Die unfassbare Macht der Medien mit Marshall McLuhan erkunden

Ich habe jahrzehntelang gebraucht, um wirklich zu begreifen, dass sowohl jede Wissenschaft wie auch meine Forschungsgebiete – Religion & Politik – alleine durch Medien begründet werden: Durch Symbole, Worte, Texte.

Gemeinsam mit Kolleg:innen und Studierenden habe ich die zentrale Aussage von Medienwissenschaftlers Marshall McLuhan (1911 – 1980) immer wieder umkreist und vertieft: “The Medium is the Message – Das Medium ist die Botschaft.”

Hier zum Beispiel ein KIT-Vortrag zu Medienrevolutionen von 2017:

In “Verschwörungsmythen” von 2020 vertiefte ich Aussagen von McLuhan – und freute mich sehr, daraus neulich ausführliche Zitate im Rollenspiel-Podcast “Vernunftgeheuer” von Kathrin Fischer und Björn Herzig im Dialog mit Robin Thier und Michael Cremann zu hören. “Roleplaying” war in den Medienthesen von McLuhan sehr positiv besetzt, aber auch die Game Studies dazu stehen noch am Anfang.

Über den Sommer hatte ich nun noch einmal Gelegenheit, in Ruhe in den Sammelband “The Medium is the Light. Reflections on Religion, herausgegeben von Marshalls Sohn Eric McLuhan (1942 – 2018) und Jacek Szklarek, durchzuarbeiten. Dabei stieß ich auf den Seiten 70 bis 73 auf einen Brief von Marshall McLuhan an den französisch-katholischen Philosophen Jacques Maritain (1882 – 1973), versandt am 6. Mai 1969 aus Toronto.

“The Medium and the Light”, ein McLuhan-Sammelband von 1999

Einige Sätze dieses Briefes zu Medien als körperlicher Erweiterung, aber auch zum “Widerwillen”, zur Reaktanz gegen das Erfassen von Medienwirkungen fand ich so bedeutend, dass ich sie händisch abschrieb und übersetzte. Hier sind sie:

“Every new technology is an evolutionary extension of our own bodies. The evolutionary process has shifted from biology to technology in an eminent degree since electricity. Each extension of ourselves creates a new human environment and an entirely new set of interpersonal relationships. The service or disservice environments (they are complementary) created by these extensions of our bodies saturate our sensoria and are thus invisible. Each new technology thus alters the human sensory bias creating new areas of perception and new areas of blindness. This is as true of clothing as of the alphabet or the radio.”

Auf Deutsch:

“Jede neue Technologie ist eine evolutionäre Erweiterung unserer eigenen Körper. Der evolutionäre Prozess hat sich in einem eminenten Grad seit der Elektrizität von Biologie zu Technologie verschoben. Jede Erweiterung unserer Selbste erschafft eine neue menschliche Umgebung und ein völlig neues Set interpersonaler Beziehungen. Die dienstbaren oder schädlichen Umgebungen (sie sind komplementär / einander ergänzend), die durch diese Erweiterungen unserer Körper erschaffen wurden, sättigen unsere Sinne und sind doch unsichtbar. Jede neue Technologie verändert so die menschliche Verzerrung der Sinneswahrnehmungen, neue Gebiete der Wahrnehmung und neue Gebiete der Blindheit erschaffend. Dies trifft sowohl für die Kleidung, für das Alphabet wie für das Radio zu.”  

Doch wenn die Macht der Medien also so groß sei, sogar unsere Körper erweitere – warum nehmen wir dann so wenig wahr? McLuhan dazu im gleichen Brief (Buch S. 72):

“Since our reason has been given to us to understand natural processes, why have men never considered the consequences of their own artefacts upon their modes of self-awareness? I have devoted several books to this subject. There is a deep-seated repugnance in the human breast against understanding the processes in which we are involved. Such understanding involves far too much responsibility for our actions.”

Auf Deutsch:

“Da uns unsere Vernunft gegeben wurde, um natürliche Prozesse zu verstehen; warum haben Menschen dann nie die Konsequenzen ihrer eigenen Artefakte auf ihre Modi der Selbstwahrnehmung bedacht? Ich habe diesem Thema mehrere Bücher gewidmet. Es gibt einen tief sitzenden Widerwillen / eine Reaktanz in der menschlichen Brust gegen das Verstehen der Prozesse, in die wir einbezogen sind. Solches Verstehen bringt viel zu viel Verantwortung für unsere Handlungen mit sich.”

Über Medien beeinflussen wir nicht nur unsere eigenen Wahrnehmungen, sondern auch unsere Mitwelt – und wiederum uns. Ob unseren Säugetiergehirnen ein Erfassen und Beschreiben dieser Wechselwirkungen gelingen kann? Wir haben als Wissenschaftler:innen keine Wahl, als es immer wieder zu versuchen und uns der fast unendlich komplexen Wahrheit anzunähern…

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

18 Kommentare

  1. Es ist korrekt, es wäre korrekt angemerkt, dass sich wissenschaftliches Bemühen sozusagen in einem (sozialen) Raum ausgibt.
    Dr. Webbaer mag die wie hier geschilderte Einschätzung.
    Nagt hier auch gar nicht.
    >:.->

    Veranstaltungscharakter ist gegeben.
    Vely schlau angemerkt.

