Gott in Wilden Netzen – Religion im Brennpunkt des Web 2.0

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Die Zeitschrift Herder Korrespondenz (gegr. 1946) ist so etwas wie die katholische Edelfeder in Deutschland, deren (zunehmend ökumenischer und interreligiöser) Mix aus aktuellen Meldungen und Berichten, theologischen und wissenschaftlichen Texten im spartanisch weiß-roten Setting mich seit Jahren fasziniert. Sozusagen die Brezel unter den Religionszeitschriften: schlicht, und einfach nicht zu verbessern. Umso euphorischer war ich, als eines Abends eine Anfrage genau der HK-Redaktion für einen Artikel im Postfach lag – und zwar für einen Text zu Religion & Bloggen.

Klar sagte ich gerne zu, verbunden nur mit einem Anliegen: Den Artikel dann auch blog-gerecht den Leserinnen und Lesern von “Natur des Glaubens” zur Verfügung stellen zu dürfen. Tja, hier ist er im kostenfreien Open-Access:

* Blume, M. (2012): Gott in Wilden Netzen – Religion im Brennpunkt des Web 2.0, In: Herder Korrespondenz 05/2012, S. 260 – 264

Worum geht es?

Och, nur um… Kirchen im 17. Jahrhundert, den Wilden Westen, den Jesuiten Franz Xaver Weninger, die Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace durch John Barlow, die Goldene Regel, die ARD-Onlinestudien, Tim O’Reilly, Teilhard de Chardin, SJ und seine Noosphäre, das Bloggertreffen im Vatikan, den bloggenden Pater Bernd Hagenkord von Radio Vatikan, Anonymität im Netz, Basher, Stalker, Trolle und Sockenpuppen, Julia Schramm, Facebook zwischen Flow und Sinnkrise, Burn-Out, Seelsorge für Netizens, das Scilogs-Bloggertreffen von Deidesheim, die Chronologs und die Chronologger, Religionswissenschaft und Arpanet, Wissensgesellschaft, die Khan Academy, Online-Unterricht, den neuen Atheismus, überempirische Entitäten, “Evolution – This View of Life”, das reproduktive Potential von Religion (klar, oder!? 😉 ), Charles Darwin (yeah!), Homo religiosus und Religionsbasher, die Verschwörungstheorie vom Geburtendschihad, Joachim Gauck sowie Marc Scheloske von der “Wissenswerkstatt” und Sascha Lobo.

Ich hoffe, für Sie ist etwas Interessantes dabei und wünsche Ihnen, wenn Sie wollen (Klick), viel Freude beim Schmökern!

* Diesen Blogpost widme ich dem weisen Blogger und Kommentator Eric Djebe, mit dem ich das Leiden an den Grenzen des Sagbaren teile.    
 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

35 Kommentare

  1. Allzu erfolgreiche Religionen

    Dass Sie angesichts der 7 Milliarden Menschen auf diesem Planeten, die einen “Boom” des Artensterbens verursachen, den diese Welt seit vielen Millionen Jahren nicht mehr gesehen hat, wirklich immer noch eine so deutlich positive Haltung gegenüber dieser verheerenden Ausbreitung des Homo sapiens einnehmen, ist wohl auch eine Form des “Bashing”, nämlich in Bezug auf unsere Mitlebewesen, die ohne die Bezeichnung Homo auskommen müssen:

    “Im Netz sehen die Argumente der „neuen Atheisten“ längst ziemlich alt aus. Konkret … dem demografischen Potenzial religiöser Traditionen. Längst liegen unzählige Studien vor, die übereinstimmend aufzeigen, dass innerhalb von Gesellschaften religiös aktive Menschen durchschnittlich stabilere und größere Familien aufweisen als ihre nichtreligiösen Nachbarn … Für „Religionsbasher“ sind solche evolutionär eigentlich nicht besonders überraschenden Befunde jedoch eine harte und immer wieder neu aufregende Nuss.”

    Für mich als “Atheisten” bzw. Agnostiker, dem es, wie ich es auch von meinen Brüdern und Schwestern im Geiste kenne (höhö …), auch um das Wohlergehen unserer (auch durch Religionen) entrechteten Mitlebewesen geht, sind solche Textpassagen tatsächlich eine harte Nuss.
    Die, im wahrsten Sinne des Wortes, erdrückende Übermacht dieser 7 Milliarden ist religiös motiviert und sie sind damit sehr, und zwar allzu erfolgreich …
    Schade, immer wieder diese klare Parteinahme für ein religiöses Modell von Wirklichkeit, dass so verheerende Auswirkungen hat.
    (Ganz abgesehen von den vielen weiblichen “Schicksalen”, die ihre Existenz im Gebären begründet sehen bzw. sahen.)
    Leider haben meine früheren Kritiken nicht gefruchtet …, aber keine Angst, zum Basher werde ich deshalb nicht.

