Die Konkordanzdemokratie der Schweiz in einem sympathischen Video erklärt

Seitdem ich dafür plädiert habe, dass auch Deutschlands demokratische Parteien endlich von einer Koalitions- zu einer Konkordanzdemokratie wie in der Schweiz reifen sollten und erklärt habe, wie das auch in Deutschland innerhalb von wenigen Tagen ohne Verfassungsänderung möglich (und sogar näher am Grundgesetz) wäre, komme ich vor lauter Anfragen kaum noch nach. Immer mehr Menschen sind von der Idee fasziniert, wenn auch die meisten von der Konkordanzdemokratie unseres Nachbarlandes noch wenig oder gar nichts gehört haben. Und auch ein erster rechter Troll-Kommentar äußerte schon seine Panik vor dem Schweizer Erfolgsmodell.
Sehr dankbar war ich daher für den Mastodon-Post des Markgräflers @Joki, in dem er das Erklärvideo “Konkordanz-Demokratie” des alpinen Zeidgenosse empfahl – auf dessen Kanal auch darüber hinaus viele faszinierende Geschichts- und Politik-Dokus zu finden sind!
Der Zeidgenosse erklärt in sechseinhalb Minuten humorvoll, präzise und grafisch die Schweizer Konkordanzdemokratie. Screenshot von YouTube: Michael Blume
In dem sehr gut gemachten Video erfahrt Ihr, wie sich auch die Schweizer Konkordanzdemokratie als politischer Kulturwandel ohne vorherige Verfassungsänderungen vollzog, dass etwa die Sozialdemokratie ab 1943 einbezogen wurde (als in Deutschland, Österreich und Italien noch Faschisten und Nationalsozialisten mordeten) und dass über neue Fragen wie die Einbeziehung der Grünen noch immer diskutiert wird.
Dies alles ist aus meiner Sicht auch für Deutsche wichtig zu verstehen, denn es bedeutet, dass auch wir den Übergang zur Konkordanzdemokratie jederzeit einleiten könnten, damit das Grundgesetz und die Europäischen Verträge sogar besser erfüllen als mit nichtöffentlichen Parteien – Koalitionsverhandlungen und dass sehr wohl diskutiert werden kann und muss, welche Parteien einbezogen werden. Die Bundesrepublik Deutschland kann das schweizerische Modell nicht einfach kopieren, aber sehr viel von ihm lernen. Deswegen freut mich als Politikwissenschaftler, Christ und Demokrat auch das wachsende Interesse daran sehr.
Dankbar bin ich auch für den Mastodon-Hinweis auf einen Blätter-Artikel von Andreas Püttmann “Zwischen Christdemokratie und Rechtspopulismus”. Andreas war mein Mentor während des Stipendiums in der Konrad-Adenauer-Stiftung, das mir als Arbeiterkind und frisch getaufter Christ eine große Orientierungshilfe war. Auch diesen Artikel von ihm kann ich nur sehr empfehlen, in dem er aufzeigt, wie Rechtslibertäre das große Erbe und die Glaubwürdigkeit der deutschen Christdemokratie verschleudern. Diese Kritik sollten nicht nur christlich und religiös Interessierte zur Kenntnis nehmen, sondern auch alle, die Demokratie vom Gewissen her denken oder die gar in Zukunft mit der CDU und CSU noch irgendeine Wahl gewinnen wollen. Denn die Substanz und Glaubwürdigkeit, die schon in den letzten Monaten durch Rechtspopulismus, fossilen Lobbyismus und geschichtslose Dummheit verzockt worden ist, wird sich nur schwer wiedergewinnen lassen – wenn überhaupt. So wurde die AfD nicht etwa “halbiert”, sondern zieht in immer mehr Umfragen an der Union vorbei!
Denn darum geht es als Lehren der Geschichts- und Politikwissenschaft: Die auf Dialog, Kooperation, Parlamentarismus und Bürgerbeteiligung setzende Konkordanzdemokratie in der Schweiz ist nicht nur in vielen Politikfeldern wie Infrastruktur und ÖPNV sehr viel effektiver als die auf Konflikt und Subventionswahlkämpfe zielenden Mehrheitsdemokratien mit nichtöffentlich verhandelten Koalitionsverträgen (in Deutschland seit 1961). Mit ihren Konkordanzregierungen konnte die Schweiz auch vor einem Jahrhundert den Faschismus und Nationalsozialismus abwehren, der sich sonst im Alpenraum, in Italien, Österreich und Deutschland durchgesetzt hatte. Und auch heute sehen wir den Vormarsch neo-faschistischer Parteien in Italien, Österreich und Deutschland, während die Schweiz zwar ebenfalls einen digital befeuerten Rechtsrutsch erlebt, aber als Demokratie stabil bleibt.
