Glanz und Strahl – Wie Menschen zum Heiligenschein kommen

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Auch wir alle haben einen Heiligenschein auf! Das wussten Sie nicht? Nun, ich weiss es auch erst aufgrund eines seltsamen Zufalls: Da ich morgen ein kurzes Radiointerview bei Sven Oswald und Daniel Finger (Zweiaufeins bei RBBeins) zum Thema “Heiligenschein” geben sollte, wollte ich heute morgen einen Blogpost dazu anlegen. Vorher noch schnell die abonnierte Tageszeitung aufgeschlagen; und dann – das:

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Credit: Süddeutsche Zeitung (SZ), Titel 16.02.2014

Da stehen wir also, alle miteinander, in unseren Alltagsuniformen, die wir jeweils für wahnsinnig individuell halten – und mit unserer Alltagsmoral, die wir jeweils für richtig heilig halten…

Oder ist doch alles ganz anders? Woher kommt der “Heiligenschein” eigentlich, wer verleiht ihn – und seit wann?

Hier das inzwischen gespielte Radiointerview zum Anhören:

Um es gleich vorweg zu schicken: Nein, der Heiligenschein (mit den schönen Fachbegriffen: Aureole und Nimbus) ist keine Erfindung erst des Christentums. Wir finden ihn beispielsweise auch als Sonnenkranz schon auf antiken Darstellungen von Sonnengöttern und in frühen Darstellungen des Buddha.

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Ghandara-Buddha, 1. bis 2. Jh. u.Z. Foto: World Imaging

Der Schlüsselbegriff zum Verständnis des Heiligenscheins lautet Charisma, aus dem Griechischen “Gnadengabe”, heute auch nichtreligiös als “Ausstrahlung” verstanden. Wir selbst sind es, die anderen Menschen aufgrund der Kombination von momentanem Aussehen, uns bekannter Geschichte und den Zuschreibungen anderer spontan Charisma zugestehen. “Du strahlst heute aber!”, “Seitdem sie sich auf ihr Kind freut, leuchtet sie irgendwie von innen!”, “Ich fürchtete mich vor dem Blick seiner Augen.” usw.

Wir haben es hier also nicht mit einem physikalischen Effekt zu tun, der sich beispielsweise mit einer Taschenlampe nachmachen ließe, sondern mit einer Wahrnehmung, die durch emotionale und soziale Zuschreibungen verstärkt wird. Betroffene müssen das nicht einmal bemerken, es kann ihnen sogar unangenehm sein. So berichtet die Bibel, was geschah, als Moses nach seiner Begegnung mit Gott vopm Berg Sinai herab gestiegen sei (2. Moses / Exodus 34, 29 – 33):

“Als Mose vom Berg herabstieg, hatte er die beiden Tafeln mit dem Bundesgesetz in der Hand. Er wusste aber nicht, dass durch das Reden mit Gott seine Gesichtshaut zu leuchten begonnen hatte. Aaron und alle Israeliten sahen das Leuchten auf der Gesichtshaut Moses und fürchteten sich, in seine Nähe zu kommen. […] Als er ihnen alles gesagt hatte, verhüllte er sein Gesicht.”

Schon in der Niederschrift des Tanach (des “Alten Testaments”) liegt dabei eine Zuschreibung vor – die Ereignisse und die Wirkungen zentraler Personen werden von späteren Generationen aufgeschrieben. Aber auch schon zu Lebzeiten können sich solche Charismen entfalten, wie beispielsweise bei der Landgräfin Elisabeth von Thüringen (1207 – 1231), die sich als junge Frau, gegen Armut und Krankheit engagierte, praktisch ihr gesamtes Vermögen verschenkte und im Alter von nur 24 Jahren als einfache Spitalschwester verstarb. Schon zu ihren Lebzeiten kursierten Wunderberichte und nur vier Jahre nach ihrem Tod erfolgte die Heiligsprechung durch den Vatikan.

ElisabethvonThueringen
Schon ihre Zeitgenossen reagierten mit Spott oder Bewunderung, für “gewöhnlich” hielt man sie kaum.
Gemälde von Edmund Leighton um 1895

Schon die evangelische Reformation schwächte den Heiligenbegriff ab: Nicht mehr religiöse Superhelden, die stellvertretend für die sündige Mehrheit litten und für diese auch Fürsprache bei Gott einlegten, sondern “das Priestertum aller Gläubigen” entwickelte sich zum neuen Ideal. Und kein kirchliches Amt, sondern nur Gott alleine vermochte über die Heiligkeit von Menschen zu urteilen, “Heiligsprechungen” entfielen daher. Die moderne, individualisierte und religiös wie weltanschaulich vielfältige Gesellschaft kennt kaum noch gemeinsame Maßstäbe für Heiligkeit mehr. Entsprechend gibt es den Heiligenschein noch als Symbol für Tradition – und als halb-ironisches Stilmittel, mit dem ein besonderer Anspruch dargestellt werden soll. Und so setzte zum Beispiel die Zeitschrift “Newsweek” dem US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama einen Heiligenschein in Regenbogenfarben auf, nachdem sich dieser für die Gleichstellung von Homosexuellen in Armee und Gesellschaft eingesetzt hatte.