  2. @Detlef Piepke: Überbevölkerung

    Lieben Dank für Ihren Kommentar. Allerdings verkürzen Sie hier meine Aussagen doch sehr – so behaupte ich nirgends, dass Überbevölkerung eine tolle Sache wäre. Im Text verweise ich stattdessen auf die Bedeutung (auch) religiöser Traditionen für den “Bestand” menschlicher Populationen und Gesellschaften. Und weise in meinen Publikationen immer wieder auf den Unterschied empirischer Beschreibung und normativer Bewertung hin, hier auf dem Blog zum Beispiel bereits in einem Post von 2009 zu genau Ihrem Thema:
    https://scilogs.spektrum.de/…onsvorteil-durch-religion

    Klar ist: Ohne den “evolutionären Erfolg” abertausender (zunehmend auch religiöser) Vorgängergenerationen gäbe es auch Detlef Piepke nicht. Und ja, ich finde es – zugegeben – gut, dass es Sie gibt. Dass Sie und viele von Ihren (O-Zitat) “Brüdern und Schwestern im Geiste” aus weltanschaulichen Gründen auf Nachkommen verzichten, nehme ich mit Respekt zur Kenntnis (und es passt ja auch in die empirischen Befunde). Allerdings kann ich nicht erkennen, inwiefern sich daraus eine allgemeine Regel ableiten ließe: Für Deutschland und Europa kann ich z.B. kein allgemeines Problem der Überbevölkerung mehr erkennen und verweise auch auf die global schnell sinkenden Geburtenraten. M.E. sollten Menschen möglichst selbst über Zeitpunkt und Zahl ihrer Kinder entscheiden können, wie sie sich auch möglichst frei für oder gegen religiöse Vergemeinschaftungen entscheiden können sollten.

  3. Tolle Beschreibung des Web 2.0

    bis zu der Stelle über das “Niveau populärer Online-Religionskritik” 😉

    Was ich nicht verstehe ist der Zusammenhang, den Du im Text konstruierst von meiner Meinung nach zweier verschiedener Problemfelder. Wir haben einerseits den Gestus der “neuen Wissenselite” “”Existenzen” zu bestreiten, die sich nicht empirisch bestätigen lassen”, was sich gelegentlich zu einem langweiligen Religionsbashing aufschaukelt – insbesondere wenn religiöse Institutionen Steilvorlagen liefern. Andererseits haben wir die schlichte Tatsache, dass Glaubensüberzeugungen “nachweisbare Wirkungen entfalten”. Ich sehe da nicht so ganz den Zusammenhang.
    Wenn ich aus einer naturalistischen Einstellung heraus überempirische Akteure als unelegante Hypothese ablehne, leugne ich doch nicht deren Einfluss auf diejenigen Menschen, die das nicht tun. Umgekehrt ist aber die evolutionäre Nützlichkeit des Religiösen kein Gottesbeweis.

    Ich verfolge natürlich Debatten zur Religionskritik meist nur am Rande, da ich ja nicht selber zu diesem Themenfeld blogge. Mich wundert einfach, dass sich diese beiden Betrachtungsweisen auf die Religion so vermischen sollten. Tun sie das wirklich?

    Ich finde es auch nicht so überraschend, dass religiöse Themen so beliebt sind in der Blogosphäre. Religion gehört eben zum Kreis der Themen, wo jeder Erfahrungen hat und daher Mitsprache möglich ist und Kommentare sind halt ein wesentlicher Bestandteil der Blogs, oder? Bei solchen Themen finde ich es daher auch nicht zwingend nötig “spezifische Fachkenntnisse in Theologien, Philosophien oder Religionswissenschaften” beim Blogger einzufordern. Das kann zwar das Niveau des Blogs anheben und verhindert vor allem das Wiederkauen des Immergleichen, aber: “Wer es unternimmt, auf dem Gebiet der Wahrheit und der Erkenntnis als Autorität aufzutreten, scheitert am Gelächter der Götter.” Albert Einstein 🙂

  4. Verständigung ist schwierig

    “… auf unsere Mitlebewesen, die ohne die Bezeichnung Homo auskommen müssen.”
    Damit sind Tiere gemeint.
    Ich erwähne mit keinem Wort, auf Nachkommen zu verzichten, obwohl dies zufällig stimmt. Meine “Brüder und Schwester im Geiste” produzieren durchaus Nachkommen, wenn auch eher wenige.
    “… auch um das Wohlergehen unserer (auch durch Religionen) entrechteten Mitlebewesen,” damit sind wieder Tiere gemeint.
    Von einer allgemeinen Regel spreche ich gar nicht … (Vielleicht verwechseln Sie mich ja …)
    Sie sprechen in Ihrer Antwort überhaupt nicht von Tieren, ich hingegen meine Tiere.

    Was mich allerdings wirklich interessiert ist, ob es Studien gibt, die zeigen, dass oder ob es einen Zusammenhang von Religion und Artensterben gibt.

  5. @Stefan

    Tja, wenn alle mit den Befunden so unaufgeregt und reflektiert umgehen könnten wie Du, bestünde wohl tatsächlich kein Qualitäts-Problem. 😉 Aber da gab und gibt es ja ganz andere Kaliber… Du hast es ja auch gerade, in sogar recht freundlichem Ton, selber gelesen: Angeblich hätte ich ein Hohelied auf Überbevölkerung und Artensterben angestimmt… Und in noch viel krasseren Worten & Kontexten habe ich so seit Jahren meine Erfahrungen damit, dass Leute, die sich selbst für aufgeklärt halten, “austicken”, sobald es um Religion geht. Dennoch habe ich bewusst nicht pauschalisiert: Entsprechend häufig kippt das Niveau populärer Online-Religionskritik in gruppendynamisches „Bashing“ um… – häufig, nicht immer und ich habe ja auch geschrieben: Es wird langsam zivilisierter.