Aus der Perspektive der evolutionären Spieltheorie heraus lässt sich sagen, dass die klassischen Mehrheits- und Koalitionsregierungen gegenseitige Partei-Profilierungen, lautes Lärmen, Subventions-Wahlgeschenke sowie Blockaden belohnen, wogegen Konkordanzdemokratien Zusammenarbeit, Dialog, längerfristige Investitionen sowie gemeinsame Erfolge befördern. Menschen prägen Strukturen, aber diese Strukturen verändern dann wiederum auch Menschen.
Wir könnten auch in Deutschland jederzeit den Kulturwandel von feindseligen Partei-Hinterzimmern zu einer dialogischen Konkordanzdemokratie vollziehen, wenn wir es denn wollten. Fossile Konzernmedien werden darüber selbstverständlich kaum berichten. Aber niemand kann Ihnen mehr verbieten, sich selbst über das Schweizer Erfolgsmodell zu informieren. Daher freue ich mich weiterhin über jeden Post und jeden dialogischen Druko dazu!
Danke, @Michael Blume, dass Du das Thema weiter vorantreibst! Umso mehr, als es nicht sehr bekannt ist.
Ein hervorragendes Video!
Ich möchte zwei Sätze daraus zitieren.
“Es können keine politischen Mehrheiten, die einem speziellen ideologischen Lager angehören, eine Legislaturperiode lang durchregieren.” (3:50)
Das verhindert genau eine solche ungute Entwicklung, wie wir sie derzeit in den USA beobachten: ein ideologisches Lager regiert ohne Rücksicht durch und fügt dem Land wahrscheinlich irreversiblen Schaden zu. Die Hälfte der Bevölkerung wird eine (oder mehrere) Legislaturperioden lang komplett ignoriert, ausgegrenzt. Ja, es entsteht dann eine Tyrannei der Mehrheit, das Gegenteil einer friedlichen und offenen Gesellschaft.
Und folgende Aussage lässt aufhorchen.
“Während sich zum Beispiel die Deutsche Sozialdemokratie mehr oder weniger komplett von ihren ursprünglichen Werten verabschiedet hat, ist die Schweizer Sozialdemokratie immer noch eine klar linke politische Partei.” (4:11)
Ich denke, genau dies: viele Menschen in Deutschland, die sich von der Sozialdemokratie in ihren sozialen Belangen nicht mehr vertreten fühlen, geraten in die Fänge der AFD, geblendet von deren vermeintlichem Einstehen für weniger Bemittelte (was nachgewiesenermaßen ein Trugschluss ist).
Dass das so schön bezeichnete “freie Spiel der Kräfte” z.B. durch Koalitionsverträge unterbunden wird fördert Politikverdrossenheit und begünstigt extreme Kräfte.
Vielen Dank für das Interesse & den dialogischen Druko dazu, @Peter Gutsche !
Und, ja, gerade auch diese beiden Ansagen haben auch mich sehr berührt. Im Mehrheitswahlrecht wie in den USA 🇺🇸 oder auch das First-Past-the-Post (nur ein Wahlgang, gewonnen durch die meisten Stimmen) in Großbritannien 🇬🇧 verfallen Millionen Wählerstimmen durch das Prinzip „The Winner Takes It All“. Aber auch das bundesdeutsche Verhältniswahlrecht führt dazu, dass gewählte, demokratische Abgeordnete oft als Opposition keine wirklichen Entscheidungen mitgestalten können – und dass wiederum die Abgeordneten der Regierungsfraktionen so stark in Partei – Koalitionsverträgen und Fraktionsdisziplin eingebunden sind, dass sie kaum noch eigene Entscheidungen treffen können. Das führt aber wiederum dazu, dass sich immer mehr Menschen fragen, wozu es dann einen großen Bundestag und 16 Landesparlamente brauche!