    Medial wird benach richtigt und insgesamt hat es sich nach derartiger Befugnis zusammen aus zu kommen.

    Selbstverständlich wird Dr, Webbaer den hiesigen Inhaltegeber immer unterstützen.

    MFG
    WB (“vely pflau”)

  2. Wir graben so lange nach dem Innersten des menschlichen Wesens, der Neurologe nimmt dazu das Skalpell – und findet ein Fischhirn. Der Rest sind Extras, die im Laufe der Evolution dran gekommen sind, um ihn das Überleben zu ermöglichen. Jetzt leben die Geister all unserer Vorfahren, deren Welten und Körper um Jahrmillionen auseinander liegen, gleichzeitig in unseren Köpfen und vernetzen sich nach Belieben, evolvieren eigenständig im geschlossenen Universum unserer Schädel. Ich habe mir mal den Spaß erlaubt, aus unseren Mythen, Religionen und Fantasien auf unsere realen Vorfahren zu schließen, auf die Art, wie sie die Welt gesehen haben. Beim Affen sind ein paar Sachen offensichtlich, danach ist alles zu sehr verblasst, um noch klare Konturen zu erkennen.

    Wie komme ich auf so einen Mist? Als Kind hatte ich oft sehr realistische Träume, bei denen ich durch Armbewegungen fliegen, schweben konnte, ich spürte regelrecht die Luft, von der ich mich abstieß. Viel, viel später fand ich heraus, dass ich dabei die gleichen Bewegungen machte, wie eine Fledermaus beim Fliegen. Und dass Menschen einen flugfähigen Vorfahren gehabt haben könnten. Und natürlich las ich was über Evolutionspsychologie, Desmond Morris und so. Folgt eigentlich nix daraus, außer, dass ich einen Vogel habe, wo er bei Spinnern hingehört, aber es weckte das Interesse. Noch mehr interessieren mich die Träume, wo ich durch Wände gehen konnte – wenn ich mich an Zeiten erinnern kann, wo wir Bazillen waren, die so was drauf hatten, streike ich, in so einer esoterischen Welt will ich nicht leben. Ich war knallharter Rationalist und lachte über solchen Quatsch, bis mich die Rationalität zu ihm hinführte – voll verarscht, Leben, aber so viel Hinterhältigkeit grenzt fast schon an Kunst, und es ist genau mein Sinn für Humor, also Daumen hoch. Aber nun ist genug, ja? Ich fühle mich schon fremd genug in meinen eigenen Gedanken.

    Und natürlich fühlt sich der ganze Zoo nicht wohl in einem so fremden Körper. Was der Evolution sehr genehm kommt, denn so suchen wir immer nach Wegen, uns zu befreien – wieder all die Fähigkeiten zu erlangen, die wir verloren haben. Und sei es so eine Superpower, wie die Dummheit des Affen. Tiere scheinen in einer sehr mystischen Welt zu leben, sehr viel Gefühl, nur einfache Logik – zieh den Stock aus dem Busch und du bist mächtig, bring die magische Banane zum Zauberer und er macht dich gesund, indem er dir die Läuse aus dem Pelz frisst. Fantasy, Sci-Fi, Religion, vieles, was die Realität bestimmt, speist sich aus dieser Welt.

    Steck einen Menschen in ein Auto, und er wird zum Auto, steck ihn in einen Bagger, und er wird zum Bagger, steck eine Mannschaft in ein Schiff, und sie verschmelzen mit ihm zum einen Wesen. Wird sich wohl fortsetzen. Der Cyborg, dann das Biomaschinen-Leben, das sich im All genauso wohl fühlt, wie wir auf Erden. Vielleicht werden irgendwann Menschen-Babys in Maschinenkörper hineingeboren, die nie erfahren werden, wie ein Mensch ausgesehen hat, so wie Sie nie erfahren werden, wie Ihre Zirbeldrüse aussieht, wenn es Ihnen keiner sagt. Vielleicht werden ihre Nerven schon im Embryonalstadium mit dem Körper verknüpft, sodass sie verwachsen, deformiert werden und sie genauso wenig Menschen ähneln, wie das Ding in Ihrem Kopf einem Fisch. Vielleicht werden wir auch nur zu Steuerungsmodulen mit vielen Schnittstellen, mit Kleiderschränken voller Körper. Vielleicht werden wir ganze Herden von Körpern per WLAN steuern, nach einem Computer-Upgrade, Planeten mit Avataren besiedeln, die gar nicht wissen, dass ihre Seele in einem Raumschiff im Orbit schläft, weil die Schwerkraft so hoch ist, die Strahlung so stark, dass auch ein abgeschirmtes Menschenhirn nicht lange überleben würde. Wissen Sie, dass Sie mit Ihrem Hirn denken, und es nicht bloß ein Empfänger ist? Woran würden Sie so was merken?

    Vorläufig ist unsere wichtigste Körper-Extension die Gemeinschaft: Wir sind längst keine Individuen mehr, die Sprache verschweißt uns zu Borg, Aliens mit Kollektivbewusstsein und gemeinsamem Hirn. So entstehen die dummen Biester, von denen ich häufiger spreche, die geistig zurückgebliebenen Amöben namens Staaten – das Ganze ist weniger als die Summe seiner Teile.

