Die nächste Stufe: Dialog-Bloggen mit Mastodon

Gestern überschnitten sich in meinem Leben mehrere glückliche Linien. Viele Menschen, gerade auch aus dem Bürgertum und der CDU, dankten mir für den “Mut”, als Christ und Demokrat gegen die digital befeuerte, politische Polarisierung das Wort zu erheben. Das tat gut, denn Hate gab es selbstverständlich auch (wieder).

Die Pod- und Videocast-Folge 32 von “Blume & Ince” zum sog. Male Flight-Männerflucht-Phänomen sorgte für spannende und konstruktive Diskussionen. Meine Hoffnung wuchs: Ob es wohl in Zukunft möglich sein wird, über unser aller reales Leben jenseits dualistischer Schuldzuweisungen gegen “die Frauen” und “die Männer”, “die Jungen” und “die Alten”, “die Einheimischen” und “die Migranten” zu diskutieren?

Und ich hatte vor allem die Gelegenheit, ein Geschenk an meine Frau Zehra einzulösen – gemeinsam besuchten wir die “True Crime live”-Podcast-Show von Jacqueline Belle und Dr. Alexander Stevens in Stuttgart. Es war faszinierend und ermutigend zu erleben, wie viele Menschen auch mittleren Alters sich für Kriminologie und Rechtswissenschaft interessieren, wenn die Themen crossmedial, spannend und nahbar präsentiert werden! Und spätestens, nachdem Jacqueline Belle die vielen Femizide auch in Deutschland angesprochen und um Spenden für die Opferhilfsorganisation “Weißer Ring” gebeten hatte, war ich auch von einer bleibenden Wirkung bei vielen überzeugt.

Foto von Zehra & Dr. Michael Blume bei der True Crime Live-Podcast-Show von Jacqueline Belle und Dr. Alexander Stevens.Zehra & Michael Blume gestern Abend in der Liederhalle Stuttgart. Foto: True Crime Live-Team

Entsprechend voller Hoffnung für den dialogischen Monismus, also das Miteinander von Demokratie und Wissenschaften, schaltete ich gestern Abend noch ein paar Kommentare frei. Und wagte auf dem Weg ins Bett noch um 0:35 Uhr den späten Mastodon-Post:

“Für alle, die noch so spät wach sind, die Frage: Über welches Thema sollte ich nach Deiner Meinung mal zeitnah bloggen?”

Und als ich heute morgen zum morgendlichen Tässle Kaffee nachschaute – traute ich meinen Augen nicht! Zahlreiche starke und immer mehr Vorschläge wurden gepostet, so etwa vom Kollegen Jörg Scheller (Stuttgart & Zürich) in einem Wort:

“Gnosis.”

Oder hier von @CorinnaVahrenk1, die meine Arbeit gegen Antisemitismus seit Längerem interessiert begleitet und auch schon einen Vortrag von mir besucht hat:

“Über eine Diskursverschiebung: wie konnte es dazu kommen, dass fast die gesamte Republik nicht mehr über die wirklich drängenden Probleme wie die #Klimakrise, die sozialen Verwerfungen, den Mangel an bezahlbarem Wohnraum, die verrottende Infrastruktur und die Ungerechtigkeiten unseres Bildungssystems spricht.”

Dieser Vorschlag von “Der Grüne” löste sogar wiederum eine nächtliche Druko-Diskussion aus!

“Ich hatte letztens dein Buch über den Ölfluch gelesen und überlegt ob vllt heute Daten oder irgendwas anderes Digitales das neue Öl sind und man das auf Musk mit Amerika anwenden kann.”

Und es wurden – und werden! – immer mehr. Heute morgen dann auch zum Beispiel der Top-Vernetzer Jörg Lohrer, der erst neulich eine genialische Gamma-KI-Präsentation zur digitalen Thymotisierung erstellt hatte:

“Wie organisieren und stabilisieren wir Vertrauen in dezentralen Netzwerken? Vermutlich durch eine Symbiose aus technologischer Robustheit, transparenter Governance und sozialer Kohäsion…”

Das mir sehr wichtige Thema des feindseligen Dualismus versus der dialogischen Dualität wurde sogar schon mehrfach aufgerufen, etwa hier durch @87Barner:

