Ein Schritt in die digitale Thymokratie. Mein heutiger Tag mit zwei Parlamenten

Am heutigen Tag erlebte ich Höhen und Tiefen des bundesdeutschen Parlamentarismus und meiner Partei hautnah mit.

Der Morgen begann mit der Einladung des Landtags von Baden-Württemberg, gemeinsam mit den Vorständen der Israelitischen Religionsgemeinschaften Baden und Württemberg auf der Tribüne der Debatte und Abstimmung des neuen Staatsvertrages beizuwohnen, an dem mitzuwirken ich die Ehre hatte. Es herrschte eine starke Einigkeit aller demokratischen Fraktionen und obwohl sich der AfD-Redner sehr im Ton vergriff, stimmte schließlich der gesamte Landtag einstimmig zu.

Noch einmal schöpfte ich Hoffnung, dass auch die Unionsparteien im Bundestag vor einem historischen Fehler zurückschrecken würden und postete auf Mastodon:

“Bin gerade mit den Vorständen der jüdischen Gemeinden auf der Tribüne des Landtags von Baden-Württemberg. Beschlossen wird ein neuer Staatsvertrag, der Anerkennung und Sicherheit stärkt.

Alle demokratischen Parteien stehen gemeinsam klar gegen #Antisemitismus. Ich wäre gerade auch heute froh, wenn unser #Bundestag so stabil dialogisch-monistisch wäre wie unser #Landtag. Demokratinnen & Demokraten müssen gegen auch digitale Polarisierung und feindseligen Dualismus zusammenstehen. Immer wieder.”

Post von Dr. Michael Blume zur Landtagsdebatte und -abstimmung zum Staatsvertrag mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften Baden und Württemberg vom 29.01.2025, mit LinkPost zur Landtagsdebatte und -abstimmung zum Staatsvertrag des Landes mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften Baden und Württemberg vom 29.01.2025. Zu sehen sind u.a. Landtagspräsidentin Muhterem Arras (Grüne) und der CDU-Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel (CDU). Foto & Screenshot: Michael Blume

Nach dieser Stärke unseres Landesparlamentes hatte ich noch die Gelegenheit, auch mit ranghohen Abgeordneten von CDU und FDP darüber zu sprechen, dass ich eine gemeinsame Mehrheit im Bundestag mit der AfD und ggf. BSW für gefährlich und schädlich hielt. Als Christdemokrat seit über 30 Jahren halte ich es für einen epochalen Fehler, die Gemeinsamkeit der demokratischen Fraktionen, aber auch das christliche und europapolitische Erbe der Partei von Konrad Adenauer und Ludwig Erhard über Helmut Kohl bis Angela Merkel für einen kurzfristigen Effekt zu verschleudern, der absehbar schon im Bundesrat verpuffen dürfte. Nach meiner Einschätzung wird dieser thymotische Move nicht die Mitte des Bundestages, sondern seine Ränder weiter stärken.

Auch in meiner Rede zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und dem 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz hatte ich vor jüdischen, christlichen, muslimischen und nichtreligiösen Anwesenden noch am Montag eindringlich gewarnt:

“Ich bitte Sie und uns alle, dass wir uns nicht selbst in die Strudel des digitalen Freund-Feind-Dualismus hineinreißen lassen, dass wir niemals mit Antisemiten von rechts oder links gemeinsame Mehrheiten suchen, sondern dass wir zusammenstehen auch gegen die thymotische Empörungssucht, die von antisozialen Medien aus gerade große Teile der Menschheit vergiftet.”

In der Union hatte es immer sowohl konservative wie auch christlich-liberale und christlich-soziale Strömungen mit tiefen Wurzeln in der Kommunalpolitik gegeben, die von fähigen Spitzen dialogisch integriert wurden. Entsprechend hatten auch alle mal Personal- oder Sachentscheidungen mitzutragen, die weh taten. Das war für mich okay. Aber dass hier etwas Grundsätzliches in Rutschen gekommen war, unterstrich die entsprechende Kritik beider christlicher Kirchen.

Und für mich persönlich ist klar: Eine CDU, die ihre christliche Wurzeln für das Paktieren mit Putinfreunden und Antisemiten verrät, würde auch mich nach zwei Dritteln meines bisherigen Lebens verlieren. Ich bin als Jugendlicher Mitglied einer christdemokratischen und pro-europäischen Partei geworden und lehne jede Form von Rechtspopulismus und Rassismus entschieden ab. Wann dieser Zeitpunkt für meine Gewissensfrage kommt, werde ich aber nur im persönlichen Gespräch, nicht digital klären. Denn auch viele andere Christdemokratinnen und Christdemokraten sind heute entsetzt und verletzt, auch auf Bundesebene.

Die leider ausscheidende CDU-Abgeordnete Antje Tillmann hatte sogar die Courage, sich dem Irrweg mit einem Nein zu widersetzen. Acht weitere Unionsabgeordnete wie die frühere Integrationsbeauftragte Annette Widmann-Mauz, der ehemalige Ostbeauftragte Marco Wanderwitz, die Bundestags-Vizepräsidentin Yvonne Magwas, der Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sowie die ehemalige Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters folgten ebenfalls ihrem Gewissen und enthielten sich bzw. nahmen an der desaströsen Abstimmung nicht teil. Danke dafür!

Die digitale Thymokratie ist los

Aus meiner Sicht und Beobachtungen seit 2011 und verstärkt im Irak 2015 haben wir es derzeit weltweit mit dem Zeitenumbruch einer digitalen Thymotisierung zu tun: Menschen verlieren sich in medialer Beschleunigung und digitaler Hetze, in Meinungsblasen und gezieltem Neurohacking von antisozialen Medien wie Facebook, Instagram und X. Deswegen nehmen Wut, Unzufriedenheit und vor allem Einsamkeit weltweit zu, verroht der politische Diskurs und verlieren demokratische Parteien auch untereinander die Kompromiss- und Koalitionsfähigkeit. An die Stelle der liberalen Demokratien treten so mehr und mehr digitalisierte Thymokratiendie neue Regierungsform auf Basis antisozialer Medien, die “Empörung, Wut, Hass und Verrohung in der digitalen Welt bewusst und gezielt fördert und befeuert” (Tilmann Schneider). 