    Wörter sind wie Nervenbahnen zwischen Neuronen, wir sind ein Netzwerk – der erste Cyborg-Computer war wohl der aus Menschen und Tontafeln, die auch Botschaften vermitteln und das Gedächtnis erweitern. Dank Büchereien können wir einen Gedanken über Jahrtausende weiterspinnen, über mehrere Kulturen hinweg – die Römer stecken in uns, genau wie die Fische und Affen und was für Menagerie wir auch sonst noch in uns tragen. Wir assimilieren alles und binden es ganz selbstverständlich ins Netzwerk ein, genau wie Autos. Symbole, Medien, sind Teile des kollektiven Denkens und Fühlens. Zusammen erzeugen sie das Bewusstsein, das Betriebssystem, das wir uns alle teilen – das Weltbild. Also eine VR, die recht oft an eine Psychose erinnert.

    Die Neuronisierung der Menschen sehe ich vor allem in sozialen Medien – kaum einer denkt nach, die Inhalte werden kaum verarbeitet, die Meisten verbreiten sie nur. Die Bedeutung des Einzelnen schwindet, das Kollektiv übernimmt Denken und Fühlen. Es ist ein brodelnder Ozean, wie der zwischen unseren Ohren. Und Algorithmen sind Teil dieses neuen Geistes, sie lenken, organisieren, denken mit. Erschaffen eine VR, direkt aus der Propagandaabteilung des Kremls, der Gedankenkontrolle-Laboren der Chinesen, der Verkaufsabteilung von Coca-Cola, und all diese Scheinwirklichkeiten vermischen sich wiederum.

    Manchmal ist die Ablehnung der neuen Zeit einfach der uralte Kampf des Individuums gegen seine Vereinnahmung durch das Kollektiv. War ein ziemliches Thema im Ostblock, wo ich herkomme (wenn ich mir die Wirtschaft so ansehe, ist mir der Ostblock in den Westen hinterher gelaufen). Es ist normal, sich bei einer so gewaltigen Übermacht in ein dickes Schneckenhaus einzukapseln – mein Haus, meine Religion, meine Weltsicht, meine Welt. Spricht nichts dagegen, ich merke auch, dass ich alt werde und mir Neuerungen, die ich früher kaum bemerkt hätte, gegen den Strich gehen. Ich bin tolerant aus Überzeugung, das Gefühl macht nicht mehr mit, das will nur Ruhe und Sicherheit. Probleme gibt es, wenn man auch wirklich die ganze Welt in sein Schneckenhaus mitnehmen will, ohne Rücksicht auf Konsequenzen oder das Wollen anderer Leute.

    Und wer versteht, wird Teil der Prozesse, die er verstanden hat. Wenn Sie wissen, dass um die Ecke ein Hund lauert, wenn Sie verstanden haben, dass sich das nie ändert, nehmen Sie jeden Tag einen anderen Weg, begegnen anderen Leuten. Ihr Leben ändert sich mehr, als Sie erwartet hätten. Sie landen in noch mehr Situationen, die neu sind, die Sie nicht verstehen, die Sie überfordern, denen Sie als Noob nicht gewachsen sind. Sie werden öfter verletzt und gedemütigt. Ihre Überlebenswahrscheinlichkeit geht in den Keller und zimmert schon mal einen Sarg. Es braucht schon sehr viel Kraft, um in die Welt hinauszugehen und Neues zu erleben. Ich wünschte selbst, ich könnte aufhören, zu denken, in der Kalksteinhöhle obenrum hagelt es sowieso Stalaktiten, das wird nix mehr. Ich fürchte also, der Wunsch wird mir erfüllt, aber eigentlich meine ich damit eher Seelenruhe. Das Leben friedlich ausklingen lassen und so. Einfach mal Teil einer Welt sein, die ich nicht verstehen muss, weil ich meinen Platz darin habe und sie sich selbst und mich erhält, ohne dass ich mehr verstehe, als welche Treppe ich fegen, welches Knöpfchen drücken, welchen Berg versetzen muss. Berge bitte eher in Bonsai-Format, ich hab Rücken.

    Um die Welt sollen sich Jüngere kümmern. Wir hinterlassen ihnen eine enorme Katastrophe, aber auch enorme Macht, damit fertig zu werden. Sie bekommen einen leergeräumten Spielplatz und ganz doll viele Lego-Steine, um sich eine ganze, coole Welt zu bauen. So sehr haben wir’s vielleicht gar nicht verbockt.

