Gebirgsregionen-Medienthese durch Schweizer Volksabstimmung empirisch bestätigt!
Das hat man(n) auch nicht alle Tage: Kurz nach Vorstellung der Gebirgsregionen-Medienthese am Beispiel des Alpenraums (hier Einführungsvortrag & Studienbrief beim KIT Karlsruhe) gab es in der Schweiz eine Volksabstimmung zu den vom Bund erlassenen 3G-Maßnahmen gegen die Covid19-Pandemie.
Wissenschaftskommunikation 2.0: Mehrere Interviews zur Gebirgsregionen-Medienthese unter anderem in der Süddeutschen Zeitung und hier beim österreichischen Sender Vorarlberg live. Videoausschnitt
Die Schweizer Volksabstimmung bot also eine einzigartige, empirische Möglichkeit der Überprüfung der Gebirgsregionen-Medienthese. Diese lautet ausformuliert:
„Zwischen Menschen in Gebirgsregionen entwickelten sich >sprachliche<, kleinteilige, naturromantische & patriarchale Selbstverwaltungen. Gegenüber zentralisierenden Vor->Schriften< entstand daher mythologische Medien-, Wissenschafts-, Obrigkeits- und Staatskritik, die sich konstruktiv als bündischer Föderalismus und später Liberalismus, destruktiv als dualistischer Verschwörungsglauben bis hin zum Antisemitismus äußert.“
Bereits im Studienbrief war dabei die Schweiz nicht nur als Ur-Bundes-Föderalstaat in der Mitte des EUSALP-Alpenraumes dargestellt, sondern auch die in ihr ausgeprägte “Ambivalenz der Freiheit”: So hatte sich gleich die erste Volksinitiative von 1893 gegen das jüdische Schlachten (Schächten) gewandt und dieses – nicht aber die Massentierhaltung oder sonstige Tierquälerei – per Verfassungszusatz verboten. Und noch 1990 lehnte der Kanton Appenzell Innerrhoden das Frauenwahlrecht per Männer-Votum mit Säbel ab, bevor dann endlich die Schweizer Bundesjustiz eingriff. In Dornach, Kanton Solothurn, befindet sich zudem das von Rudolf Steiner (1861 – 1925) begründete Goetheaneum als Zentrale der Anthroposophie. Hier befindet sich auch Steiners Grabstätte. Die Gebirgsregionen-Medienthese erlaubt es also auch, das Entstehen esoterischer Traditionen aus der alpinen Naturromantik abzuleiten, ohne in ein klischeehaftes Freund-Feind-Beschuldigen abzugleiten.
Und tatsächlich: 62% der stimm(!)berechtigten Schweizerinnen und Schweizer (man beachte die medial-sprachliche Codierung der Volks-Ab-Stimmungen im Gegensatz zu den Vor-Schriften) bejahten die Maßnahmen des Bundes gegen die Covid19-Pandemie. Die Rekordhalter waren dabei Basel-Stadt (71%) und Zürich (66%), gefolgt vom mit dem sprachlich italienisch geprägten Kanton Tessin (65) und Basel-Landschaft (65%). Auch Solothurn stimmte ebenso wie Genf mit 63% zu. Schwächere Zustimmung gab es in Glarus (54%, übrigens der Ort der letzten mittel- und westeuropäischen Hexen-Hinrichtung 1782), Obwalden und Appenzell Ausserrhoden (51%). Sogar mehrheitliche Ablehnung gab es im sog. “Urkanton” Schwyz (49% Ja zu 51% Nein) und in – Appenzell Innerrhoden (44% Ja zu 56% Nein).
Stimmergebnisse vom 28.11.2021 aufgelistet bei swiss.info. Screenshot: Michael Blume
Hier ist also m.E. sehr klar empirisch belegt, dass Gebirgsregionen auch innerhalb des EUSALP-Alpenraumes das Sprach- und Schriftverhalten von Menschen und damit auch politische und weltanschauliche Entscheidungen vorbewusst mitprägen, aber keineswegs determinieren: Menschen quer durch alle Milieus, ja nicht selten innerhalb der gleichen Familien kamen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen.
Und es freut mich sehr, dass erste Verantwortlich beginnen, daraus Schlüsse für künftige Kommunikations- und Bildungsstrategien zu ziehen.
Aber, nein, euphorisch bin ich keineswegs: Auch empirisch bestätigte Wissenschaft gehört eben immer auch zur Textkultur und wird also immer wieder auf erhebliche, auch emotionale Widerstände treffen. Zudem kann nach Poppers Kriterium der Falsifikation ja auch tatsächlich keine wissenschaftliche Theorie jemals “endgültig” bestätigt werden: Das Auftauchen neuer Befunde oder auch bislang verborgener Faktoren bleibt immer denkbar. Es gibt eben kein Ende der Wissenschaftsgeschichte.
Empirisch Recht zu haben kann daher eben keinen Anspruch bedeuten, auch rational gehört (!) zu werden. Mehr als Hoffnung darauf ist nicht drinnen. Daher habe ich das Zitat von Hans Blumenberg (1920 – 1996) an den Anfang meines neuen Buches “Rückzug oder Kreuzzug?” zur Wahrheitsfrage und der Zukunft des Christentums gestellt:
“Nichts ist weniger sicher,
als daß die Wahrheit geliebt werden will,
geliebt werden kann, geliebt werden darf.”
Entsprechend freue ich mich über Ihr Interesse und jede konstruktive Reaktion – mache mir aber über Ignoranz und auch feindseliges Trolling in der kommenden Zeit schon jetzt keine Illusionen. Wir Menschen sind so evolviert – wir “fühlen” Wahrheiten und auch der große Liberale Karl Popper (1902 – 1994) beschrieb das Toleranzparadox und identifizierte das Akzeptieren unliebsamer Erkenntnisse sogar mit dem “Tragen des Kreuzes”…
Aktuell sterben in Deutschland täglich 73 Menschen an Corona. Am 13. Januar 2021 starben 1244 Menschen. Im Moment liegt die Temperatur zwischen 0 °C und 5 °C. Am 13. Januar 2022 wird.es wahrscheinlich nicht kälter sein als jetzt. So dass kältebedingt nicht mit einem Anstieg der Corona-Toten zu rechnen ist. Wir brauchen einen FREEDOM DAY wie in UK. Bitte googeln: Manifest Natura Christiana
@Freichrist343
Während Sie hier Ihren menschenverachtenden Dualismus posten, werden in Deutschland bereits 364 Menschen auf völlig überlasteten Intensivstationen beatmet. Und täglich sterben mehr.