Wenn dagegen Union, SPD und Grüne im jetzigen Bundestag eine Konkordanzregierung bilden würden (vielleicht in der Zukunft auch mit weiteren Parteien wie einer erneuerten FDP oder glaubwürdig demokratischen Linken), dann wären auf einen Schlag viele Millionen mehr Wählerinnen und Wähler über ihre gewählten Abgeordneten einbezogen, die auch wirklich etwas gestalten könnten. Denn statt in nichtöffentlichen Parteiverhandlungen würden die Inhalte in der konkordanten Regierung sowie vor allem öffentlich im Parlament gebildet – also transparent, dialogisch und mit Bürgerbeteiligung! Und die Abgeordneten könnten ihre Inhalte im Fediversum einbringen und zum Dialog stellen. Das wäre ein enormer Demokratie-Schub!
Auch den Punkt mit der Sozialdemokratie finde ich überzeugend: Im Schweizer System können sich die Politikerinnen und Politiker auch inhaltlich klar unterscheiden, weil klar ist, dass das Konkordanzmodell sie dann aber auch zur Mitarbeit mit den anderen Parteien verpflichtet. Die Wählerinnen und Wähler haben eine Wahl, ohne dass irgendjemand alles versprechen könnte.
Im konfrontativen Koalitionsmodell werden dagegen die Kandidierenden dazu gedrängt, sich gegeneinander mit Forderungen zu profilieren. Danach landet dann aber ein großer Teil der Gewählten in der Opposition ohne Einfluss, der andere Teil in Parteien – Koalitionen, die immer nur einen Teil der Forderungen erfüllen können. Das Ergebnis sind Frust und Enttäuschung nach jeder neuen Koalitionsbildung – bis hin zur Erwartung (!), dass Versprechen im Wahlkampf ohnehin nicht eingehalten würden. Da ist doch der zunehmende Frust über „die Politik“ auch kein Wunder mehr.
Hinzu kommt, dass die ständigen und oft sogar hektischen Regierungswechsel oft nur von kleineren Wählerwanderungen ausgehen, dann aber enorm wirken. So werden oft Gesetze wieder gestrichen und umgearbeitet, die erst vor Kurzem beschlossen wurden: Ein Albtraum für Bürgerinnen und Bürger, für die Schulen und, ja, auch für die Wirtschaft.
Aus all diesen und vielen weiteren Gründen wünsche ich mir Konkordanzregierungen aus demokratischen Parteien ausdrücklich ohne die Faschisten. Und das Ganze ist ja auch kein Tagtraum, sondern meine berufliche Praxis in der baden-württembergischen Zusammenarbeit mit Grünen, CDU, SPD und FDP. Gemeinsam lässt sich viel mehr erreichen und gerade auch die demokratisch Aktiven wollen sich einbringen können und auch längerfristige Erfolge sehen.
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/konkordanzdemokratie-als-alternative-zu-koalitionsvertraegen-minderheisregierungen/
Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis Medien und Politik aus Norddeutschland beginnen, die Vorzüge der Konkordanz zu verstehen und auch einzufordern. Für einen politischen Kulturwechsel ist alles da, es fehlt nur an Wissen und Willen dazu.
Dir noch einmal Danke & eine gute Nacht! 🌙 🙌
Guten Morgen,
das Video ist sehr informativ, ich habe es gesehen und gespeichert.
Wenn ich alles richtig verstanden habe, dann lässt sich doch auch eine Konkordanz-Regierung auf Landesebene bilden. Ich denke da konkret an die nächsten Landtagswahlen, zum Beispiel in Baden-Württemberg und später in Niedersachsen.
Ich befürchte, dass wir auf Bundesebene zunächst mit dieser zukünftigen
Koalitionsregierung auf Basis einer schwammigen Koalitionsvereinbarung leben müssen, solange sie eben hält.
Danke & ja, @Elisabeth K. – auch jedes Landesparlament könnte sofort eine Konkordanzregierung bilden und gestalten. Viele Kommunalregierungen sind ja bereits konkordant gestaltet, übrigens ohne dass deswegen etwa Faschisten zu Dezernenten gewählt werden müssten.
Es wäre also jederzeit möglich, wenn sowohl konservative wie moderate und progressive Demokratinnen und Demokraten auf eigene Machtfantasien verzichten und für Dialog und Miteinander den politischen Kulturwandel von der ewigen Parteien – Konfrontation zur demokratischen Kooperation einleiten würden.