“Spontane Einfälle
-Dualismus im Alltag: Wann problematisch?
-Das Toleranzparadoxon
-Tierethik
-Sicherheitspolitik aus religiöser Sicht
-Braucht es noch Nationalstaaten?
-Wohlstand und Leistungsbereitschaft”

Schaubild zu feindseligem Dualismus versus dialogischer Dualität mit einem Schwerpunkt auf "pathologischem Dualismus" nach Jonathan Sacks, seligen Angedenkens.Schaubild zu feindseligem Dualismus versus dialogischer Dualität. Michael Blume mit der KI Gamma.app

Oder auch hier von @Ca3desnox aus der Erfahrungswelt von Eltern:

“Dualismus im Alltag finde ich sehr spannend. Da K1 in letzter Zeit immer “Jungs gegen Mädchen” (aus dem OST von Wulde Kerle) hören möchte.”

Tja, nun zünde ich also die nächste Stufe für diesen Wissenschaftsblog “Natur des Glaubens”. Denn ich glaube, Karl Popper (1902 – 1994) hatte Recht, als er 1978 behauptete: “Alle Menschen sind Philosophen.”

Heute Abend und morgen werde ich mir also jeden einzelnen, konstruktiven Vorschlag von Mastodon und den Drukos hier unter diesem Blogpost aufschreiben – von Hand, damit er sich besser einprägt als nur durchs digitale Lesen. Und in den kommenden Monaten werde ich versuchen, jedes dieser Themen dann auch bloggend aufzugreifen. Denn ich glaube mehr denn je daran, dass der dialogische Monismus im KI-unterstützten Fediversum eine große Zukunft vor sich hat – und sogar unterhaltsam sein darf!

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

11 Kommentare

  1. Tja, Herr Blume, da haben Sie sich ja was aufgehalst. Arbeitslos werden Sie in nächster Zeit nicht (jedenfalls nicht was unbezahlte Arbeit betrifft).
    Ich für meinen Teil interessiere mich nach wie vor besonders für das Thema “Wirtschaftswachstum: notwendig, ja oder nein? Wenn ja, warum? Kann man Wirtschaftswachstum und Ökologie zusammenbringen?”

  2. Der freundliche, friedliche Opa, der gegen die Rechtsradikalen stimmt, weil er sich noch an den Krieg erinnert, der junge Trottel, der die NPD wählt, weil er das alles für ein Spiel hält – keiner von ihnen verkörpert den Zeitgeist, den bösartigen, hinterhältigen, geizigen alten Tyrannen, der an der ganzen Welt Rache für sein Sterben nimmt. Es ist ihr Zusammenspiel, miteinander und mit allen anderen, das den Zeitgeist schafft, dann aus der Gesamtbevölkerung dessen brauchbarste Ebenbilder, Avatare, selektioniert und auf die Throne hievt, damit sie ihm als Werkzeuge dienen.

    „Die Alten“ ist nicht „der Alte“. „Die Frauen“ ist nicht „die Frau“. Für all die Gruppen gibt’s eine Glockenkurve, doch wenn Sie die Glocke von oben nach unten an der dicksten Stelle durchschneiden – entsprechen nur die wenigsten Leute dem Durchschnitt.

    Schuldzuweisungen nerven. Sympathische Eigenschaften finden sich in Individuen, in größeren Gruppen werden sie durch statistische Effekte herausgefiltert, kollektiv sind wir immer Psychopathen – sogar die Gruppe „Mitfühlende“. Deswegen hat jegliche Politik etwas vom Tarantino-Film, bei dem alle nett tun, um einander hinters Licht zu führen, sich aber am Ende alle umgebracht haben. Dann kommt ein Sequel, Spannungsaufbau bis zum Showdown, das nächste Sequel, und so seit Ewigkeiten in alle Ewigkeit. Ich kann einem Individuum keine Schuld an den Handlungen seiner Gruppe zuweisen, weil es viel mehr eine Marionette seines Kollektivs ist als umgekehrt, und keinem Kollektiv, weil es weder Hirn noch Empathie noch Gewissen hat, ihm also die Grundvoraussetzungen fehlen, um schuldig zu werden.