    Vorerst muss unser kollektives Bewusstsein auf Rentierstaaten upgradet werden. Wenn Sie nur eine Futterquelle haben, die von nur einem Boss kontrolliert wird, brauchen Sie sehr viel demokratische Kontrolle über den Boss – Russland hinkt da, glaube ich, ein wenig hinterher. Sie sahen ein ähnliches Modell in Rom, wo viele einfach nur dafür bezahlt wurden, den Kaiser toll zu finden, während die Sklaven in den Provinzen die Güter hinschickten. Auch bei uns gibt’s Tendenzen, die Stimmberechtigung zur einzigen Einkommensquelle zu machen – unsere wichtigste Einkommensquelle neben der Industrie ist die Gelddruckmaschine, die Kohle wird verteilt, die echte Arbeit machen demokratisch minderbemittelte Migranten. Geht natürlich schief, doch solange es gut geht, ist der Trend da. Was ich aber meine – da sich die ganze Industrie praktisch in der Mitte Europas konzentriert, können wir sie als Ölquelle werten, die dort Beschäftigten als Gazprom-Mitarbeiter, und zusehen, dass sich alle Staaten Aktienpakete und Stimmrechte sichern. Was Euro-Gazprom natürlich weniger gefallen wird, als dem Umland. Was wiederum Ihnen die Gelegenheit gibt, zu studieren, wie die Versuche, alternative Realitäten zu schaffen und gegeneinander antreten zu lassen, an der physikalischen Realität scheitern. Falls Sie doch noch eine weitere brauchen sollten. Bei Geld schießt unsere Reaktanz gewöhnlich himmelhoch.

    Worte und Symbole sind für Menschen allmächtig, für den Rest des Universums bedeutungslos – sie sind nur so mächtig, wie die Masse, die sie die Menschen mit Muskeln und Maschinen bewegen lassen können, und das ist so gut wie nichts. Und weil wir unsere VR meist mit dem echten Universum verwechseln, kommt es zu Slapstick-Momenten. Wie Klimaleugnern, die glauben, wenn sie in der globalen Erwärmung Feuer fangen, würde fester Glaube sie löschen. Tja, the Medium is Victim of its Message – wenn man dem Bandar Log oft genug wiederholt, wie toll er ist, damit er Tinnef kauft und Stimmen rausrückt, glaubt man es am Ende genauso fest wie er.

  3. Weshalb es wichtig ist die Pluralität und Unabhängigkeit der Medien aufrechtzuerhalten und zu fördern.

    Dem gegenüber stehen aktuelle Entwicklungen durch Marktkonzentration und Verzahnung mit der Politik. So werden Journalisten im Regierungsflugzeug mitgenommen, sind Teilnehmer der Veranstaltungen. Rundfunkräte werden von der Politik dominiert. Drehtüren bei Pressesprechern. Staatliche Finanzierung von “unabhägigen” Informationsanbietern.

  4. Paul S,
    nur einen Punkt herausgegriffen
    “Worte und Symbole sind für Menschen allmächtig”
    Das ist eine Ihrer Übertreibungen. Der Mensch ist nicht eine Kopfgeburt, er hat Gefühle, Triebe und das wichtigste, er hat eine eigene Meinung.
    Wenn Herr Blume schon ein wenig übertreibt, wenn er von der unfassbaren Macht der Medien spricht, dann vergisst er die unfassbare Macht der Gefühle, der Gefühle der Frauen, die gar nicht lesen können.

  5. Michael Blume,
    dass mit dem Wortspiel gefällt mir. Man darf nicht vergessen, dass ein Großteil der Menschheit nur notdürftig lesen kann. Für die sind Kultur, Bräuche und Religion unverzichtbar, weil sie einen Maßstab darstellen, an denen man das eigene Verhalten messen kann.

    • Ganz genau so, @lioninoil! Die Wirkungen von Medien sind von Religionen über Wirtschaft bis zu Politik, Liebe, Kunst, Musik etc. für alle Menschen erfahrbar – und gleichzeitig un-fassbar! Damit rang ja auch McLuhan, siehe oben.

  6. Bonuskommentar zum Abschluss der hier gemeinten Erörterung :

    Über Medien beeinflussen wir nicht nur unsere eigenen Wahrnehmungen, sondern auch unsere Mitwelt – und wiederum uns. Ob unseren Säugetiergehirnen ein Erfassen und Beschreiben dieser Wechselwirkungen gelingen kann? Wir haben als Wissenschaftler:innen keine Wahl, als es immer wieder zu versuchen und uns der fast unendlich komplexen Wahrheit anzunähern…

    Das hier gemeinte Erkenntnissubjekt ist ganz anscheinend Affe, oder verfügt über Vorgänger, die in der Kladistik wie gemeint teilen, Nachwuchs, Abkömmlinge von Affen (oder gemeinsamen Vorläufern) sind, wobei die diesbezügliche Diskussion nicht viel bringen kann, wenn wie gemeinte Zweifüssler am Start sind, heute, also die Kladistik bestimmen, rekursiv sozusagen.

    Eine ‘Wahl’ besteht darin als allgemein unbekömmlich eingeschätzte Nachricht, Einschätzung auszuschließen, zu tabuisieren zu suchen.
    Ein wenig böse formuliert wieder ein wenig mehr tierisch zu werden.
    Trotz, oder weil Sprachbegabung und Medien kennend.

    Die Sprache war der sozusagen erste Zivilisationssprung [1], die Schrift der zweite, der Buchdruck der dritte (Herr Dr. Michael Blume weiß auch Gesellschaften zu diskontieren, die so nicht mitgegangen sind) und die allgemeine Kommunikation, das Web meinend, der vierte, they call Dr. Webbaer so not for nothing.