Im Hinblick auch auf den Zerfall der Ampel, die als selbsternannte “Fortschrittskoalition” gestartet war, hatte Markus Feldenkirchen in der heutigen SPIEGEL-Sonderausgabe 5a zur vorgezogenen Bundestagswahl auf S. 35 treffend geschrieben:

“In Österreich können wir beobachten, welche Folgen es hat, wenn Vertreter demokratischer Parteien wie Narzissten und Egomanen handeln.”

Auch Menschen, die sich selbst für besonders progressiv und links halten, sind vor der digitalen Thymotisierung nicht gefeit. Sogar auf dem nicht-kommerziellen Mastodon zerlegen sich linke und linksdualistische Medienblasen mit hohem Aufwand gegenseitig und bahnen damit ihrerseits den thymotischen Rechtsdualisten und Konzern-Oligarchen den Weg. So steht seit nun fünf Tagen ein offen linksdualistischer und weithin geteilter Post von Mario Sixtus online, der mit den geschichtsvergessenen Worten schließt: “Geh sterben, SPD!”

Mastodon-Post von Mario Sixtus vom 24. Januar 2025 mit dem Text: "Die SPD möchte also den Antrag auf Prüfung eines AfD-Verbots nicht unterstützen, weil sie annimmt er bekäme im Parlament keine Mehrheit, was dann wohl hauptsächlich an der Fraktion liegen dürfte, die nun zusammen mit der AfD verfassungsfeindliche Migrationsgesetze beschließen will? Geh sterben, SPD!"

Linksdualistischer und über fünf Tage nicht korrigierter Mastodon-Post mit dem Schlussaufruf: “Geh sterben, SPD!”. Screenshot: Michael Blume

Fazit

Die politischen und medialen Blasen vor allem der Nationalstaaten und zunehmend auch der Bundesrepublik Deutschland verlieren sich in ihren Selbstinszenierungen und klick-schnellen Selbstbestätigungen. Aber auch in Ländern, Regionen und Kommunen verroht der Diskurs parallel zum Schwinden qualitätsreicher Lokalzeitungen.

Ich mache mir seit heute noch größere Sorgen um die Bewältigung der Klima- und Wasserkrise und der säkularen Bevölkerungsimplosion, der Zukunft der NATO, der Europäischen Union und auch der Bundesrepublik Deutschland. Und ich hoffe, dass es noch genügend dialogische Monistinnen und Monisten quer durch die demokratischen Parteien, Kirchen und Religionsgemeinschaften gibt, um den Niedergang zu verhindern. Auch den Kampf um die große, menschenwürdige und pro-europäische Tradition der deutschen und europäischen Christdemokratie gebe ich noch nicht verloren, gerade weil ich davon ausgehe, dass sich die ersten Folgen der schlimmen Fehlentscheidungen bereits heute im Bundestag abgezeichnet haben. Höhe- und Tiefpunkte der deutschen Demokratie erlebte ich heute am gleichen Tag. 

Links strahlt eine Wählerin an der Urne, rechts tobt ein wütender Mob vor einem Parlament.

Die liberale Demokratie setzte auf die Rationalität des Individuums, die digitale Thymokratie auf die mediale Empörungssucht aufgepeitschter Mobs. Michael Blume mit Leonardo.AI

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

39 Kommentare

  1. Guten Abend Michael!

    Das sind düstere aussichten.
    Aber es wird wohl so sein, wie bei einem Tsunami oder erdbeben. Man bemerkt das erst später, direkt wenn es passiert, selbst wenn warnungen schon vorhanden waren.
    Wird wieder ein Thema von Historikern und Youtubern, welche Fehler begangen wurden.

    Ich tröste mich meistens mit dem Grundgedanken das der Fluss der Zeit nach vorne geht. Keine Partei kann den Demografischen Schwund mit Nationalismus und Angst überwinden, genauso die Klimakatastrophe wegignorieren.

    Es ist scheiße, das es soweit kommt und eben nicht die Reine Vernunft in kombination mit der Liebe zu allem unser Handeln lenkt. Aber wir entwickeln uns durch Schmerz wohl weiter, weniger durch Denken.

    Danke für deinen Beitrag, man soll ja den Fokus auf die fruchtbaren Samen legen und die gibt es.

    Bleib Tapper und danke 🙂

    • Vielen Dank, lieber @Berthold Forster – auch für den Zuspruch in stürmischer Zeit. 🙏

      Und, nein, selbstverständlich gebe ich nicht auf – nicht unsere Demokratie, nicht den Kampf gegen Verschwörungsmythen und auch nicht das KI-Fediversum. Eine Podcast-Empfehlung einer klugen Freundin möchte ich auch unbedingt weiterreichen: “The Coming Storm” von Gabriel Gatehouse, BBC.

      https://www.bbc.co.uk/programmes/m001324r/episodes/downloads

      Beeindruckt hat mich auch ein Interview in der heutigen SPIEGEL-Sonderausgabe 5a mit dem britischen Historiker Timothy Garton Ash, 69, unter dem Titel: Jetzt stehen wir am Übergang. Jetzt beginnt etwas Neues, S. 28 – 33.

      Auf S. 31 bringt er – nach einem berechtigten Lob auf das Internet – auch meine Sorgen um die digitale Thymotisierung, Medienblasen und “Enge der Zeit” perfekt auf den Punkt:

      “Schauen Sie, die ganze Idee der Demokratie beruht doch auf dem Prinzip, dass wir zusammenkommen wie die Griechen auf dem Pnyx vor 2500 Jahren, um miteinander zu beraten – wobei das damals natürlich nur männliche Bürger waren. Dann hören wir uns die Fakten an und wägen die Argumente ab. Sind wir für oder gegen die Abwehr der, sagen wir, angreifenden Perser auf dem Land oder zur See? Dieses absolut fundamentale Funktionsprinzip der Demokratie ist bedroht, die gemeinsame Öffentlichkeit, die Diskussion. Deswegen ist die Beibehaltung beziehungsweise Wiederherstellung der demokratischen Öffentlichkeit in unseren Ländern für mich eine der großen Aufgaben dieser Zeit.”

