Evangelische Andacht für einen Neandertaler – und für uns
BLOG: Natur des Glaubens
Als mich der geschätzte Pfarrer und Direktor Joachim Beck neulich bat, eine Andacht für die Kuratoriumssitzung der Evangelischen Akademie Bad Boll zu gestalten, grübelte ich eine Weile. Schließlich bin ich Religionswissenschaftler, kein Theologe und also für Andachten nicht ausgebildet worden. Und in diesen Sitzungen würden sich neben anderen engagierten Laien auch hauptamtliche Theologen wie Pfarrer und (Ober-)Kirchenräte einfinden. Andererseits gilt in den evangelischen Kirchen das “Priestertum aller Glaubenden” – es wäre also geradezu vor-reformatorisch, zu schweigen, wenn das Wort schon erbeten wurde. Und so entschied ich mich, eine Andacht für jene unserer Vorfahren zu halten, denen (soweit ich weiss) noch kaum gedacht worden ist: Die Neandertaler.
Allen Anwesenden lag dazu folgendes Andachtsbild vor:
Text der Andacht für einen Verstorbenen…
…zum Hören
…und zum Lesen
Lieber Herr Direktor,
liebe Mitglieder des Kuratoriums der Evangelischen Akademie Bad Boll,
vielen Dank, dass Sie mich gebeten haben, heute die Andacht zu gestalten.
Vor Ihnen liegt die Zeichnung eines Bestatteten am Berg Karmel im heutigen Israel. Er wurde “Moshe” benannt, nach dem berühmten, israelischen Archäologieprofessor Moshe Stekelis. Moshe Stekelis ist 1967 von uns gegangen, jener Moshe auf dem Bild schon etwa 60.000 Jahre zuvor. Der Moshe, dessen Grablege Sie gerade studieren, war ein Homo neanderthalensis, ein Neandertaler.
Noch vor wenigen Monaten hätte man gesagt, dass die Neandertaler leider restlos ausgestorben seien. Doch inzwischen wissen wir es, auch dank des Max-Planck-Institutes für evolutionäre Anthropologie (eva) in Leipzig, besser: Zwischen Neandertalern und jenen Homo sapiens, die damals Afrika verließen, ist es zu gemeinsamen Vorfahren gekommen. Wir, die wir hier sitzen, und auch schon Moses, Abraham, David und Jesus haben Homo neanderthalensis unter unseren Vormüttern und -vätern und tragen ihre Gene in uns. Moshe, der nur etwa 25 bis 35 Jahre alt wurde und keine Spuren von Verletzungen oder Krankheit aufwies, könnte ein gemeinsamer Vorfahr von uns sein.
Er wurde bestattet und der fehlende Schädel könnte ein Hinweis auf eine Sekundärbestattung des Kopfes sein, wie wir ihn auch aus heutigen Bestattungsbräuchen noch kennen. Ob wir von Religiosität oder Proto-Religiosität sprechen wollen – schon bei Neandertalern finden wir unzweifelhaft die ersten Hinweise darauf, dass Tote rituell ins Jenseits geleitet wurden. Dass wir heute einen Glauben bekennen und beten können und dass es Menschen gibt, die Kirchen und kirchliche Akademien tragen und finanzieren, verdanken wir Abertausenden von Generationen von Homo sapiens und Homo neanderthalensis, die neben- und miteinander zu “Homo religiosus” evolvierten. Und dieser Prozess ist nicht abgeschlossen, denn auch heute noch geben religiös vergemeinschaftete Menschen ihre Gene und Lehren an durchschnittlich mehr Kinder und Enkel weiter als ihre nicht oder weniger religiös aktiven Nachbarn.
Moshe sprach und sang – wie später Neander
Überaus faszinierend ist auch, dass Moshe über ein Zungenbein (Oshyoideum) verfügte – der einzige Knochen des menschlichen Körpers, der nicht mit anderen Knochen verbunden ist. Er ist im Knorpel des Kehlkopfes verankert und dient der Anheftung von Muskeln, die zum Sprechen notwendig sind. Das bei diesem Skelett gefundene Zungenbein gleicht dem, das wir besitzen – was nahelegt, dass auch Moshe bereits sprechen und singen konnte.
Und wo wir dabei sind: Lassen Sie uns bitte im Evangelischen Gesangbuch das Lied 317 aufschlagen – “Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren”. Wir werden dieses Lied zum Abschluss dieser Andacht singen, passt es doch perfekt zum Gedenken an Gottes Größe, Seine universale Schöpfung und “alles, was Odem hat”.
Für den Moment wollen wir jedoch den Blick auf den Verfasser dieses bedeutenden Chorals richten, er steht unten: Joachim Neander (1680). Eigentlich hieß seine Familie Neumann, aber weil damals unter den Gebildeten Griechisch in Mode war, hatten die Neumanns ihren Nachnamen in das vornehmere Neander “gräzisiert”. Der begabte Predigter und Liederdichter Joachim Neander hatte sich oft in ein bestimmtes Tal zurück gezogen und dort gedichtet, komponiert und auch Gottesdienste gefeiert. Leider starb er schon mit kaum 30 Jahren, an Pfingsten 1680 – und wurde damit nur etwa genau so alt wie unser Neandertaler Moshe. Weil zwei Jahrhunderte nach Neanders Tod der erste aller Neandertaler in genau diesem Tal entdeckt wurde, erhielt Homo neanderthalensis also den Namen jenes Christen, der das Gotteslob so schön vertonen konnte wie kaum ein Zweiter.
Karmel und Israel, Moshe, Neander, Jenseits und Gotteslob – spontan würde ich ja von Zufall sprechen, befände ich mich nicht inmitten christlicher Frauen und Männer, die an der Existenz des Zufalls wohl zweifeln sollten. Oder anders gesagt: Wenn Gott der Schöpfer allen Seins und allen Lebens gewesen sein soll, dann ist Er auch Schöpfer und Vater unseres Moshe. Dann konnte Er Moshes Stimme hören, die Trauer der Hinterbliebenen erspüren, ihre Rituale beobachten und unseren so sorgsam bestatteten Neandertaler im Jenseits in Empfang nehmen.
Wir Kleingläubigen
Geben wir es doch zu: Es fällt uns schwer, so groß von Gott zu denken. So viel kann sich Gott doch gar nicht gedacht haben, dass er mit der Verwandtschaft Jesu zu uns Homo sapiens, zu Homo neanderthalensis und auch zu allen anderen Tieren und Pflanzen eine Botschaft verbunden hätte, nicht wahr!?
In unseren Köpfen und Kirchen ist Gott doch häufig “naheliegender” eine Art pfuschender Handwerker, der zwar ein großartiges Universum geschaffen hat, aber seitdem ständig nachbessern muss: Hier eine Flagelle ans Bakterium schrauben, dort ein erstes Auge formen und dem römischen, noch ungetauften Kaiser im Konzil die richtigen Eingebungen einhauchen, damit das einzig richtige Glaubensbekenntnis entsteht. Ein solches Gottesbild, wie es vermeintlich “bibeltreue” Vertreter des “Intelligent Design” verkünden – auf mich wirkt es auf groteske Weise dümmlich.
Und dann machen wir aus dem Handwerker auch noch gleich einen Kirchenbürokraten, dessen Stellvertreter kaum spüren, sondern ganz genau wissen, welche Texte und Paragrafen für das Diesseits und Jenseits entscheidend sind. Dass sich Neandertaler und Sapiens nach Jahrhunderttausenden der Trennung doch wieder fanden und gemeinsame Kinder zeugten, gemeinsam beteten, kann diejenigen von uns nicht irritieren, die noch am Anfang des 21. Jahrhunderts die Ehe einer christlichen Vikarin mit einem Muslim (auch diese “Abrahams Samen”) durch sofortige Entlassung der Frau ahnden wollen. Dass Gottes Güte und Wahrheit gerade auch hinsichtlich der Liebe größer sein könnten als unsere Formeln und Kirchengesetze – wer würde das schon für möglich halten?
Ist Gott wirklich so klein?
Ob Gott wirklich so klein, dumm und engstirnig sei, wie wir ihn oft machen, müssen wohl Theologinnen und Theologen klären. Zu ihrer Verteidigung mag ich jedoch anführen, dass Vertreterinnen und Vertreter aller empirischen Wissenschaften längst Bereiche erschlossen haben, die unsere evolvierten Gehirne und Erkenntnisapparate überfordern. Physiker “wissen” längst, dass Atome und Quanten keine bunten Kügelchen sind. Aber anders können wir als Menschen sie uns kaum vorstellen und so nutzen auch Physiker “hilfsweise” für Forschung und Lehre Bilder und Symbole, die von uns wenigstens annähernd erfasst werden können. Macht es eine gute Predigerin, macht es die Bibel, denn wirklich völlig anders?
Und seit Einstein – dessen Synagoge wir in Ulm gerade wieder aufbauen – “wissen” wir auch, dass Raum und Zeit unseres Universums miteinander verschränkt sind. Wenn Gott das räumliche Universum geschaffen hat, dann schuf Er auch die Zeit, steht “über” Raum und Zeit. Und wir haben trotz jahrzehntelangen und milliardenschweren Aufwands noch nicht einmal einen echten Schimmer, ob es überhaupt sinnvoll ist, von einem “Davor” zu sprechen. Das hindert uns jedoch kaum daran, den Anspruch zu erheben, Gott mit unserem kausalen Denken verstehen und diskutieren zu können. Dass Er über aller Zeit stünde und uns auch mit dem Schicksal von Moshe vor 60.000 Jahren und dem Tyrannosaurus Rex vor 65 Millionen Jahren etwas mitteilen könnte – das übersteigt meistens unsere Vorstellungskraft.