Mir ist klar, dass Sie sich längst in einen Verschwörungsglauben hinabgeschwurbelt haben. Falls Sie aber doch einmal aus dem Hate-Modus ins Bedenken zurückfinden wollen, hier die Realität:
https://www.swp.de/panorama/welche-warnstufe-gilt-in-bw-aktuell-alarmstufe-baden-wuerttemberg-wert-hospitalisierungsrate-hospitalisierungsinzidenz-hospitalisierung-intensivbetten-belegung-zahlen-61133883.html
Ihnen alles Gute, bitte bleiben Sie gesund.
@ Michael Blume
Ich bin sehr offen für Ihre Argumente. Aber Tatsache ist, dass auch der R-Wert unter 1 gefallen ist. Wenn dies in den nächsten Tagen so bleibt, sollten die Corona-Beschränkungen aufgehoben werden.
Die Corona-Beschränkungen schützen Leben, @Freichrist343. Wenn auch Sie tatsächlich das Leben, die Vernunft und die Wissenschaft als wertvoll bzw. sogar als Gottesgeschenke achten können, so tragen Sie bitte zu einer höheren Impfquote und der Achtung der Covid19-Maßnahmen bei. Umso weniger Menschen werden leiden und sterben – und umso schneller erhalten wir und gerade auch unsere Kinder ihre Freiheiten zurück.
Ihnen alles Gute, seien Sie gesegnet!
Sie machen genau das, was Michael Blume im obigen Videovortrag beschreibt. Aus dem Universum von Daten zu Corona suchen Sie sich die raus, die zum von Ihnen gewünschten Ergebnis passen: “freedom day”. In diesem Fall die tatsächlich relativ niedrigen Corona-Sterbedaten (die nicht verwunderlich sind, da die Infizierten immer jünger werden; die Alten sind weitgehender geimpft). Dabei ist das gegenwärtig gar nicht das Problem.
Das gegenwärtige Problem ist, daß wir die ersten Intensivpatienten in andere Bundesländer transportieren mit fliegenden Bundeswehrlazaretten, die eigentlich dafür gebaut wurden, schwerverletzte Bundeswehrsoldaten aus Krisengebieten nach Deutschland zu bringen. So schlimm ist es. Wir werden dem Virus nur noch mit militärischem Equipment Herr. – Der R-Wert liegt tatsächlich gerade mal unter 1, aber bei schlappen 0,93. Da könnten wir bestenfalls in einigen Bundesländern alles so lassen, wie es ist.
Was der freedom day angeht: Das UK kann sich den tatsächlich leisten, weil mehr Menschen immunisiert sind gegen das Virus. Und das bei vergleichbar lausigen … na, aber nicht sonderlich besseren Impfquoten. Es sind mehr Menschen immun, weil sie den Virus haben brachialer durchlaufen lassen. Mit entsprechend hohen Todeszahlen. Rechnen Sie die hoch auf die deutsche Bevölkerungszahl, dann kämen Sie auf weitere 100.000 Covid-Tote, die ja nur die Spitze sind hinter long covid-Patienten. Das Problem ist, wir gehen jetzt in den Winter. Lassen Sie jetzt alles laufen, hätten Sie die 100.000 Tote sehr schnell; so schnell, daß diese etliche Herzinfarkt- und Unfallopfertote mitziehen würden, für die es keine Betten mehr gäbe auf den Intensivstationen.
Das grundlegendere Problem ist, daß unser Gesundheitswesen seit längerer Zeit derart auf Grund gefahren wurde, daß alleine im vergangenen Jahr 5000 Intensivpfleger aufgehört haben. Und da stellen Sie nicht eben mal eine Krankenpflegerin hin und lernen die an; eine Zusatzqualifikation dauert 2 Jahre. Und der Rest des Pflegepersonals ist am Ende. (Link, nur für starke Nerven.)
Landesweite Abstimmungen über aktuelle Sachfragen wie eben welche Massnahmen der Staat in einer Pandemie ergreifen darf, zeigen gerade auch in diesem Fall, dass es dabei Verlierer und Gewinner gibt und dass die Verlierer eben nicht gleichmässig über das Land verteilt sind, sondern sich in bestimmten Regionen/Kantonen häufen. Nun, kann man sagen, das sei bei jeder Abstimmung/Wahl der Fall – auch bei einer Bundestagswahl wie gerade eben in Deutschland. Nur bedeutet eben die Häufigkeit von Sachabstimmungen (z.B. alle paar Monate in der Schweiz), dass diese Gräben in der Gesellschaft immer wieder neu sichtbar werden und immer wieder neu eine Mehrheit alle anderen ins Unrecht versetzt.
Gedankenexperiment: Was wäre das Ergebnis, wenn alle Deutschen über eine Impfpflicht abstimmen könnten und wie würde sich das in Deutschland auswirken?
@ Herr “Holzherr” :
Dr. Webbaer mag demokratische, direkt demokratische Entscheidung, auch i.p. möglicher Impfpflicht.
Denkbarerweise würde, bei positivem Entscheid, “Corona” meint nicht viel anders als einen persönlichen (“statistischen”) Lebenszeitverlust in Höhe von einigen Tagen, so die Gesellschaft sozusagen maximal gespalten werden können.
Denkbarerweise steht das bundesdeutsche Grundgesetz so entgegen, haben’S mal so geprüft, Herr “Holherr” ?!
Stichwort :
-> https://de.wikipedia.org/wiki/Recht_auf_körperliche_Unversehrtheit
An sich “mag” derart Dr. Webbaer wie gemeinte Umfrage, die gerne auch entscheidend sein soll.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Webbaer
Howdy, Herr Dr. Michael Blume,
es gilt (einigen) als sozialwissenschaftlich gesichert, dass schwierige Umgebung Kooperation fördert, derart kooperatives Sozialverhalten ist gemeint, dass in schwieriger Umgebung die Leutz zusammenfinden und versuchen zusammen schwierige Zeit, Jahreszeiten (“Winter” [1]) sind idR, nicht aber notwendigerweise, zu überstehen.
