrierte Ezidinnen und Eziden in den Irak abgeschoben. Derzeit kann ich daher als einstiger Leiter des Sonderkontingents für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak leider auch kein Verdienst”kreuz” der Bundesrepublik annehmen. Ich finde, dass das Symbol des christlichen Glaubens gerade auch in der Bundesrepublik Deutschland für Glaubwürdigkeit und Menschenwürde stehen – oder eben weggelassen werden sollte. Der Humanist Karl Popper (1902 – 1994) hat mich von der auch philosophischen Relevanz des Kreuzes überzeugt.

Tja, und dann wurde gestern auch noch über den Femizid eines deutschen, wegen eines Brandanschlages auf einen Kirchenmann vorbestraften Neonazis an einer 17jährigen in Wetzler berichtet – selbstverständlich ohne Tagesschau, heute oder gar Sondersendungen. Denn es war ja gerade kein Wahlkampf und der Täter außerdem deutsch. Also gab es wenig mediales und öffentliches Interesse. Einzelfall, was will man(n) machen? Es hat doch alles nichts mit nichts zu tun.

Und dann kamen auch noch die ersten Umfragen heraus, in denen die AfD stärkste Partei noch vor der in ihren Werten und ihrer Glaubwürdigkeit erschütterten CDU / CSU erschien. Wer war da noch überrascht?

Ich postete dazu auf Mastodon, ins Fediversum:

“Nun liegt die #AfD also in einer ersten #Umfrage vor der #Union auf Platz 1, auch die #Linke gewinnt. Und, nein, liebe #Medien für die seriöse #Politikwissenschaft ist das kein „Schock“, sondern Wiederholung: Wer mit Faschisten spielt, wird von Faschisten verschlungen. Und wer die eigene #Glaubwürdigkeit in der Mitte opfert, stärkt die Ränder. Wer es jetzt noch nicht verstanden hat, will es nicht verstehen.”

Cover der umstrittenen "Bonhoeffer"-Biografie von Eric Metaxas aus den USA. Dietrich Bonhoeffer wird von Mehrheiten längst wieder ignoriert und sowohl von US-Evangelikalen wie von deutschen Säkularisten sinnwidrig umgedeutet. Foto einer umstrittenen Bonhoeffer-Biografie: Michael Blume 

Sie dürfen mich gerne auslachen, aber als zur Pressekonferenz zum neuen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD genau am 9. April 2025 ins Paul-Löbe-Haus eingeladen worden war, schöpfte ich einen kurzen Moment wieder Hoffnung. Denn auch der SPD-Reichstagsabgeordnete Paul Löbe (1875 – 1967) war wegen Beteiligung am Widerstand gegen Adolf Hitler (1889 – 1945) im KZ. Er entkam nur deshalb der Hinrichtung, weil die Gestapo nicht wusste, dass ihn die Widerständler des 20. Juli als Reichstagspräsident vorgesehen hatten. Ich dachte mir: Da sind doch vier kluge Parteivorsitzende stolzer, demokratischer, antifaschistischer Parteien. Zwei Christ-Demokraten sowie Lars Klingbeil und Saskia Esken (SPD). Einer oder eine werden das doch ansprechen!

Doch während der heiteren Pressekonferenz wurden weder Bonhoeffer noch Löbe auch nur mit einem Satz erwähnt. Auch keine Journalistin, kein Journalist hakte nach. Stattdessen wurde Friedrich Merz (CDU) gleich in der ersten Journalisten-Frage danach gefragt, ob er angesichts der Trump-Zollpolitik denn schon die Kurse in seinem Aktiendepot gecheckt habe. Allgemeine Heiterkeit. Auch Markus Söder (CSU) überzeugte wieder komödiantisch: “Liebe vergeht, Hektar besteht!” Ein schöner Schmunzler zwischendurch. Tut gut, ein bisschen Spaß muss sein, ich weiß schon. So geht eben Politik in Zeiten der Polykrise. Geschichte nervt, es braucht wieder “Zuversicht” und Erfolgsstories, kein lästiges Gedenken. Alles super.