Dabei gab es durchaus Theologen, die von Gott Größeres zu denken wagten. Nikolaus von Cues (“Cusanus”) im 15. Jahrhundert und ein Jahrhundert später Giordano Bruno entwickelten bereits eine “theologische Relativitätstheorie”, nach der das Universum keinen anderen Mittelpunkt als Gott habe – und alles Leben nicht nur dieser Erde, sondern aller Leben hervorbringenden Planeten (!) auf Gott zustrebe. Beide kamen vor diesem Hintergrund zu der Auffassung, dass religiöse Intoleranz das Ergebnis eines lächerlich verkürzten Gottesglaubens sei. Über den Fund des bestatteten Moshe hätten sie sich sicher gefreut. Der frühere von beiden wurde zum Kardinal, der spätere in Rom auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Wir ahnen Gottes Größe, aber haben ihn dann doch lieber eine Nummer kleiner.
Schluss mit einem Theologen
Und so möchte ich diese Andacht mit einem Satz schließen, mit dem ein bedeutender Theologe einst sein bedeutendstes Werk schloss. Sie haben sicher von ihm gehört – sein Name war Charles Darwin. Gerne wird er von selbsternannten “Darwinisten” verschämt als “Naturforscher” bezeichnet, dabei hatte er in seinem ganzen Leben nur einen einzigen Studienabschluss vorzuweisen: Jenen in anglikanischer Theologie.
Allerdings war dies in einer Zeit, in der ordentliche Theologen und auch die ersten Theologinnen wie Antoinette Brown Blackwell noch tatsächlich empirische Forschungen betrieben und den lernenden Dialog mit den Natur- und Kulturwissenschaften suchten, statt sich in frommen Winkeln zu verstecken. Und so brachte der Theologe Darwin nicht nur eine brillante Theorie samt Hypothesen zur Evolution der Religiosität hervor – die Entdeckung von Moshe hätte ihn gefreut! -, sondern hielt auch sein ganzes Leben daran fest, dass Gottesglauben und Evolution selbstverständlich vereinbar seien. Viele seiner evolutionären Mitentdecker, Freunde und Unterstützer waren “evolutionäre Theisten” und aktive Christen. Darwins eigene Glaubenszweifel wurzelten in der Theodizee-Frage, dem Problem des Bösen in der Welt. Besonders der lange, qualvolle Todeskampf seiner kleinen Tochter Annie ließ ihn an einem guten Schöpfer zweifeln. Wer das nicht nachvollziehen kann, hat vielleicht weder seinen Hiob noch den letzten Schmerzensschrei Jesu’ am Kreuz vernommen.
Dieser Darwin also schloss ab der zweiten Ausgabe sein bedeutendstes Grundlagenwerk “Die Entstehung der Arten” mit dem Satz:
“Es ist wahrlich eine grossartige Ansicht, dass der Schöpfer den Keim alles Lebens, das uns umgibt, nur wenigen oder nur einer einzigen Form eingehaucht habe, und dass, während dieser Planet den strengen Gesetzen der Schwerkraft folgend sich im Kreise schwingt, aus so einfachem Anfang sich eine endlose Reihe immer schönerer und vollkommenerer Wesen entwickelt hat und noch fort entwickelt.”
Lassen Sie uns in diesem Sinne Gott für einen Moment für so groß halten, dass Er auch um Moshe war – und gemeinsam “Lobet den Herren” von Joachim Neander anstimmen.
Frohe Weihnachten!
(Kostenlose) Literatur zum Weiterlesen und -denken:
* Peitz, H.-H. (Hrsg. – 2004):
“Der vervielfachte Christus. Außerirdisches Leben und christliche Heilsgeschichte”,
Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
* Evolution-Mensch.de (2006 – 2011):
“Neandertaler – Homo neanderthalensis – Kebara 2” (Moshe)
* Blume, M. (2009): “Homo religiosus”, Gehirn und Geist 04/2009. S. 32 – 41
Andacht für eine Fadenwurm
Bin gespannt, wann Sie die erste Andacht für Fadenwurm ‘Caenorhabditis elegans’ halten, der auch einer jener unserer Vorfahren und dessen wir Gene wir teilen… ist, denen außer in der Entwicklungsbiologie und der Genetik (als Modellorganismus) bisher kaum gedacht worden ist.
Und außerdem finde ich es ziemlich unfair vereinnahmend, wenn Sie immer wieder den Atheisten Darwin als Kronzeugen für Ihren Theismus oder Ihre Theodizee-Überzeugung bemühen.
Darwin hatte eine sehr klare Meinung zu diesen Fragen und die lautete:
“Ich kann mich nicht dazu überreden, daß ein gütiger und allmächtiger Gott mit Absicht die Ichneumonidae (Schlupfwespen) erschaffen haben würde mit dem ausdrücklichen Auftrag, sich im Körper lebender Raupen zu ernähren. “
Formulierungen wie (sie von Ihnen immer wieder zitiert werden), dass sich von einem “einfachem Anfang (..) eine endlose Reihe immer schönerer und vollkommenerer Wesen entwickelt hat und noch fort entwickelt” waren nichts weiter als beruhigende Zugeständnisse an seine erbosten Zeitgenossen.
Darwin hat “by the creator” unter dem Druck der Religionslobby hinzugefügt, zu seinem eigenen Missfallen. Dass für seine eigene naive Argumentation für Gott zu vereinnahmen kann natürlich nur passieren, wenn man ganz stark an Religiosität erkrankt ist, jedem anderen Menschen mit einem Funken Anstand wäre derartiger Betrug einfach zu peinlich.
Dass ich mit Geoman übereinstimmen muss, der sonst eine fast hundertprozentige Trefferquote denkbar schlimmster geistiger Kamikaze-Attacken hat, sagt schon alles.
Aua!
Unnütze Esser auf diesem Planeten:
Theologen, Banker, Juristen, Astrologen, Geomanten, Handlinienleser, Wünschelrutengänger, Homöopathen, … und deren Derivate, Permutationen und Kombinationen.
Egal ob Religion nun ausstirbt oder das Meinungsmonopol besitzt. Richtig ist die Vorstellung von einem Gott, der diesen Cosmos geschaffen hat, um uns als dünne Kruste Dreck auf eine gigantische Kugel zu packen, welche in einem noch viel gigantischerem Sternenmeer zur Bedeutungslosigkeit verkommt, deswegen noch lange nicht. Uff.
Außer man nimmt an das er es nur so machen konnte.
Dann ist er/sie/es nicht mehr allmächtig.
Und das stärkste Argument gegen Götter: Sie erklären nichts.
Man benutzt Götter nur um Rituale und Machtansprüche zu begründen.
Kybernetisches System
Die Gesamtheit aller Biomoleküle auf der Erde stellt ein kybernetisches System dar, das Informationen speichern und verarbeiten kann.
Diese riesige, langsame und langlebige Art von Computer kann man als den Schöpfer der Lebewesen auffassen.
—
Unabhängig davon kann gelten:
Die Naturgesetze und der Urknall können von Gott geschaffen worden sein.
Die Evolution der unbelebten und der belebten Materie lief dann aber ohne weitere Eingriffe ganz von selbst ab.
Ein Uhrmacher macht nur die Uhr, aber er sitzt nicht in der Uhr und dreht ständig die Zeiger weiter.
@Geoman, Joerg & A.Debus
Freut mich, dass diese Andacht so anregt! 🙂
@Geoman & Joerg
Ihr werft Darwin also allen Ernstes vor, er habe auch bei zentralen Sätzen seines Werkes gelogen bzw. sich unter Druck setzen lassen? Steile These! Gehen Sie davon aus, dass er auch an anderen Stellen seines Werkes geflunkert habe?
Da habe ich von Charles Darwin eine weit höhere Meinung, zumal er sich ja mehrfach sehr eindeutig geäußert hat. Also werde ich ihn in den kommenden Monaten gerne einmal in einem eigenen Blogpost gegen diese Anwürfe von Ihnen verteidigen. Darwin meinte, was er schrieb – man muss ihn halt auch ernsthaft lesen, was religiösen wie auch atheistischen Extremen bisweilen schwerfällt.
@Geoman – Nur so zur Info: Das Zitat mit der Schlupfwespe verweist genau auf das Theodizee-Problem. Wie ich oben sagte und schrieb.
@A.Debus
Charles Darwin ging davon aus, dass auch Religiosität als Teil der menschlichen Natur evolviert sei, weil sie höhere Niveaus an In-Group-Kooperation ermögliche. Und nach heutigem Stand der Wissenschaft hatte er auch damit Recht. Kostenfreie Texte dazu sind ja inzwischen genug verfügbar und oben verlinkt.
Für jene, die denken, dass Darwin (auch?) damit Unrecht hatte, hilft ja vielleicht das neue Buch eines bekennenden, evolutionären Atheisten und erfolgreichen Wissenschaftlers. Jesse Bering, “Die Erfindung Gottes”, Rezension hier:
http://www.spektrum.de/artikel/1133318
Evolutionäre Grüße! 🙂
@ Geoman
“Bin gespannt, wann Sie die erste Andacht für Fadenwurm ‘Caenorhabditis elegans’ halten, der auch einer jener unserer Vorfahren […] ist […].”
Nö. Der Wurm ist keiner unserer Vorfahren. Credo der (meisten) Biologen: “Keine heute lebende Art ist Vorfahr irgendeiner anderen heute lebenden Art”.
Id credo ac credimus non quia absurdum, sondern weil der Genpool der Stammarten im Zuge der Speziation der Tochterarten sich ändert.
Trotzdem, denk’ ich, hätte jedes Wesen, das wir um Zuge unserer Neugier oder unseres Überlebenmüssens vom Leben zum Tode bringen, eine Andacht verdient. Muss ja keine religiöse sein. Ein Gedanke. Summarisch. Hie und da.