    An einem Punkt bin ich aber anderer Meinung. Du schriebst:
    Ich finde es auch nicht so überraschend, dass religiöse Themen so beliebt sind in der Blogosphäre. Religion gehört eben zum Kreis der Themen, wo jeder Erfahrungen hat und daher Mitsprache möglich ist und Kommentare sind halt ein wesentlicher Bestandteil der Blogs, oder? Bei solchen Themen finde ich es daher auch nicht zwingend nötig “spezifische Fachkenntnisse in Theologien, Philosophien oder Religionswissenschaften” beim Blogger einzufordern.

    Hier erhebe ich Einspruch. 🙂 So hat jede(r) von uns auch allerhand Erfahrungen mit Phänomenen der Physik, Chemie und Biologie – und wir finden es trotzdem nicht doll, wenn offensichtlich schlecht informierte Leute dumpfe Vorurteile z.B. über Einsteins Relativitätstheorien oder Darwins Evolutionstheorie hinaus posaunen. Auf den Scilogs würden wir solche Leute wohl auch nicht haben wollen. Warum aber sollten für Diskussionen über Religion nicht die gleichen Niveauregeln gelten wie für Biologie? Für mich klingt “Alle Religionen sind doof, weil man Gott nicht beweisen kann.” ähnlich peinlich wie z.B. “Die Evolution kann nicht wahr sein, weil es ja auch heute noch Affen gibt, die keine Menschen geworden sind.”

    Ich verbiete es ja keinem, sich nach Kräften zu blamieren, aber wünsche mir doch, dass gerade auch Menschen, die sich für “wissenschaftlich” und “aufgeklärt” halten, auch sachlich mit dem verfügbaren Wissen auseinandersetzen, wenn sie sich für ein Thema interessieren. Bewusst steht ja vieles inzwischen auch kostenlos zur Verfügung.

    “Wer es unternimmt, auf dem Gebiet der Wahrheit und der Erkenntnis als Autorität aufzutreten, scheitert am Gelächter der Götter.” Albert Einstein 🙂

    Wunderbares Zitat, danke! 🙂 Und zeigt mal wieder, für was “Götter” (unabhängig von ihrer “Existenz”) so alles gut sein können! 😉

  6. @Detlef Piepke

    Ja, (Online-)Verständigung ist manchmal schwierig, zumal wenn unterschiedliche Themen “gemeint” sind. Um Speziesismus ging es in meinem o.g. Text nun wirklich nicht. Dazu gab es gerade in Herder Korrespondenz erst neulich wieder einen starken Artikel über Tierrechte aus Sicht der Theologie(n). Da tat und tut sich vieles. Auch hier auf dem Blog hat das Thema ja schon eine (zugegeben noch kleine) Kategorie:
    https://scilogs.spektrum.de/…-glaubens/mensch-und-tier

    Und da schon empirische Studien zu Religion & Demografie noch recht neu sind, ist es auch nicht so überraschend, dass die von Ihnen angefragten Gebiete noch kaum mit der notwendigen Ernsthaftigkeit diskutiert und erforscht sind. Die Anregung dazu nehme ich gerne auf.

  7. @Michael Blume: Dumpfe Vorurteile

    Und wir finden es trotzdem nicht doll, wenn offensichtlich schlecht informierte Leute dumpfe Vorurteile z.B. über Einsteins Relativitätstheorien oder Darwins Evolutionstheorie hinaus posaunen.

    Bei Religionen geht es aber offensichtlich um eine völlig andere Sache. Nämlich um kraft Unterwerfung der Gläubigen unter die Glaubenssätze, die von einer “Priesterkaste” interpretiert werden, wirkmächtige Systeme mit hegemonialem Anspruch (“Wahre Ethik kann nur aus dem Glauben kommen” etc. pp. ad nauseam). Dieser stößt den schon dem weltlichen Recht bis zur Belastungsgrenze Unterworfenen verständlicherweise sauer auf.

    Ich denke wenn Sie – “wertneutral” – zum evolutionären Erfolg der Pflichtbeitragsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Europa forschen würden, bekämen sie vergleichbare Reaktionen.

    Solche Reaktionen sind von alternativen (aber falschen) Theoriegespinsten der sog. Cranks oder Crackpots unterscheidbar: Wenn Sie einem Crank beipflichten ändert sich nichts an der Welt.

  8. @Ano Nym: Ja, dumpfe Vorurteile

    Ihr “Argument” läuft auf einen Zirkelschluss hinaus: Wer bestimmte Phänomene für ärgerlich hält, braucht dann gar keine Anstrengungen mehr zu unternehmen, diese wissenschaftlich zu verstehen – oder die Argumente jener nachzuvollziehen, die eine andere Auffassung dazu haben.

    Kann man so halten, vor allem am Stammtisch. Aber man nennt dies dann halt ein Vor-Urteil. Die einen pflegen sie gegen die Evolutions- oder Klimaforschung, die anderen eben gegen Religion oder (wie Sie anmerkten) öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Beeindruckt mich nicht gar so sehr… Mir erscheint es spannender, zu versuchen, neugierig & lernbereit zu bleiben – auch wenn das immer mal wieder heißt, Vor-Urteile abzulegen…

  9. ÖR

    “zum evolutionären Erfolg der Pflichtbeitragsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks” kann man feststellen, daß seit der Einführung der GEZ im Westdeutschland der 50er Jahre die Geburtenraten tendenziell sinken; seit der Ausweitung des GEZ-Rundfunks auf das Gebiet der früheren DDR sind die Geburtenraten in ganz Deutschland im Keller. Die GEZ dürfte also demografisch genauso eine Sackgasse darstellen wie der “real existierende Sozialismus” 😉

    Das PDF hab ich nicht geladen bekommen, der Download bricht immer nach ca. 1/4 ab. 🙁

  10. @Störk

    Nichts gegen den öffentlichen Rundfunk – wir Nerds sollten schon auch die Geburtenraten der Internet-Nutzer nicht vergessen! 😉

    Ernsthaft: Bei mir funktioniert das pdf weiterhin. Ein Mail über das Homepage-Kontaktformular und ich probiere es (ausnahmsweise, weil @Störk) gerne per EMail-Zusendung.