Und nachdem ich also bedrückt und nachdenklich vom Büro nach Hause gefahren war, tobte sich auch noch ein feixender Rassist und Faschisten-Troll hier auf dem Blog zu antisemitischen Verschwörungsmythen aus. Ich antwortete deutlich und dachte: Sie werden stärker und wir werden weniger. Dummheit siegt wieder.

Selbstverständlich verstehe ich den demografischen, medialen, politischen und wirtschaftlichen Druck auf die derzeitige Bundespolitik – und unsere menschliche Kunst der Verdrängung. Es macht mir ja auch keine Freude, Euch und andere immer wieder mit den Lehren der Geschichte und Wissenschaften “zu nerven”. Und viele der Menschen, die gestern im Paul-Löbe-Haus waren, kenne ich persönlich und schätze sie als engagierte und aufrechte Demokratinnen und Demokraten verschiedener und auch keiner Partei- und Religionszugehörigkeit. Da saßen viele gebildete, bis zur Erschöpfung aktive und herzensgute Menschen!

Warum also sehen wir die Gefahren nicht? Warum lernen wir so schwer aus der Geschichte und den Wissenschaften? Warum finden wir uns mit dem Aufstieg der Neo-Faschisten, der fossilen Finanzierung von Antisemitismus und Kriegen und auch mit dem kommenden Hitzesommer 2025 ab, ohne wirklich dagegen zu halten?

Ein US-amerikanischer und ein südkoreanischer Fossilist.

Weltweit bekämpfen Fossilisten und Neo-Faschisten die rechtsstaatlichen Demokratien auch mit antisemitischen Deep State-Verschwörungsmythen, auch in den USA und Südkorea. Symbolbild: Michael Blume mit Leonardo.ai

Ich glaube inzwischen, dass Dietrich Bonhoeffer mit seiner These Recht hatte: “Dummheit ist gefährlicher als Bosheit.”

Mit Dummheit meinte Bonhoeffer dabei ausdrücklich nicht mangelnde Intelligenz oder geringe, formale Bildung, sondern die Neigung von uns Menschen, uns in Machtstrukturen zu ergeben, die wir nicht verstehen. Und ich meine inzwischen, er hatte leider Recht. “Dumm ist der, der Dummes tut.”, lernte ja auch der kluge (!) Filmheld Forrest Gump von seiner Mutter in einem der klügsten Filme ever.

Kaum jemand verstand in der Weimarer Republik die Macht der fossilen, zunehmend elektronischen Hugenberg-Medien, die die NSDAP von kläglichen 2,6 Prozent bei der Reichstagswahl 1928 innerhalb von nur fünf Jahren an die Macht brachten. Und auch heute versteht kaum jemand die Macht der fossilen, zunehmend digitalen Konzernmedien, die zur Bundestagswahl 2025 sogar einen AfD-Wahlaufruf von Elon Musk verbreiteten. Ich habe dazu ja gerade erst ein “Verschwörungsmythen”-Buch geschrieben und kann inzwischen sicher sagen: Immer mehr Rechtslibertäre wissen, was sie tun. Auch die neo-faschistischen Fossilblase-Langzeitisten erweisen sich dabei als dumm, weil sie gegen alle Wissenschaft sozialdarwinistisch glauben, die kommenden Jahrzehnte in Superyachten, Privatstädten oder gar auf dem Mars überleben zu können. 

Ich werde also weiterhin nerven und dafür Spott, Ablehnung und auch Beschimpfungen und Drohungen einstecken. Weil ich trotz des heftigen, gestrigen Tages glaube, dass Dietrich Bonhoeffer Recht hatte – und nicht umsonst gelebt und Widerstand geleistet hat. Er wird ja auch deswegen umgedeutet und verdrängt, “weil” er uns weiterhin viel zu sagen hat. Unsere menschliche Dummheit ist auch im 21. Jahrhundert gefährlicher als unsere Bosheit. Und ich glaube, dass diejenigen von uns, die das begriffen haben, nicht länger schweigen sollten. Wir erinnern doch nicht aus bösem Willen, sondern damit auch im Bundestag weiterhin Zuversicht verbreitet und gewitzelt werden darf.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

25 Kommentare

  1. Guten Tag @Michael Blume,

    umso wichtiger ist es, weiter zu erinnern – und notfalls auch zu „nerven“.