    Wenn ich Verständigung will, läuft das über individuelle Kontakte – sehr viele Leute lernen einander kennen, werden Freunde, Liebende, gewöhnen sich zumindest aneinander und lernen die Rituale, die Konflikte vermeiden, sodass sie füreinander harmlos sind. Als Gemeinschaften habe ich zwei Raubaffen-Horden im selben Revier, die wollen nix als einander belauern, bis sie es auskämpfen können.

    Das hat aber auch eine Kehrseite. Ich kann einem Psychopathen ohne Gewissen zwar keine Schuld zuweisen. Aber ich muss auch seinem Narzissten-Ego nicht schmeicheln. In Gruppen sind wir nun mal Amöben, dumme Arschlöcher, mit denen ich nicht diskutieren, nur umgehen kann, ich muss das nicht schönreden. Deswegen schaffen sich Gruppen oft einen Dompteur an, der als ihr kollektives Gesicht fungiert und ihnen sagt, was sie dem anderen Vieh gegenüber fühlen sollen, weil ihnen die Empathie dazu fehlt, es selber herauszufinden. Die ganze Menschwerdung ist ein nicht sehr weit fortgeschrittener Versuch des Menschen, seine Kollektive zu domestizieren, indem man ihnen ein Hirn verpasst, das die sozialen Kompetenzen des menschlichen auf sie überträgt.

    Schuld ist eine notwendige Lüge – ein mächtiges Werkzeug, über Scham und Ächtung menschliches Verhalten zu manipulieren, zum Guten wie zum Bösen. Im Zeitalter totaler Überwachung durch soziale Medien wird Scham allerdings zur geistigen Behinderung, einer Schwäche, die die Raubaffen anlockt, sodass man sofort gelyncht wird. Nur diejenigen, die von allen Shitstorms gewaschen sind, alle Ächtung mit Frechheit abwehren, überleben. Damit wurde das Werkzeug so oft missbraucht, dass es jegliche sinnvolle Wirkung verloren hat, und wird damit weitgehend überflüssig.

    Wir sind alle scheiße, aber nicht schuld daran, und Leute, die sich zumindest Mühe geben, weniger scheiße zu sein, sollten einander ermutigen und fördern – perfekt ist keiner von uns, alle zusammen können wir besser sein. Wer nur mit Anklagen um sich wirft, der will sich nur aufwerten, indem er Andere abwertet, er lenkt davon ab, dass er keine echten Probleme hat oder lösen kann, der soll sich einen eigenen Spielplatz suchen, da finden sich bestimmt noch andere Lynchmobs, da ist das Thema auch egal. Schlagt euch gegenseitig die Köppe ein, dann können die Besseren eure Leichen fleddern und so schaffen wir alle gemeinsam eine bessere Welt.

    Ihr geht mir alle auf den Sack, doch das ist nicht eure Schuld, sondern mein Charakterfehler, tut mir nicht leid, doch ich weiß zumindest, dass es das sollte. Menschliche Natur bleibt, wie sie ist, akzeptiert diese Behinderung, lernt, sie zu verstehen und mit ihr zu leben, baut euch Krücken und Rollstühle drum herum, statt euch deswegen zu zerfleischen, dadurch werdet ihr ja nur noch kaputter. Und das kann sich echt keiner von uns leisten.

  3. Sehr geehrter Herr Dr. Blume,
    Herzlichen Dank für Ihren Beitrag. Wie immer, sehr interessant zu lesen.

    Mich beschäftigen folgende Fragen (wild drauflos!)
    – Warum wirkt Dualismus auf Kinder so faszinierend? (Kampf der Legomännchen gegen „das Böse“)
    – welche Rolle spielt eine parternalistische, nicht bedürfnisoriertierte Erziehung vs einer bedürfnisorientierten Erziehung in Hinblick auf die spätere Entwicklung von Reaktanz
    – Warum springen wir alle, aber vor allem „die Medien“ konsequent über jedes populistische Stöckchen?
    – ist turbo-kapitalistisches BlingBling, also die Jagd nach Einfluss und Status, auch über Symbole, zu einer Art Ersatzreligion geworden?