  11. @Michael Blume: Religio

    Ihr “Argument” läuft auf einen Zirkelschluss hinaus: Wer bestimmte Phänomene für ärgerlich hält, braucht dann gar keine Anstrengungen mehr zu unternehmen, diese wissenschaftlich zu verstehen – oder die Argumente jener nachzuvollziehen, die eine andere Auffassung dazu haben.

    Ich sehe keinen Zirkelschluss. Wer bestimmte teure Einrichtungen für institutionalisierte Anmaßungen und sonst für sinn- und nutzlos hält, versucht sie abzuschaffen, zu beseitigen. Das ist das Natürlichste von der Welt. Um der GEZ, den Kirchen oder der CMA (nur bei der ist es schon passiert) den Strom abzudrehen, muss man nur wissen, wo der Sicherungskasten ist.

    Jedenfalls lese ich in unwissenschaftliche Pöbelein gegen Kirchen, die GEZ usw. das Verlangen nach Abschaffung heraus.

    Sie wollen nicht ersthaft meinen, diese Institutionen müssten künstlich am Leben erhalten werden, damit an ihnen geforscht werden kann.

  12. @Ano Nym

    Ganz im Gegenteil: In den USA gibt es eine strenge Trennung von Kirchen und Staat und keinerlei Finanzmittel. Das Ergebnis: eine durchschnittlich lebendigere, wenn auch oft fundamentalistischere Landschaft.

    Wenn Religionen von institutioneller Förderung abhingen, wäre Religiosität gar nicht entstanden bzw. hätte sich nicht ausgebreitet. Ironischerweise trifft Ihr Vorwurf aber auf die kognitiv anspruchsvollen Wissenschaften zu: Universitäten, Forschungsinstitute und professionelle “Wissenschaftlerkasten” waren und sind tatsächlich auf institutionelle Förderung (durch Staaten, Stifter, Kirchen usw.) angewiesen, um bestehen zu können. Spricht das aus Ihrer Sicht gegen Wissenschaft?

  13. @Blume

    “Im Netz sehen die Argumente der „neuen Atheisten“ längst ziemlich alt aus. Konkret … dem demografischen Potenzial religiöser Traditionen. …”
    Das Zitat hatte ich bereits gebracht. Sie nehmen dort eindeutig eine Normative Bewertung vor bzgl. des “neuen Atheismus”.
    Den Argumenten jener (die “ziemlich alt aussehen”) halten Sie das Argument des “demografischen Potenzials religiöser Traditionen” entgegen.
    Das ist in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch eine normative Aussage. Sie stellen es als eine “Stärke” religiöser Traditionen dar, mehr Nachkommen zu erzeugen. (Ansonsten wäre dieser empirische Befund als Entgegnung auf die “ziemlich miesen” Argumente der Atheisten völlig abwegig.)
    Ich halte es aktuell hingegen für eine “Schwäche” … warum, habe ich bereits erklärt.
    Wenn Sie jetzt allerdings sagen, dass das da oben gar keine normative Aussage (bzgl. der Atheisten) ist, dann weiß ich auch nicht mehr …

  14. @Michael Blume: Institutionen

    Ganz im Gegenteil: In den USA gibt es eine strenge Trennung von Kirchen und Staat und keinerlei Finanzmittel. Das Ergebnis: eine durchschnittlich lebendigere, wenn auch oft fundamentalistischere Landschaft.

    In der Bundesrepublik sind die großen Religionen an die Kandare genommen, bei den islamischen wird das gerade versucht. Dass beim Verzicht darauf nicht nur die Kosten der Ein- und Unterordnung der Glaubensgebäude unter die weltlichen Normen entfallen, sondern sich die Religionen dann auch anders entwickeln, kann nicht wirklich überraschen.

    Doch an wen richtet sich dieser Erkenntnis?

    Dass es in einem Staat ohne Staatskirchenrecht mehr (“lebendigere”) und lautstärkere (“fundamentalistischere”) Religionslandschaft gibt, steht in keinem Widerspruch zu den Forderungen von Leuten, die die Staatsfinanzierung abschaffen wollen oder nicht wollen, dass in jeder dritten TV-Gesprächsrunde ordinierte Geistliche Sitz und Stimme beanspruchen.

    Wenn Religionen von institutioneller Förderung abhingen, wäre Religiosität gar nicht entstanden bzw. hätte sich nicht ausgebreitet.

    Ich habe nicht behauptet, dass Religionen von der institutionellen Förderung abhängen. Ich habe auch nicht behauptet, dass es Fernsehen nur gibt, weil die GEZ dafür Gebühren erhebt. Mein Punkt ist, dass ein gehöriger Teil der Kritik in Deutschland eine Kritik an den im Staatskirchenrecht normieren Institutionen ist.