Dr. Webbaer mag auch Ihre Fertilitätstheorien, die Religiösität meinen, so auch den Satz, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt, Karl Marx – denn was sonst könnte wie gemeint bestimmend wirken? [2]
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Webbaer
[1]
Dr. Webbaer fiel im sog. Protogermanischen das ‘Inter’ (dann Latein) auf, vgl. :
-> https://www.etymonline.com/search?q=winter (diese Quelle ist von Dr. Webbaer sozusagen geprüft worden, vielleicht wollen sich auch andere derart etymologisch Interessierte diese Web-Ressource merken)
[2]
Karl Marx wird hier, ganz anders als bspw. sein ebenfalls jüdischer Freund (“Genosse” geht an dieser Stelle ja nicht) Karl Popper, schon als Bluffer, Topper und Duper erkannt, was abär nichts an von ihm derart beigebrachter sozusagen tautologischer Richtigkeit ändern kann, seine wie zitierte Aussage (“dass das Sein das Bewusstsein bestimmt”) meinend.
Korrektur :
* Jahreszeiten (“Winter” [1]) sind idR, nicht aber notwendigerweise [gemeint],
Vielen Dank für den konstruktiven und auch inhaltlich anregenden Kommentar, @Webbaer! Meinen Sie „W-Inter“? Und welches Latein dazu?
War eher ein Gag, der Winter ist wohl – ganz streng genommen – etymologisch nicht mit dem lateinischen ‘Inter’ in Verbindung zu bringen.
Mit freundlichen Grüßen und weiterhin viel Erfolg
Dr. Webbaer (der bei Ihnen immer wieder gerne mal reinliest, Sie sind ja dankenswerterweise immer Wissenschaftler geblieben, auch bei besonderer politischer Herausforderung, In Ämtern und so)
Moment, Dr. Webbaer hat “Das Kapital” gelesen, sich über viele dort vorhandene Anglisierungen und Latinisierungen gewundert, konnte abär nie wie gemeint warm werden, stets den Liberalismus dem Kollektivismus bevorzugend bleibend, und in Karl Marx einen Bluffer, Cheater und Duper festgestellt meinend.
Sicherlich achtet Dr. Webbaer immer auch auf Entertainment, bei seinen kleinen kommentarischen Nachrichten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Webbaer
@Holzherr 29.11. 12:50
„Gedankenexperiment: Was wäre das Ergebnis, wenn alle Deutschen über eine Impfpflicht abstimmen könnten und wie würde sich das in Deutschland auswirken?“
Gute Frage. Wenn wir dann eine Impfpflicht haben, kann das die Pandemie im Land beenden. Aber auch eine Menge schwer sauer gewordene Menschen mit sich bringen, die einfach per Mehrheitsbeschluss ignoriert worden sind.
Andere Frage: Was wäre das Ergebnis, wenn alle Deutschen über die einzig wahre Religion abstimmen müssten und wie würde sich das in Deutschland auswirken?
Die Mehrheit wäre womöglich bei der evangelischen Kirche, alle anderen Religionen wären danach in ihre Ausübung verboten. Und wenn die Religionslosen die Abstimmung gewinnen, wären alle Religionen verboten.
Der Unterschied ist hier: Was ist denn überhaupt abstimmungsfähig, was geht denn den Staat überhaupt was an? Und was nicht. Das ist ein Problem, dass unabhängig von der Frage existiert, ob jetzt neben gewählten Parlamentariern auch direkt über einzelne Fragen abgestimmt wird.
Grundsätzlich eine wissenschaftsfreundliche Haltung vorzuschreiben erscheint mir problematisch. Die Realität der Menschen ist vielfältig, es gibt spirituell Orientierte, die zumindest neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen noch spirituelle Lebenswelten haben, die eben vom Mainstream der Wissenschaft wiederum komplett ignoriert werden. Solche Probleme müssen nicht mit staatlicher Autorität aus der Welt regiert werden, diese Art der Differenzen gehören zum Menschen allgemein dazu.
Und eine Demokratie ohne ein Bewusstsein eines gewissen Pluralismus kann letztlich nicht funktionieren und muss scheitern.
Die wichtigste Frage ist immer: Geht das jetzt wirklich die staatliche Autorität was an oder eben genau jetzt nicht?
Homöopathie zu verbieten brauchen wir nicht, wenn Menschen dies mögen, schaden sie niemanden. Außer vielleicht den Geschäftsinteressen der evidenzbasierten Medizin, aber die haben kein Recht auf ein Monopol. Medizin und Gesundheit ist eben mehr als nur Evidenz in biochemischen Fragen.
In einer Pandemie wie dieser allerdings ist die Antwort eine andere: Das Virus grassiert, wir wollen es nicht ignorieren und versuchen seit fast 2 Jahren, die Infektionsraten erträglich zu halten, und brauchen dafür neben Lockdownmaßnahmen auch hinreichend hohe Impfraten. Wenn wir dies nur mit einer Impfpflicht erreichen können, wäre ich dafür. Das geht jetzt den Staat was an, wir alle wollen wieder im normalem Maß soziale Kontakte pflegen können, und brauchen dafür eben genug Impfquote.
Wenn ein Boostern von allen Willigen allerdings genügen würde, um die Herdenimmunität zu erreichen, und die Inzidenzen nachhaltig runtergehen und unten bleiben, bräuchten wir die Impfpflicht nicht. Mehr als ein Ende des flächendeckenden Infektionsgeschehens ist nicht erforderlich.
Alternativ wäre vielleicht, dass die Impfverweigerer auf eine Intensivbehandlung verzichten müssen, wenn die Krankenhäuser überlastet sind. Diese Wahl sollte man den unfreiwillig Impfpflichtigen vielleicht lassen. Wer das unterschreibt, dem ist es wohl wirklich wichtig, sich nicht impfen zu lassen, und wenn sich doch eine Infektion mit einem schwerem Verlauf ergibt, ist so wenigstens sichergestellt, dass diese Personen die Krankenhäuser nicht überlasten.
Eine Abstimmung über evidenzbasierte Medizin brauchen wir nicht. Wer dem vertraut, geht zum Arzt, wer nicht, geht zum Geistheiler oder vertraut ganz sich selbst, oder dem lieben Gott. Die meisten Krankheiten sind eben nicht ansteckend, und entsprechend wirklich Privatangelegenheit.