Was von Darwin bleibt
Wenn von Darwin irgendeine große Idee bleibt, die ihn von seinen Vorgängern abhebt, dann ist es der Gedanke, dass den Organismen kein Vervollkommungstrieb innewohnt und sie keine Stufenleiter immer komplexere und perfektere Lebewesen bilden.
Insofern verdient auch der Fadenwurm wie der Mensch höchste Anerkennung oder Andacht, es sei denn diese dient dazu, dass Biologen oder Anatomen sie zwecks Befriedigung ihrer wissenschaftlichen Neugier benutzen, ihn um so skrupelloser um die Ecke zu bringen und auszuschlachten.
@Michael Blume
Entgleisung oder Satire, Herr Blume?
Wäre ich gläubig, würde ich wahrscheinlich drum beten, dass es sich um eine Satire handelt……
Heiliger Bimbam!
@ Michael Blume
“Charles Darwin ging davon aus, dass auch Religiosität als Teil der menschlichen Natur evolviert sei, weil sie höhere Niveaus an In-Group-Kooperation ermögliche. Und nach heutigem Stand der Wissenschaft hatte er auch damit Recht.”
Ahäm äh …, verstehe ich Sie richtig: Er hatte auch damit Recht, dh. Religiosität hat, so muß man das heute sehen, wenn man auf dem Stand der Wissenschaft sein will, eine genetische Grundlage in dem Sinn, wie eine rote Erbsenblüte eine hat; die Gene sind im Zuge der Evolution entstanden, weil sie hinsichtlich der “In-Gorup-Kooperation” vorteilhafte phänotypische Merkmale codierten oder so ähnlich? Und irgendwann um die Wende zum 20.Jahrhundert haben sich die Selektionsbedingungen auf einem beträchtlichen Teil der Erdoberfläche so verändert, daß dieser Religionsgen-Komplex-Anteil in der Population von fast 100 % auf rund ein Viertel schrumpfte, und zwar von einer Generation auf die andere? Donnerlüttchen! Das muß doch jeden Biologen aus dem Sessel schießen lassen! Welch ein Selektionsdruck muß das gewesen sein! Jetzt aber, hört man, nimmt die Religiosität wieder zu. Der Selektionsdruck entspricht offenbar wieder dem zu Neandertalers Zeiten.
Wissenschaft dies nicht schafft
Einige Fakten, leugnen ist zwecklos, und wers nicht glaubt wird die Wahrheit irgendwann erfahren:
1. Gott hat die Erde in 6 Tagen erschaffen. Die Erde existiert ca. 6000 Jahre.
2. Evolution ist eine gleichermaßen waghalsige wie dämliche Theorie, die weder Wissenschaftlich fundiert noch spekulativ tragbar ist. Quastenflosser werden gefangen, jährlich ca. 200 Stück unverändert. Es gibt kinerlei Fossilien von Zwischenstadien, heißt Lebewesen in Ihrer Veränderung. Dazu noch zig weitere Argumente.
3. Theologie hat seit sehr langer Zeit nichts mehr mit Gott zu tun, sondern allein damit, wie passe ich Bibel auf menschliche Argumente an, damit sie niemanden mehr missfällt.
4. Ein allmächtiger Gott hätte es nicht nötig, erst die Welt zu erschaffen, dann dafür zu sorgen oder es zuzulassen, damit Menschen eine komplett andere geschichte aufschreiben. Entweder oder. Entweder man glaubt Gott oder eben nicht. es ist irrsinn Gott in einem menschlichen Verstand pressen zu wollen.
5. Wir leben nicht auf der Welt, und es existiert kein unendlicher Kosmos, und wenn können wir es nicht sehen. Wir leben in der Erde, Gott ist das Zentrum (ähnlicher Aufbau wie ein Atom) nach innen hin dichter. Licht ist gekrümmt. Wissenschaftler haben leider keine Möglichkeit dieses Weltbild auszuschließen. Das einzige Argument, Einsteins Theorien würden dann nicht stimmen. Nunja, vor 1000 jahren glaubten die Menschen auch noch an die Scheibenwelt.
Nun denn, lasst die wissenschaftler weiter versteinerte fossile Cowboystiefel ausbuddeln, und dann wieder auf kramf versuchen solche dinge geheimzuhalten, nur damit man nicht doof dasteht. Im Egozentrum der Wissenschaft liegt Ihre Schwäche. In jedem Schluck aus dem becher der Wissenschaft liegen Erkenntnisse, doch auf dem Grund des Bechers ist Gott. Manche Wissenschaftler sollten vielleicht lieber mal die Bibel lesen, denn da findet sich ein Weltbild was keiner ausschließen kann, und was in sich perfekt ist. Nur man muss wollen.
@Jemand
Auch hier stellt sich die Frage, etwas anders als beim Blogger:
Dämlichkeit oder Satire?
Trotz Kirchenbürokraten dennoch Glauben
Argumentativ scharfsinnig und sympathisch finde ich Ihre Andacht, da sie zum einen tragfähige Verbindungen zwischen Glaube und Naturwissenschaft sucht und zum anderen kritisch bleibt gegenüber einer „Kirchenbürokratie“, die an Dostojewskis Großinquisitor erinnert. Es gibt sicherlich bequemere Wege als für die „Freiheit eines Christenmenschen“ (Luther) einzutreten angesichts dessen, dass eine Vikarin von ihrer Kirchenleitung suspendiert wurde, weil sie einen Moslem heiratete. „Soll der Knoten der Geschichte so auseinander gehen; das Christentum mit der Barbarei, und die Wissenschaft mit dem Unglauben?” (Schleiermacher). Sich trotzdem an „Gottes Größe, seiner universalen Schöpfung und alles, was Odem hat“ zu orientieren – dazu wünsche ich Ihnen – ganz fromm! – Gottes Segen!
“Außer man nimmt an das er es [die Erschaffung des Kosmos] nur so machen konnte.
Dann ist er/sie/es nicht mehr allmächtig.”
Dieses Problem hat sich schon Leibniz gestellt und er hat es gelöst. Ob er recht hatte, ist eine andere Frage (ich glaube es eher nicht oder besser: ich denke über diese Dinge nicht so wie er), aber man muß das erst einmal wissen, bevor man solche Behauptungen aufstellt.
@Michael Blume
Lieber Michael!
Mit diesem Beitrag zum Thema “Science meets Faith” (oder umgekehrt) hast du dich weit aus dem Fenster gelehnt und deine eigene Religiosität ein großes Stück weit offen gelegt. Dafür erst einmal Respekt. Und ich ziehe in Betracht, dass dies eine Andacht, eine Meditation ist und auf die Goldwaage der Wissenschaftlichkeit gelegt werden sollte.
Aber dennoch: Wenn du meine eigenen Beiträge nicht nur ins Web gestellt, sondern auch gelesen hast ,-) , wird es dich nicht wundern, dass ich mit vielen Einzelheiten ganz und gar nicht deiner Meinung (Einstellung?) bin. Ich greife hier erst einmal ein Detail heraus, den sarkastisch gemeinten Satz :
” Das hindert uns jedoch kaum daran, den Anspruch zu erheben, Gott mit unserem kausalen Denken verstehen und diskutieren zu können.”
Das hört sich nach der alten Formel an, dass wir kleinen Menschlein eben viel zu beschränkt sind, um Gott verstehen zu können, eine der Argumentationslinien der falschen Freunde Hiobs. Es ist doch so, dass der altjüdische Monotheismus nach dem babylonischen Exil auf den Punkt gebracht wurde, also in der Achsenzeit, in der z.B. auch Buddha und Konfuzius ihre Lehren entwickelten. Nun sind sowohl die Reden des Buddha als auch die Analekten des Konfuzius dem menschlichen Geist durchaus verständlich und ihre Anhänger würden das nicht leugnen, sondern sogar als besondere Qualität hervorheben.
Denkst du, dass unter all diesen Ansätzen allein die alten Juden eine Idee gefunden haben, die das menschliche Denken gleich von Anfang an übersteigt? Oder hast du vielleicht gemeint, dass dem Menschen neben dem “kausalen” auch ein anderes Denken zur Verfügung steht, mit dem ihm der monotheistische Gott durchaus zugänglich ist? Und welches Denken wäre das?
Asche auf mein Haupt
Peinlich, peinlich: Es muss natürlich heißen: NICHT auf die Goldwaage der Wissenschaftlichkeit gelegt werden sollte! Bitte korrigieren, wenns noch geht.
Finde den Fehler 😉
Just oben zitiert schrieb Darwin im Schlussatz seines Hauptwerkes:
“”Es ist wahrlich eine grossartige Ansicht, dass […] aus so einfachem Anfang sich eine endlose Reihe immer schönerer und vollkommenerer Wesen entwickelt hat und noch fort entwickelt.”
Und was kommentiert @Geoman dazu?
“Wenn von Darwin irgendeine große Idee bleibt, die ihn von seinen Vorgängern abhebt, dann ist es der Gedanke, dass den Organismen kein Vervollkommungstrieb innewohnt und sie keine Stufenleiter immer komplexere und perfektere Lebewesen bilden.”
Was soll ich dazu noch sagen..?
@Francois Pütz
Dann wird es Sie ggf. überraschen zu lesen, dass die Andacht sehr positiv aufgenommen wurde. Vielleicht sind ja gar nicht alle Christen so wissenschaftsfeindlich wie erwartet? Vielleicht gibt es ja nicht nur die @Jemands, sondern auch die @Jos? 😉
Wenn ich etwas zum Entgleisen bringen möchte, dann am liebsten eingefahrene Denkgeleise und Vorurteile – die es erkennbar auf allen Seiten gibt…
@Michael Blume
Sehr geehrter Herr Blume,
es überrascht mich nicht im geringsten, dass die Andacht sehr positiv aufgenommen wurde. Schließlich wird ja einigen der bei vielen Gläubigen tief sitzenden Vorurteile massiv Zucker gegeben.