    Ironischerweise trifft Ihr Vorwurf aber auf die kognitiv anspruchsvollen Wissenschaften zu: Universitäten, Forschungsinstitute und professionelle “Wissenschaftlerkasten” waren und sind tatsächlich auf institutionelle Förderung (durch Staaten, Stifter, Kirchen usw.) angewiesen, um bestehen zu können. Spricht das aus Ihrer Sicht gegen Wissenschaft?

    Wer die GEZ abschaffen will, der möchte nicht notwendig das Fernsehen abschaffen.

  15. @Ano Nym: Staatsleistungen

    Aha, um Finanzen geht es Ihnen. Bezieht sich Ihre Empörung dann eigentlich auch auf die Staatsleistungen, die auch die Humanistischen Verbände bundesweit und v.a. in Berlin als Weltanschauungsgemeinschaften erhalten? Ich habe gegen diese doch ebenfalls institutionellen Förderungen noch keine breiten Proteste vernehmen können. Und wäre das US-amerikanische Modell strikter Staat-Kirchen-Trennung also aus Ihrer Sicht für Deutschland zu übernehmen?

  16. @Detlef Piepke: Normativ

    Lieber Herr Piepke,

    da gebe ich Ihnen gerne Recht: Ja, ich vertrete wie jeder andere Mensch auch implizite Normen und bewerte z.B. die Existenz und das Gedeihen menschlicher Gesellschaften und Kulturen im Grundsatz (d.h. idealerweise im Frieden miteinander und der sie tragenden Umwelt) als positiv. Wenn Sie das grundlegend anders sehen, dann wird in der Tat Religiosität für Sie grundsätzlich problematisch erscheinen – wie z.B. auch wissenschaftliche oder medizinische Fortschritte, die bessere Vereinbarkeit von Familien und Beruf, erfolgreiche Kriminalprävention und andere Tatsachen die sich je positiv auf Geburtenraten und Lebenserwartung auswirken. Mein Plädoyer wäre, gerade im Hinblick auf Religiosität und Religionen je positive und negative Auswirkungen zu sehen und entsprechend zu handeln – aber das setzt in der Tat eine normative Wertschätzung der Mit-Menschen voraus.

    Die Schwäche des neoatheistischen Arguments sehe ich in der Behauptung, dass menschliche Gesellschaften auch ohne Religion gedeihen (vielleicht gar: besser gedeihen) könnten. Hier gab es eine engagierte Debatte über das Fehlen entsprechender, empirischer Belege:
    https://scilogs.spektrum.de/…weislast-der-antitheisten

    Wie in der Jura-Debatte bereits geschrieben bekenne ich mich (auch normativ) zur Geltung der Grund- und Menschenrechte. Zwar bin ich persönlich durchaus offen dafür, Tieren weitergehende Rechte einzuräumen, lehne aber eine normative Abwertung menschlichen Lebens dabei ab. An diesem Punkt vertreten wir dann wohl unterschiedliche Auffassungen.

    Beste Grüße

  17. @Michael Blume

    Aha, um Finanzen geht es Ihnen.

    Ich persönlich kann Religionen nichts abgewinnen und bin auch nicht aus familiären oder beruflichen Gründen gehalten, in einer der zahlreichen weltlichen Kirchen Mitglied zu sein.

    Wofür der Staat sein Geld ausgibt, ist seine Sache. Wir sind ja nicht der Staat, sonst hieße der “Wir” und nicht “Staat”. Insofern geht es mir gerade nicht ums Geld, sondern um das Verstehen der Positionen von Kirchengegnern.

    Und wäre das US-amerikanische Modell strikter Staat-Kirchen-Trennung also aus Ihrer Sicht für Deutschland zu übernehmen?

    Finden Sie das in Ordnung, dass dieser Staat Religiosität reproduziert, indem er kirchliche Tendenzbetriebe in die Lage versetzt, schon den Kleinsten “religiöse Erfahrungen” zu ermöglichen und das als Bildung zu bezeichnen?

  18. @Michael Blume: Neutral

    Ja, ich vertrete wie jeder andere Mensch auch implizite Normen und bewerte z.B. die Existenz und das Gedeihen menschlicher Gesellschaften und Kulturen im Grundsatz (d.h. idealerweise im Frieden miteinander und der sie tragenden Umwelt) als positiv.

    Würden Sie auch eine Kultur im Grundsatz als positiv bewerten, die sich durch die Praxis der Genitalverstümmelung von anderen unterscheidet?

  19. @Ano Nym

    Ich hatte mich bereits zu den Grund- und Menschenrechten bekannt, womit sowohl die Frage nach Religionsfreiheit und religiöser Bildung (pro) wie auch nach Genitalverst. (contra) beantwortet sind. Dagegen haben Sie die Sachfrage nach den Staatsleistungen an die humanistischen Verbände einfach übergangen. Schade, mich hätte Ihre Meinung dazu interessiert.