In Glarus fand vermutlich die letzte offizielle (also staatlich angeordnete oder gebilligte) Hexen-Hinrichtung in Westeuropa statt. Aber noch im Februar 1933 (sic!) wurde im portugiesischen Bergdorf Soalhães in der Serra do Marão eine gewisse Arminda de Jesus lebendig verbrannt, weil sie angeblich mit dem Teufel im Bund war. Die vier Haupttäter wurden später zu Gefängnisstrafen bzw. Verbannung in die Kolonien verurteilt. Brauchbare Texte über dieses Verbrechen scheint es nur auf Portugiesisch zu geben, z.B.:
https://observador.pt/especiais/diziam-que-tinha-o-diabo-no-corpo-ha-85-anos-arminda-de-jesus-foi-queimada-viva/
https://museuvirtual.trp.pt/pt/processos-emblematicos/soalhaes
http://ocrimedealdeiavelha.blogspot.com/2012/10/e-do-crime-se-fez-peca.html
Der Dramatiker Bernardo Santareno machte 1959 aus dem Stoff ein Bühnenstück, woraus wiederum der Regisseur Manuel Guimarães den Spielfilm O CRIME DA ALDEIA VELHA machte, mehr darüber hier:
https://whoknowspresents.blogspot.com/2018/07/die-filme-von-manuel-guimaraes-teil-2.html
Vielen Dank, lieber @Manfred Polak, für den konstruktiven Hinweis. Tatsächlich gab und gibt es sog. Satanic Panic und – oft schädliche, manchmal sogar tödliche – Versuche in Exorzismus bis heute immer wieder weltweit.
Sie fallen m.E. klar in den Bereich dualistischer Mythologien, über die ich in „Rückzug oder Kreuzzug?“ ausführlicher schreiben konnte.
@Michael Blume
der Exorzismus ist – leider! – immer noch weit, zu weit, verbreitet.
Ich schätze, dass ca. 1 Promille aller Schüler in Deutschland damit “behandelt” wurden. Es gibt auch in Deutschland immer wieder Verurteilungen wegen tödlicher Exorzismen. Auch im islamischen Volksglauben gibt es das, als ruqiya und es gibt Muslime, die das praktizieren, auch in Deutschland.
Aus Rumänien gibt es einen eindrücklichen Film zum Thema : Jenseits der Hügel https://de.wikipedia.org/wiki/Jenseits_der_H%C3%BCgel
Ich sehe ihn aber nicht vom Dualismus aus, sondern von der seelischen Not mancher Menschen, die eine falsche Vorstellung haben, wie ihnen geholfen werden kann. Der Leidensdruck bei seelischen Erkrankungen kann enorm sein.
Das Eine schließt das Andere absolut nicht aus, @j. Die dualistische Abspaltung von Ängsten und Nöten erfolgt oft aus akuter, emotionaler Not.
@Michael Blume
wir sind uns wohl einig: Mitleid mit den Kranken- aber eine gesund Distanz zu ihrer Krankheit (was im konkreten Fall manchmal schwierig sein mag) und Verachtung für die, die diese Krankheiten ausnützen, ggf. auch strafrechtliche Verfolgung mit den Mitteln des Rechtsstaates. (es waren v.a. die Juristen, die den Hexenwahn beendeten)
Leute! Wir reden über staatliche Gewaltanwendung gegen mehr als 20% der Bevölkerung, nichts anderes ist eine Impfpflicht. Das kann nicht Gegenstand einer Volksabstimmung sein. Das kann nicht einmal Sache der Politiker sein, die könnten das höchstens lostreten. Das wird letztlich Karlsruhe zu entscheiden haben. Wollen wir demnächst darüber abstimmen, ob wir nicht vorsichtshalber noch ein paar Hexen verbrennen wollen, um die Pandemie auch ganz sicher zu beenden?
Wow, @Alubehüteter – bei diesem Kommentar ging aber der Heidegger mit Ihnen durch. Medizinisch seriöses Impfen zum Schutz von Menschenleben = Hexenverbrennungen?
Bitte mehr Popper wagen und uns allen damit Pein ersparen…
Ich bin der Ansicht, Gewalt darf der Staat erst dann ausüben, wenn wirklich alle anderen Mittel erschöpft sind. Ultima ratio. Konkret teile ich die Ansicht Alexander Kekules, eine Impfpflicht kommt erst überhaupt nur dann in Frage, wenn man endlich den Impfverweigerern das Angebot gemacht hat, sich mit einem klassischen Totimpfstoff impfen zu lassen, keinen mRNA-Impfstoff. Ob das rational ist oder nicht, viele haben eben eine Skepsis, ein Grundunbehagen gegen den Gentechnikkram: Joshua Kimmich, Sarah Wagenknecht, Richard David Precht, um mal drei zu nennen, die nicht verstrahlt sind, durchaus vernünftigen Gründen zugänglich, und die erklärt haben, mit einem solchen Totimpfstoff hätten sie keine Probleme.
Coronavac vom chinesischen Hersteller Sinovac wäre so ein Totimpfstoff. In der Türkei und Brasilien getestet (anders als das russische Sputnik V, worüber niemand außer den Russen Daten hat), von der WHO anerkannt, wird etwa in der Türkei standartmäßig verimpft. Ist nicht so toll, deutlichere grippale Symptome, aber verhindert überwiegend Intensivstation und Tod, und mehr will ich gar nicht. Die Ungeimpften sollen halt nicht die Intensivstationen verstopfen.
Eine solche Differenzierung aber kriegt man nicht in einen binären ja/nein-Volksentscheid verpackt. Ich bin mal gespannt, ob das überhaupt in ein Gesetzespaket kommt. So etwas wird ein kluger Anwalt oder Gutachter beim Verfassungsgericht vortragen müssen, und das wird hoffentlich in diesem Sinne entscheiden.
Ich denke, da hätte ich nicht nur den Alten vom Berg auf meiner Seite mit seiner fundamentalistischen Technikskepsis. Auch Karl Popper würde sich dagegen verwehren, eine einzige wissenschaftliche Lösung, die des mRNA-Impfstoffs, zu verabsolutieren, wenn es auch Alternativen gibt, auch wenn wir diese für nicht ganz so volksbeglückend ansehen. Sie argumentieren übrigens ähnlich: Frauenwahlrecht steht nicht zur Disposition einer Volksabstimmung (der Männer), da muß ein Gericht zuschlagen.
Eine Abstimmung ist das natürlichste Instrumentarium, dass man sich in einer Gemeinschaft vorstellen kann. Wichtig bleibt, dass sich jeder ernst genommen fühlt. Und wenn nun mal die Bewohner eines Gebietes nicht in Städten wohnen, sondern weit zerstreut, dann wird klar, dass die Meinungen dieser Leute nicht so homogen sind wie bei Bewohner eines Dorfes.
Es fehlt der Gruppenzwang, wo jeder auf jeden aufpasst.
Was verwundert, dass die Leute trotz Internet und einer Informationsquelle wie Fernsehen und Radio so in ihrer Meinung „streuen“.
Danke, @hwied. Tatsächlich wird gemeinhin angenommen, dass die informelle soziale Kontrolle in Dörfern stärker ist als in der anonymeren Stadt.