Ich bin aber hocherfreut, dass Herr Djebe schon mal eines der dicksten (Kuckucks?)Eier herausseziert hat. Mir fehlt aber die Lust und die Zeit, weiter zu machen, da Sie das Ganze offensichtlich ernst gemeint haben.
@Michael Blume Finde den Fehler 😉
Die Vorstellung eines Vervollkommnungstriebs gibt es bei Darwin in der Tat nicht. Die Vorstellung, daß manche Wesen vollkommener sind als andere (und daß die Evolution in diese Richtung wirkt) hatte Darwin, das zeigt auch das Zitat, aber dem Darwinismus – was ja etwas anderes ist als die persönlichen Ansichten Darwins – ist sie fremd.
Was das allerdings mit irgendwelchen religiösen Fragen zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht.
@Ludwig Trepl
Es zeigt m.E. eine verblüffende Gemeinsamkeit entschiedener Religiöser und entschiedener Antitheisten: Wahrgenommen wird fast nur noch, was in die eigene Schablone passt – alles andere wird heraus geschnitten. Der “geglaubte” Jesus, Buddha etc. entfernte sich so schnell und weit von dem Jesus, Buddha etc., wie er sich historisch erschließt. (In der Fachsprache: Es entstehen Hagiographien.)
Bei Darwin ist es ebenso und teilweise noch frappierender: Viele Varianten des heutigen “Darwinismus” stehen in massivem Widerspruch zu dem, was Darwin selbst annahm und schrieb. Denken wir z.B. an Richard Dawkins, der mit Berufung auf Darwin ganze Bücher wie den “Gotteswahn” schrieb, ohne auch nur zu thematisieren (zu wissen?), was dieser selbst zu diesem Bereich angenommen hatte. Bei so etwas staune ich immer wieder.
Und macht man darauf aufmerksam, so folgt bei vielen selbsternannten “Darwinisten” aber keine Reflektion, sondern Zorn – und erbittertes Abstreiten auch des Offensichtlichen (siehe oben). Die Sehnsucht, die eigenen Überzeugungen auf den jeweiligen Stifter zu übertragen, die entsprechenden Prozesse und die damit verbundenen Emotionen erscheinen mir verblüffend ähnlich und der Diskussion und Erforschung wert zu sein.
@Eric Djebe
Ja, ich habe mich entschlossen, ein wenig mutiger zu sein. Zum einen gab es dazu viele Rückmeldungen, die das wünschten. Und zum anderen habe ich eine ganze Reihe von Büchern wie z.B. zuletzt das sehr gute “Die Erfindung Gottes” von Kollegen wie Jesse Bering gelesen (und teilweise rezensiert), die sich nicht hinter Fachjargon verstecken, sondern unterhaltsam und offen auch ihre persönlichen (Nicht-)Glaubensannahmen thematisieren. Dieser lockere, unverstellte Ton gefällt mir deutlich besser als das oft verkrampfte Versteckspiel, in dem Wissenschaftler einem zunehmend kritischen Publikum gegenüber so tun sollen, als wären sie weltanschauliche Eunuchen. In Wirklichkeit hat jede(r) seine innere Haltung – und das ist keine Schande, sondern kann auch eine Chance sein. Und wenn Atheisten ihre Position fröhlich und munter verkunden dürfen – warum sollte dies Theisten versagt sein?
Und, nein, selbstverständlich plädiere ich nicht für ein Aufgeben gegenüber den großen Rätseln von “Gott und der Welt”. Aber m.E. täte es uns schon gut, die Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeiten öfter mal in den Blick zu nehmen. Wir haben evolvierte Gehirne auf Primatenbasis, die schon bei der Betrachtung physikalischer Phänomene an ihre kognitiven, kausalen etc. Grenzen kommen. Wie soll es da erst bei lebendigen oder gar transzendenten Phänomenen sein!
Was mich bei Darwin so beeindruckt, ist seine Demut: Er, einer der größten Wissenschaftler der Menschheit, reflektiert selbst immer wieder die Grenze seiner Erkenntnisse und behauptet z.B. nie, endgültige Wahrheiten zu haben oder gar Gott beweisen, widerlegen oder auch nur widerlegen zu können. Auch nach seinen Bestsellern schnappt er nicht über, gründet keine Brights-Bewegung o.ä. – sondern forscht über Emotionen und Regenwürmer weiter. Wow! Ich denke, auch wegen dieser demütig-forschenden Haltung ist Darwin so genial gewesen, wie er war – und daran könn(t)en wir uns m.E. auch heute noch ein Beispiel nehmen. Wenn ich dagegen hier so manche Kommentare von Leuten lese, die sich in ihren atheistischen oder religiösen Urteilen so sicher sind, dass sie Andersdenkende meinen verdammen zu können…
Langer Rede, kurzer Sinn: Die große Zugriffs- und Kommentarzahl deutet wohl darauf hin, dass es einen Bedarf an Diskussionen mit offenerem Visier gibt. 🙂
Andacht – dran gedacht
Also ich fand’s natürlich „frisch, fromm, fröhlich, frei“. Also stark. Und habe es andächtig gelesen: Andächtig = woran zu denken du provozierst.
Den Liederdichter Joachim Neander haben ähnlich auch schon „für Andachten … ausgebildete“ Leute benützt: um die nicht so Ausgebildeten mal sanft wenigstens in die Nähe von evolutionären Gedanken zu führen. Ich meine, es war auch schon im Württembergischen Gemeindeblatt. In Bad Boll war das sicher nicht als Trick nötig, aber als assoziative Brücke doch ganz passend. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dort gut ankam.
Über den IQ Gottes (Ob Gott wirklich so klein, dumm und engstirnig sei, wie wir ihn oft machen) lasse ich mich lieber nicht aus. Eher ist – in die Richtung zeigst du ja in Wirklichkeit – dies zu verstehen als Frage nach dem IQ seines Bodenpersonals; oder eigentlich geht es um dessen EQ. Und das finde ich am besten, dass Du da deutlich gezeigt hast, wo aktuell Wünsche offen bleiben: Im Falle der Kollegin, die entlassen werden soll.
Meinerseits dazu: Ich habe keinen triftigen Einwand gegen den entsprechenden Paragraphen im Pfarrergesetz. Aber meine Fragen zur Handhabung: Ob es stimmt , dass mit dem Mann gar nicht und mit der Frau nur eine halbe Stunde gesprochen wurde (so meine ich mich aus einer anderen Äußerung aus Bad Boll zu erinnern) und keine Brücke in eine andere berufliche Zukunft angeboten wurde – das wäre fatal. Ich möchte es mir eigentlich nicht vorstellen müssen. Aber es gibt, sagt man uns, immer wieder Dinge, die man sich nicht vorstellen kann.
Na, aber ob Darwin ein „bedeutender Theologe“ war? Die anderen Vereinnahmungen konterkarieren ist ja ganz wichtig. Aber nach allem, was ich bis jetzt über Darwins schwieriges Verhältnis zum doch nie verächtlich weggeworfenen Glauben – auch zu seinen verschiedenen Freundschaften – mitbekommen habe, möchte ich unterstellen: Er hätte sich jeder Vereinnahmung entzogen; und bei manchen Abgrenzungen nicht mitgemacht. Und doch: Als Schlussakzent dieser Andacht dieses Darwin-Zitat – einfach mal erfrischend.
Eben lese ich noch Deine Bemerkung (an E.Djebe):
„Er, einer der größten Wissenschaftler der Menschheit, reflektiert selbst immer wieder die Grenze seiner Erkenntnisse und behauptet z.B. nie, endgültige Wahrheiten zu haben oder gar Gott beweisen, widerlegen oder auch nur widerlegen zu können. Auch nach seinen Bestsellern schnappt er nicht über… „
Ja, wohl kein „bedeutender Theologe“, aber doch mit einer Grundhaltung, die man bei Christen gerne sucht und auch des öfteren findet. Och, und wenn Christen meinen, das sei ihr Privileg, dann stimmt’s schon nicht mehr.
Jedenfalls, ja: „…und daran könn(t)en wir uns m.E. auch heute noch ein Beispiel nehmen“.
Letzte Rückmeldung von mir:
Sie sind offensichtlich nicht an einem Dialog interessiert, halten es für “mutig” Ihren privaten Glauben zu posten und bezeichnen anscheinend jeden, der Ihre Meinung nicht 100%tig teilt als -isten, welcher Art auch immer, und würgen jede mögliche fruchtbare diskussion so schon im Ansatz ab. Auf Argumente gehen sie auch nur ein, wenn es Ihnen gerade passt.
Ihr Blog, Ihre Entscheidung.
Muss ich aber nicht haben. Jetzt sind sie mich wirklich los, zufrieden?
Darwin und Darwinismus
Das mit Darwin und dem Darwinismus scheint mir anders als es sich für Sie darstellt. Marx war ja bekanntlich kein Marxist, und Darwin war kein Darwinist. Theorie- oder Paradigmenentwicklungen haben ein Eigenleben. Dazu gehört, daß gewisse Konsequenzen der Gedanken des Urhebers herausgeholt werden, die diesem selber gar nicht klar waren. Und dazu gehört in unserem Fall, daß die Selektionstheorie sich mit dem Gedanken einer Vervollkommnung (statt einer Verbesserung, die immer nur unter bestimmten Umweltbedingungen einen Verbesserung ist) nicht verträgt. So gesehen sind die Darwinisten darwinistischer als Darwin, und es ist ganz in Ordnung, sie nach Darwin zu benennen.