    In meiner Schulzeit wurde intensiv über Dietrich Bonhoeffer gesprochen – das Thema war präsent, meine Lehrerinnen und Lehrer hatten ihn klar auf dem Radar. Ich bin ihnen dafür noch heute sehr dankbar.

    Als kleinen, persönlichen Erinnerungsbeitrag habe ich gerade auf Mastodon eine Notiz gepostet:

    Ein Foto aus Gernsbach im Nordschwarzwald – meiner Heimat. Auf dem katholischen Friedhof dort sind meine Großeltern begraben. Eine Gedenktafel erinnert an Maria von Wedemeyer, Bonhoeffers Verlobte. Sie starb 1977 in Boston; ihre Urne wurde 1997 in Gernsbach beigesetzt. Eine kreuzförmige Plastik mit dem Gedicht „Von guten Mächten“ erinnert dort an sie und Bonhoeffer.

  2. Ich habe verschiedene Perspektiven, den Weltuntergang zu betrachten.

    [Sorry, Bro – nicht hier. Die Apokalypse überlassen wir mal bitte schön Gott. Bis dahin liegt es an uns, statt auf verdummende Katastrophenlust auf die Befreiung von Dummheit zu setzen. Danke & over, M.B.]

  3. Aufrichtiger Applaus…lang anhaltender Applaus…applaudierend aufstehen und noch lange weiter Applaus
    Ich habe Wasser in den Augen und bin tief beeindruckt.
    Welche spürbare Wut in diesem Text steckt und so viel Transformation.

    Vielen Dank für diese Worte und bitte nerven Sie weiter. Mir deucht ihr nerven ist alleine aus Ihrer Position heraus etwas erfolgreicher als das gleiche nerven der Aktivisten, was nicht an den Aktivisten liegt

  4. Guten Morgen @Michael,

    Danke für den ermutigenden und emotional berührenden Artikel!

    Bin selber dank Sprouds in Berührung mit Boenhoffer gekommen, Schultechnisch war er nicht wirklich Thema, bei uns war Franz Jägerstätter im Fokus. Später kam noch Johann Gruber dazu, der in Mauthausen zu Tode gefoltert wurde.
    Alle drei eint dabei wohl der Religiös motivierte, Gewaltlose Widerstand und die unbeschreibliche Härte mit denen sie von einem pseudo rational denkenden Regime niedergeschlagen wurden.

    Als ich in Jüngeren Jahren Peterson gelesen habe, kam der Satz: Das Böse kann man Logisch gut verstehen, kann es nachvollziehen. Das Gute und selbstlose Handeln dagegen bleibt schwer zu verstehen

    Dummheit gibt Böswilligen Handeln in der Art seine Legitimation weil sie auf ein verkürztes und vereinfachtes Weltbild setzt, wo Böses Handeln ganz legitim ist.
    Langfristiges Denken, aufbauendes, alles einbeziehende wird als kompliziert verworfen und somit als unnötig betrachtet.

    Hier wäre wohl Cipolla (auch sehr interessantes Sprouds Video) zu nennen. Die Gesetze der Dummheit und die Theorie der Dummheit vereinen sich perfekt. Dadurch das Dumme überall vorkommen können, durch Massenbewegungen gestärkt werden und somit ein Oberbewusstsein entsteht das das Individuum unterdrückt hat man ständig mit Problemen zu tun, die ja eigentlich einfach zu lösen wären. Nur, das wird durch den Dummen, der sich selbst Schadet und seinen Mitmenschen gleichermaßen dazu unmöglich gemacht.

    Nun jetzt aber die große Frage, was hilft gegen Dummheit?