  4. @Paul S.: “Menschliche Natur bleibt, wie sie ist, …”
    🙂
    Mensch hat keine Natur, weil Mensch die KI der Schöpfung ist und …🙃

  5. KI als Tool der Desinformation: Wo liegen

    Risiken, etwa Gefahren für den dialogischen Monismus; Gefahren der Thymotisierierung

    aber auch

    Chancen, z.B. zur Erkennung von Fake News.

    Ich habe gelesen, dass Perplexity.ai und Tiktok fusionieren wollen. Keine guten Aussichten sind das.

    • Vielen Dank, liebe @Marie H. – und, ja, das ist ein super-wichtiges Thema.

      So habe ich erst heute Morgen wieder einen Mastodon-Post erhalten, in dem ein demokratischer Politiker als “Nazi” bezeichnet, damit auch der Nationalsozialismus verharmlost wurde. Ich habe dagegen protestiert.

      https://sueden.social/@BlumeEvolution/113955898578354589

      Gleichzeitig ist mir völlig klar, dass u.a. russische Troll-Fabriken bereits jetzt KI-unterstützte Bots auf antisozialen Medien anwenden. Es besteht die reale Gefahr, dass auch das Fediversum – konkret etwa Mastodon, Wikipedia, aber auch Blogs – von KI-generierten Schadbots thymotisiert, zerlegt und unbrauchbar gemacht werden. Bisher konnte ich damit rechnen, dass mein dialogisches Engagement anderen Menschen zugute kommt. Doch schon in wenigen Monaten könnte dies mehr als fraglich und kaum noch zu unterscheiden sein…

      Gerne nehme ich Ihren Vorschlag für das Bloggen auf, vielen Dank!

  6. Guten Abend, @Michael Blume.

    Wenn ich noch ein Thema einwerfen darf: Es wurde auf Natur des Glaubens bereits häufig diskutiert, doch ich finde es weiterhin faszinierend, spannend und hochaktuell:

    Wie können offene Gesellschaften stabil bleiben?

    Gerade die aktuellen Entwicklungen in den USA machen diese Frage umso drängender.

    Du hast in diesem (und vielen anderen) Blogposts bereits die Rolle der Religion thematisiert:

    In diesem Kontext ist auch das Böckenförde-Diktum von großer Relevanz. Es besagt, dass der freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann – insbesondere in Bezug auf die moralisch-ethische Grundlage seiner Bürger. Ich finde diesen Denkansatz nach wie vor faszinierend und philosophisch interessant.

    Ich denke, auf NdG ist dazu noch längst nicht das letzte Wort gesprochen oder geschrieben.

    • Vielen lieben Dank, @Peter Gutsche 🙏

      Gerade heute konnte ich endlich einen Blogpost verfassen, der die zerbröselnde Staatsform der gewaltenteiligen Demokratie und der aufsteigenden, digitalen Thymokratie unterscheidet:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/begriffsklaerung-thymos-oligarchische-timokratie-ki-digitale-thymokratie/

      Ich denke, wir sehen diese Entwicklung im Schnelldurchgang in den USA 🇺🇸 unter Donald Trump und Elon Musk:

      Die Republik (von lateinisch res publica = öffentliche Angelegenheit) setzt ja eine gemeinsame Öffentlichkeit, wie das städtische Forum Romanum, voraus.

      Doch jetzt erleben wir, dass wir das öffentliche Internet weitgehend an Konzern-Oligarchen abgetreten haben und uns nur noch das Fediversum bleibt. Weil sich daraus aber immer mehr KI-Crawler speisen, wird es zunehmend attackiert, z.B. als „Wokepedia“.

      Mit Böckenförde könnten wir sagen: Religiöse und generell verbandliche Öffentlichkeiten blieben auf das Allgemeine bezogen, wogegen nun eine digitale Versektung eingesetzt hat. Aber ich werde dazu gerne auch noch einmal extra bloggen! 😊

      Umgekehrt freue ich mich, auch in Deinem Blog mehr dazu zu lesen, zumal unser gemeinsames Thema „Zeit“ ja darin prominent ist: Foren bestehen immer aus Zeit und Raum – und es ließe sich durchaus argumentieren, dass es an Menschen fehlt, die sich für das Fediversum Zeit nehmen. Und wir wissen nicht, wieviel wir als Demokratie noch davon haben…

      Danke für unsere Dialoge, lieber Peter! 🙏🙌

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