Für das bisherige und zunehmend polarisierte Denken eine gewagte Idee, ich weiß. 😊💡🇩🇪🇪🇺🤔
Vielen Dank für die zutreffende Ergänzung, liebe @Elisabeth K.! 😊🙌
@Blume: “… ohne Verfassungsänderung möglich (und sogar näher am Grundgesetz) wäre, …”
Vom Grundgesetz haben wir uns schon entfernt, als wir Waffen ins Kriegsgebiet Ukraine geliefert haben!
Nein, @hto – auch das ist gelogen. Sowohl die deutsche Bundeswehr, eine europäische Armee, die Mitgliedschaft in der NATO und vor allem in der EU sind mit dem deutschen Grundgesetz ebenso gut vereinbar wie die Unterstützung demokratischer Verbündeter.
Dass ein Linksdualist wie Sie offen für die imperialistischen Diktaturen in Russland 🇷🇺 und China 🇨🇳 plädiert (und auch nicht zur klaren Distanzierung von den Massenmorden Stalins, Maos etc. fähig ist), überrascht hier niemanden mehr. Aber dadurch demonstrieren Sie immerhin, dass sich Demokratien immer wieder neu gegen Extremismus (feindseligen Dualismus) aller Art behaupten müssen. Und ich werde Ihnen immer dankbar sein, dass Sie mich wegen meines Engagements für die „offene Gesellschaft“ nach Karl Popper und für erneuerbare Friedensenergien als Solarpopper beschimpft und eigentlich ausgezeichnet haben! 😊🙏💡
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/solarpunk-und-solarpopper-wasserstoff-hoffnung-wunsiedel-bayern/
Danke auch dafür, @hto. Ungewollt tragen auch Sie zum Erfolg dieses Wissenschaftsblogs bei. Ebenso wie Ihr rechtsdualistischer „Kollege“, der die Schweizer Konkordanzregierung widersinnig als sozialistische Einheitspartei beschimpfte! 🇨🇭🤭👇
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/deutschland-kann-in-wenigen-tagen-eine-konkordanzregierung-statt-wachsendem-faschismus-bilden/#comment-171841
Mir scheint: Die offene Gesellschaft ist vielfältig, ihre Feinde sind recht einfältig. 😉💁♂️🇩🇪🇪🇺🙌
@Blume
Du hast zwar Wissenschaft studiert, bist aber offensichtlich kein Wissenschaftler, sondern einfach nur ein verkommener Mensch.
Danke 🙏, @hto – dafür, dass Sie uns zeigen, wie Trolling funktioniert. Wenn Sie keine Argumente mehr haben – und das ist erkennbar schnell der Fall -, dann greifen Sie uns Wissenschaftler eben persönlich an. So pöbeln Sie ja auch auf anderen Wissenschaftsblogs herum und betteln um Aufmerksamkeit. Flachdenker.
Was mich nun wirklich „beeindruckt“ hat, war Ihr völliges Versagen zum Jemen-Blogpost. Da geht es um einen seit 2004 tobenden, fossil finanzierten Stellvertreterkrieg mit Abertausenden Toten – und es gelingt Ihnen keine Sekunde, mal über etwas Anderes als über Ihr eigenes Ego und Ihren Hass auf andere Menschen zu schwurbeln.
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/fossile-gewaltenergien-finanzieren-die-kriege-und-antisemitismus-im-jemen/
Immerhin tragen Sie so zu einem realistischen Menschenbild bei. Immerhin.
Das Video habe ich mir angeschaut. Es hat meine Begeisterung für das Konkordanzmodell etwas getrübt.
Zunächst aber noch einmal etwas grundsätzliches zu Koalitionsverträgen. Es stimmt schon, dass diese noch nie beliebt waren. Eine Alleinregierung durch eine Partei setzt eine wesentlich kleinere Zahl von im Bundestag vertretenen Parteien voraus. Denn damit ist eine absolute Mehrheit für eine Partei die sehr seltene Ausnahme.
Koalitionsregierungen sind auch deshalb entstanden, weil von der allein regierenden Partei Fehler gemacht wurden. 1961 klammerte sich Konrad Adenauer mit 85 Jahren an den Posten des Bundeskanzlers. Die CDU verlor die absolute Mehrheit, weil Adenauer wegen des Baues der Berliner Mauer und seiner Reaktion darauf, in der Kritik stand.
Bei der BTW 1983 zogen erstmals die Grünen in den Bundestag ein. Damit sind seither mindestens fünf Parteien (ich zähle die CSU separat) vertreten.