  20. @Blume

    Ich hatte gehofft, an frühere Kommentare von mir in Ihrem Blog anknüpfen zu können … einfach, weil es schneller geht.
    Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich hatte bereits früher darauf hingewiesen, dass es an der Zeit wäre, den “ethisch fundierten Ungläubigen” mehr Chancen einzuräumen, auch in Deutschland bekommen sie diese Chancen nur in absurd eingeschränktem Maße.
    Nicht religiöse Gesellschaftssysteme (z.B. im Sinne des evolutionären Humanismus) sind mir völlig unbekannt, deswegen ist es kein Wunder, dass empirische Belege für deren Funktionieren fehlen.
    Skandinavische Länder mit sehr geringem religiösen Bezug funktionieren im Weltvergleich sehr gut.
    Wer das Scheitern politischer Religionen als “empirischen Beleg” für das Scheitern atheistischer Gesellschaftssysteme hernimmt, ist selber schuld, damit kann ich aber auch wirklich gar nichts anfangen.
    Wer Evolution versteht, weiß, dass es nur graduelle Unterschiede zwischen Homo sapiens und seinen Mitlebewesen gibt, von einer Abwertung menschlichen Lebens kann da keine Rede sein, es ist eine Einpassung in den Gesamtkontext.
    Christliche Parteien, wie die CDU, sind offensichtlich nicht Willens oder in der Lage, solche Erkenntnisse ernst zu nehmen und entsprechend in Gesetzen umzusetzen. Aber als Staatssystem funktioniert es natürlich dennoch irgendwie, was allerdings überhaupt kein Beleg für Ausgewogenheit und Schönheit unseres aktuellen Staatssystems wäre. Das bloße Funktionieren allein sollte heute, bei den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, ja wohl kein hinreichendes Kriterium mehr sein. Das wäre primitiv und sehr, sehr alt gedacht.

  21. @Michael Blume: HVD

    Ich hatte mich bereits zu den Grund- und Menschenrechten bekannt, womit sowohl die Frage nach Religionsfreiheit und religiöser Bildung (pro) wie auch nach Genitalverst. (contra) beantwortet sind.

    Die Frage nach Ihrer Bewertung der Genitalverstümmlung hatte ich gar nicht gestellt, sondern die Ablehnung derselben selbstverständlich vorausgesetzt. Mir ging es darum, Ihre in meinen Augen vorschnelle uneingeschränkte Bewertung der „Existenz und [dem] Gedeihen menschlicher Gesellschaften und Kulturen […] als positiv.“ kritisch nach Einschränkungen zu hinterfragen.

    Dagegen haben Sie die Sachfrage nach den Staatsleistungen an die humanistischen Verbände einfach übergangen. Schade, mich hätte Ihre Meinung dazu interessiert.

    Meine Haltung zum Umgang des Staates mit seinem Geld hatte ich Ihnen genannt: Es ist seine Sache, wofür er das ausgibt. Warum unterstützt der Staat humanistische Verbände? Das kann ich Ihnen im Moment nicht beantworten. Vermutlich, weil es ihm irgendwie einleuchtend und nützlich erscheint.

  22. @Detlef Piepke

    Vielleicht ist das der Punkt: Mir scheint, dass gewachsene Traditionen Respekt verdienen und im Rahmen der Menschenrechte weiterentwickelt werden sollen. Auch Wettbewerber sind herzlich willkommen, sollten sich aber tatsächlich auch bewähren.

    Skeptisch bin ich dagegen stets bei Versuchen, gleich vom Reißbrett aus “das System” und die Menschen darin revolutionieren zu wollen. Das hat m.E. immer wieder nur zu Katastrophen und Diktaturen geführt. “Fortschritt” geht m.E. in lernenden Schritten, nicht in Sprüngen.

  23. @Michael Blume: Respekt?

    Respekt […] bezeichnet eine Form der Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Ehrerbietung gegenüber einem anderen Lebewesen […] oder einer Institution. (WP)

    Ich habe keinerlei Respekt vor Traditionen, deren Inhalt etwa die Kultivierung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist. Wie halten Sie‘s damit? Ich glaube, dass auch Sie solchen Einstellungen keinen Respekt zollen. Deshalb verstehe ich auch nicht, warum Sie dann Formulierungen wie diese raushauen:

    Mir scheint, dass gewachsene Traditionen Respekt verdienen

    Das ist keine Festlegung eines Untersuchungsgegenstands (etwa: “Mich interessieren Traditionen, ihr Entstehen und ihre Entwicklung”), das ist eine Affirmation jedes tradierten Inhalts. Das können Sie unmöglich gemeint haben. Mich irritiert das.

  24. @Ano Nym:Verkürzt

    Warum haben Sie nicht einmal den einen Satz zu
    Ende lesen bzw. zitieren können? Soviel Emotion?

    Respekt vor Traditionen und deren Weiterentwicklung im Rahmen der Menschenrechte ist eigentlich ein gutes Thema für mal einen eigenen Blogpost. Wenn denn auch ganze Sätze gelesen werden…

  25. Evolution …

    … statt Revolution, klar. Aber ich dachte, dass sei selbstverständlich. Von “Sprüngen” habe ich ja nicht gesprochen, sondern von “Chancen”. Eine globalisierte Weltgemeinschaft wird man kaum auf Grundlage sich widersprechender Religionen gründen können …

  26. @Detlef Piepke: Vielfalt

    Doch, genau hier liegen wir – bei allem Respekt – auseinander. So schreiben Sie: Eine globalisierte Weltgemeinschaft wird man kaum auf Grundlage sich widersprechender Religionen gründen können …

    M.E. kann eine globalisierte Gesellschaft “nur” auf Basis religiöser und weltanschaulicher Vielfalt funktionieren, wie auch eine Demokratie nur mit verschiedenen, wetteifernden Parteien, eine Wirtschaft nur mit verschiedenen, konkurrierenden Unternehmen etc. funktionieren kann. Gemeinsame Grundlagen – wie die Menschenrechte – sind zu finden, aber eine Menschheit, die unter eine Einheitsweltanschauung oder -religion gezwungen würde, wäre m.E. am Ende.