    Dr. W mag den “Sound” der hier dankenswerterweise bereit gestellten Einschätzung.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    [1]
    Von dem Nomadentum wegkommend, der frühe Geist sozusagen hat die Getreidewirtschaft gesucht und gefunden, angeblich erst vor ca. 10.000 Jahren, Dr. W war bass erstaunt ob derartiger Angabe.
    ‘Zivilisation’ meint die Cives, die Bürgerwerdung.

  7. Paul S schrieb (13.09.2022, 00:43 Uhr):
    > […] Steck einen Menschen in ein Auto, und er wird zum Auto […]

    … und somit steckte ein Auto im Auto (?). — Nein. Stattdessen:

    Steck einen Menschen in ein Auto, und der Mensch kann mit dem Auto (gewissenhaft) fahren.
    Steck einen Menschen in einen Bagger, und der Mensch kann mit dem Bagger (gewissenhaft) baggern.

    Steck ein Gewissen in einen (sonst gewissenlos gedachten) Organismus, und gestehe dem Ganzen zu, was auch Dir zuzugestehen ist.

    p.s.
    Gib einem SciLog-Kommentator seinen selbst-verantworteten SciLog — schließlich entrichtet der ja i.d.R. etwa 50 Cent am Tag für kommunikative Teilhabe auch dieser digital-medialen Art — und Du wirst auch in dessen SciLog kommentieren können.

  8. @Hauptartikel

    „Über Medien beeinflussen wir nicht nur unsere eigenen Wahrnehmungen, sondern auch unsere Mitwelt – und wiederum uns.“

    Das Eine ist einfach mal denkend und handelnd zu agieren, dass Andere die ganze Wirkung incl. folgender Reaktionen und Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Das ist natürlich ein ganz anderer Aufwand, der nicht immer möglich und auch gar nicht immer nötig ist.

    „Ob unseren Säugetiergehirnen ein Erfassen und Beschreiben dieser Wechselwirkungen gelingen kann?“

    Also im Prinzip ja, aber es braucht ein Vielfaches an Aufwand, den man öfter gar nicht leisten kann und auch öfter eben gar nicht braucht.

    Dazu kommt dann noch die Frage der eigenen Interessen und der Realisierung des eigenen Tellerrandes. Wenn es nötig ist, dann ist man eher bereit wenigstens die Wechselwirkungen zu berücksichtigen, die die eigenen Interessen konkret tangieren. Geht es jetzt auch noch ums Allgemeinwohl, dann wird es noch viel komplizierter.

    Man kann sich oft gar nicht um alles kümmern, und auch kann man z.B. gegen den Klimawandel als Einzelperson nicht genug ausrichten. Hier kommt der Effekt dazu, dass man bei persönlich unangenehmen Aktionen für das Allgemeinwohl meistens darauf wartet, bis der Gesetzgeber Entsprechendes für alle vorschreibt. Was zwar nicht optimal ist, aber bezüglich menschlichem Verhaltens wohl ziemlich normal sein dürfte.

    Das Einzige was hier noch helfen könnte, dass wäre eine religionsartige Hinwendung zur Erhaltung der Natur im Sinne einer ganz persönlichen Beziehungspflege zu realen Geisteswelten. Was nicht zu unterschätzen ist und potentiell sogar verbreitet sein kann.

    Aber eins ist klar: Der Denkaufwand wird immer mehr, je mehr man versucht die Wirkungen des eigenen Denkens und Handeln in immer größeren Zusammenhängen zu untersuchen. Oft bleibt einem nichts anderes übrig, als auf Sicht zu fahren und seinem Gefühl zu folgen, und dann zeitnah und kritisch zu gucken, was dabei heraus kommt.

    Wobei vor allem auch die Rückwirkungen auf einen selbst sehr interessant sein können. Je nachdem, wie man sich selber verhält, so kommt es öfter auch zurück. Oder es setzt sich fort, was man mit angestoßen hat, und man lernt an den Reaktionen dann selber was dazu.

    Die Dialoge, die sich entwickeln, das sind manchmal selber die Fakten, aus denen sich wiederum die Zukunft entwickelt.

    • Vielen Dank für die spannenden Beobachtungen und Gedanken, @Tobias Jeckenburger!

      Ich stimme Ihnen sehr weit zu und möchte Sie fragen, ob sich aus Ihren Überlegungen Empfehlungen für die Wissenschaft bzw. Wissenschaftskommunikation ableiten lassen? Immerhin litt McLuhan sehr darunter, dass Medienwirkungen so weitgehend ignoriert wurden und z.B. nicht mal die katholische Kirche in der Gegenreformation die Rolle des Buchdrucks bedacht hatte… 🤔

  9. Einige Anmerkungen zu Ihrem Vortrag, der dankenswerterweise als audiovisuelles Dokument hier bereit gestellt worden ist, danke dafür (Sie haben es verdient, dass er sich angeschaut wird – generell vielen Dank für Ihre Arbeit, Herr Blume) :

    1.) Misstrauen gegenüber der Wissenschaft und wissenschaftlicher Theoretisierung ist angemessen, Dr. W rät zu freundlich-skeptischer Begleitung an.

    2.) Sehr schön, dass Ihr Buch “Islam in der Krise” breite Aufmerksamkeit gefunden hat.