Daher wage ich kein Urteil, was die Verfasser des GG wirklich im Sinn hatten.
Nun zur Schweiz: Welche Rolle spielt das Neutralitätsprinzip im Zusammenhang mit der Konkordanz? Ich finde es, nachdem ich das Video angesehen habe, doch schwierig diese Form der Regierung auf Deutschland zu übertragen. Wir müssen uns außen- und sicherheitspolitisch ganz anders aufstellen als die Schweiz.
Nehmen wir einmal an, wir bekämen eine Konkordanzregierung hin (evtl. unter Einschluss der Linken), sehe ich dennoch die Gefahr, dass die AfD noch stärker wird.
Ich habe den Eindruck, dass ein nicht kleiner Teil der Wählerschaft Stärke und ein gewisses Machtgehabe goutiert.
Welche Rolle spielt der Bundesrat? Immerhin gibt es in allen Bundesländern Koalitionsregierungen.
Vielleicht gelänge es aber einer Regierung im Konkordanzmodell Zeit zu gewinnen, um endlich ein Verbotsverfahren die AfD betreffend auf den Weg zu bringen. Sie inhaltlich zu stellen, ist gescheitert.
Vor allem sehe ich mit Sorge auf die in 10 Monaten stattfindende Landtagswahl in Baden-Württemberg. Falls sich Herr Hagel und Herr Özdemir aneinander abarbeiten, freut sich Herr Frohnmaier.
Lieben Dank, @Marie H. – gerne gehe ich auf Ihren Druko ausführlicher ein. 🌞📚🙌
Das Video habe ich mir angeschaut. Es hat meine Begeisterung für das Konkordanzmodell etwas getrübt.
Danke, das finde ich jetzt durchaus nicht betrüblich. Denn eine Konkordanzregierung ist eine Option auf einen politischen Kulturwandel, kein religiöses Heilsereignis. Und ich wünsche mir genau das – dass immer mehr Menschen die Stärken und Schwächen dieser Option durchdenken. Einige “verlangen” von mir beispielsweise schon, dass es dann keine rechtsgerichteten Wähler mehr geben dürfen, dass ihnen unliebsame Politikerinnen und Politiker sofort abtreten müssten oder die Zahl der deutschen Bundesländer zu verkleinern wäre. Sehr vielen Leuten fällt es erkennbar schwer, einerseits aus der konfrontativen und oft autoritären Logik von Mehrheitsregierungen herauszukommen und andererseits zu verstehen, dass Konkordanz ein säkularer Kulturwandel und keine Wünsch-Dir-was-Revolution ist. Ihr Pro-Contra-Ringen damit, @Marie H., ist mir daher sehr viel sympathischer! 🙌
In der aktuellen Podcast-Folge “Die Wochendämmerung” diskutieren Katrin Rönicke & Holger Klein übrigens ab Minute 40 diese Option auf Basis meines neulichen Blogposts dazu auch schon. Hier, ab Minute 40:
https://wochendaemmerung.de/hegseth-pnis-desinformation-kaschmir-ukraine-christlichkeit-ostdeutsche-und-demokratie/
Zunächst aber noch einmal etwas grundsätzliches zu Koalitionsverträgen. Es stimmt schon, dass diese noch nie beliebt waren. Eine Alleinregierung durch eine Partei setzt eine wesentlich kleinere Zahl von im Bundestag vertretenen Parteien voraus. Denn damit ist eine absolute Mehrheit für eine Partei die sehr seltene Ausnahme.
Ganz genau – und durch die Digitalisierung setzt sich die Blasenbildung, Polarisierung und auch Radikalisierung zwischen und in politischen Parteien fort. So erhöht sich in Systemen mit Verhältniswahlrecht meist die Zahl der politischen Parteien in den Parlamenten, zugleich sinkt aber die Kompromissbereitschaft. Schon Jahre vor dem Zerfall der Ampel platzte etwa in Israel die letzte Koalition vor der amtierenden Rechtskoalition von Benjamin Netanjahu mit damals acht (!) Parteien in der Knesset. In Demokratien mit Mehrheitswahlrecht wie etwa den USA bildeten sich dagegen innerparteiliche Radikalisierungen, die dann über die sog. Tea Party-Bewegung, QAnon und MAGA schließlich auch die republikanische Partei (die GOP, “Grand Old Party”) von innen heraus radikalisierte. Bald wurden zur überparteilichen Zusammenarbeit bereite Moderate und auch Konservative als RINOs (Republicans In Name Only, Republikaner nur dem Namen nach) geschmäht und aus der Politik gedrängt.