    Ohne Vielfalt (Variation) gibt es weder biologische noch kulturelle Evolution.

  27. @Blume

    Sie lesen mich nicht richtig. Auf jeden Fall müssen die Religionen mitgenommen werden. Alles andere wäre nicht nur absurd, sondern auch völlig unpraktikabel.
    Ich sage ja lediglich, dass sie als “Grundlage” für eine neue Weltgemeinschaft nicht taugen!
    Überlegen Sie mal, die UNO Menschenrechts Charta würde auf der Scharia basieren … da hätten die Christen aber ein gehöriges Problem damit … und dann auch noch die Hindus … die Ratten (da heilig) würden unsere Städte übernehmen. Nein, Spaß beiseite.
    Die “Grundlage” darf selbstverständlich keine religiöse sein, sondern die Religionen müssen sich umgekehrt in ganz säkulare Ethiken integrieren. Prinzipiell wird der Weg ja auch so gegangen, in Deutschland allerdings alles andere als konsequent.

  28. @Michael Blume: Respekt!

    Warum haben Sie nicht einmal den einen Satz zu Ende lesen bzw. zitieren können?

    Ich kann nicht erkennen, dass der vollständig bis zum Punkt zitierten Satz

    „Mir scheint, dass gewachsene Traditionen Respekt verdienen und im Rahmen der Menschenrechte weiterentwickelt werden sollen.“

    weniger Affirmation enthält. Die Affirmation auch der genitalverstümmelnden Traditionen entfällt nicht dadurch, dass man sie im Rahmen “der Menschenrechte” weiterentwickelt will.

  29. @Ano Nym: Traditionen

    Sie schrieben: Die Affirmation auch der genitalverstümmelnden Traditionen entfällt nicht dadurch, dass man sie im Rahmen “der Menschenrechte” weiterentwickelt will.

    Doch, lieber @Ano Nym – genau darum geht es: Traditionen müssen so entwickelt werden, dass weibliche Genitalverstümmelung in ihnen nicht mehr praktiziert und z.B. durch andere Vorstellungen, Rituale, Erwerbsquellen etc. ersetzt werden. Dies geschieht in der Praxis gerade nicht, indem man die Menschen und ihre Traditionen z.B. in Afrika beschimpft und verächtlich macht, sondern indem man respektvoll (!) und entschieden mit ihnen arbeitet und so Traditionen verändert (“im Rahmen der Menschenrechte weiterentwickelt”).

    Falls Sie das Thema wirklich interessiert lege ich Ihnen die Seminarkursarbeit von Lena Dahlin ans Herz, die sich selbst (wie z.B. auch Terre des Femmes in Tübingen) gegen weibliche Genitalverstümmelung engagiert:
    http://www.netzwerk-rafael.de/…rst%FCmmelung.pdf

  30. @Detlef Piepke

    Nun ist es also doch noch eine gute Diskussion geworden, die in bereits diskutierte Themen rückmündet: Wie die Frage nach der Herleitung, Gültigkeit und “Existenz” von Rechten sowie dem Status von Rechts”wissenschaften”:
    https://scilogs.spektrum.de/…haftler-existieren-rechte

    Sie schrieben: Die “Grundlage” darf selbstverständlich keine religiöse sein, sondern die Religionen müssen sich umgekehrt in ganz säkulare Ethiken integrieren.

    Ja – und umgekehrt: Säkulare Ethiken sind auf die Vielfalt der religiösen und weltanschaulichen Traditionen angewiesen, die sie je begründen und mit-tragen. Schon das Wort “säkular” verweist ja genau darauf: Unter Säkularisierung wurde der Eintritt eines Menschen (z.B. Geistlichen), später auch von Gebäuden usw. aus der Sphäre der Kirche(n) in den weltlichen Bereich verstanden.

    Religiöse und weltanschauliche Vielfalt wird es ja immer geben, also braucht es auch die Vielzahl der Zugänge zu den Menschenrechten – und auch ein wachsendes Bewusstsein für Tierrechte. Das wird keine Weltanschauung oder Religion alleine schaffen.

    Beste Grüße!

  31. @Michael Blume: Soso.

    Traditionen müssen so entwickelt werden, dass weibliche Genitalverstümmelung in ihnen nicht mehr praktiziert […] werden.

    Sie schreiben windschief gegen meinen Vorwurf an. Es ist nicht einzusehen, warum etwa die Traditionen der deutschen Schützenvereine so entwickelt werden müssten, dass weibliche Genitalverstümmelung in ihnen nicht mehr praktiziert wird.

    Die Tradition der Genitalverstümmelung “menschenrechtskonform” zu “entwickeln”, bedeutet die Genitalverstümmelung samt ihrer Tradition abzuschaffen. Eine Tradition, die keinen Inhalt mehr hat, ist nicht mehr.

    Zur Erinnerung noch mal Ihr ‘wording’:

    Mir scheint, dass gewachsene Traditionen Respekt verdienen und im Rahmen der Menschenrechte weiterentwickelt werden sollen.