Eine ganz andere Frage ist die, auf die Sie mit der Nennung von Dawkins anspielen. Dawkins zieht aus einer empirischen Wissenschaft metaphysische/religiöse Konsequenzen, er benutzt die Darwin’sche Theorie zur Begründung einer Religion, die er Atheismus nennt. Das ist natürlich nicht zulässig.
Von Ihnen hätte ich gern einen Kommentar zu meinem vorigen Kommentar, dem zu Ihrem Satz “Charles Darwin ging davon aus, dass auch Religiosität als Teil der menschlichen Natur evolviert sei, weil sie höhere Niveaus an In-Group-Kooperation ermögliche. Und nach heutigem Stand der Wissenschaft hatte er auch damit Recht.” Das irritiert mich nämlich sehr.
@Francois Pütz
Nein, zufrieden bin ich nicht, da ich Sie durchaus schätze. Verwundert bin ich aber schon.
So habe ich hier auf dem Blog und auf spektrum.de zuletzt zwei Bücher von Evolutionsforschern rezensiert, die neben der Darstellung ihrer Forschungen auch ihren Atheismus offensiv bekannten: Greg Graffin und Jesse Bering. Weder ich noch sonst jemand störte sich bislang daran. Und auch Sie selbst schrieben oben klar “Wäre ich gläubig, würde ich wahrscheinlich drum beten, dass…”
Für mich ist es unverständlich, warum offen vertretener Nichtglauben okay, religiöser Glauben aber tabu sein soll. Immerhin ist dieser Blogbeitrag hier ja als “Andacht” auch eindeutig als persönliche Äußerung gekennzeichnet.
Das trifft auch Ihre Frage nach dem Umgangston zu. Weiter oben schrieb z.B. @Joerg “Dass für seine eigene naive Argumentation für Gott zu vereinnahmen kann natürlich nur passieren, wenn man ganz stark an Religiosität erkrankt ist,…” – und ich hörte keinen Protest, auch nicht von Ihnen. Auch hier wieder: Dürfen sich Glaubende nicht einmal freundlich wehren, wenn sie so angegangen werden? Und haben Sie nicht selbst weiter oben einen anderen Kommentator als “dämlich” (im Gegensatz zu herrlich?) tituliert?
Mein Eindruck ist, dass es das Niveau der populären Religionskritik im Netz nicht gutgetan hat, dass sich Christen, Juden, Muslime, Hindus (etc.) zu selten in solche Debatten einbrachten. Zu oft peitschen sich Religionskritiker bzw. religiöse Fundamentalisten in je ihren Zirkeln inzwischen nur noch gegenseitig hoch, oft mit erschreckend wenig Sachkenntnis. Zum echten Dialog und Meinungsaustausch gehört aber die Vielfalt, der respektvolle Widerspruch und die gleichen Regeln für alle Beteiligten. Auf “Natur des Glaubens” möchte ich das weiterhin anstreben.
@Ludwig Trepl
In der Beobachtung, dass solche Prozesse sowohl für religiöse wie für nichtreligiöse Traditionen unausweichlich sind, stimme ich Ihnen zu. M.E. wird es jedoch unredlich, wenn auf dem Feld der Wissenschaft die Namen von Autoritäten eingesetzt, deren eigene Aussagen aber umgedeutet oder gar völlig verdreht werden. Was heute unter “Darwinismus” fingiert hat mit den lesenswerten Aussagen Darwins oft kaum mehr etwas zu tun, der z.B. gar nichts von Genen wusste und einen genetischen Reduktionismus nie vertrat. Ärgerlich wird es jedoch, wenn sogar Auffassungen als “darwinistisch” ausgegeben werden, die Darwin selbst widersprechen – ohne dessen ursprüngliche Position kenntlich zu machen.
Für mich persönlich lehne ich daher den Begriff “Darwinist” entschieden ab, obwohl ich im Bereich der Evolutionsforschung zu Religiosität und Religionen gerade auch seine eigenen Ausgangsannahmen für sehr wertvoll halte.
Und damit sind wir auch schon bei Ihrer Frage – ja, die Evolution des Merkmals Religiosität wird längst interdisziplinär und international erforscht, das ist mein Forschungsbereich und Thema dieses Blogs. Einen aktuellen (allerdings englischen) Vortrag vor der ESEB finden Sie z.B. hier:
https://scilogs.spektrum.de/…-2011-in-t-bingen-vortrag
Und eine ganze Liste mit (überwiegend kostenfrei zugänglichen) Literatur sowie weiterführenden Links zum Thema auch hier:
http://www.blume-religionswissenschaft.de/….html
Auch hier im Blog findet sich sehr viel dazu. Dafür, dass ich aus Zeitgründen bereits veröffentlichte Sachverhalte nicht jeweils einzeln wiederholen kann, haben Sie sicher Verständnis.
Danke & herzliche Grüße!
Mal was anderes
Ich habe in den letzten Jahren von so vielen Journalisten, Bloggern oder Wissenschaftlern gelesen, die eine bestimmte Sicht von der Welt hatten und alles, was nicht dazu passte, verteufelten, dass mich ein Andachtstext in einem religionswissenschaftlichen Blog nun wirklich nicht mehr vom Hocker haut. Auch wenn ich unter “Natur des Glaubens” in erster Linie wissenschaftliche Erkenntnisse (oder aktuelle Diskussionen) erwarten würde, so bietet der Text doch eine ganze Palette von Ansatzpunkten:
– der Neandertaler als religiöses Geschöpf und unser Vorfahre – ein starkes Stück!
– personelle Verbindung zwischen Theologie und Naturwissenschaft (schon oft zitiert, aber einmal kann nicht schaden)
– Glaubenszweifel angesichts des Bösen und Schlechten auf der Welt (sehr anschaulich anhand der schweren Krankheit eines Kindes)
– Verirrungen von Religionen bis heute; Kleingläubigkeit nicht als besonders starke Ausformung, sondern Irrweg von Glauben
Wenigstens weiß ich genug, um zu wissen, dass ich mir nicht genau ausmalen kann, was ich denken, wenn ich etwas anderes oder nichts glauben würde.
Würdelos
…jedenfalls in meinem letzten Kommentar. Da fehlt ein “würde” am Ende. Nicht nur die Erkenntnis, auch die Formulierkunst hat bei mir klare Grenzen! 😉
Offenes Visier
Dieser Blog, das muss einmal gesagt werden, hat doch ein ausserordentliches Niveau. Und ja – Michael’s Öffnen seines Visiers (in Richtung auf seine Religiosität) zeugt auch von Niveau, weil es mindestens Mut und Transparenz beweist. Was er macht, ist vollkommen legitim. Er findet in sich zwei mentale Ströme vor: eine starke Erfahrung für so etwas wie die Heiligkeit der Schöpfung, die u.a auch durch eine Metapher wie “Gott” ausgedrückt werden kann und ein leidenschaftliches Interesse für Wissenschaft, Evolutionsforschung etc. Wie beides zusammenhängt, weiss er nicht – und auch wir anderen wissen nicht, wie bei uns Sympathien für Logik, Fakten, für Ästhetisches und Spirituelles zusammenhängen. Wer sind komplexe Wesen, in denen es eben nicht nur ein kausales Denken gibt, sondern auch ein assoziatives, ästhetisches, kreativ entwerfendes u.a. Auch wenn wir unsere Träume deuten, denken wir, auch wenn wir Partnerschaftsprobleme lösen – und da nicht nur kausal. Michael versucht also, verschiedene Ebenen in seiner Persönlichkeit in immer neuen Versuchen zu verbinden, vielleicht auch in der Hoffnung, dass die eine Ebene der anderen klärend, erhellend, erweiternd, korrigierend beistehen kann. Das ist nicht nur legitim, sondern zutiefst menschlich. Wir finden uns nicht als allein rationale Wesen vor, im Gegenteil. Wir sind voller emotionaler Preferenzen, Neigungen, Vorlieben, Intuitionen, die wir selbst oft gar nicht durchschauen. Ein schöner Effekt eines solchen Blogs könnte sein, wenn jeder in Geduld und freundschaftlicher Atmosphäre diese Vielfalt von Erfahrungsmöglichkeiten in sich entdecken und miteinander in ein produktives Verhältnis bringen könnte.
Es muss einer kein Idiot, Naivling oder Fundamentalist sein, wenn ihm die Metapher “Gott” aus irgendwelchen Gründen zusagt. Dahinter kann sich alles Mögliche verbergen. Ich glaube, Michael findet für sich auch – denkend – immer mehr heraus, was sich dahinter verbirgt.
@ Michael Blume
„die Evolution des Merkmals Religiosität wird längst interdisziplinär und international erforscht“.
Das weiß ich schon, es beruhigt mich aber nicht. Außer der Frage in meinem vorigen Kommentar (nach dem Selektionsdruck, der es schafft, in manchen Gesellschaften das Merkmal Religiosität in einer Generation von fast 100 % auf 25 % zu drücken) habe ich die Frage, ob diese ganze Forschung – sofern mit Evolution die biologische gemeint ist – nicht einfach deshalb für die Katz ist, weil die Religiosität kein Merkmal ist, für das man eine auch nur irgendwie einheitliche biologische Grundlage überhaupt erwarten kann.