    Da ich persönlich ebenfalls zu sehr dummen aussagen geneigt habe und manchmal immer noch neige, man lernt ja nie aus, habe ich zwei dinge gefunden die da sehr hilfreich sind.
    Einerseits Humor. Bei einem Artikel hat ein Muslim darüber geschrieben, das er einst sehr verstört war von einem Katholischen Freund, der ihm einen anzüglichen Witz über die Heilige Maria und dem Heiligen Geist verzählt hat. Es ging dabei um einen Baiern der in den Himmel kommt und eine Weißwurscht mit hatte. Später erst hat der Schreiber des Artikels erkannt, welche Kraft dahintersteckt, wenn man seinen eigenen Glauben nicht vollkommen Bierernst nimmt sondern eben mit Humor sich aus allzu radikalen Zwängen befreien kann. Was ja nicht heißt das man ein schlechter Muslim, Christ, oder vielleicht Sozialist ist, man nimmt eben sich selbst und seine Werte etwas zu Boden und bleibt auf den Teppich.

    Das Zweite war der Satz eines Chinesischen Philosophen (keine Ahnung welcher):

    Veredle nicht den Menschen, der Mensch veredelt sich selbst.

    PS: Nebenbei habe ich gerade erfahren das Bruno Kreisky ein Jude war und dank seiner Haft mit einem damaligen Nationalsozialist in Österreich, der ihm später zur Flucht verholfen hat, versucht hat das alles mehr oder weniger zur Seite zu schieben.
    https://www.furche.at/feuilleton/zeitgeschichte/bruno-kreisky-und-das-judentum-9896866

  5. Guten Morgen Herr Blume,

    hier nur ein kurzer Gruß und ein Wort der Unterstützung. Nein, Sie sind nicht allein. Und was der Faschist gestern geschrieben hat, ist unter aller Kanone.

    Nur habe ich nicht die Zeit (und zurzeit auch nicht die Kraft) für lange und ausgiebige Stellungnahmen.

  6. @Michael 10.04. 21:44 / Felo.ai

    „..die innere Befreiung des Menschen zum verantwortlichen Leben vor Gott die einzige wirkliche Überwindung der Dummheit ist…“

    So siehts dann wohl aus. Die Kräfte, die die Dummheit wiederum fördern, die sind sich ähnlich. Was früher gegen den Sozialismus ging, der drauf und dran war, in den Demokratien Mehrheiten zu finden, ist heute der Fossilismus dabei, seine Geschäfte mit der Förderung von Dummheit zu verlängern.

    Anders geht es ja auch kaum noch. Nicht nur die Klimawissenschaft weiß sehr genau Bescheid, auch die Grüne Technik bewegt sich zunehmend in Richtung Konkurrenzfähigkeit. Das kann man nur noch mit Dummheit aufhalten.

    Hoffen wir, dass der Mensch des 21. Jahrhunderts dann doch mehr drauf hat als die Menschen in der Nazizeit.

    Der Weg dieses aufzuhalten erfordert offenbar die Überwindung der asozialen Medien, und dieses wiederum einen Umbau der digitalen Technik in komplett transparente Open-Source-Lösungen. Programmcode sollte wo immer möglich einsehbar und gemeinfrei sein. Es ist offenbar einfach zu gefährlich, den einschlägigen Konzernen diese Geschäfte zu überlassen.

    Die weltanschauliche, spirituelle und religiöse Dimension ist jetzt allerdings auch mit dabei. Wer wirklich erkennt, in einem lebendigen Kosmos zu leben, der mag sich auch mit genau diesem Leben verbinden und verbünden. Ich kann es jedenfalls nur empfehlen.

    Die Position Chinas ist mir derzeit etwas unklar. Einerseits klar autokratisch, anderseits aber womöglich dennoch Verantwortungsbewusst? Die Zerstörung der internationalen Zusammenarbeit, die Trump hier anscheinend vorantreibt, die müssen wir ja nicht mitmachen. Dann kann der Rest der Welt eben immer noch arbeitsteilig florieren? Sollen es die USA eben alleine versuchen.