Und beachten Sie bitte, aus welchem Medium sich die Ab-Stimm-ung herleitet: Aus der Sprache, dem primären Hauptmedium.
Zum Thema Corona und Berge: viele Maßnahmen machen in diesen dünn besiedelten Gegenden einfach viel weniger Sinn, als in einer dicht bevölkerten Stadt. Das kann ein Grund der Ablehnung sein. Zweitens ist Korrelation keine Kausalität: es ist nicht bekannt, warum die Menschen so abgestimmt haben. Ansonsten kann da was dran sein, siehe auch die Taliban. Gebirge, isolierte Gruppen, Ablehnung der Zentralgewalt – ist alles da.
Ja, @G.C., jede empirische These ist eine empirische, also falsifizierbare These. Das steht auch schon so im Studienbrief und Blogpost.
Und zum Beispiel die Kuhpocken-Impfung hätte auch auf den Dörfern Sinn gemacht und wurde dennoch lange gerade auch im Alpenraum bekämpft.
Werter Herr Blume, was ist denn nun mit diesem großen schwarzen Elefanten im Voralpenraum, gemeint ist natürlich Österreich/Bayern? Geeint durch eng verwandte Mundarten und einen spezifisch mafiösen Katholizismus; nicht so brutal ausgeprägt wie der sizilianische, aber doch weit über den Rheinischen Klüngel hinausgehend.
Na, diesen würdige ich doch praktisch in jedem Text und Vortrag für die Kuhpocken-Impfpflicht schon von 1807. Und Markus Söder hat die Alpenraum-Medienthese nicht nur gleich verstanden, sondern auch in einer PK und Tweets aufgegriffen.
@Michael 30.11. 23:50
„Medizinisch seriöses Impfen zum Schutz von Menschenleben = Hexenverbrennungen?
Bitte mehr Popper wagen und uns allen damit Pein ersparen…“
Bei den Impfverweigerern haben wir offenbar mangelnde Wissenschaftsgläubigkeit. Die ist unter einigen Menschen nun Realität. Ich denke nicht, dass wir hier mit Gewalt irgendwas dran verändern können. Wir können natürlich sagen, dass wir ohne Impfpflicht die Pandemie nicht los werden, und auch, dass wir eben allgemeinverbindliche CO2-Steuern einführen, um das Klima zu schützen.
Beides ist aus Sicht der Nicht-Wissenschaftsgläubigen ein unsinniger Eingriff in ihre Freiheit. Aber aus Sicht der Mehrheit eben überaus sinnvoll.
Es gibt allerdings auch durchaus nachvollziehbare Gründe, auf eine Impfung zu verzichten: Es gibt z.B. die These, dass eine Infektionskrankheit eine Art Kur sein kann, die im weiteren Leben etwa einen gewissen Schutz vor Krebs mit sich bringen könnte. Wenn ich also recht jung bin, und ich mir wegen eines schweren Coronaverlaufs eigentlich keine persönlichen Sorgen machen muss, dann kann ich das eigentlich entspannt auf mich zu kommen lassen.
Dagegen steht aber eben der Andrang auf den Intensivstationen, wenn man den ohne Impfpflicht nicht in den Griff bekommt, dann müssen die Impfgegner eben ihre Bedenken hinten an stellen. Das ist ja jetzt kein Riesenproblem.
Aber: Wenn ein Boostern aller Willigen reicht, dann brauchen wir keine Impfpflicht. Wie sieht das denn in Israel aus? Die sind uns ein paar Monate voraus. Mehr als eine Herdenimmunität brauchen wir nicht.
Ich finde es auch vernünftig mich an den gesicherten Erkenntnissen der Wissenschaft zu orientieren. Aber die Wissenschaft weiß wirklich nicht alles, und es gibt im religiösem und spirituellem Kontext durchaus noch Welten, um die die Wissenschaft selbst einen großen Bogen drum herum macht, und sich weigert, sich damit auseinanderzusetzen. Das mögen die gerne tun, aber dies ist dennoch im Grunde ein dickes Versäumnis, und es wäre ziemlich falsch, den Menschen vorzuschreiben, die eigenen Fehler auch zu machen.
Bleiben wir bei dem was wir wissen, und auch bei dem Bewusstsein, was wir nicht wissen. Wer darüber hinaus was kurioses Glauben mag, der soll das tun. Klimaschutz müssen wir machen, das hängt ganz dringend, Impfen auch, aber ich vermute, dass es genügt zu boostern, die Kinder und Jugendlichen zu impfen und einige bisherige Impfunwillige mittels Unbequemlichkeit von 3G und 2G zum Impfen zu bewegen.
Was aus Omikron wird, ist wohl noch unklar. Theoretisch könnte diese Variante sogar positiv wirken: Wenn sie hochansteckend ist, aber nur wesentlich weniger schwer krank macht, könnte sie sich in den armen Ländern ausbreiten und die Menschen gegen die grassierenden gefährlicheren Varianten immunisieren. Also wie ein natürlicher Impfstoff wirken, aber kostenlos, ohne Spritze und selbstausbreitend. Das bleibt abzuwarten.
Ups.
JEDER muß sich Sorgen machen um einen schweren Verlauf. Die einen mehr, die anderen weniger.
Die Schwere des Verlaufs hängt zum einem ab von der Stärke des Immunsystems. Also schlecht für Alte, Adipöse usw., Vulnerable. Zum anderem aber von der Schwere des Angriffs. Wenn Sie, wie in Ischgl, Stunden abtanzen, feiern, lachen, gröhlen, dann kommen Sie noch nach einem Jahr keine Treppe mehr rauf, ohne daß Ihnen der Atem ausgeht. Und die waren jung, trainiert, Skifahrer.
Das ist eines der weitverbreitetsten Irrtümer der Pandemie, ein wichtiges Hindernis, sich impfen zu lassen: Sorglosigkeit, “Ich bin jung, mich betrifft das nicht”. Das Argument der Raucher, “das Risiko ist da, aber mich wird es schon nicht betreffen”.
@ Tobias J. und zu seiner folgenden (nicht so ganz neuen )Erkenntnis:
“… Wenn wir dies nur mit einer Impfpflicht erreichen können, wäre ich dafür….”
Die Vernachlässsigung einer Berücksichtigung der wisssenschaftlichen Diskussionen zu genau dieser Frage ist es ja gerade , was man den Verfassungsrichtern von nun an (und ich hoffe bei Berechtigung für alle Zeiten) als ein Ebnen des Weges hin zu einem weniger liberalen Autoritätstaat vorwerfen kann bzw. wird.