ObamaGayPresident

Würden Sie Barack Obama einen Heiligenschein aufsetzen? Oder, genauer: Gab es Zeiten, in denen sie ihm eine besondere Ausstrahlung zugestanden? Sie merken: Wir alle sind es, die Charisma erkennen und verleihen.

O:)

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

13 Kommentare

    • Weil ich auch beim besten Willen keinen beanspruchen kann (noch will), lieber @Kai! Sonst wäre ich ja auch Theologe geworden, kein Religionswissenschaftler! Wir dürfen, müssen aber nicht! 😉

    • Vorsicht, @Kai, wenn der Sarrazin oder ein anderer Sympath mitkriegt, dass Sie “Joke“ statt Witz schreiben, dann schimpft er mit Ihnen! Auch Sie schaffen Deutschland ab – und haben noch gute Laune dabei!!! 😀

  1. Ach doch, der Blume leuchtet uns auch an. Nur nicht vom Foto runter. So heilig is er dann auch wieder nich.

    Auch ein Religionswissenschaftler kann strahlen. Das ist sogar viel wahrscheinlicher, seitdem die akademische Wissenschaften die Religiösen vom Deutungsthron gestürzt haben.

    Nur das mit der Politikwissenschaft schmälert jederart Schein…

    Obama und Heiligenschein?
    Ne, der war einfach nur die realere Alternative… ganz pragmatisch.

  2. …aber warum eine gelbe/goldene Scheibe um das Haupt?
    Ich erinnere mich lebhaft an eine hervorragende Vorlesung über “Chemie in der Antike”, die Prof. Otto Krätz, ehemaliger Direktor des Deutschen Museums in München, an der Uni Stuttgart hielt. Er gab dafür folgende Erklärung:
    An den Wänden der Tempelküchen/-Laboratorien in Ägypten sind Rezepte aufgeschrieben u.a. die Herstellung von hochprozentigem Alkohol und zwar ohne Destillation. Man konzentrierte den Alkohol, indem Wasser zunehmend durch Zugabe von Kochsalz und Abfiltern entzogen wurde. Priester nun demonstrierten ihre (All)Macht gegenüber dem Volk damit, dass sie vorgaben, auch Wasser verbrennen zu können. Sie zeigten ein Gefäss, das “Wasser” enthielt – tatsächlich aber die hochkonzentrierte alkoholische Lösung, leerten sie über eine (feuerfeste) Perücke auf ihrem Haupt und zündeten sie an: wegen des enthaltenen restlichen Natriums brannten die Flammen mit gelber Farbe weithin sichtbar!
    Priester konnten Wasser verbrennen und Feuer kann ihnen nichts anhaben: quod erat demonstrandum! (manches ist halt nur Hokuspokus)!
    Freundliche Grüße
    Georg Stürmer

    • Lieber Dr. Stürmer,

      herzlichen Dank für den humorvollen Einwurf!

      Ich will nicht ausschließen, dass es solche Tricks in Ägypten gab – auch ja z.B. das Orakel in Delphi funktionierte auf der “Technik seiner Zeit“.

      Gleichwohl haben wir Strahlenkränze – deutlich unterschieden z.B. von den Feuerzungen des Pfingstfestes – auch z.B. in Indien. Zudem ist die Nimbus-Form auch lange nicht festgelegt – eine zeitlang werden lebende Heilige mit viereckigem Nimbus dargestellt.

      Mit herzlichen Grüßen

      Michael Blume

  3. Zur Form der Nimben: in der spätantiken und mittelalterlichen Kunst war die Goldscheibe (anfangs auch ein Farbscheibe) als eine rein symbolische, nichtillusionistische Darstellung gedacht. Gold symbolisierte das überirdische, göttliche Licht. In der spätmittelalterlichen Kunst, bzw. mit der Renaissance kam für die Künstler das Problem auf, diese abstrakte Form künstlerisch in eine dingliche Bildsprache zu übersetzen, um in der neuen illusionistischen, realistischen Wiedergabe der Umwelt, in der die Heiligengeschichten sich abspielten, keinen ästhetischen Bruch herbeizuführen. So entwickelte man im 15. Jh. die perspektivisch im Raum schwebenden, materiellen Goldscheiben, die durchsichtigen, perspektivischen Goldscheiben und Goldringe in vielen Variationen. Dann gab man Gold weitgehend auf und malte Glorien und Aureolen in gelben Lichttönen.

  4. Der 14. Februar 2014 markiert den Beginn eines neuen Zeitalters. Es wird eine neue Religion etabliert. Die Kirche wird abgeschafft. Der Priester wird durch den christlichen Geistheiler ersetzt. So ist es auch möglich, 10-mal weniger Geld auszugeben für Religion.
    Zudem werden der Globalismus und der Kapitalismus stark begrenzt. Es spaltet sich u. a. Schottland von Großbritannien ab. Und es werden Schwundgelder (Beispiel “Chiemgauer” in Bayern) gefördert.

      • Es gibt viele Prophezeiungen, wo darauf hingewiesen wird, dass UNGEFÄHR 2000 Jahre nach Christus ein neues Zeitalter beginnt. Z. B. Jakob Lorber.

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