      In Jerusalem betete ich in der Grabeskirche und in Rom bestaunte ich die Architektur des erweiterten Forum Romanum, an dem sich die erste Groß-Republik der Geschichte (mit Alphabetschrift, klar) ausbildete. Wie geschichtsvergessen und kleinmütig große Teile unseres Bundestages geworden sind – und das auch noch in der Woche zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz -, das trifft mich tief. Und ich hatte immerhin den Eindruck, dass auch Friedrich Merz (CDU) und anderen schon heute Abend zu dämmern begann, was für einen schlimmen Fehler sie begangen haben. Vertrauen ist viel schneller zerstört als wieder-aufgebaut.

  2. “Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott.” 3. Mose 19, 33- 34 Was nun Herr Merz? Wer hat das “C” in der CDU verraten?

  3. Der große Pianist Igor Levit postete heute auf Bluesky eine Beobachtung, die auch meinen Schmerz gut beschreibt:

    „29. Januar 2025

    Der Tag im Bundestag beginnt damit, dass man den Opfern der Shoah gedenkt und er endet damit, dass Nazis jubeln.“

    Touché.

  4. Ich stelle mir vor, dass dies ein schwerer Tag für dich war, Michael.

    Es ist mir klar, dass das gemeinsame Abstimmen deiner Partei mit den Rechtsextremen schwer zu verdauen sein muss.

    Was dir nun dein Gewissen sagt, kannst nur du wissen: Zu versuchen, die innerparteiliche Demokratie zu nutzen oder festzustellen, dass hier eine rote Linie überschritten wurde – beides ist sicher keine leichte Wahl.

    Abgesehen von dem Tabubruch sehe ich hier allerdings inhaltlich wenig neue Qualität.

    Die Union ist, was sie ist und immer war, mit Ausnahme des Sommers der Menschlichkeit und europäischen Solidarität von 2015 bis zu jener fürchterlichen Silvesternacht von Köln.

    Dass die durchaus vorhandene innerparteiliche Opposition mit Blick auf machtpolitische Erwägungen bezüglich der kommenden Bundestagswahl aktuell weitgehend ihr Gewissen in den Eisschrank packt und den populistischen Polarisierungskurs der Führung mitträgt, ist nicht weiter überraschend.

    Es bleibt zu hoffen, dass nach der Wahl, welche die Union unzweifelhaft gewinnen wird, die gemäßigteren und konstruktiveren Kräfte in der Partei ihre Stimmen wiederfinden.

    Die Chancen dafür stehen, glaube ich, nicht ganz schlecht und das ist aktuell wohl das Beste, worauf Zuflucht-Suchende, Arme und unsere Biosphäre in diesem sehr kalt gewordenen Land hoffen können.

    Dir wünsche, du triffst die Entscheidung, mit der du und deine Familie am besten leben können. Viel Kraft dafür, egal, wie sie ausfällt!

    • Vielen Dank, liebe @Mina!

      Ja, diese Tage sind für mich auch emotional nicht leicht, zumal ich die digitale Thymotisierung ja nicht nur in der Bundespolitik erlebe, sondern auch auf Mastodon. Der dialogische Monismus, der mit Respekt und gemeinsamer Erkenntnissuche verbunden war, gerät ja immer weiter unter Druck. Und der BBC-Podcast „The Coming Storm“ vermag überzeugend aufzuzeigen, dass dieser Prozess in den USA 🇺🇸 unmittelbar mit der Emergenz des Internets in den 1990er Jahren begann.

      Werden wir noch eine Stabilisierung, gar neue Dynamik der Demokratien erleben? Oder ist der Verfall in eine Thymokratie unausweichlich?

      An diesen Fragen hängt viel. Womöglich alles.

      • Ich habe nie an “gute alte Zeiten” geglaubt und Kulturpessimismus fand ich stets unangebracht.

        Es ist allerdings, finde ich, unübersehbar, dass sich die westlichen Demokratien und ihre Institutionen in rapidem Verfall befinden. Eine Lösung sehe ich nicht.

        Denke ich an die Zukunft meiner Lütten, wird mir schon recht bange.

        Vielleicht ist es an der Zeit, Apfelbäumchen zu pflanzen.

        • Danke, @Mina

          Ja, es war ein schwerer Schlag und die kommenden Jahre werden hart. Doch ich merke auch an den Reaktionen auf meine stark besuchten Veranstaltungen, dass sich nach dem Zusammenbruch des linear-rationalen auch ein dialogisch-regeneratives Zeitverständnis bilden kann.

          Herzliche Grüße & die besten Wünsche der Mina-Familie! 😊🙏🙌

  5. @Merz

    „Die Grundidee, weitere illegale Einwanderung zu reduzieren ist ja meiner Ansicht noch nachvollziehbar. Aber hier muss vor allem die EU die Außengrenzen noch besser schützen, sonst schieben wir das Problem doch innerhalb Europas nur hin und her.

    Eine daraus folgende Beschädigung des europäischen Miteinanders wäre m.E. deutlich schädlicher als 100.000 mehr oder weniger illegale Einwanderer.

    Überhaupt ist für mich Migration durchaus ein Thema. Insbesondere würde es mich freuen, wenn der Ukrainekrieg zu einem Ende käme, und dann 1 Million Ukrainer wieder nach Hause gehen würden. Ebenso würde ich es sehr begrüßen, wenn 500.000 Syrer wieder in ihre Heimat zurückkehren könnten, weil sich dort doch noch lebenswerte Verhältnisse realisieren ließen.

    Das wären Perspektiven

    Gefährder und tatsächlich Kriminelle in Haft zu nehmen um sie dann sicher abzuschieben erscheint mir recht sinnvoll, wenn es nur Monate betrifft. Das wird nebenbei aber vermutlich nur sehr wenige Personen betreffen.

    • Danke, @Tobias

      Die reale Zuwanderung ist zuletzt deutlich gesunken und für weitere Einschränkungen zeichneten sich durchaus demokratische Mehrheiten ab. Auch ein Fünf-Punkte-Plan hätte sich im Rahmen des Wahlkampfes präsentieren und zu Gesetzesänderungen demokratische Mehrheiten organisieren lassen.

      Und gleichzeitig beklagen Unternehmen und Wirtschaftsverbände zum „Wirtschaftswarntag“ Fachkräfte- und Nachfragemangel. Es ist doch eine Binse: Schnell schrumpfende Völker können kaum dauerhaft wachsen, zumal das ebenfalls schrumpfende Ausland unsere Exportüberschüsse immer seltener nachfragt.