Wie muß man sich eine biologische Veranlagung denken, die zuständig ist für den Unterschied zwischen einem typischen bayerischen Katholiken, der deshalb Katholik ist, weil man halt Katholik ist und ständig aneckt, wenn man keiner ist, dem religiöse Fragen relativ egal sind, der aber trotzdem dem Pfarrer glaubt, weil man halt Leuten eher glaubt, die etwas zu sagen haben, und der deshalb die Frage „gibt es Gott“ mit Ja beantwortet – und einem typischen Nicht-Kirchenmitglied in der DDR, der aus exakt, aber auch so was von exakt gleichen Gründen diese Frage mit „Nein“ beantwortet?
Und wie kann man das Denken und das sonstige Innenleben von jemandem, der mystischen Lehren anhängt und von früh bis spät Verzückungen erlebt, mit Denken und sonstigem Innenleben von jemandem zu einem Merkmal namens Religiosität vereinen, der ein völlig nüchterner und rationaler Mensch ist und jene Frage bejaht, weil ihn ein bestimmter Gottesbeweis überzeugt, der diese Auffassung aber sofort ablegt, sowie ihm jemand erklärt, daß dieser Beweis Inkonsistenzen enthält – der sich also nicht anders verhält als ein guter, Poppers Ideal nahekommender Wissenschaftler, der auf Inkonsistenzen einer bestimmten naturwissenschaftlichen Theorie stößt?
Wenn Sie mir diese Fragen aus Zeitgründen nicht beantworten können: könnten Sie mir wenigstens eine Stelle nennen, die sie beantwortet? Wenn sie mir nicht beantwortet werden, muß ich weiterhin glauben, daß es sich bei all diesen Forschungen nicht um Wissenschaft, sondern um Ideologieproduktion handelt.
@Kunar, Rüdiger
Vielen Dank für die Kommentare. Da fühle ich mich verstanden 😉 – teilweise sogar etwas besser, als zuvor in der Selbstwahrnehmung.
Ergänzen würde ich nur noch den Hinweis, dass ich Religion genau so wenig als geschlossenes System (ein-)schätze wie Wissenschaft, Musik, Literatur oder Kunst. Sie haben je ihre eigenen Bewährungspfade (ein Kunstwerk wird z.B. nicht empirisch widerlegt wie eine wissenschaftliche Hypothese), aber insgesamt entfalten sie (m.E.) evolutionär Leben, Entdeckung, Beheimatung. Zumindest ist das für mich der Stand meines derzeitigen Denkens, Forschens und Fühlens. 😉
@Ludwig Trepl
Ihre Sorge und Skepsis vor einem platten, biologistischen Reduktionismus ist mir als Religionswissenschaftler nicht nur verständlich, sondern außerordentlich sympathisch! 🙂
Und, klare Antwort: Wir sind da längst sehr viel weiter (schon Darwin war da viel weiter!), differenzieren z.B. zwischen Religiosität und Spiritualität, biologischen und kulturellen Traditionen, evolutionären Szenarien (wie Adaptationen, Exaptationen oder Beiprodukten) usw.
Wenn Sie das Ganze in Buchform lesen möchten, so darf ich Ihnen “Gott, Gene und Gehirn” empfehlen, in dem der Biologe Rüdiger Vaas & ich gemeinsam einen Überblick über evolutionäre Perspektiven und Studien zu Religiosität und Religionen erstellt haben und von dem gerade die 3. Auflage gedruckt wird:
https://scilogs.spektrum.de/…ce-shop.de/artikel/969531
Auch weitere biokulturelle Merkmale wie Musikalität, Sprachfähigkeit und Ästhetik werden längst interdisziplinär und evolutionär erforscht, hier empfehle ich z.B. aktuell Winfried Menninghaus, “Wozu Kunst? Ästhetik nach Darwin”.
http://www.science-shop.de/artikel/1129187
In der Hoffnung, Ihnen schon einmal weitergeholfen zu haben – und dem Dank für das lebhafte & konstruktive Interesse wünsche ich Ihnen schöne Adventstage!
Religiosität wird heute
Geschichte als Steinbruch
@ Michael Blume schrieb:
“Just oben zitiert schrieb Darwin im Schlusssatz seines Hauptwerkes:
‘Es ist wahrlich eine grossartige Ansicht, dass […] aus so einfachem Anfang sich eine endlose Reihe immer schönerer und vollkommenerer Wesen entwickelt hat und noch fort entwickelt.’
Und was kommentiert @Geoman dazu?
‘Wenn von Darwin irgendeine große Idee bleibt, die ihn von seinen Vorgängern abhebt, dann ist es der Gedanke, dass den Organismen kein Vervollkommnungstrieb innewohnt und sie keine Stufenleiter immer komplexere und perfektere Lebewesen bilden.’
Was soll ich dazu noch sagen..?”
Lieber Herr Blume,
bevor Sie dazu etwas sagen, sollten Sie Darwin’s Werke oder Schlussätze nicht als Steinbruch für Ihre – sagen wir mal – evolutions-theosophischen Geschichten, sondern Darwin im Kontext seiner Zeit lesen.
Dann wüssten sie z. B. dass dieser offenkundigen oder scheinbaren Widersprüchlichkeit in Darwins Werk schon ganze Bücher gewidmet wurden.
Um es nochmal klar zu stellen, Darwins grundlegende Theorie der natürlichen Selektion besagt nichts über allgemeinen Fortschritt und beschreibt keinen Mechanismus, aufgrund dessen man mit einer Gesamtverbesserung oder Vervollkommnung rechnen kann. Sie besagt schlicht: Abwandlung durch (zufällige) Variation.
Damit unterscheidet er sich radikal von anderen Evolutionstheoretikern wie z. B. Lamarck, die eine für die damalige Zeit viel sympathischere Vorstellung von Evolution im Sinne von Fortschritt und Entfaltung hatten.
Darwins Werk und seine Notizbücher sind voll von Hinweisen, in denen er für die damalige Zeit schwer erträgliche Kritik an Fortschritts- und Vervollkommnungsgedanken äussert. Wenn er im Schlusssatz seines Werkes, seine umstürzlerische Vision von einer Geschichte des Lebens ohne vorhersagbaren Fortschritt wieder in Frage stellt, so zeigt dies nur, dass er in seiner Theorie zwar ein Radikaler in der Praxis aber kein Held und dem Zeitgeist war. Von seinen Lebensumständen her, war er nämlich eher ein konservativer Realist, der genau wusste, dass seine viktorianischen Zeitgenossen eine solch radikale Theorie nicht akzeptieren würden.
Bevor Sie Darwin zum Apostel Ihrer evolutions-theosophischen Geschichten machen, sollten Sie sich zunächst eingehend mit Darwins Werk und seiner Rezeption beschäftigen. Es hat schon etwas skurriles, wenn gerade Sie als Religionswissenschaftler in Ihren Beiträgen Darwins „ursprüngliche Position“ für sich reklamieren und an die Anderen appellieren, diese zur Kenntnis zu nehmen.
@Geoman
Habe ich es doch (leider) geahnt. Sie haben den Fehler nicht gefunden. Okay, bis Weihnachten löse ich es auf.
Wissenschafts-Dadaismus
@ Michael Blume
Bis zu Ihrer angekündigten Auflösung meines Fehlers können Sie sich rühmen, das zu betreiben, was der Philosoph Sloterdijk bisher vermisste, nämlich Wissenschafts-Dadaismus. Dies müssen Sie nicht unbedingt negativ, sondern können Sie angesichts des Erfolgs des literarischen Dadaismus auch positiv sehen.
@Geoman
Danke für die Blumen! Und, ja, so machen wir es! 🙂
@ Michael Blume
Hmm…, vielleicht muß ich doch das ganze Buch lesen, nicht nur die Rezensionen, auf die Sie verwiesen haben. Es scheint ja so zu sein, daß Sie meinen Einwänden nicht widersprechen können – wie auch, denn wenn man von etwas sagen kann: es liegt auf der Hand, dann doch davon –, daß Sie aber der Meinung sind, die Vertreter Ihrer These von der biologischen Evolution der Religiosität hätten irgendeine differenzierte Auffassung, die sich nicht in ähnlicher Kürze darstellen läßt wie meine Einwände, sondern da braucht es schon ein ganzes Buch. Und diese differenzierte Auffassung erlaubt es, die These aufrechtzuerhalten trotz meiner Einwände. Kann man es vielleicht so sagen: der Unterschied in der „Religiosität“ zwischen Bayern und Brandenburgern oder Italienern und Russen oder den Russen von 1910 und den Russen von 1950 hat in der Tat keinerlei biologische Ursachen, aber so etwas ist ja gar nicht gemeint, sondern etwas anderes, was sich aber nicht so einfach sagen läßt, ja, nicht einmal andeuten?
@Ludwig Trepl
Sie fragten: Kann man es vielleicht so sagen: der Unterschied in der „Religiosität“ zwischen Bayern und Brandenburgern oder Italienern und Russen oder den Russen von 1910 und den Russen von 1950 hat in der Tat keinerlei biologische Ursachen,
Genau so ist es. Bayern, Italiener, Russen etc. haben jeweils fast identische biologische Veranlagungen nicht nur der Religiosität, sondern auch der Sprachfähigkeit, Musikalität etc. Auf diesen universalen Veranlagungen können dann sehr unterschiedliche kulturelle Traditionen – Religionen, Sprachen, Musiken etc. – ausgeprägt werden.
aber so etwas ist ja gar nicht gemeint, sondern etwas anderes, was sich aber nicht so einfach sagen läßt, ja, nicht einmal andeuten?
Doch, andeuten schon: Wir haben es bei Sprache, Musik, Religion (etc.) jeweils mit biokulturellen Merkmalen zu tun, die sich in einer Wechselwirkung aus biologischen Veranlagungen (z.B. der Anatomie des Kehlkopfes, der Zunge, des Gehirns bei Sprache) und kulturellen Traditionen (z.B. Deutsch, Italienisch, Russisch, bzw. Christentum, Islam, Hinduismus etc.) ausprägen.