    Klar ist besser Made in Europe, aber so schnell können wir nicht alles. Die aktuellen chinesischen Angebote für PV-Module und Lithiumbatterien sollten wir jedenfalls nicht ausschlagen. Einmal gekauft, macht uns das definitiv unabhängig. Selber in die Produktion einsteigen können wir ja auch parallel gleichzeitig angehen.

    Und wie gesagt, wenn wir die eigene Braunkohle noch solange nutzen, wie wir sowieso noch fossiles Backup brauchen, dann müssen wir auch weniger Gas auf dem Weltmarkt einkaufen. Auch das ist noch mal ein Stück Unabhängigkeit, und spart zusätzlich Kosten. Die man wiederum in die Energiewende investieren kann. Besser PV-Module importieren als Erdgas.

    Auch Lithium-Kurzfrist-Speicher unterstützen ganz besonders die Energiewende. So kann sehr viel mehr grüne Primärproduktion vom Stromnetz verarbeitet werden, ohne einen riesigen Ausbau der Fernstromleitungen.

    • Vielen lieben Dank, @Tobias – und starke Zustimmung!

      Einige Sätze Deines Kommentars möchte ich gerne besonders hervorheben:

      “Nicht nur die Klimawissenschaft weiß sehr genau Bescheid, auch die Grüne Technik bewegt sich zunehmend in Richtung Konkurrenzfähigkeit. Das kann man nur noch mit Dummheit aufhalten.”

      Genau so ist es. Ich fahre ja seit 2017 französisch-elektromobil und erlebe selbst, dass die fossilistischen “Warnungen” vor angeblich mangelnder Reichweite, brennenden und verfallenden Batterien bloße Desinformation und oft auch einfach fossile Lügen waren.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/batterien-fuer-elektroautos-laenger-haltbar-immer-mehr-fossile-luegen-werden-entlarvt/

      So schreibt ja inzwischen auch das IfW Institut Kiel:

      “Ein neuer Report des IfW Kiel quantifiziert den sicherheitspolitischen Mehrwert einer ambitionierten EU-Klimapolitik. Jeder Euro, den Europa weniger für Öl ausgibt, spült 13 Cent weniger in die russische Kriegskasse und nimmt so den Druck auf europäische Verteidigungsausgaben. Diese könnten mit jedem eingesparten Öl-Euro um 37 Cent sinken. Die Berechnungen machen deutlich: Auch aus geopolitischer Perspektive ist ein höherer CO₂-Preis gerechtfertigt – ebenso hätte ein Tempolimit einen unmittelbaren sicherheitsrelevanten Nutzen.”

      https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/aktuelles/klimapolitik-traegt-zur-sicherheit-europas-bei/

      Hoffen wir, dass der Mensch des 21. Jahrhunderts dann doch mehr drauf hat als die Menschen in der Nazizeit.

      Nun, psychologisch gesehen sind wir noch nahezu die gleichen Menschen wie damals. Und die digitalen Medien, vor allem das Neurohacking der antisozialen Konzernmedien wie X, Instagram und Tiktok befeuern leider eine Gegenwartsinflation und damit auch einen Verlust an Geschichte. Mich hat es schon schockiert, dass auch etwa Andreas Rödder unwidersprochen im SPIEGEL über die Brandmauer herziehen konnte, als wäre dieser eine List demokratischer Parteien und keine Lehre aus den Abgründen des Nationalsozialismus:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/mit-den-kirchen-glaubwuerdig-gegen-geschichtsvergessenheit-und-verschwoerungsmythen/

      Der Weg dieses aufzuhalten erfordert offenbar die Überwindung der asozialen Medien, und dieses wiederum einen Umbau der digitalen Technik in komplett transparente Open-Source-Lösungen. Programmcode sollte wo immer möglich einsehbar und gemeinfrei sein. Es ist offenbar einfach zu gefährlich, den einschlägigen Konzernen diese Geschäfte zu überlassen.