      Warum es also statt einer konstruktiven Kommunikation klug sein sollte, mit jubelnden Rechtsdualisten eine Mehrheit im Bundestag zu bilden und dafür christdemokratisches und europäisches Erbe zu verschleudern, werden die Unionsspitzen nun und in Zukunft zu erklären haben.

  6. Den Mastodon-Post habe ich auch gesehen. Im Großen und Ganzen erlebe ich jedoch vermehrt Freunde der Demokratie dort. Da das Fediverse dezentral ist, hängt es natürlich immer auch von der Timeline (Blase) ab, in der man sich befindet. Ich selbst fühle mich dort an solch einem einem Tag getröstetet und gut aufgehoben. Ich hoffe, Du hast dort auch gute Begleiter.

    • Ja, @Wera – schon aufgrund der Dezentralität im Fediversum und auch auf Mastodon fühle ich mich auch von linjsdualistischen Blasen nicht bedrängt. Mich sorgt jedoch, dass die digitale Thymotisierung sogar ohne Konzern-Neurohacking bei einigen stattfindet und die demokratischen Kräfte weiter schwächt. Ich hätte mir gewünscht, dass mehr Progressive den Mut finden, sich auch selbst zu hinterfragen und aus überholtem Denken hinauszuwachsen. Dass dies nicht alle schaffen oder auch nur versuchen würden, war mir aber auch klar.

      Danke für das Interesse & die Drukos! 🙏🙌

  7. Danke für Ihre offenen und ehrlichen Worte. Ich glaube Ihnen.

    Als ich gestern in meinen vier Wänden das Ergebnis mitbekommen habe, konnte ich nur noch weinen. Ich gebe auf. Selbst für Hass fehlt mir die Kraft. Aber es gibt für mich – PARTEILOS und NICHT LINKS – keine Brücke mehr zu anderen in Ihrer Partei. Ganz bewusst habe ich daher den einen Account bei Mastodon blockiert. Ein offenes Bekenntnis zu einer anderen – DEMOKRATISCHEN – Partei ist weder hier noch auf Mastodon möglich.

    Ich werde hier niemanden angreifen oder kritisieren, aber ich bin von manchen CDU MdBs enttäuscht. Von meinem hiesigen Abgeordneten kann ich nicht enttäuscht sein, da war von vornherein klar, dass er macht, was sein Vorsitzender ihm sagt.

    Was Sie nun tun oder nicht tun werden – ich weiß, Sie machen sich die Entscheidung nicht leicht.

    Eine Entscheidung habe ich schon getroffen. Nicht erst unter dem Eindruck des gestrigen Tages. Das schenkt mir wieder etwas Gelassenheit.

    Für meine Kinder sieht die Zukunft noch düsterer aus. Ich hätte nie gedacht, dass ich als Mutter an diesen Punkt kommen würde.

    Nein, aus Verzweiflung wird nicht Hass – zumindest bei mir nicht. Wie gesagt, ich resigniere.

  8. Und ich wieder meine alte Leier, dass man Probleme nur lösen kann, wenn man die Mittel dazu hat. Und weder Deutschland noch irgendein anderes europäisches Land haben heute noch diese Mittel, weil sich sowohl die Maßstäbe geändert haben, wie auch unsere Position in der Welt. Der Elefant im Raum, den keiner sehen will.

    Damit ist es auch völlig egal, wer die Wahlen gewinnt. Er kann nur aus einem Menü mit nur einer Option wählen – Land und Volk aufzehren, um den Niedergang hinauszuzögern. Ob der dabei einen schwarzen, roten, blauen, grünen, bunten Partyhut anhat, er kann höchstens entscheiden, ob er zuerst die Tapete oder das Linoleum anknabbert, oder ob Hund oder Goldfisch zuerst auf den Grill kommen. Deutschland kann die Funktionen eines souveränen Staates genauso wenig erfüllen, wie es Ihre Wohnung kann, und weil es das versucht, scheitert es ähnlich, wie Sie scheitern würden, würden Sie Ihre Wohnung zu einem souveränen Staat erklären.

    Wenn’s in dieser Wohnung nix Gescheites gibt, womit man sein Leben bestreiten könnte, außer Linoleum in kleine Stücke zu schneiden und einander zu servieren, wirft man überschüssige Mäuler halt raus. Würde man an einen Neuanfang glauben, das Startkapital dazu haben, würde man sie anlocken und in sie investieren – aber unser Erspartes haben wir größtenteils verzockt und versoffen, und viel Tafelsilber gibt unsere Einzimmerwohnung nicht her.

    Wir kapieren’s einfach nicht. Nachdem wir über Jahrhunderte die Welt beherrscht haben, um dann als Harem der USA verhätschelt zu werden, geht’s nicht in unsere Köpfe, dass wir jetzt normale Kleinstaaten werden, die sich rasant jenen Afrikas und Südamerikas angleichen, von den Weltmärkten gedrängt werden, bei allen wichtigen internationalen Treffen am Katzentisch sitzen und mit der Mütze in der Hand im Vorzimmer auf die Entscheidungen der Großmächtigen warten müssen. Als junge Prinzessin eingeschlafen, als runzlige Schweinehirtin aufgewacht, das frustriert halt nun mal. Oder thymotisiert, wie Sie es nennen.

    Und was macht da so eine verzogene Prinzessin zuerst? Sie tobt, kreischt, verlangt ihre Krone und ihre Jugend zurück und verjagt voll Ekel die anderen dreckigen Bauern, die ihr aus der Schweinejauche auf die Beine helfen wollen. Nix davon hilft. Ist aber menschlich.

    Internet verursacht es nicht, es gibt uns nur die Mittel, lauter zu kreischen. Internet ist Kapitalismus, der Flaschengeist, der uns alle Wünsche erfüllt und nix dafür kann, dass wir uns stets nur Dinge wünschen, die uns unglücklich machen.