    3.) Die heutige Zeit ist “schnelllebiger”, es wird “gehypt” und was heute ist, muss morgen nicht mehr sein. Was gut oder schlecht sein kann. Sicherlich bleibt die Nachhaltigkeit, die Wirkmächtigkeit von Text.

    4.) “Das Medium ist die Botschaft” war zynisch formuliert, so sollte es nicht sein, so ist es nur, wenn die Menge agitiert wird, was aber oft der Fall ist, die Menge tendiert dazu, Dr. W schließt sich an dieser Stelle nicht (umfänglich) aus, zuvörderst zur Kenntnis zu nehmen und oft nicht zu reflektieren, gerade dann nicht, wenn das Thema wenig interessiert, die Menge ist dann auch manipulierbar.

    5.) Ein Nachrichtenmedium sollte nicht “etwas machen” (Zitat) , mit dem Adressaten, sondern berichten, und zwar Nachricht. Nachricht und Kommentar sind nicht zu vermischen, auch sollen sog. Konnotationen nicht so angewendet bis beworben werden, bei der Berichterstattung. Beim Kommentar ist dies dagegen sozusagen Pflicht.

    6.) Besondere Sprachlichkeit, die nur die Schrift entstanden und gepflegt sein kann, war (aus diesseitiger Sicht) schön herausgearbeitet.

    7.) Der Buchdruck ist in diesem Sinne sozusagen der Dritte Zivilisationssprung, wegen seiner besonderen Multiplikationsmöglichkeit.

    8.) Sog. Neue Medien könnten als der Vierte Zivilisationssprung verstanden werden, wiederum wegen ihrer besonderen Multiplikationsmöglichkeit, aber auch wegen der sozusagen Demokratisierung der Nachrichtengebung, des Journalismus, so dass sozusagen jeder jeden erreichen könnte.
    “They do not call Dr. Webbbaer for nothing”, kleine (und ein wenig eitle) Anmerkung.

    9.) Neue politische Bewegungen, “MAGA” oder “Black Lives matter” zum Beispiel leben von den neuen Medien, könnten aber auch zuvor entstanden und erfolgreich gewesen sein, dennoch befördern die sog. Neuen Medien derartige Entwicklung.
    Was nicht immer gut sein muss, Dr. W begrüßt aber derartige nunmehr mögliche schnelle Reaktion.

    10.) Die “Blasentheorie” stimmt so womöglich nicht, es gab da ein Buch von einer Person, deren Namen Dr. W im Moment nicht zur Hand hat, “Blasen” funktionieren durchaus im Web ineinander übergehend.

    11.) Neue Medien bieten neue Chancen, dies ist im Journalismus wichtig, auch für Journalisten, die auch sog. Social Media nutzen dürfen, um sich sozusagen einen Namen zu machen, einige haben so nicht vor, der Schreiber dieser Zeilen bspw. hält sich fern, vertraut sozusagen dem wissenschaftsnahen WebLog-Wesen, ist damit allein, vglw. happy.

    12.) Wissenschaftskommunikation muss sozusagen vom Web profitieren, es darf hier stark geworben werden, am besten : unkonfrontativ und nicht bspw. über sog. Konnotationen Manipulation des Adressatentums.

    13.) Es gibt alternative Fakten, dies ist vielleicht eine wichtige Erkenntnis, die breit kommuniziert werden darf, die Naturwissenschaft, womöglich auch die Wissenschaft generell leben davon.
    Versuch darf wiederholt werden und Versuchsergebnisse dürfen konkurrieren, nur so kann breit Evidenz geschaffen werden.
    So darf aus diesseitiger Sicht auch Studenten erklärt werden.
    “Follow the Science!” ist insofern unterkomplex, als Slogan.

    14.) “Die beiden dürfen nicht heiraten, sie sind Bruder und Schwester” – “jetzt wirds klar, jetzt stehts wirklich auf der Kippe” (Jeweils Zitate der anscheinend Lehrveranstaltung, wie Old Dr. Webbaer gerade erst bemerkt hat.
    Also, hüstel, aus diesseitiger Sicht steht da nichts “auf der Kippe”, Dr. W sieht hier auch keine “ritualisierten Momente” (Zitat)

    15.) Wenn “Akteure” als “Vertreter des göttlichen Willens” auftreten, ist womöglich Vorsicht geboten, dies gilt auch für neues sozusagen postreligiöses Bemühen, wie Dr. W findet.

    16.) “Sender, Empfänger und Botschaft” (Zitat) sind interessant, Dr. W ist hier ein wenig bei “Shannon-Weaver”, bei diesem Modell, das aussagt, dass der Sender Nachricht kodiert, der Empfänger so abstrahiert, Nachricht wiederum meinend, und derartige Veranstaltung in der Hoffnung geschieht, dass kodierte Nachricht zumindest vage so dekodiert wird, wie vom Sender vorgesehen.
    Im technischen Bereich sind hier sog. Kodierungsvorschriften vorab ausgetauscht, was “face2face” und die sozusagen nackte Sprache meinend natürlich unmöglich ist.


    Dr. Webbaer sieht gerade, dass er viel, womöglich : zu viel bereits angemerkt hat, will auf keinen Fall das hiesige Publikationssystem überlasten.
    Und klinkt sich nun aus, will auch nicht allzu sehr als “Fanboy” des hiesigen werten Inhaltegebers erscheinen, ist ja auch “nur” eher Kommentatorenfreund und Unterstützer, aus dieser anscheinend vorliegenden Lehrveranstaltung aus.