      Ganz genau so ist es. Ich merke bei mir selbst und bei vielen anderen, dass der Ausstieg aus den antisozialen Konzernmedien und der Übergang ins nichtkommerzielle, selbstverwaltete Fediversum mit einer Reduktion von Dopamin und Adrenalin, mit einem Gewinn an Wohlbefinden und einem freundlicheren Blick auf Mitwelt und Mitmenschen einhergeht. Nicht zufällig nennt gerade auch die jüngere Generation den zeitweisen Verzicht auf Konzernmedien “detox” – Entgiftung. Das Wachstum des Fediversums entgiftet unsere Diskurse und Identitäten.

      Die weltanschauliche, spirituelle und religiöse Dimension ist jetzt allerdings auch mit dabei. Wer wirklich erkennt, in einem lebendigen Kosmos zu leben, der mag sich auch mit genau diesem Leben verbinden und verbünden. Ich kann es jedenfalls nur empfehlen.

      Auch dazu volle Zustimmung. Wenn wir uns nicht länger in eine digitalen Polarisierung und damit in feindseligen Dualismus treiben lassen, entdecken wir Schönheit und Wert unserer Mitwelt und Mitmenschen wieder. Und das ist dann auch eine emotionale, spirituelle und religiöse Dimension, die uns als Menschen nur gut tun kann und uns näher an den dialogischen Monismus führt. Deswegen bin ich durchaus noch hoffnungsvoll, dass das Wachstum des Fediversums in Europa unser menschliches Miteinander und unsere Demokratien wieder stärken kann. Mittelfristig könnte sogar der Zerfall von Familien, Gemeinschaften und Beziehungen gebremst, vielleicht gar wieder umgekehrt werden. Das wäre dann auch ein demografischer Demokratiesegen.

  7. @Michael 11.04. 16:10

    „Nun, psychologisch gesehen sind wir noch nahezu die gleichen Menschen wie damals.“

    Naja, die Psychologie selbst hat in diesen 95 Jahren schon an Erkenntnissen gewonnen. Diese sind freilich nicht die Psychologie der Menschen selbst, aber eine gewisse Verbindung mag dann doch auch bis unten angekommen sein.

    „Das Wachstum des Fediversums entgiftet unsere Diskurse und Identitäten.“

    Ich bin den asozialen Plattformen von Anfang an aus dem Weg gegangen, das ist an mir komplett vorbei gegangen. Die verlockende Reichweite war es mir nie wert, mich den automatischen Newsfeeds auszusetzen.

    „Mittelfristig könnte sogar der Zerfall von Familien, Gemeinschaften und Beziehungen gebremst, vielleicht gar wieder umgekehrt werden. Das wäre dann auch ein demografischer Demokratiesegen.“

    Da sehe ich echte Potentiale. Gerade eine Orientierung an weniger Karriere und Arbeit ermöglicht durch genügsameren Konsum dürfte Einfluss auf das Miteinander und die Nachwuchsfreudigkeit haben.

    Wenn man sich wirklich die Lage auf der Welt anguckt, und nicht nur das Klimaproblem wahrnimmt, sondern auch gleich die massive grassierende Verschwendung erkennt, dann kann man auch auf die Idee kommen, dass mehr Zeit und auch mehr Kinder mehr Sinn machen als das Gewicht des neuesten und noch fetteren SUVs.