    Was Sie gerade sehen, ist schon die Teilung Europas, ähnlich wie einst die polnischen Teilungen. Russland hält uns die Flinte vor, die USA leeren uns von hinten die Taschen. Der eine greift nach der Ukraine, der andere nach Grönland. Musk kitzelt die nationalen Eitelkeiten der Deutschen, wie es ein Gigolo bei einer alternden Ex-Schönheit tut, wie auch Trump und Putin die Napoleonkomplex-Egos der Nationalzwerge schüren, weil sie wissen, dass die EU nur Gewicht hat, wenn sie gemeinsam handelt. Wenn jeder seine eigenen Gesetze macht, jeder die Regeln auf Kosten der Anderen zu verbiegen versucht, die USA oder Moskau getrennte Verträge mit den Einzelstaaten abschließen können statt mit Brüssel, sodass wir um ihre Gunst buhlen müssen, sind wir endgültig geliefert.

    Und die Wähler wollen das so. Ich kann mich gegen einen Untergang wehren, der von Außen kommt, ich kann mich gegen einen Untergang wehren, der von einer korrupten Regierung oder einer Terror-Gruppe kommt, aber ich kann mich gegen keinen wehren, der von der Mehrheit der Bevölkerung demokratisch durchgeboxt wird. Wir sind alt, müde, wollen nur noch in Ruhe und Sicherheit sterben und lügen uns vor, ein Wunder würde uns retten, wo uns die Kraft dazu fehlt, es selbst zu tun. Es wird kein Wunder kommen. Wer was drauf hat, wird sich aus dem Staub machen, und wenn der Rest Hunger hat, darf er so lange Heilhitler grölen, bis er satt ist oder heiser, was auch immer zuerst kommt. Im Grunde sehen Sie einen Patienten auf dem Sterbebett, der nur noch winseln kann.

    Wir sind immer noch schweinereich und schwelgen in Luxus, das täuscht uns zusätzlich über unsere Lage. Doch in einer Wettbewerbssituation zählen relative Größen – egal, wie stark Sie sind, wenn einer stärker ist, wird er Sie fressen. The winner takes it all. Und wenn Sie alt sind, sind Sie gleich tot, ganz egal, wie viel Geld Sie haben.

    Verbitterung und Hoffnungslosigkeit machen uns grausam, und Regeln und Anstand und Würde sind uns genauso egal, wie einem alten, ausgebrannten Säufer im Straßengraben. Wir toben unseren Frust an Schwächeren aus. Und ich weiß einfach nicht, woher wir die Kraft nehmen sollen, vom Sterbebett aufzustehen, statt es bloß vollzukacken, um die Pfleger zu ärgern und uns dadurch wieder mächtig zu fühlen. Migration wäre eine Quelle, denn die Leute sind oft jung und ambitioniert, aber wir würgen sie gleich nach der Ankunft ab, weil Integration und Ausbildung Kraft und Mühe kostet, und wir wollen nur noch Ruhe im Altenheim.

    Außen begriffsstutzige Prinzesschen-Staaten, im Innern Sterbehospize. Außen Leichenstarre, innen Verwesung, und die Verwesung gewinnt, weil’s sich halt so eingebürgert hat unter den Toten. Konservatismus geht da nur noch mit Formaldehyd und Schminke. Und dafür stehen heute CDU und AfD.

    Ich kann den Alten nicht verdenken, dass sie ihre Welt noch ein Weilchen einbalsamieren wollen, damit sie nicht vor ihnen stirbt, schließlich ist sie alles, was sie noch haben. Aber ein Altenheim überlebt nicht ohne ein Land drum herum. Und dieses Land, die Menschen, die dort leben könnten – sie sind zu schwach, um geboren zu werden.

    Tja. Europa wählt den Tod ohne Würde, winselnd und schreiend in eigenen Exkrementen. Mögen diejenigen, die besser sind als das, ein Eckchen finden, das ihnen die Würde gönnt. Der Rest – wohin soll er abhauen, wenn er leben will? Wohin soll der Flüchtlingstreck als Nächstes gehen, um ein Amerika aufzubauen, wo kein Amerika mehr da ist?

    Soll jeder nach seiner Fasson selig werden. Jedem das Seine. Solange die Mittel reichen. Tun Sie es nicht, schießen Sie Menschen und Fassons so lange durch den Kamin, bis die Mittel reichen, den Rest satt zu machen.

    • Danke für Ihren Doom-Druko, @Paul S.

      Wie Sie ja wissen, nehme ich insbesondere auch das Thema Demografie und säkulare Geburtenimplosion sehr ernst. Genau deswegen weise ich jedoch darauf hin, dass wir mit der Republik Israel 🇮🇱 schon eine Demokratie haben, die mit ca. 3 Kindern pro Frau längst wieder kinderreich wächst. Es stimmt also einfach empirisch nicht, dass Demokratien zwangsläufig zu „Altenheimen“ werden müssten. Stattdessen könnten sie auch einfach beginnen, ehrlich voneinander zu lernen.

      Sie schrieben:

      “Und die Wähler wollen das so. Ich kann mich gegen einen Untergang wehren, der von Außen kommt, ich kann mich gegen einen Untergang wehren, der von einer korrupten Regierung oder einer Terror-Gruppe kommt, aber ich kann mich gegen keinen wehren, der von der Mehrheit der Bevölkerung demokratisch durchgeboxt wird. Wir sind alt, müde, wollen nur noch in Ruhe und Sicherheit sterben und lügen uns vor, ein Wunder würde uns retten, wo uns die Kraft dazu fehlt, es selbst zu tun. Es wird kein Wunder kommen. Wer was drauf hat, wird sich aus dem Staub machen, und wenn der Rest Hunger hat, darf er so lange Heilhitler grölen, bis er satt ist oder heiser, was auch immer zuerst kommt. Im Grunde sehen Sie einen Patienten auf dem Sterbebett, der nur noch winseln kann.“

      Nun möchte ich Ihnen nichts Abreden, aber kann mich in Ihrem „Wir“ nicht wiederfinden. Ich bin 48 Jahre alt, glücklich verheiratet und Vater von drei Kindern. Wir sehen die Probleme etwa der Demografie, Wirtschaft, Ressourcen-Kriege und Klimakrise, aber entscheiden uns Dennoch für ein Ja zum Leben, zur Wissenschaft und Religion, zur Demokratie.

      Längst haben wir unser Leben elektromobil und solar umgebaut und sehen mit Freude, dass der Ausbau erneuerbarer Friedensenergien und die Zurückdrängung der fossilen Finanzierung von Diktaturen und Antisemitismus immer besser gelingt. Hinzu kommen neue Technologien wie KIen, in denen die US-Konzerne mit ihren Datensilos gegenüber OpenSource-Alternativen gerade eine heftige Niederlage einfuhren.