(Entschuldigung wegen Schachtelsatz. Aber sind ja alles Intelllellle hier )
Geeint durch eng verwandte Mundarten und einen spezifisch mafiösen Katholizismus; nicht so brutal ausgeprägt wie der sizilianische, aber doch weit über den Rheinischen Klüngel hinausgehend. (Ende der Zitation und äußerste Distanzierung meinerdeits vom Inhalt des Zitats)
Aberr, aberr, Herr Aluhut ?
Das erfüllt eindeutig den Tatbestand der hetzerischen Verleumdung und des antikatholizistischen (hoffentlich nur unterbewussten) Antise…. äh , antirömischen Anti- Theismus.
Wenn die Verleumdung von Staatsoberhäuptern gegnerischer Staaten noch immer strafbar wäre, hätten Sie auch bald die Geheimdienstabteilung des Opus Dei am Hals.
So kanns nur passieren, dass Ihnen morgen früh der VS die Tür eintritt und zuerst ihre PCs usw. konfisziert.
Denn das hab ich heute so oder ähnlich in den Medien gehört. Und deswegen hab ich Sie jetzt auch (mich eindeutig von Ihnen distanzierend) ..
..hiermit bei den uns hier überwachenden Behörden aus aller Herren Länder
GEMELDET !
Ich bin selber rheinisch-katholisch und zutiefst dankbar dafür.
Bei uns ist der “Klüngel” noch auf Ebene persönlicher Beziehungen. Man kennst einen aus der Kirchengemeinde, der einen kennt. Eine Hand wäscht die andere, bis beide schmutzig sind. Klassiker Laschet vergangenes Jahr mit den Masken vom Brötchengeber seines Sohnes.
Im bayrisch-österreichischen Raum reicht das schon hinein in den Bereich handfester Korruption. Es ist nicht zufällig, daß vor allem die CDU durchgehend betroffen ist von Koruptionsaffähren. (Gut, im Ruhrgebiert war es kommunal auch die SPD.)
Einfache Frage von Strom pro Fläche. Wenn Sie Menschen Energie hinzufügen, wandeln sie sie in irgendwas um, und dazu nützen sie den ihnen zu Verfügung stehenden Raum. Natürlich kriegt man mehr geschafft, wenn man nicht so viel Zeit und Kraft verbraucht, um von A nach B zu kommen, gleiches Prinzip wie beim Computerchip: Je kleiner, desto schneller. Wenn sehr viele Steinzeit-Nomaden in eine große, enge Siedlung gequetscht werden, bekommen Sie über Nacht eine Zivilisation – sie reden viel, handeln viel, tauschen Wissen aus. Wenn Sie Menschen in viele kleine Siedlungen quetschen, bekommen Sie sehr viele soziologische Petrischalen, die sich sehr schnell auseinander entwickeln und auf eigene Weise an die Umwelt anpassen.
Isolation, mangelnder Austausch mit der Außenwelt, bewirkt, dass solche Gemeinschaften eine Art von Folie à plusieurs, kollektivem Autismus entwickeln, ähnlich wie Sekten oder Staaten. Jedes Tälchen, jedes Dörfchen, wird zu einem eigenen Universum. Statt die große, weite Welt kennenzulernen, geht die Energie drauf, die Details der kleinen zu studieren, in der Heimat kennt man jeden Marienkäfer mit Stammbaum und Vornamen. Die Außenwelt hingegen verschwindet im kognitiven Schwarzen Loch, wird zu Finsternis, Chaos und Unbekanntem, wo nur Dinge her kommen, die man nicht kennt, nicht braucht und mit denen man nicht umgehen kann. Zuhause ist man Gott, draußen verloren im All.
In einer großen, offenen Welt, die global vernetzt ist und viel Input einsaugt (die Antarktis fällt also nicht darunter, unendlicher leerer Raum wirkt genauso isolierend, wie die Alpen – alles eine Frage der Zeit und Energie, die man braucht, das Hindernis zu überwinden), gibt’s sehr viel, doch es kann nur oberflächlich kennengelernt werden. Beziehungen sind oft auf einfache Rituale reduziert, die Menschen erscheinen nach Außen wie Klone, denn nur mit einer vereinfachten, vereinheitlichten Benutzeroberfläche kann jeder die Massen der Mitmenschen und Daten bewältigen, die auf ihn einströmen: Gleiche Energie, größere Fläche. Man ist sehr vom Großen abhängig, von Menschen, denen man nie im Leben begegnen wird, die man nur ihrer Funktion nach kennt, wie Klempnern und Regierenden. Man muss oft Befehle und Regeln befolgen, die man nicht versteht, die man nur ändern kann, wenn man eine große Meute zusammenkriegt. Diese Uniformität und Abhängigkeit prägen das Denken, man neigt zu Kollektivismus, Gleichschritt und Kaisertreue. In der kleinen Welt ist der Mensch groß, in der großen – sehr, sehr winzig.
Zu viel Energie bringt Dinge bekanntlich zum Platzen, und weil auch Information unter „Energie“ fällt, bewirken Satellitenschüsseln, dass junge Leute aus Dörfchen in die Stadt ziehen, und das Internet, dass Städter sich in Dörfchen aufteilen – kleine, isolierte Gruppen, Petrischalen, von denen jede an ihrer eigenen Variante der Folie à plusieurs werkelt. Wir drehen einfach am Rad in unseren Käfigen, der Stoffwechsel – der Konsum – läuft auf Hochtouren, manche packen überflüssige Energie in Fett, andere stopfen die Bude mit Krimskrams voll, noch andere sind ständig draußen unterwegs und investieren in Kilometer und Gesellschaftsaktivitäten, doch irgendwann wird es zu viel der Reizüberflutung, man macht dicht und entflieht dem kollektivem Wahnsinn, indem man eine eigene Variante davon entwickelt – ein mentales Heile-Welt-Dörfchen, eine nach Außen hin abgeschottete Wahrnehmungsblase, innen einfach und auf die Verarbeitungsfähigkeit der Bewohner angepasst, nach Außen ein harter, abweisender Festkörper. Jede Kokosnuss ist nach diesem Prinzip aufgebaut. Der Rest des Universums übrigens auch. Die globale Erwärmung betrifft nicht nur Klima – die Technologie lässt nicht nur Luftmoleküle schneller rasen und schmilzt nicht nur Polkappen. Wir haben uns einen zentral geheizten Babelturm gebaut und müssen damit fertig werden.