    Mit freundlichen Grüßen und weiterhin viel Erfolg
    Dr. Webbaer

    (Der Strong-Tag war falsch ausgezeichnet, sorry, die “V-2” müsste aber stimmen.

    • Dr. Webbaer schrieb (16.09.2022, 08:42 Uhr):
      > […] 10.) Die “Blasentheorie” stimmt so womöglich nicht, […]

      Der (vorstellbare, und womöglich sogar vorliegende) Befund “gar keine Blasen” ist offensichtlich trotzdem mit den Begriffen dieser “Blasentheorie” ausgedrückt, und ggf. in Anwendung der in dieser “Blasentheorie” definierten Messoperationen sogar erhalten worden.

      Jegliche Befunde, die in Anwendung der Begriffe bzw. Messoperationen einer bestimmten Theorie formuliert bzw. erhalten werden sind jedenfalls ungeeignet, um daraus zu schließen, dass die betreffende Theorie “nicht stimmt”.

      > es gab da ein Buch […]

      Naheliegend: https://de.wikipedia.org/wiki/Sph%C3%A4ren_(Sloterdijk)#Sph%C3%A4ren_I_%E2%80%93_Blasen,_Mikrosph%C3%A4rologie

      (Disclaimer: Ich habe von diesem Buch bis vor etwa einer Woche gar nichts gewusst — es muss dazu wohl neulich einen Artikel in einer Tageszeitung gegeben haben — und ich habe bisher noch nicht einmal den verlinkten Wikipedia-Artikel darüber gelesen, geschweige denn das Buch selbst, oder auch nur Auszüge daraus.)

  10. @Michael 15.09. 19:38

    „…, ob sich aus Ihren Überlegungen Empfehlungen für die Wissenschaft bzw. Wissenschaftskommunikation ableiten lassen?“

    Zunächst mal ist es wohl wichtig, sich seiner eigenen Grenzen bewusst zu sein. Grundannahmen sind öfter keine gesicherten Erkenntnisse, und das kann man auch so kommunizieren.

    Ansonsten kann man die Digitalisierung nutzen, um mehr in Kommunikation zu investieren. Also z.B. die Vorlesungen nicht mehr immer wieder live zu halten, sondern schöne qualitativ hochwertige Videos produzieren. Erstmal können dass dann die Studenten sich zuhause angucken, und müssen weniger zur Uni fahren. Wenn man diese Videos dann ganz frei stellt, dann kann sich die auch jedermann angucken. Das wird dann gleich auch zu Öffentlichkeitsarbeit.

    Die frei werdende Zeit können die Professoren dann nutzen, um auch Videovorlesungen bzw. Texte für Fachfremde und Laien zu produzieren. Wenn man diese dann noch online diskutieren kann, in etwa so wie wir das hier auf dieser Plattform machen, dann hat man eine breite Diskussion.

    Genauso können sich Wissenschaftler auch mehr an laufenden Online-Diskussionen beteiligen, soweit sie hierzu was beizutragen haben. Diese Arbeit wäre sinnvoll angelegt, scheint mir. Insbesondere zählen hier Beiträge, die nicht hinter einer Paywall versteckt sind.

    Ich denke, es gibt generell einen Mikrokulturprozess, der die gesamte menschliche Kommunikation umfasst. Wo hin der läuft, hängt von billionenfachen Kommunikationsakten ab, und wie die Menschen diese auffassen und in ihrem Weltbild verarbeiten. Hier lohnt es sich, sich daran zu beteiligen.

    Aktuell hier ein Beitrag zum Thema:

    https://www.spektrum.de/news/statistische-irrtuemer-interview-mit-ionica-smeets/2055063

    „Dort untersucht sie, wie man Forschungsergebnisse erfolgreich präsentieren und darstellen kann, damit sie möglichst verständlich sind. Auf der anderen Seite erklärt sie Laien in Vorträgen, wie man fehlgeleitete statistische Schlüsse entlarven kann.“

    „Wenn die Universität hingegen richtig kommuniziert, dann tun das Studien zufolge auch die meisten Medien.“

    „Ich habe zum Beispiel mit einem Wissenschaftler darüber gesprochen, dass Anekdoten und Erzählungen für die meisten Leute viel überzeugender sind als Zahlen.“

    „Nicht jeder einzelne Wissenschaftler ist geeignet, sein Wissen nach außen zu tragen. Aber man sollte als Fachbereich dafür sorgen, dass zumindest einige das tun.“

    „Eine Stunde lang hörten sich mehr als eine Million Zuschauer an, was er zu Schwarzen Löchern und Unendlichkeit zu sagen hatte. Niemand konnte behaupten, er würde das tun, weil er nicht gut genug für die Forschung sei. Gute Vorbilder sind extrem wichtig.“

    Dem kann ich mich nur anschließen. Die Neugier für neue Erkenntnisse ist da, auch bei mir. Im eigenen Interesse wünsche ich schon mehr Inhalte, die gut lesbar sind. Und folgende Diskussionen auch. Wenn jeder seine Grenzen kennt und Geduld hat, dann können auch Laien und Experten in Diskussionen zu Ergebnissen kommen.