Nachdem ich 2023 in Utah, USA den dortigen republikanischen Senator Mitt Romney gelobt hatte, ging ein wütender Shitstorm von Rechtsdualisten auf die universitären Veranstalter nieder – die gegen gemäßigte US-Republikaner und deutsche Christdemokraten noch viel größeren Hass empfinden als gegen US-Demokraten!
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/speaking-about-religion-law-at-a-conference-in-utah-usa/
Und einige Monate später wurde ich auch in Deutschland mit einem gelben Judenstern auf der Brust karikiert – von einem rechtsdrehenden Blog, der zuvor vor Gericht gegen mich wesentlich verloren hatte:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/mit-gelbem-juden-stern-markiert-als-superman-bildmontage-im-filmmengen-paradox/
Nicht nur aus der Theorie sehe ich, dass die dringenden Warnungen von Andreas Püttmann auch an meine Partei völlig berechtigt sind: Deutsche Rechtsdualisten und Faschisten wollen nicht, dass CDU und CSU jemals wieder erfolgreich werden – sie wollen und würden die Christdemokratie ebenso vernichten, wie die Nazis auch die DNVP und das katholische Zentrum vernichtet, zahlreiche dort aktive Politiker gefoltert und getötet haben. Der tapfere Christdemokrat Walter Lübcke (1953 – 2019) wurde bereits ermordet und immer mehr Demokratinnen und Demokraten werden entsprechend “markiert”.
1921 wurde übrigens bereits der deutsche Zentrums-Politiker Matthias Erzberger (1875 – 1921) ermordet, woran etwa die BW-Christdemokraten Erwin Teufel und Christoph Palmer immer wieder erinnerten. Mir scheint aber, dass heute kaum noch jemand auch in der Union noch etwas mit dem Namen Erzberger anzufangen weiß…
Und dieses intellektuelle Versagen sehe ich auch nicht nur Rechtsaußen: Dass ein Historiker wie Andreas Rödder im SPIEGEL über die “Brandmauer” und “offene Gesellschaft” als Lehren der NS-Geschichte einfach hinwegschreiben kann und dafür statt mit Widerspruch auch noch mit Applaus und einem Label als “Vordenker” rechnen darf, das macht mich mehr als besorgt, fast schon fassungslos. Aus der medial-politischen Sarrazin-Bruchlandung haben wohl auch einige Redakteure nichts gelernt – oder besser, nicht lernen wollen.
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/mit-den-kirchen-glaubwuerdig-gegen-geschichtsvergessenheit-und-verschwoerungsmythen/
Ich hoffe noch, die meisten dieser Leute wissen nicht, was sie da tun. Denn da beginnt die Unterscheidung zwischen Dummheit und Bosheit nach Bonhoeffer…
Koalitionsregierungen sind auch deshalb entstanden, weil von der allein regierenden Partei Fehler gemacht wurden. 1961 klammerte sich Konrad Adenauer mit 85 Jahren an den Posten des Bundeskanzlers. Die CDU verlor die absolute Mehrheit, weil Adenauer wegen des Baues der Berliner Mauer und seiner Reaktion darauf, in der Kritik stand.
Ganz genau. Und diese Regierung zerfiel dann auch gleich durch die SPIEGEL-Affäre und konnte erst durch eine Kabinettsumbildung noch einmal stabilisiert werden. Die Entscheidung für eine Parteien – Koalitionsregierung entstand auch von Seiten von CDU und CSU nicht aus einer Position der Stärke heraus, sondern weil Konrad Adenauer (1876 – 1967) damit seinen Verbleib im Amt sichern wollte. Dafür wurden die Abgeordneten des deutschen Bundestages durch einen Koalitionsvertrag mit der FDP geschwächt! Und da müssen wir uns schon fragen, warum das heute kaum noch jemand in Berlin auch nur weiß – und praktisch niemand eine Ahnung hat, dass demokratische Politik auch ganz anders, eben konkordant, organisiert sein könnte.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal darauf hinweisen, dass bis dahin überparteiliche Mehrheiten auch im deutschen Bundestag durchaus möglich waren. So kam das deutsch-israelische Luxemburger Abkommen 1952 gegen Nein-Stimmen aus der Union und FDP zustande, weil die SPD zustimmte!