    Bei Ihnen steht vor der “Weiterentwicklung” zunächst einmal der Respekt. Nicht der vor den Opfern bestimmter Traditionen, etwa der Tradition der Genitalverstümmelung oder der Tradition der Judenhasses. Nein. Sie wollen eine jede Marotte, sofern sie nur als Tradition daherkommt, wertschätzen. Dem schließe ich mich nicht an.

    Dies geschieht in der Praxis gerade nicht, indem man die Menschen und ihre Traditionen z.B. in Afrika beschimpft und verächtlich macht

    Ich habe niemanden beschimpft, keine Einwohner eines Kontinents in Sippenhaft für ein bestimmtes Leid genommen und auch niemanden verächtlich gemacht. Ich werde an Ihnen und für Sie auch keine Ausnahme machen.

  32. Bitte: Weniger Parteinahme …

    … für Religion!
    Das ist nun offensichtlich das Bedürfnis vieler Kommentatoren hier in Ihrem Blog.
    Am liebsten hätte ich: gar keine! Herr oder Frau Ano Nym offensichtlich auch. Und das halt aus guten Gründen.

    Aber vielleicht habe ich außer Kommentaren sonst noch etwas produktives beizutragen, zur Forschung meine ich. Wo hier schon laufend über Religionen, Traditionen und Kulturen die Rede ist und @Blume auch gerne Musik mit Religion in einem Atemzug nennt:
    Ich selber betreibe gerade ein Projekt, in dem ich mit talentierten jugendlichen Migranten Musik produziere (wird noch vom Bundesamt für Migration gefördert).
    Die allermeisten meiner Teilnehmer stammen aus Afrika, und hier wiederum ist Nigeria Tabellenführer.
    Da habe ich sehr intensiv mit dem Spannungsfeld von Musik, Polytheismus, magischem Denken und Christentum in einer säkularisierten Kultur zu tun.
    Da hätte ich einiges zur Forschung beizutragen. Übrigens, die meisten der Jungs (es sind zu über 90% Jungs) möchten die afrikanischen Traditionen los werden! Ich werde häufig mit der Bitte konfrontiert, bloß keine traditionell afrikanischen Elemente in der Musik unterzubringen.
    Auch signifikant: Selbstverständlich “christlich” zu sein, ohne dass der Lebensvollzug irgendwie mit christlicher Tradition zu tun hätte. Im Gegenteil! “Dissen” gehört zum Handwerk.
    Nu ja, fiel mir gerade so ein … Habe da einige Jahre Erfahrung und sehr großen Teilnehmer Zulauf.

  33. @Detlef Piepke: Wider den Herdentrieb

    Lieber Herr Piepke,

    es wäre m.E. fatal, wenn sich Wissenschaftler den (gesellschaftlich übrigens keinesfalls repräsentativen) Gruppendynamiken im Internet anbiedern würden. Ich sehe meine Aufgabe keineswegs darin, Kommentatoren zu gefallen, sondern ihnen ein an- und aufregender Gesprächspartner zu sein (wie ich auch umgekehrt lese & lerne).

    Es gibt im Netz genug Religionsbasher-Seiten, auf denen sich Leute ohne spezifische Fachkenntnisse gegenseitig in ihrer Abneigung gegen Religion(en) und religiöse Menschen hochpeitschen – ebenso, wie es genug fundamentalistische Angebote gibt, die genau so funktionieren und z.B. Stimmung gegen die Evolutionsforschung machen.

    Hier auf Natur des Glaubens geht es um Religionswissenschaft für Menschen, die noch offen bzw. neugierig genug sind, etwas dazu zu lernen. Sowohl Angebot wie Nutzung sind dabei freiwillig.

  34. Es geht um …

    … wissenschaftliche Neutralität gegenüber dem Forschungsgegenstand!
    Sicher nicht um den Aufruf zur “Anbiederung an Gruppendynamiken”. Gruppendynamik entsteht auf den Scilogs ohnehin nicht, im konkreten Fall hier sind´s ja gerade mal 5-6 Diskutierende. Geradezu ein Hort der Ruhe vor Gruppendynamik.

    Aber, kennen Sie diese Studie schon:
    http://www.sueddeutsche.de/…aubt-nicht-1.1343209

    Allerdings sollten wir´s hier auch nicht übertreiben, sonst stehle ich Ihnen noch Ihre Zeit für den nächsten Blog-Post und mir für meinen.
    An einem Forschungsauftrag wäre ich aber sehr interessiert.

    Bis denne.

  35. @Detlef Piepke: Wiss. Neutr.

    Mir erschliesst sich leider nicht, was genau Sie unter “wissenschaftlicher Neutralität” verstehen – aber Biologen dürfen Lebewesen toll finden, Politikwissenschaftlerinnen für Demokratie sein und Sprach- und Musikwissenschaftler Begeisterung für Sprachen und Musiken empfinden. Ebenso gibt es atheistische, agnostische und theistische Religionswissenschaftler. Die Qualität von (empirischer) Wissenschaft hängt an der intersubjektiven Nachprüfbarkeit der Befunde.

    Womit wir bei der von Ihnen verlinkten Studie wären. Danke, und ja, die kenne ich (und habe sie auch bereits getwittert), Ara Norenzayan ist ein guter Freund und Kollege. Und auch diese Befunde dürften den Kollegen Robert McCauley sehr freuen, der genau solche Unterschiede erforscht und beschrieben hat:
    https://scilogs.spektrum.de/…und-wissenschaft-nicht…

    Ihnen alles Gute, gerne mal wieder auf weitere Diskussionen! 🙂

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