Franziskus: Glocken läuten am 4.10. für den christlich-islamischen Dialog

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Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Heute ist der Tag der deutschen Einheit. Und morgen, am 04. Oktober 2019, werden weltweit um 14 Uhr, parallel zur islamischen Gebetszeit, Glocken katholischer Kirchen läuten. Vielerorts wird auch das Musikstück “St. Francis Trial” des Leuvener Komponisten Jo Coenen gespielt werden, in dem sich die Melodien des gregorianischen Angelus-Gebetsgesanges und des islamischen Adhan-Gebetsrufes begegnen.

Hintergrund dieser weltweiten Aktion ist das friedliche Zusammentreffen und Religionsgespräch des christlichen Francesco von Assisi (1181 – 1226) mit dem islamischen Sultan Al-Kamil Muhammed al-Malik (1180 – 1238) am Rande eines Kreuzzuges im Jahr 1219, also vor genau 800 Jahren.

In Erinnerung an dieses Friedenszeichen inmitten des damaligen Krieges bereiste der heutige, sich nach Franz benennende Papst Franziskus Anfang 2019 als erster Papst überhaupt die arabische Halbinsel. Schon in seiner v.a. ökologisch orientierten Programmschrift “Laudato Si” (2015) hatte Franziskus den islamischen Mystiker Ali Al-Khawwas (gest. 1538) als “geistlichen Lehrer” gewürdigt. Eine größere Einordnung dieses katholisch-franziskanischen Dialog-Ansatzes nimmt Pater Felix Körner auf katholisch.de vor

Gemeinsam mit einer befreundeten Familie konnten auch wir Blumes als evangelisch-katholisch-muslimische Gruppe diesen Sommer Assisi, die Geburts- und Wirkungsstatt des historischen Franziskus, besuchen. Eine humorvoll-weise Franziskanerin führte uns auf den Spuren des Mannes, der in der römisch-katholischen Kirche auch als Heiliger geehrt wird.

An der Geburtsstätte von Franz von Assisi, Sommer 2019. Foto: Michael Blume
Besuch der Geburtsstätte von Franz von Assisi im Sommer 2019. Foto: Michael Blume

Wie Andreas Malessa in “Eine Blume für Zehra” herausfand und schrieb, war es tatsächlich eine Biografie von Franz von Assisi, die mich damals aus der Homo oeconomicus-Banklaufbahn und dem Studium der Volkswirtschaft zum Wechsel in die Religions- und Politikwissenschaft führte. Und auch im Dialog mit Musliminnen und Muslimen mache ich immer wieder ermutigende Erfahrungen.

 

Interreligiöser Tweet nach einem Vortrag bei der VHS Castrop-Rauxel.
Tweet nach einem Vortrag bei der VHS Castrop-Rauxel. Foto & Screenshot: Michael Blume

Zur Realität gehört freilich auch, dass inzwischen der übergroße Teil der Begegnungen von Menschen christlicher und islamischer Herkunft in säkularen Kontexten stattfindet, in denen Religionen nur noch eine geringe oder gar keine Rolle mehr spielen: In Freundes- und Familienkreisen, Wohnvierteln, an Arbeitsplätzen, Schulen und Hochschulen, im Kontext von Kultur bis hin zu Filmen – und Musik.

Doch auch wer es nicht so mit Gebetsrufen und Glockenläuten haben sollte, kann sich doch zum Beispiel am neuen, wundervollen Song der südwestdeutschen Band Rahi erfreuen. Hier verbinden sich deutsche, kurdische und türkische Einflüsse musikalisch und künstlerisch zu aufregend Neuem. “In die Augen, in den Sinn”, ein Lied über “echte”, den ganzen Menschen erfassende Begegnung und Erinnerung – hier neu und für uns alle:

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

2 Kommentare

  1. So meins ist der Song ja nicht 😉 Habs mal mit meiner Familie geteilt, da finden sich bestimmt “Opfer” 😉

  2. @christlich-islamischer Dialog

    Ich finde es eine sehr gute Idee, wenn sich verschiedene Religionen unter einander austauschen. Die Frage, was denn die geistige Wirklichkeit wirklich ist, ist eine sehr Interessante. Das setzt natürlich eine gewisse Weltoffenheit voraus. Wer wirklich meint, dass seine eigene Religion die einzig Wahre ist, hat wenig Gesprächsbedarf, von Missionstätigkeit mal abgesehen.

    Wer mit Lügen und Gewalt arbeitet, ist selten ein fruchtbarer Gesprächspartner. Öfter scheint es, dass Muslime mehr dazu neigen, eben nicht weltoffen zu sein. Aber das kann auch daran liegen, dass sich Muslime von Israel, Großbritannien und den USA ziemlich schlecht behandelt fühlen, und vor allem eine Weltoffenheit aus dieser Richtung ablehnen.

    Zwischen Religiösität und spiritueller Einstellung aller Art gibt es auch einen oft wortreichen Nichtdialog mit vielen Anhängern einer materialistisch geprägten Wissenschaft. Auch hier scheint es schwierig, wenn auch nicht unmöglich, zu sein, sich wirklich zu verständigen.

    Wobei ich hier das Positive aus beiden Lagern schätze. Eine spirituelle Heimat als Teilnehmer in einem geistigen Kosmos einerseits, und die Einsicht in die Mechanismen von Klima und Ökologie anderseits geben mir beide zusammen die Möglichkeit, mich im Leben vernünftig zu bewegen. Das Experiment Zivilisation ist an einem interessanten Punkt angekommen, scheint mir.

    Die wissenschaftlich bedingte Technik versetzt uns in die Lage, aus unserem Planeten einen ziemlich wunderbaren Garten zu machen, indem wir Menschen uns wirklich zuhause fühlen können. Und eine spirituelle Orientierung kann uns die Motiviation geben, das auch anzufassen und umzusetzen, auch wenn es dem persönlichem finanziellen Vorteil nicht unbedingt entspricht.

    Die moderne Kommunikation hat das Potential, dass es dazu kommt, dass wir unsere technischen Möglichkeiten nutzen, um tatsächlich aus der Erde das zu machen, wovon Mensch noch nur träumen kann. Mit den Möglichkeiten der neuen Medien geht die Diskussion in eine neue Runde, aber auch die Nichtdiskussion und die Arbeit mit Lügen und Gewalt.

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