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/das-luxemburger-abkommen-zwischen-israel-und-deutschland-und-seine-bedeutung-heute/
So starke und auch innerlich unabhängige Abgeordnete wie der zur Freiburger Schule zählende CDU-MdB Franz Böhm (1895 – 1977) sind heute kaum mehr denkbar. Selbst Leute, die wie Wolfgang Schäuble (1942 – 2023) diesen Bedeutungsverlust des Parlaments noch benennen, fallen mir kaum noch ein. Wie lange soll das bürokratische Wuchern und Scheitern von Parteien – Koalitionsverträgen denn noch weitergehen?
Bei der BTW 1983 zogen erstmals die Grünen in den Bundestag ein. Damit sind seither mindestens fünf Parteien (ich zähle die CSU separat) vertreten.
Ja & es gab lange Debatten, bis erst die SPD und dann auch die Union die Grünen als Koalitionspartner anerkannten. Entsprechend erfüllt es mich mit Sorge, dass nun auch von Christdemokraten die Grünen als “Hauptgegner” angegangen und gleichzeitig Türen zur faschistischen AfD geöffnet werden. Das ist m.E. nicht nur moralisch falsch, sondern auch politisch dumm. Die Grünen wären für eine Konkordanzregierung längst ausreichend demokratisch gefestigt, wogegen sich die AfD seit ihrer Gründung immer weiter in den Rechtsdualismus und Faschismus hinein radikalisiert hat!
Daher wage ich kein Urteil, was die Verfasser des GG wirklich im Sinn hatten.
Nun, ganz sicher hatten sie keine Demokratie im Sinne, die von wenigen Parteioberen in nichtöffentlichen Kommissionen gesteuert und dabei immer instabiler wird. Die Mütter und Väter des deutschen Grundgesetzes sahen sehr bewusst ein starkes Parlament, nur ihrem Gewissen verpflichtete Abgeordnete und das Verbot extremistischer Parteien vor. Und derzeit setzen wir in Deutschland nach meiner Wahrnehmung nichts mehr davon um.
Nun zur Schweiz: Welche Rolle spielt das Neutralitätsprinzip im Zusammenhang mit der Konkordanz? Ich finde es, nachdem ich das Video angesehen habe, doch schwierig diese Form der Regierung auf Deutschland zu übertragen. Wir müssen uns außen- und sicherheitspolitisch ganz anders aufstellen als die Schweiz.
Das finde ich faszinierend, weil es mir auch auf Mastodon immer wieder begegnet: Viele Deutsche scheinen noch instinktiv zu glauben, dass die Konkordanz wie eine Vorschrift funktioniert, nicht wie eine sich entwickelnde Kultur, also ein offener Prozess.
Tatsache ist, dass die Europäische Union selbst stark konkordant organisiert ist und auch die Schweiz selbst ein föderaler Staat ist. Es gibt keinerlei Hindernis dafür, dass eine Konkordanzdemokratie Mitglied in der EU, in Verteidigungsbündnissen und sonstigen, internationalen Verbünden sein kann.
Ebenso gibt es übrigens auch keine Vorschrift dafür, dass auch nichtdemokratische Parteien in die Konkordanzregierung eintreten dürften. Auch die Schweizer sog. “Zauberformel” ist eine Vereinbarung ohne Verfassungsrang. Sollte sich die schweizerische SVP von einer rechtspopulistischen zu einer faschistischen Partei verwandeln, so sähe ich sogar eine moralische Verpflichtung der anderen demokratischen Parteien, sie aus dem Schweizer Bundesrat auszuschließen. Denn Bundesräte werden ebenso von den Abgeordneten gewählt wie beispielsweise die Präsidien und Ausschussvorsitzenden des deutschen Bundestages. Und auch unsere deutsche Gerichtsbarkeit hat bereits deutlich gemacht, dass sich aus dem Grundgesetz gerade “keine” Verpflichtung ableiten lässt, bestimmte Personen dann auch zu wählen. Wäre dies anders, wäre der Parlamentarismus nach meiner Auffassung endgültig ad absurdum geführt.
Nehmen wir einmal an, wir bekämen eine Konkordanzregierung hin (evtl. unter Einschluss der Linken), sehe ich dennoch die Gefahr, dass die AfD noch stärker wird.