  8. Bitte erst mal bis zum Ende lesen 🙂

    Ich weiß nicht, einfach auf die Dummheit der Menschen beziehungsweise die Bosheit zu abzustellen, ist das nicht eher das Verhalten der Menschen von ihrer sozio-ökonomischen Realität zu entkoppeln wenn man heute darauf zurückgreift?
    Unsere neoliberale Moderne fördert und fordert doch das zu sehende Verhalten. Wenn einfach nur dumm ist wer Dummes tut schiebt man doch die Verantwortung eher einfach ab auf den Einzelnen der doch auch nur versucht mit seiner faktisch vorhandenen Realität klar zu kommen.
    In den ersten 20, 30 Jahren der Bundesrepublik gab es einfach real einen Fahrstuhl nach oben.
    Unsere Art zu wirtschaften stösst aber tatsächlich irgendwann an Grenzen. Das die nächste Krise kommt ist einfach im System integriert.
    Das die Krise kommt war doch von Anfang an sicher: Die Profitraten sinken zwangsläufig durch die Konkurenz am Markt. Damit fallen zwangsläufig die Investitionen. Dadurch steigt zwangsläufig die Zahl der prekären Arbeitsverhältnisse. Man schaue nur mal auf den Aufstieg von Leiharbeit und Werksverträgen.
    Prekäre Arbeit war früher für Frauen und Migranten. Jetzt führen die ökonomischem Umstände dazu, das Mann auf einmal mit den Frauen und Migranten untem am Ende der Nahrungskette konkurriert.
    Ich wundere mich da nicht das man die Frauen dann auf einmal lieber am Herd und die Migranten draussen sieht.
    Was man der Linken vorwerfen kann ist der Mangel an Utopien. Sie bietet einfach keine Alternative zum Neoliberalismus an. Die KPF und das MF liefern einfach keine Antworten für eine Analyse und Veränderung unserer Verhältnisse. Beide machen mir eigentlich eher Kopfschmerz ^^
    Die sollten mehr Ulrich Beck lesen …

    Wobei ich damit um Gottes Willen nichts gegen Bonhöfer sagen will. Man muss im Auge behalten das seine Theologie und die Ehtik die er vertritt eben auch nicht losgelöst von seinen Verhältnissen betrachtet werden kann.
    Er war konkret mit dem staatlich organisierten Terrorismus der Naziherrschaft konfrontiert. Darauf hat er aus seiner Situation heraus Antworten gegeben. Die Staatsfrömmigkeit (schönes Wort … ) der Lutheraner war nicht Seines.
    Was mir persönlich am Meisten an ihm gefällt ist der Einsatz für ein eigenes Urteil und eigenverantwortliches Handeln. Und die Ablehnung eines Dualismus von Kirche und Welt als zwei getrennte Räume. Und das mir mit meiner religiosen Einstellung 🙂
    Man sollte ihn da abholen wo er auch gestanden hat. Dann lernt man auch Ihn zu würdigen.

  9. Danke für die Antwort!

    Wo mir das Verstänis für das Gemeinte im Blogbeitrag davongelaufen ist ist mir jetzt beim nochmaligen Lesen aufgegangen denke ich: Das ist dann ausgerechnet das Forest Gump Beispiel ^^
    Das hat bei mir in dem Zusammenhang irgendwie sofort eine Art “individualismusalarm” ausgelöst …
    Bleibt mir nur noch persönlich anzumerken, dass ich Dummheit immer für gefährlich halte. Es braucht dazu gar keine rechtsextremen und / oder neoliberalen Handelnden die
    “die Neigung von uns Menschen, uns in Machtstrukturen zu ergeben, die wir nicht verstehen”
    ausnutzen.
    Dummheit ist auch ohne NSDAP oder AfD oder Elon gefährlich. Immer.
    “Maligne Ignoranz”.
    Ein “schöner” Begriff, der die “Banalität des Bösen” in meinen Augen beinhaltet bzw. erweitert.

    • Danke, @Uli Schoppe – jetzt verstehe ich die Irritation! 🤔🙌

      Aus meiner Sicht ist die Forrest Gump-Weisheit „Dumm ist der, der Dummes tut.“ gerade nicht individualistisch ausgerichtet, da sie der Film-Forrest von seiner starken und weisen Mutter angenommen hat und entsprechend respektvoll zitiert. Die Lehre steht also nicht für eine individuelle, sondern für eine bewährte und tradierte Welt-Anschauung, für überindividuelles Weltwissen.