Dieser Blog, die o.g. Links und die erwähnten Bücher laden Sie ein, so tief in dieses spannende Forschungsfeld einzusteigen, wie Sie gerne möchten.
@Michael Blume Finde den Fehler 😉
“Wir haben es bei Sprache, Musik, Religion (etc.) jeweils mit biokulturellen Merkmalen zu tun, die sich in einer Wechselwirkung aus biologischen Veranlagungen (z.B. der Anatomie des Kehlkopfes, der Zunge, des Gehirns bei Sprache) und kulturellen Traditionen (z.B. Deutsch, Italienisch, Russisch, bzw. Christentum, Islam, Hinduismus etc.) ausprägen.”
Ja, das meine ich auch. Nur frage ich mich, was dann die Rede von der „Evolution des Merkmals Religiosität“ soll. Von eine Evolution eines Merkmals „Hornlosigkeit“ bei Pferden spricht man sinnvollerweise, wenn es durch keinerlei Umweltwirkungen möglich ist, bei Pferden Hörner zum Wachsen zu bringen. Man sagt unter Biologen dann auch, daß die Hörner „genetisch bedingt“ sind. Wenn es von Umwelteinwirkungen in der Ontogenese abhängt, ob das Tier Streifen bekommt oder nicht, dann ist es nicht sinnvoll, von einer genetischen Bedingtheit der Streifen oder von einer Evolution des Merkmals Streifen zu sprechen, wohl aber könnte man von einer Evolution der Möglichkeit, Streifen zu bekommen, sprechen.
Und so scheint er mir auch mit „Religiosität“ zu sein. Um ein Bild zu benutzen: Biologisch vererbt wird nicht eine Partitur von Bach oder von Duke Ellington, sondern ein Apparat namens Klavier, auf dem man sowohl Bach als auch Jazz spielen kann. Biologisch vererbt wird ein nennen wir es einmal geistig-seelischer Apparat, der es erlaubt, je nach Umwelteinwirkung – die man hier am besten „kulturell“ nennt – Atheist, Agnostiker, Schwärmer, islamischer Fundamentalist oder Hegelianer zu werden und gegebenenfalls mehrmals im Leben dazwischen zu wechseln. Man kann darum nicht von biokulturellem Merkmal Religiosität sprechen: Sie ist ein vielmehr kulturelles Merkmal. Es kann sich natürlich nur ausprägen, wenn die biologischen Voraussetzungen dafür vorhanden sind; es gibt aber schlechterdings nichts am Denken und Fühlen des Menschen, was nicht trivialerweise „biokulturell“ genannt werden müßte, wenn das das Kriterium dafür wäre.
Nun könnte man einwenden, daß doch eine Beschaffenheit des Genoms vorstellbar ist, die die Ausprägung von etwas, das man „Merkmal Religiosität“ nennen könnte, sehr stark fördert und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieses Merkmals in verschiedenen Umwelten größer sein läßt, als wenn die entsprechenden Gene fehlen. Eine Neigung zur Angst könnte vielleicht so etwas sein. Nur: die führt halt in der einen Umwelt (Bayern) eher dazu, daß man katholisch bleibt, in der anderen (DDR), daß man in die SED eintritt.
Ich bin übrigens in diesen Fragen nicht völliger Laie; ich bin Biologe, dies schon seit fast einem halben Jahrhundert und habe schon einiges gelesen. Ich habe aber halt auch mitbekommen, zu welch hanebüchenem Zeug meine Kollegen fähig sind, wenn sie sich den Grenzen ihres Faches näher.
@Ludwig Trepl
Ein starker Kommentar, dem ich weitgehend zustimme. Nur sind wir, wie geschrieben, eben bereits weiter und erforschen z.B. welche Gehirnregionen beim Beten und Meditieren aktiviert werden, ob und wie sich religiöses Verhalten auch experimentell und vorbewusste induzieren lässt, wann (mehr) Menschen “instinktiv” auf religiöses Verhalten zurück greifen, welche Funktionen Rituale und Opfer haben, wie sich religiöse Vergemeinschaftungen auf den Fortpflanzungserfolg auswirken etc. Warum sollte Religiosität weniger differenziert erforschbar sein als Sprachfähigkeit, Musikalität etc.?
Und, ja, es ist so: Biologen alleine können (bei allem Respekt z.B. vor David Sloan Wilson et al.) dieses Thema kaum sinnvoll bearbeiten, dazu braucht es die sorgsame und intensive, interdisziplinäre Zusammenarbeit. Und so ist das erwähnte “Gott, Gene und Gehirn” gemeinsam von einem Biologen (Rüdiger Vaas) und einem Religionswissenschaftler (mir) verfasst worden. Eine Rezension z.B. von Prof. Zankl (Genetik) findet sich hier:
https://scilogs.spektrum.de/…l-zu-gott-gene-und-gehirn
Beste Grüße & schöne Wünsche für die Feiertage!
@Trepel
Die Religiösität eines Menschen an der Frage “glaubst Du, daß es einen Gott gibt” festzumachen ist ungefähr so sinnlos, wie seine Musikalität an der Frage festzumachen “glaubst Du an Elvis Presley”.
Ein bayrischer Katholik kann die Frage nach Gott mit “joa, freili” beantworten und trotzdem nicht beten, und eine Mecklenburgische Atheistin kann “nö, eigentlich bin ich ganz normal” antworten und dennoch regelmäßig Zwiesprache mit ihrer verstorbenen Oma halten.
Wenn Sie sich mal ein wenig mehr in diesem Blog umschauen, dann finden Sie sowohl eine Definition von Religiösität, die ohne Bezug auf den abrahamitisch-jüdisch-christlich-muslimischen Gott auskommt
https://scilogs.spektrum.de/…e-definition-von-religion
als auch Untersuchungen darüber, warum manche Menschen trotz der Vorteile, die Religionsgemeinschaften bieten, “religiös unmusikalisch” sind.
https://scilogs.spektrum.de/…um-gibt-es-noch-atheisten
@Störk
“Die Religiösität eines Menschen an der Frage “glaubst Du, daß es einen Gott gibt” festzumachen ist ungefähr so sinnlos, wie seine Musikalität an der Frage festzumachen “glaubst Du an Elvis Presley”.”
Eben, sag ich doch, jedenfalls so etwa. Selbstverständlich ist es egal, ob ein Gott oder viele und ob überhaupt Gott. In der Definition von Blume, auf die Sie verweisen, steht stattdessen “überempirische Akteure”, wozu aber unklar bleibt, ob “dieser Glaube werde durch Sprache (z.B. Mythen) und Verhalten (z.B. Ritualen) zu religiösen Traditionen ausgeprägt” auch Bedingung dafür ist, von Religiosität zu sprechen oder nur manchmal, oft oder meist hinzukommt. Es gibt jede Menge von Menschen, die sich selbst als nicht-religiös bezeichnen würden und von den anderen so bezeichnet werden, die aber doch an “überempirische Akteure” “glauben”, oft ohne daß ihnen das bewußt ist; man kann sogar fragen, ob es auf einer Ebene, die im Hinblick auf die Frage einer möglichen genetischen (im biologischen Sinn) Fundierung relevant ist, möglich ist, dies nicht zu tun.
Ich habe eben Zweifel, daß es möglich ist, etwas so Heterogenes wie “Religiosität”, das bei genauerer Betrachtung in viele äußerst verschiedene Phänomene zerfällt, als EINEN Gegenstand in der empirischen, noch dazu biologischen Forschung zu behandeln. Es ist eine Form des naiven Realismus, zu glauben, daß dann, wenn es ein Wort gibt, es auch einen ihm entsprechenden Gegenstand in der Welt geben müsse – und daß der noch dazu derart homogen ist, daß man sagen kann, “Religiosität” als solche könne einen Selektionsvorteil haben (was bei manchem, was in “Religoisät” hineingepackt wird, vielleicht möglich ist), oder “Religiosität” sei mit höheren Vermehrungsraten verbunden oder verursache sie.
Selektionsvorteil
Religiösität ist nicht per se mit höheren Reproduktionsraten verbunden, Religiösität macht höhere Reproduktionsraten möglich. Die Shaker waren an sich sehr religiös, hatten aber das Gebot “seid fruchtbar und mehret euch” ersetzt durch “seid keusch und enthaltet euch” – aus naheliegenden Gründen hat diese Religionsgemeinschaft nicht allzuviele Generationen überdauert.
Interessant wird es halt immer dann, wenn versucht wird, sämtliche überempirischen Akteure konsequent auszublenden: für Abstrakta wie “Volk, Rasse und Vaterland” auf der einen oder für “den Sieg des Kommunismus” auf der anderen Seite wollte im 2.WK niemand übermäßig viele Kinder in die Welt setzen. Quasi-Religiöser Glaube an eine unpersönliche “Vorsehung”, an Werte-setzende “Ideale” oder an eine “historische Notwendigkeit” ist nach den vorliegenden Daten kein adäquater Ersatz für ein persönliches Gegenüber, das man im Gebet direkt ansprechen kann.
@störk
„Religiösität ist nicht per se mit höheren Reproduktionsraten verbunden, Religiösität macht höhere Reproduktionsraten möglich.“
Genau, das ist es. Sie macht auch niedrigere möglich (nicht nur die Shaker, auch die katholischen Mönche und vor allem Nonnen vermehrten sich, anders als das Gerücht will, unterdurchschnittlich). Auch Nicht-Religiosität macht (folglich) höhere Reproduktionsraten möglich.