Die Evolution wiederholt sich: Wir basteln uns einen Mehrzeller nach Schema F. Die Gesellschaft besteht schon heute aus Wohnungen, Häusern, Zimmern, Familien, Spezialisten, die jeweils nur einen winzigen Teil der kollektiven Belastung stemmen und oft zwischen der großen und der kleinen Welt hin und her wechseln. Es kommt immer auf die Balance zwischen den Welten an, die Kommunikation zwischen den Blasen darf nie abbrechen, die Suche nach Kompromissen, Lösungen, gemeinsamen Zielen, Nachbarschaftshilfe aller Art, muss ewig weiterlaufen. Wir finden’s aus gutem Grund unerträglich, wenn das Wir das Ich frisst oder das Ich das Wir, und zerstören jede Welt, die den Ausgleich nicht hinkriegt. Gilt auch bei Corona – auch wenn Impfen und Impfpflicht zu den schlechtesten Lösungen gehören, die gerade noch funktionieren könnten (alle besseren Möglichkeiten haben wir stur und konsequent verpatzt), mir graut’s vor einer Welt, in der Mehrheiten Ketzer zwangstaufen dürfen, zu deren eigenem Seelenheil.
Wir haben zwei Probleme. Das eine ist die Pandemie – ein Virus kann nur durch sehr radikale Maßnahmen bekämpft werden. Das andere ist die üblicherweise mörderische Mixtur aus „radikal“ und „Mensch“. Wir haben’s so gedeichselt, wie wir’s immer tun, uns standhaft geweigert, die eigenen sündigen Pfade zu verlassen, bis ein Menschenopfer aus irgendeiner Minderheit zur einzigen Lösung wurde, um die zornigen Corona-Götter doch noch gnädig zu stimmen. Zum Glück müssen wir keine Jungfrauen in den Vulkan schmeißen oder Scheiterhaufen aufschütten (wegen Klima wären’s wohl eher Komposthaufen), auch wenn sich so eine Spritze irgendwie so anfühlt als ob – als würde einem Jens Spahn unter die Haut gehen. Dass man etwas, was der für gesund befunden hat, nicht unbedingt im Körper haben möchte, erklärt sich von selber, oder? Corona hat echten Einzig Wahren Glauben und echte Ketzer geschaffen, die durch ihre Irrlehren das Verderben über uns alle bringen. Geschichtlich eine Ausnahmesituation, doch ich habe echt Angst, dass wir Gefallen daran wiederfinden könnten. Denn die Taliban argumentieren so ähnlich, so tun auch Populisten, Hitze und Druck spalten die Menschheit an allen Sollbruchstellen in Sekten, Stämme, Horden, und die machen sich bereit, um Ressourcen zu kämpfen. Die Menschheit sucht ihren Weg zum Faschismus, jedes Völkchen auf seine eigene Weise, und ob der durch oder gegen die Faschisten eingeführt wird, hat nur für die Dekoration Bedeutung.
Hexenjagden aufgrund von Wahn sind schon schlimm genug. Hexenjagden mit wissenschaftlicher Begründung wären schlimmer. Was tun, wenn eine Seite tatsächlich sachlich Recht hat, sich daraus aber eine billige Ausrede für Unrecht bastelt?
Viren sind einfach – Quarantäne or bust. Ob die Übertragungswege durch Lockdown unterbrochen werden, durch Massensterben, durch Masken, durch Impfstoffe, oder weil wir uns gleichmäßig über eine große Fläche verteilen und nur noch durch Brüllen oder Handy verständigen, ist egal. Sie spalten uns auf einer persönlichen Ebene, doch dank moderner Kommunikation können dadurch kollektive Ichs, die aus räumlich isolierten Individuen bestehen, deren Individualität aber unterdrücken, auf einen gemeinsamen Nenner reduzieren, umso mehr aufblühen. Und diese Kollektive verhalten sich so, wie jede andere Meute auch – ob’s nun ein Lynchmob ist oder Fußballfans beim Feiern. Diese Kollektive kämpfen gerade um unsere Seelen. Wenn jetzt die Impfpflicht kommt, müssen wir im Hinterkopf behalten – wir haben alle verloren. Wir alle sind gefallen. Wir haben uns zu lange der Freiheit unwürdig erwiesen, jetzt rauben wir sie einander gegenseitig. Es wird Zeit, sehr schnell sehr viel draus zu lernen, wenn wir morgen nicht der guten, alten Corona-Zeit nachtrauern wollen, in der wir keine anderen Probleme hatten, als Pandemie und Klima-Apokalypse.
Da können viele Petrischalen, viele schnell arbeitende, schnell denkende, sich schnell entwickelnde Ideenfabriken durchaus von Vorteil sein. Genauso wie der globale Informationsaustausch zwischen ihnen. Wir basteln uns ein globales Hirn, mal sehen, ob es so irre wird, wie seine Komponenten. Evolution as usual. Wir können uns nur aussuchen, wie sehr es weh tun wird.
@Alubehüteter 01.12. 22:00
„Das ist eines der weitverbreitetsten Irrtümer der Pandemie, ein wichtiges Hindernis, sich impfen zu lassen: Sorglosigkeit, “Ich bin jung, mich betrifft das nicht”“
Das ist der falsche Ansatz. Die Gesundheitsgefahr ist für Menschen unter 40 oder 50 sehr überschaubar. Gäbe es nicht die vielen Älteren, die ernsthafte Risiken haben, würde man um diese Pandemie vielleicht einen kurzfristigen Medienhype machen, aber Maske, Lockdown oder flächendeckende Impfungen wären weder durchsetzbar noch in irgendeiner Weise verhältnismäßig.
Das wäre weit harmloser als eine Grippe. Natürlich hat man auch mit 20 ein gewisses Todesrisiko größer null, aber eben in der Praxis und Menge der anderen alltäglichen Lebens- und Gesundheitsgefahren macht es keinen Sinn, sich damit überhaupt groß zu beschäftigen.
Aber wir haben eben die Risikogruppen, für die Corona wirklich richtig gefährlich ist, und wir haben die überforderten Intensivstationen. Deshalb brauchen wir Impfungen auch von jungen Menschen, auch von Kindern und Jugendlichen. Aber auch wieder nur soviel Impfquote, bis wir eine Herdenimmunität hinbekommen.
Natürlich würde ein junger Mensch, der Angst vor Corona hat, sich impfen lassen. Das wäre gut für die Solidargemeinschaft. Aber rein egoistisch gesehen für sich selbst ist die Impfung ziemlich egal.