      Ich gebe Ihnen zwar einerseits Recht: Die säkulare, linear-rationale Fortschrittsverheißung ewigen Wachstums scheitert und endet. Doch wir haben alle Chancen und Möglichkeiten, zu einem dialogisch-regenerativen Zeitverständnis zu finden. Die Zukunft ist offen, denn Zeit emergiert, aber wiederholt sich nicht.

  9. Guten Morgen, @Michael Blume,

    Ich schätze es sehr, dass Du den Mut hattest, einen Widerspruch offen anzusprechen und Deine eigenen Bedenken öffentlich zu machen.
    Das gibt Hoffnung, dass am Ende diejenigen, die den verantwortungsvollen Dialog suchen, etwas bewegen können.

    Ich wünsche Dir gerade jetzt viel Durchhaltevermögen.

    • Vielen Dank, lieber @Peter Gutsche – auch für Dein Engagement hier auf dem Wissenschaftsblog für den interdisziplinären Dialog.

      Gerade erleben wir, wie auch Konservative damit konfrontiert werden, dass die Wahrnehmungen innerhalb der eigenen Partei- und Medienblase nicht mit der Sehnsucht demokratischer Mehrheiten nach Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit übereinstimmen. Wer da nur an die eigene Grandiosität glauben will und sich auch nur mit Ja-Sagern umgibt, verliert leider die Bezüge zur gesellschaftlichen Realität, die ja wiederum aus immer mehr Mikroblasen besteht.

      Deswegen habe ich mich sehr über die starke Erklärung der promovierten Physikerin, CDU-Vorsitzenden und langjährigen, erfolgreichen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zur gestrigen Abstimmung gefreut:

      https://www.buero-bundeskanzlerin-ad.de/erklaerungen/erklaerung-von-bundeskanzlerin-a-d-dr-angela-merkel-zur-abstimmung-im-/

      Noch möchte ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich CDU und CSU in den kommenden Monaten auf ihr großes, christdemokratisches und dialogisch-monistisches Erbe besinnen und jene in die Schranken weisen, die den digitalen Charaktertest nicht bestanden. Auf Mastodon habe ich das Problem überparteilich und auch übermedial so zu formulieren versucht:

      “Wie gebloggt beobachte ich, dass auch politische Parteien zunehmend abgeschottete #Medienblasen bilden, die sich selbst bestätigen, über-personalisieren und gegeneinander abschotten. So verlieren die demokratischen Parteien weltweit an Kompromiss- und Koalitionsfähigkeit. Und so rutschen immer mehr Staaten von der #Demokratie in die #Thymokratie…”

      https://sueden.social/@BlumeEvolution/113915958819546299

      Danke für Dein Interesse an Wissenschaft, Demokratie und Dialog, lieber Peter!

  10. Hallo “DU”! 🖖

    ich habe deine Beiträge hier im Blog, den Studienbrief zur digitalen Aufmerksamkeitsökonomie und auch dein Gedicht mit großer Begeisterung gelesen und gehört – insbesondere Deine tiefgründige Analyse der digitalen Thymotisierung und deren gesellschaftlichen Folgen, halte ich für kluge Erklärungsmodelle. Du zeigst eindrücklich auf, wie kommerzielle Medien durch Neurohacking nicht nur unsere Aufmerksamkeit, sondern auch unsere Emotionen manipulieren: Wut, Vereinsamung und die Sehnsucht nach autoritären „Lösungen“ werden systematisch verstärkt. Diese Dynamiken bedrohen den demokratischen Dialog und spiegeln sich aktuell in besorgniserregenden Entwicklungen wie der Zunahme antisemitischer Verschwörungsmythen wider.

    Hier sehe ich mögliche Verbindung zu einer Förderrichtlinie des BMBF zur Antisemitismusforschung (https://www.bmbf.de/SharedDocs/Bekanntmachungen/DE/2024/12/2024-12-16-bekanntmachung-antisemitismus.html). Das BMBF sucht Projekte, die die Ursachen des israelbezogenen Antisemitismus und die Rolle sozialer Medien als Katalysator untersuchen – genau hier könnte Deine Überlegungen zur Aufmerksamkeitsökonomie wegweisende Impulse liefern!

    Thymotisierung als Treiber antisemitischer Narrative:

    Deine Erkenntnisse, wie Algorithmen Emotionen wie Empörung und Feindseligkeit gezielt „hacken“, erklären, warum antisemitische Inhalte in sozialen Medien viral gehen. Diese Mechanismen gilt es zu entschlüsseln, um Gegenstrategien zu entwickeln.
    Verschwörungsmythen im Fokus der Aufmerksamkeitsökonomie:
    Die von Dir beschriebenen Prinzipien (Neuigkeit, Negativität, Personalisierung) begünstigen genau jene Inhalte, die antisemitische Stereotype verbreiten – etwa die Instrumentalisierung des Nahostkonflikts in filterblasenverstärkten Echokammern.
    TikTok, Meta & Co. als „digitale Brandbeschleuniger“:
    Die Förderrichtlinie betont die Rolle sozialer Medien. Deine Analysen zu Plattformen wie TikTok, die Nutzer*innen durch Microtargeting in Dopamin-Schleifen fesseln, bieten hier einen essenziellen Rahmen, um die Radikalisierungspfade zu verstehen.

    Konkrete Ideen für einen (gemeinsamen) Antrag:
    Neurohacking und Antisemitismus:
    Wie nutzen extremistische Gruppen thymotische Mechanismen, um antisemitische Narrative zu verbreiten? Können wir Muster in KI-gesteuerten Algorithmen identifizieren?
    Ethik der Aufmerksamkeitsökonomie:
    Wie lassen sich ethische Leitplanken für KI-gestützte Medien entwickeln, die demokratische Werte schützen – statt sie auszuhöhlen?
    Dezentrale Bildung (im Fediversum):
    Könnten Plattformen wie Mastodon, die auf Dialog statt Empörung setzen, als Modell für präventive Bildungsarbeit dienen?

    Die Förderrichtlinie ermöglicht Projekte bis 2032 – ideal, um langfristig strukturelle Lösungen zu erforschen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Du Lust hättest, Deine Ideen einzubringen – sei es als Co-Autor, Berater oder im Rahmen eines Verbunds.