      Danke für unseren guten Dialog dazu! 🤓🙏🙌

  10. Ich bin irgendwie damit beschäftigt, mir daraus ein Szenario zu basteln.Wenn anstatt des sich abzeichnenden Szenarios eine Konkordanzlösung gefunden würde, wäre man am Ende ja an dem Punkt, dass man da auch Die Linke mit einbeziehen müsste, richtig? Ja, ich weiß. Der Popanz „Keine Radikalen, das sind auch nur rotlakierte Faschisten“ usw. usf. steht immer noch im Raum. Genauso wie jetzt ja auch im Raum steht, dass einige SPD-Abgeordnete mal so gesagt haben: „Den Merz wähl’ ich nicht!”, womit wir wieder bei der unseligen Polarisierung wären. Alles ist wie immer nur schlimmer … Diese Lösung, die alle Parteien außer der AfD einbezieht, hätte ja den charmanten Reiz, dass z. B. die Sperrminorität aus AfD und Linke zusammen wegfällt. Das fände ich außerordentlich angenehm. Das, was jetzt an Koalitionsvertrag herauskommt, ist für meine Person echt ein Wörterbuch des Grauens. Ein einziges Einknicken vor den Positionen der AfD. Nichts gelernt aus der Tatsache, dass der Versuch, den Anteil der AfD durch Übernahme von Positionen zu halbieren, sowas von gescheitert ist. Da wären wir echt wieder beim Thema Dummheit: Nachdem wir beim ersten Versuch gescheitert sind, versuchen wir es noch extensiver noch einmal und wundern uns dann in sechs Monaten, warum das wieder schiefgeht. Dumm ist, wer Dummes tut, richtig? Die Übernahme von rechtslibertären Positionen wird am Ende nur dazu führen, dass wir halt eine rechtslibertäre Regierung bekommen. Egal, wer darin sitzt.Dummerweise geht es uns allen dabei am langen Ende schlechter, aber Hauptsache, die Migranten sind weg (dabei sind dann die Ezidinnen und Eziden, die Dir ja eine Herzensangelegenheit sind, sowas wie ein Bauernopfer. Denn wenn man da eine Ausnahme macht, wird das einem ja direkt wieder um die Ohren fliegen. Leider … im Koalitionsvertrag nennen wir das dann vornehm „Begrenzung und Steuerung der Migration“ … Bevor einer draufkommt mir das „Bauernopfer” falsch zu interpretieren: Nein. Das finde ich nicht richtig! ). Und wir haben mehr Überwachungsstaat ^^Ihr dürft gerne rummäkeln. QuillBot warnt mich gerade vor neun schwer verständlichen Sätzen … Ich habe gerade einen Bienenschwarm im Kopf und versuche, den unter Kontrolle zu bekommen. 😉

    • Danke, @Uli Schoppe

      Es freut mich, dass durch das Konkordanzmodell wieder Bewegung ins politische Denken kommt!

      Und, ja, wer feindseligem Dualismus politisch nachläuft, besänftigt ihn nicht, sondern verstärkt ihn. Genau das diskutieren wir gerade hier:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/deutschland-kann-in-wenigen-tagen-eine-konkordanzregierung-statt-wachsendem-faschismus-bilden/

      Ob die Linke einer Konkordanzregierung beitreten wollte und ob sie von den anderen Parteien auch als verlässlich und demokratisch akzeptiert werden würde, wäre zu entscheiden. Es gibt keinen Automatismus und die Schweizer Konkordanz hat auch die Grünen noch nicht aufgenommen. Was ich befürwortet hätte, schon um möglichst viele demokratische Wählerinnen und Wähler dann auch einzubeziehen. Doch erkenntnistheoretisch gilt: Sich auf ehrliche Dialoge und offene, demokratische Prozesse einzulassen bedeutet eben auch, die Ergebnisse nicht vorab festlegen zu können.

      Mit den besten Wünschen für den Tag!

  11. Heute findet ein feierlicher Gedenktag anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung des damaligen KZ Flossenbürg statt. Unter anderem werden Markus Söder und Claudia Roth sprechen. Mein K1 wird an der Veranstaltung teilnehmen. Es berührt mich sehr, dass sie heute an dem Ort ist, an dem Dietrich Bonhoeffer ermordet wurde.

  12. I’ve been absent for a while, but now I remember why I used to love this website. Thank you, I’ll try and check back more frequently. How frequently you update your site?

    • Thanks, @Imol, for re-visting.

      I blog at least once a week, sometimes more often. I even try to respond to comments on the blog daily because engaging with interested people is important to me.

      Best wishes, life long and prosper! 🖖

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