    • Vielen herzlichen Dank, @Tobias Jeckenburger! In diese Richtung ging ja auch mein Ideal des wissenschaftlichen Bloggens – aber ich merke schon, dass die Grundüberlegungen im digital beschleunigten Alltag immer wieder verschüttet werden. Deswegen tun Ihre kritisch-konstruktiven Kommentare mir sehr gut, sie holen mich immer wieder auf den Boden des Leistbaren zurück.

  11. Sie haben mich als Antwort auf einen Druko von mir unter einem Ihrer vielen Blogposts auf Marshall McLuhan hingewiesen. Leider hatte ich keine Möglichkeit zu antworten.
    Dass uns die Medien prägen, bestreite ich nicht.
    Ich sehe es so: Zeitung oder TV machen uns zum passiven Konsumenten. Programminhalte bestimmen wir nur mittelbar; meßbar über die berüchtigten Einschaltquoten. Beispiel Talkshow. Nachdem die Sender schon seit den 70er Jahren die Erfahrung machten, dass Provokation Aufmerksamkeit und damit mehr Zuschauer bringt, lud man Prominente ein, die Aufsehen erregten. Klaus Kinski beispielsweise.
    Das Prinzip wurde auf den Polittalk übertragen, und mit der Zeit muss der Grad der Erregung immer weiter gesteigert werden.

    Anders sieht es bei Social Media aus, wo man sofort, oft ohne nachzudenken, antworten und Wut und Empörung freien Lauf lassen kann. Das muss man aber nicht. Selbstbeherrschung, Verstand, Vernunft – warum bedienen wir uns derer viel zu selten? Wir sind von unserer Mitwelt geprägt, könnten und sollten diese aber durch die eigene Rationalität positiv beeinflussen. Wenn Frau Klöckner einen Empörungstweet schreibt und den Teilnehmern an einer Umfrage im Internet kriminelle Energie unterstellt, dann sollte man sie nicht durch reposten oder kommentieren oder Screenshots verteilen noch in ihrem schlechten Benehmen unterstützen. Ich bleibe dabei, dass jede(r) für das eigene Handeln selbst verantwortlich ist. Denn sonst ist Social Media ein Rückschritt in die Steinzeit. Vernunftbegabt sind wir laut Kant.

    Um so wichtiger ist das Thema Medienethik, die Sie ja in Vorlesungen lehren.

    • Vielen Dank für Ihren Druko gerade auch an dieser Stelle, @Marie H.!

      Ja, ich habe mich lange mit den Arbeiten Marshall McLuhans, seines Lehrers Harold A. Innis (u.a. “Empire and Communications”, 1950) und auch noch der sog. Medienökologie seines Sohnes Eric McLuhan befasst. Es freut mich daher wirklich sehr, dass Sie diesen Hinweis von mir und der Copilot-KI in unserer Diskussion über die MAGA-QAnon-Trump-Tyrannophilie aufgegriffen haben:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-externalisierung-fossiler-dualistischer-hoffnungen-auf-donald-trump/

      Sehr gerne möchte ich Ihren starken, medienethischen Ausführungen zustimmen, vor allem diesen: “Zeitung oder TV machen uns zum passiven Konsumenten. Programminhalte bestimmen wir nur mittelbar; meßbar über die berüchtigten Einschaltquoten. Beispiel Talkshow. Nachdem die Sender schon seit den 70er Jahren die Erfahrung machten, dass Provokation Aufmerksamkeit und damit mehr Zuschauer bringt, lud man Prominente ein, die Aufsehen erregten. Klaus Kinski beispielsweise. Das Prinzip wurde auf den Polittalk übertragen, und mit der Zeit muss der Grad der Erregung immer weiter gesteigert werden.

      Anders sieht es bei Social Media aus, wo man sofort, oft ohne nachzudenken, antworten und Wut und Empörung freien Lauf lassen kann. Das muss man aber nicht. Selbstbeherrschung, Verstand, Vernunft – warum bedienen wir uns derer viel zu selten? Wir sind von unserer Mitwelt geprägt, könnten und sollten diese aber durch die eigene Rationalität positiv beeinflussen.”

      Genau das ist übrigens auch der Grund, warum ich sehr selten Einladungen zu TV-Talkshows annehme und mich statt der Dauerempörung auf X lieber hier auf dem Blog medial engagiere. Ich stimme Ihnen zwar zu, dass sich Menschen in verschiedenen Medien dialogisch-monistisch, egozentrisch-relativistisch oder eben leider auch feindselig-dualistisch verhalten können. Allerdings erlebe ich auch massiv unterschiedliche, psychologische Wirkungen durch das jeweilige Mediensetting. Viele sog. soziale Medien sind unter den emotionalisierenden Algorithmen der Konzerne nach meiner Einschätzung längst zu antisozialen Medien geworden. Und wir sollten m.E. noch viel deutlicher darauf hinarbeiten, dass sich diese gravierende Fehlentwicklung nicht im KI-Bereich wiederholt.

      • Nur noch ein Gedanke als Anregung für alle, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Mit der Medienerziehung anzufangen, sobald dies Sinn macht, d.h. es verstanden werden kann.

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