    Lass uns gerne bei einem virtuellen Tässle Kaffee ☕️🤗 (z.B. am Dienstag 4.2.?) darüber plaudern. Evtl. könnten wir gemeinsam einen Antrag gestalten, der nicht nur Forschung voranbringt, sondern auch Deine Vision eines „Solarpunk-Internets“ mitdenkt.

    • Vielen Dank für die wundervolle Rückmeldung und Idee, lieber @Jörg! Wir kennen uns ja auch schon aus früheren, guten Begegnungen. 🙂

      Leider kann ich jedoch angesichts meiner beruflichen und wissenschaftlichen Beanspruchungen auf absehbare Zeit beim besten Willen keine weiteren Projekte annehmen. Ich konnte letztes Jahr erstmals seit vielen Jahren auch kein neues Buch mehr schreiben und nehme derzeit nur noch einen Lehrauftrag am KIT Karlsruhe in Berufs- und Medienethik wahr. Hinzu kommt noch das ehrenamtliche Engagement als Wissenschaftsblogger. Daher bitte ich um Dein Verständnis, dass ich erst einmal keine weiteren Verpflichtungen mehr eingehen kann.

      Mit Dank und herzlichen Grüßen!

  11. Lieber Michael Blume,

    gestern habe ich mir die Abstimmung im Bundestag nicht angeschaut und ich habe auch nur Ergebnisse gelesen. Manchmal muss man für sich selbst gut sorgen, um nicht die Fassung zu verlieren.
    Ich bin sehr froh, dass wir auf diesem Blog die Möglichkeit haben, wertschätzend zu diskutieren, auch wenn es unterschiedliche Standpunkte und Meinungen gibt.
    Wie immer Deine Entscheidung ausfällt, ich weiß, dass Du es Dir überhaupt nicht leicht machen wirst.

    Ich fühle mich Dir sehr verbunden,
    Elisabeth

  12. @Michael 30.01. 08:41

    „Die säkulare, linear-rationale Fortschrittsverheißung ewigen Wachstums scheitert und endet.“

    Durch die Grenzen der natürlichen Lebensräume und Kreisläufe, aber vor allem einfach an Demografie. Ich sehe hier eigentlich aber keine unlösbaren Probleme. Klar stagniert die Wirtschaft in den starken Regionen Europas, während die Ränder schrumpfen und sich zunehmend entvölkern. Aber wo ist denn wirklich das Problem?

    Solange wir genug Arbeit haben, geht es doch. Arbeitskräftemangel führt dann eben zu weiterer Wirtschaftsschrumpfung.

    Wenn wir jetzt nur noch ein wenig weniger konsumieren, dann verschwindet potentiell sogar der Arbeitskräftemangel, bei deutlich weiterer Wirtschaftsschrumpfung.

    Aber wo ist das Problem dabei? Immobilienpreise verfallen teilweise, und es gibt weniger Möglichkeiten, Kapital anzulegen, ja. Aber was stört uns das denn wirklich?

    „Doch wir haben alle Chancen und Möglichkeiten, zu einem dialogisch-regenerativen Zeitverständnis zu finden.“

    Das Klimaproblem wie weitere Effekte der Grenzen dieses Planeten sind finde ich sehr viel maßgeblicher, als wenn sich die Möglichkeiten verringern, mit Kapital viel Geld zu verdienen.

    Klar wäre mehr Kindersegen eine wirkliche Lösung, aber das wirkt sehr langfristig, und wäre vermutlich einfach deswegen kaum umsetzbar. Demokratische Regierungen geben freies Geld lieber für Maßnahmen aus, die schneller wirken. Entsprechende umfangreiche und teure Familienförderungen erwarte ich also nicht. Von keiner Partei.

    Dann müssen wir mit den Folgen leben. Insbesondere wenn es langfristig nicht mehr gelingt, immer neuen Zuzug von jüngeren Menschen zu motivieren. So wie wir auch mit der unvermeidlich verbleibenden Klima- und Wasserkrise leben müssen.

    Richten wir uns doch einfach in urbanen und ländlichen Solarpunk ein. Und halten wir doch einfach als Menschen zusammen, und kommen mit den verbleibenden Ressourcen gemeinsam aus. Wenn uns doch die Arbeit zu viel wird, dann konsumieren wir einfach weniger. Und wenn wir Glück haben, dann helfen uns KI und Roboter so umfänglich, dass wir für einen gleich bleibenden Konsum immer weniger arbeiten müssen.

    So fällt dann auch der Arbeitskräftemangel irgendwann wieder weg.

    Die große Vision ist dann nicht immer mehr Konsumaktionismus, sondern eine immer größere Annäherung an eine Wirtschaftsweise, die dauerhaft stabile natürliche Kreisläufe ermöglicht und mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen auskommt.

    Die Weltbevölkerung mag dann mehr schrumpfen, als was optimal wäre. So wie es aussieht, können wir das leider kaum verhindern. Mal sehen, ob sich das allerdings in vielleicht 20 Jahren dann doch dreht. Wenn entsprechender Mitweltschutz in allen Bereichen vorwärts kommt, und es sich abzeichnet, dass die natürlichen Ressourcen tatsächlich für deutlich mehr Menschen reichen, dann wäre ein Umdenken denkbar.

    Und auch entsprechende Familienförderung politisch durchsetzbar.

  13. Erster Punkt:
    Merz ist ein Opportunist und anscheinend so auf Macht fixiert, dass er nicht einsehen konnte (oder wollte), dass die AfD seine Steilvorlage mit Kusshand annehmen würde.

    Die AfD lacht sich ins Fäustchen. Mit seiner Steilvorlage macht CDU-Kanzlerkandidat Merz die autoritär-nationalradikale Partei salonfähig.

    https://taz.de/Merz-bricht-Tabu/!6062249/

    Oder dass sich andere autoritäre Regierungen in Europa lachend auf die Schenkel schlagen.

    Der ungarische Ministerpräsident hat sich süffisant zu dem mit AfD-Hilfe im Bundestag beschlossenen Migrationsantrag der CDU geäußert. »Guten Morgen, Deutschland«, schrieb der Rechtspopulist in deutscher Sprache auf X. In Englisch fügte er hinzu: »Welcome to the club!« (Willkommen im Klub!).