Ihre Argumentation ist eindrucksvoll, zeigt sie doch, wie gründlich die Regierung versagt hat in der Information der Bevölkerung. Begegnet mir immer wieder bei intelligenten Leuten, die ich weit diesseits der Schwurblerszene rechne.
t-online vor drei Wochen
Es würden auch ohne die Alten und Vulnerablen zu viele Menschen auf der Intensivstation landen, nur vielleicht erst im Februar. Es geht vielleicht nicht um das individuelle Lebensrisiko eines Vierzigjährigen; der mag das für sich mit einiger Berechtigung noch auf die leichte Schulter nehmen, obwohl ich das leichtsinnig finde. Aber es sind insgesamt zu viele. Und wie gesagt, es kommt auf die Situation an. In einer Disko hat auch ein junger Mensch gute Chancen, sich schwer zu infizieren.
Rezo z.B. hat es trotz Impfung sehr schwer erwischt.
@Alubehüteter 03.12. 14:35
„…obwohl ich das leichtsinnig finde. Aber es sind insgesamt zu viele.“
Vor allem sind es zuviele, wenn die alle auf einmal krank werden. Aktuelle Spitzenreiter am Rand von Sachsen haben Inzidenzen von 2000.
2000 / 7 / 100.000 = 0,00286 % am Tag.
0,00286 % * 60 = 17,2 % in 2 Monaten.
Aber die Inzidenzen unter den Ungeimpften sind an die 2 mal höher als der Durchschnitt, und nicht alle Infizierten werden erfasst, auch noch mal ein Faktor 2 ungefähr.
17,2 % * 2 * 2 = 68,8 %
Das heißt, dass sich in 2 Monaten fast 70% der Ungeimpften bei Inzidenzen von 2000 infizieren werden.
Und die, bei denen die Infektion schief geht, die wandern jetzt über diese 2 Monate alle in die Krankenhäuser. Mehr geht wohl nicht. Ein Lichtblick hat es aber doch: die werden fast alle zu Genesenen, wenn wir durch die Katastrophe auf den Intensivstationen durch sind. Aber die Mitarbeiter der Krankenhäuser sind dann auch am Ende.
Nun gut, die bundesdeutsche Inzidenz liegt nur bei 440, auch hoch.
Sieht aber so aus, dass wir zusammen mit Boostern, Kinder impfen und Nachzüglern, denen es mit 2G zu unbequem wird, dass wir so ans Ende der Pandemie bis zum Ende des Winters herankommen. Mit Lockdown für Ungeimpfte, aber noch ohne Impfpflicht.
Fragt sich jetzt nur, was Omikron für Eigenschaften hat. Das könnte mal wieder einen Strich durch die Rechnung machen, so wie Alpha im letztem Winter und Delta im Frühjahr 2021 auch schon.
Da darf man vielleicht vorsichtig optimistisch sein. Die Südafrikaner berichten immer noch von wenig schweren Verläufen. Vorsichtig: Die haben seine sehr junge Bevölkerung, und irgendwie wütet Corona auch nicht so dramatisch in Afrika wie anderswo. Aber hoch ansteckend ist das Biest auf jeden Fall.
Mit sehr viel Glück ist die Omikron-Variante die Zwangsimmunisierung, dann eben so rum. Wenn nicht, sind wir im totalen Desaster.
Habe heute einmal die KI Perplexity.AI mit der Aufgabe gepromptet: “Bitte erläutere die Gebirgsregionen-Medienthese am Beispiel der Impfquoten”.
Die m.E. beeindruckende Antwort hier, unten auch der Link:
Die Gebirgsregionen-Medienthese, wie von Dr. Michael Blume erläutert, beschreibt die besonderen sozialen und politischen Strukturen in Gebirgsregionen und deren Einfluss auf Phänomene wie Verschwörungsmythen und Impfquoten. Diese These besagt, dass Gebirgsregionen aufgrund ihrer geografischen und historischen Isolation oft dezentralisierte Selbstverwaltungsstrukturen entwickeln, die von einem starken Misstrauen gegenüber zentralen Autoritäten geprägt sind. Diese Strukturen fördern eine föderale Tradition und eine kritische Haltung gegenüber der Obrigkeit, was sich auch in der heutigen Zeit in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen bemerkbar macht.
### Beispiel der Impfquoten
Dr. Blume führt aus, dass in Gebirgsregionen wie dem Alpenraum, dem Erzgebirge oder der Schwäbischen Alb die Impfquoten tendenziell niedriger sind als in flacheren Regionen. Dies wird durch die historische und kulturelle Prägung dieser Regionen erklärt, die eine starke Selbstverwaltung und Skepsis gegenüber zentralen Anordnungen begünstigt. Diese Skepsis kann sich auch auf moderne Gesundheitsmaßnahmen wie Impfungen auswirken.
Zum Beispiel hatten die Schweiz und Baden-Württemberg während der Covid-19-Pandemie deutlich niedrigere Impfquoten als flachere Regionen wie Dänemark oder Schleswig-Holstein. In den neuen Bundesländern Deutschlands waren die Impfquoten in Sachsen, das ebenfalls durch Gebirgsregionen geprägt ist, niedriger als in Mecklenburg-Vorpommern, das flacher ist[1].
Diese Unterschiede in den Impfquoten spiegeln die Gebirgsregionen-Medienthese wider, indem sie zeigen, wie historische und kulturelle Faktoren in Gebirgsregionen zu einer stärkeren Ablehnung zentraler Maßnahmen führen können. Dies wird durch die föderalen Traditionen und das Misstrauen gegenüber zentralen Autoritäten verstärkt, was sich in einer geringeren Bereitschaft zur Impfung äußert.
### Fazit
Die Gebirgsregionen-Medienthese bietet eine Erklärung für die niedrigeren Impfquoten in Gebirgsregionen, indem sie die historischen und kulturellen Hintergründe dieser Regionen berücksichtigt. Diese These hilft zu verstehen, warum bestimmte Regionen stärker von Verschwörungsmythen und Skepsis gegenüber zentralen Maßnahmen betroffen sind, was sich auch in der Impfbereitschaft widerspiegelt.
Citations:
[1] https://www.boell-bw.de/de/2022/12/05/dr-michael-blume-gegenstrategien-von-seiten-der-politik-und-den-institutionen
[2] https://www.nali-impfen.de/monitoring-daten/impfquoten/
[3] https://www.coronavirus.sachsen.de/ueberblick-coronaschutzimpfungen-in-sachsen-9874.html
Der Link zu den Ergebnissen:
https://www.perplexity.ai/search/Bitte-erlutere-die-VqDGjwv7R2up0608zK3tFg
Beeindruckend, schon jetzt.