Zum zweiten Absatz: das glaub ich einfach nicht; die Daten möchte ich sehen, die das belegen. Die gläubigen Nationalsozialisten gingen munter in den Tod, bis zum Schluß, sie glaubten u.a. an das ewige Fortleben in der Rasse und an eine Bedeutung, die ihnen der Heldentod vor irgendeiner Instanz verleiht, und sie haben, wenn ihnen der eigene Tod schon egal war, sicher auch Kinder in die Welt gesetzt trotz des Krieges. Aber die Deutschen waren doch in ihrer Mehrheit damals ganz normale Christen, sie glaubten außerdem an die Rasse, nicht ausschließlich an die Rasse (und ist es denn so sicher, daß der Glaube an die Rasse nicht religiös ist?). Wie soll da irgendein Geburtenrückgang zeigen, daß die Staatsideologie bezüglich der Reproduktionsraten nicht so gut funktioniert hat wie die Religion? Abgesehen davon war bei den damaligen Möglichkeiten der Empfängnis- und Geburtsverhinderung – gar in der Sowjetunion – die Zahl der Kinder in den seltensten Fällen Ergebnis bewußter Handlungen.
@Michael Blume Finde den Fehler 😉
Ich habe nun einiges von dem, was Sie (und @störk) mir empfohlen haben, gelesen. Es überzeugt mich nicht. Fast allen Behauptungen würde ich widersprechen (wozu hier natürlich nicht der Platz ist). Die empirischen Ergebnisse lassen sich, soweit ich es bei der flüchtigen Betrachtung sehen konnte, auch anders und vor allem viel einleuchtender interpretieren.
Der Hauptfehler scheint mir in der Definition von Religiosität zu liegen („… definiert als Glauben an [oder Verhalten zu] überempirischen Akteure, dieser Glaube werde durch Sprache [z.B. Mythen] und Verhalten [z.B. Ritualen] zu religiösen Traditionen ausgeprägt – und deren Summe lasse sich als ‚Religion’ bezeichnen.“)
An „überempirische Akteure“ glauben allenfalls aufgeklärte, sozusagen nach-kantianische Christen. Für das Mittelalter gab es bezüglich der Frage empirisch-überempirisch keinen Unterschied zwischen einem Erzengel und einem Krokodil: gesehen hatte man beides noch nicht, aber glaubwürdige Zeugen berichten in Büchern darüber. Die Evangelien waren Tatsachenberichte wie irgendeine Reisebeschreibung auch. Und an den Teufel glaubte man, weil ein Bekannter eines Bekannten ihn gesehen hat; man kann ihn sehen, er ist ein empirisches Ding wie alle anderen auch (und alle anderen Dinge sind nicht nur empirisch: in jedem kann ein Geist sitzen – die „verzauberte Welt“ von Max Weber). Und gar für die Zeit, in der sich die „biologische Grundlage“ von Religiosität ausgebildet haben soll, anzunehmen, daß man derartige Unterschiede machte, ist äußerst verwegen. Einen Unterschied zu machen zwischen Religiosität und Nicht-Religiosität ergibt erst für viel spätere Zeiten Sinn.
Viel plausibler ist doch: Nicht Religiosität ist damals biologisch entstanden, sondern gewisse Fähigkeiten des Denkens, mit denen man so oder so denken kann. Diese Fähigkeiten des „archaischen“ Homo sapiens sind in ihrer biologischen Grundlage genau die gleichen wie die heutiger Menschen. Das kann man ohne alle Wissenschaft sehen, wenn man nicht rassistisch verblendet ist, denn ein in der Zivilisation aufgezogener Mensch aus einem steinzeitlich lebenden Stamm unterscheidet sich nicht von anderen Zivilisierten. Er denkt und fühlt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht „mythologisch“, während seine biologischen Verwandten allesamt so denken. Also: „Religiosität“ ist ausschließlich ein Produkt kultureller Evolution.
Vielleicht läßt sich ja etwas von diesen Theorien retten, wenn man nicht nach „Religiosität“ fragt (in Ihrer oder einer anderen Definition), sondern z. B. nach einer Neigung, sich in einer sinnvoll geordneten Welt zuhause zu fühlen, statt aus ihr ausbrechen zu wollen, oder nach einer Neigung, Erlebnisse, die die Orthodoxie gewöhnlich der „Schwärmerei“ zuschreibt, nicht wegzudrücken, sondern zu kultivieren, und ähnlichem. Derartiges kommt ja in die Nähe von Neigungen, die man mit gutem Grund hochgradig genetisch bedingt sieht. Nur: das jeweilige Gegenteil kann ebenfalls als religiös bezeichnet werden und umgekehrt, und beides geschieht auch; es kommt nicht auf die Gemütsstimmung an, sondern wie man sie interpretiert, und Interpretationen werden garantiert nicht biologisch vererbt. – Man könnte dann vielleicht sagen: In einer bestimmten Umwelt, nämlich in einer, in der „schwärmerische“ Erlebnisse üblicherweise „religiös“ interpretiert werden, wird jemand, der biologisch bedingt eine Neigung hat, solche Erlebnisse zu kultivieren, mit höherer Wahrscheinlichkeit „religiös“ werden als einer, der diese Neigung nicht hat. Das ist aber auch schon alles, scheint mir.
@Trepel
“Für das Mittelalter gab es bezüglich der Frage empirisch-überempirisch keinen Unterschied zwischen einem Erzengel und einem Krokodil: gesehen hatte man beides noch nicht, aber glaubwürdige Zeugen berichten in Büchern darüber.”
Das mag für Erzengel gelten, aber für den “niederen Engel” oder “Heiligen”, den man gerade um Schutz oder Rat angerufen hat, gab es zwei gravierende Unterschiede:
1. mit dem Engel kann man reden, egal, von wo man ihn gerade herbeigerufen hat
2. dennoch käme niemand auf die Idee, auf die Frage “mit wem redest Du” zu antworten “na mit dem Hl. Christopherus, guck doch, da vorn steht er!”.
“nicht nur die Shaker, auch die katholischen Mönche und vor allem Nonnen vermehrten sich, anders als das Gerücht will, unterdurchschnittlich”
Mönche und Nonnen haben i.d.R. leibliche Geschwister, die ihrerseits bei der Kinderbetreuung gerne auf die Dienste von Nonnen und bei der Bildung gerne auf die Dienste konfessioneller Schulen zurückgreifen. Auf diese Weise pflanzt sich die Nonne zwar nicht direkt fort, trägt aber indirekt zum Fortpflanzungserfolg ihrer Blutsverwandten bei.
Bei Delphinen gibt es auch “Tanten”, die sich kümmern, aber ohne die gemeinschaftsstiftende Wirkung einer gemeinsamen Religion (und einen persönlichen Gott, dem an der Einhaltung seiner Gebote etwas liegt) bleibt dies auf den engsten Familienkreis begrenzt. In einer Weltreligion hat man schlicht viel mehr “Brüder und Schwestern”.
@ Störk: Nonnen und St. Christopherus
“dennoch käme niemand auf die Idee, auf die Frage “mit wem redest Du” zu antworten “na mit dem Hl. Christopherus, guck doch, da vorn steht er!”.”
Natürlich nicht, denn zu den Merkmalen des Hl. Christopherus gehört ja, daß man ihn normalerweise nicht sehen kann, auch wenn es immer Leute gibt, von denen man gehört hat, daß sie ihn gesehen haben. Das Merkmal “normalerweise unsichtbar” unterscheidet sich nicht kategorial von dem Merkmal “normalerweise grün”. Man hat im “mythologischen” Denken allerlei Unterschiede gemacht zwischen den verschiedenen Sorten von Wesen – man konnte bekanntlich z. B. mit den Adlern zusammen zu einer Sorte von Wesen gehören, mit den Hirschen aber nicht -, doch das ändert nichts daran, daß der Unterschied empirisch-nichtempirisch etwas Neuzeitliches ist (natürlich mit einigem, was man als Vorläufer betrachten kann). Anderes zu behaupten widerspricht allem, was Ethnologen, Ideengeschichtler und Kulturhistoriker je herausgefunden haben.
Das mit den Nonnen und der kin selection haut nicht hin. Natürlich ist es vorgekommen, daß die Nonnen irgendwie ihre Verwandten unterstützt haben, aber die Regel war es nicht. Die Frauenklöster waren (und sind auf einem großen Teil der Erde immer noch) in erster Linie Abschiebeanstalten, dort bringt man Mädchen, die der Familie Schande machen oder die einfach überflüssige Esser sind, unter und hat nie wieder etwas mit ihnen zu tun.
@Ludwig Trepl: Überempirische Akteure
Erlauben Sie mir nur den Hinweis, dass in der Evolutionsforschung generell empirisch-deskriptive Definitionen verwendet werden, die völlig unabhängig von Selbstverwendungen sind. So bezeichnet der Begriff des überempirischen Akteurs (supernatural oder superempirical agent) selbstverständlich die Perspektive der Wissenschaftlerin, die die Existenz des geglaubten Ahnen, Bodhisatva oder Gottes nicht empirisch verifizieren kann. Ebenso bezeichnet der Begriff des “Homo sapiens” auch jene Menschen, die kein Latein sprechen oder die Abstammung von anderen Hominiden und Primaten leugnen mögen. Und selbstverständlich können wir auch die Musikalität z.B. von Walen, Vögeln und Menschen vergleichen, ohne dabei darauf bestehen zu müssen, dass sie alle die gleiche Definition dafür verwenden. Für Religiosität gilt schlicht das Gleiche.
Ihnen eine geruhsame und besinnliche Weihnachtszeit.
@Geoman
Versprochen – gehalten: Hier der Blogbeitrag zu Darwin & dem evolutionären Theismus:
https://scilogs.spektrum.de/…eutung-von-charles-darwin
Beste Grüße für die Feiertage!