    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/migrationsabstimmung-im-bundestag-viktor-orban-gratuliert-afd-nach-votum-fuer-merz-antrag-a-a5ad70b5-4067-42db-83de-e65d9fd5b57b

    Merz und auch die CDU-Abgeordneten des Bundestages, die ihre Zustimmung zu dem unsäglichen Antrag gaben, haben ihrer Partei, Deutschland und auch der Demokratie Schaden zugefügt, der sich nur schwer wieder reparieren lässt. Aus diesem Grund ist Merz NICHT geeignet, Deutschland für die nächsten 4 Jahre als Kanzler zu führen.

    Zweiter Punkt:
    Noch schlimmer finde ich, dass ein Großteil der FDP-Abgeordneten (wahrscheinlich aus Panik vor der drohenden Bedeutungslosigkeit oder doch mit der geringen Hoffnung, irgendwie an der nächsten Bundesregierung beteiligt zu werden) Merz unterstützt. Das ist nicht mehr die Partei der Bürgerrechte, die Partei von Heuss, Scheel, Genscher, Baum, Kinkel oder Leutheusser-Schnarrenberger. Die FDP bewegt sich immer stärker in die Richtung einer Haider-FPÖ mit rechtspopulistischen und wirtschaftslibertären (nicht wirtschaftsliberalen) Anklängen.

    Ein positiver Lichtblick: Angela Merkel hat Friedrich Merz die Hammelbeine lang gezogen.

    https://www.buero-bundeskanzlerin-ad.de/erklaerungen/erklaerung-von-bundeskanzlerin-a-d-dr-angela-merkel-zur-abstimmung-im-/

    • Nachtrag: Michel Friedman ist aus der CDU ausgetreten.

      Es ist erst gute drei Monate her, da rechnete ein zorniger Michel Friedman im Landtag mit den anwesenden AfD-Abgeordneten ab. “Geistige Brandstifter” nannte er sie. Wer ein Mensch, wer Deutscher sei – das maßten sie sich als “billige Imitationen” jener Nazi-Herrenmenschen an, vor denen der Unternehmer Oskar Schindler einst 1.200 Juden gerettet habe.

      Nun geht der Frankfurter Publizist jüdischen Glaubens mit einer Partei hart ins Gericht, deren Abgeordnete ihm damals im Stehen applaudierten. Es ist seine eigene, die CDU. Oder besser: Es war sie. Der 69-Jährige hat am Donnerstag gegenüber dem hr angekündigt, aus der Union auszutreten. Für sie gehörte er Mitte der 1990er Jahre dem Bundesvorstand an.

      Grund ist, dass die CDU/CSU-Fraktion in Berlin mit Hilfe der AfD einen Antrag zur Verschärfungen des Asylrechts durchgebracht hat. Friedman nennt das “eine katastrophale Zäsur für die Demokratie der Bundesrepublik” und ein “unentschuldbares Machtspiel”.

      https://www.tagesschau.de/inland/regional/hessen/friedman-cdu-austritt-100.html

      • Danke, @RPGNo1 🙏

        Als ich gerade in Stuttgart bei einer Veranstaltung zu Ehren des tapferen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer die Erklärung von Angela Merkel (CDU) erwähnte, rührte sich lauter Applaus. Gerade auch die bürgerliche Mitte ist entsetzt über diesen Stil- und Vertrauensbruch – auch noch um den 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Wie abgeschottet müssen nationale Parteien- und Medienblasen inzwischen sein, dass so etwas nicht mehr gesehen wird und auch loyale Warnungen ignoriert werden? Ich bin immer noch entsetzt.

        • 1) «Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.» (Johannes 8,7)

          2) Michel Friedman hatte den Kokainkonsum zugegeben und die Konsequenzen daraus gezogen. Er wurde verurteilt und hat das Urteil akzeptiert. Wollen sie ihm sieben (!) Jahre nach dem Geschehen immer noch verurteilen.

  14. Das grausame ist, dass mit noch nicht klar ist, welche Strategie Merz hier eigentlich fährt.

    Hofft er für die Wahl Stimmen zu sammeln? Wsill er damit mögliche Koalitionspartner unter Druck setzen, indem er die toxische Option (Zusammenarbeit mit der Afd) andeutet?

    Erklärungen dazu hat die CDU auch nicht gemacht. Intransparenz scheint da auch zum Vorgehen zu gehören. Beides obigen Möglichkeitensind gefährlich. Bei ersterem erhöht er den Erwartungsdruck auf sich, den Wählern dann entsprechendes zu bieten und bei zweiterem, im Zweifel eine Koalition für Zusammenarbeit mit der Afd platzen zu lassen. Das deutet auch wieder auf eine unruhige Koalition hin, in der jeder für sich steht und verlässliche Zusammenarbeit torpediert wird.

    Was ist die Perspektive, die Merz bei dieser Entscheidung hat? Ich bin unschlüssig.

  15. @libertador 31.10. 06:33

    „Das deutet auch wieder auf eine unruhige Koalition hin, in der jeder für sich steht und verlässliche Zusammenarbeit torpediert wird.„

    Kann sein, dass Merz hier der SPD und den Grünen unterstellen will, dass diese nichts gegen weitere Einwanderung tun wollen? Geht es Merz wirklich nur um weniger Einwanderung, dann kann er mit SPD und Grünen auch das Thema ausdiskutieren, insbesondere in der nächsten Bundesregierung.

    Ich persönlich wäre auch für weniger neue Einwanderer, insbesondere von Muslimen, die von Demokratie, Frauengleichberechtigung und Religionsfreiheit nichts halten. Die haben offenbar doch ein Problem mit uns. Insbesondere wenn auch die 2. und 3. Generation in den Brennpunktstadtteilen größtenteils weiter unter sich bleibt.

    Aber hier muss die EU aktiv werden, das kann nur Europa zusammen vernünftig hinbekommen. Wenn wir diese unerwünschten Personen nur zwischen den Nationalstaaten hin und her schieben, lösen wir dieses Problem nicht.

    Eine bessere Integration der sich hier inzwischen dauerhaft Niedergelassenen wäre allerdings eine konkrete Aufgabe auch der Bundespolitik. Neben konsequenteren Abschiebungen von Gefährdern und Kriminellen.

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