Ja, eine Konkordanzregierung verändert ja erst einmal nicht die Herzen und Köpfe der Wählerinnen und Wähler. Und wir hatten auch hier auf dem Blog ja schon den ersten Rechtsdualisten, der die Schweizer Konkordanzdemokratie widersinnig als “sozialistische Einheitspartei” geschmäht hat – wogegen sie wiederum Linksdualisten viel zu konservativ erscheint.
Meine Behauptung ist nicht, dass durch eine Konkordanzregierung wie durch einen Zauberspruch der Faschismus verschwindet. Sondern meine Beobachtung ist, dass die Schweizer Konkordanzdemokratie sowohl vor einem Jahrhundert wie auch heute die Machtergreifung von Faschisten verhindert hat. Diese geschah vor hundert Jahren in Italien, Österreich und Deutschland – nicht aber in der Schweiz. Und auch heute erweist sich die Schweiz als erkennbar stabiler als Italien, Österreich und Deutschland. Das ist keine Garantie, aber doch m.E. ein starkes Indiz. Und wenn es einer Merz-Klingbeil-Koalition doch noch gelingen sollte, das deutsche Volk in Begeisterung zu versetzen und die AfD zu halbieren, könnten wir die Option Konkordanzregierung ja auch wieder beiseite legen. Ehrlich gesagt kann ich dies jedoch derzeit noch nicht erkennen…
Ich habe den Eindruck, dass ein nicht kleiner Teil der Wählerschaft Stärke und ein gewisses Machtgehabe goutiert.
Genau dies! Und schlimmer noch: Sehr viele Deutsche können sich nicht einmal mehr vorstellen, dass demokratische Politik anders als durch Parteien – Konfrontationen und endlose Medien-Polarisierungen gestaltet werden kann. Wirklich freie Abgeordnete, öffentliche, inhaltliche Debatten im Parlament, echte Bürgerbeteiligung erscheinen immer mehr Menschen inzwischen undenkbar. Stattdessen dominiert die Vorstellung der sog. Nullsummenspiele (in der evolutionären Spieltheorie), die da lautet: Wenn einer gewinnt, muss ein anderer verlieren. Kompromisse sind Schwäche. Es muss endlich mal wieder einer aufräumen!
Und genau aus dieser konfrontativen Abwärts-Spirale kann eine Konkordanzdemokratie wieder herausfinden.
Welche Rolle spielt der Bundesrat? Immerhin gibt es in allen Bundesländern Koalitionsregierungen.
Ja, wunderbar! Zum einen könnte der Bundesrat in einer Konkordanzdemokratie viel stärker mitwirken – nicht zufällig ist eine ganze (leider fast immer leere) Sitzreihe im Bundestag dafür vorgesehen, auch Rederechte. Und selbstverständlich könnten sich auch in Bundesländern Konkordanz-, statt Koalitionsregierungen bilden. Übrigens ebenfalls innerhalb kürzester Zeit. Es bräuchte nur die Kennntnis davon und den Willen dazu.
Vielleicht gelänge es aber einer Regierung im Konkordanzmodell Zeit zu gewinnen, um endlich ein Verbotsverfahren die AfD betreffend auf den Weg zu bringen. Sie inhaltlich zu stellen, ist gescheitert.
Ja, schon die Floskel vom “inhaltlich stellen” verweist ja wiederum auf die konfrontative Logik. Als ob sich rechter, libertärer oder linker Dualismus jemals auf rationale und demokratische Argumente einlassen würden! Schon Hitler warnte angesichts des Scheiterns der antisemitischen “Alldeutschen” in Österreich ausdrücklich davor, dass sich Faschisten und Nationalsozialisten niemals auf die parlamentarische Logik einlassen dürften! Und sobald er an der Macht war, zerstörte er auch seine konservativen Koalitionspartner. Glauben wir wirklich, die Geschichtslehrer und Professoren in der AfD wüssten dies nicht? In meiner Landtags-Rede vom 9.11.2023 zitierte ich doch ausdrücklich Björn Höcke, der bereits angekündigt hatte, sogar AfD-Mitglieder “ausschwitzen” zu wollen! Wie deutlich brauchen wir Demokratinnen und Demokraten es denn noch?
Vor allem sehe ich mit Sorge auf die in 10 Monaten stattfindende Landtagswahl in Baden-Württemberg. Falls sich Herr Hagel und Herr Özdemir aneinander abarbeiten, freut sich Herr Frohnmaier.
Ich bin ja erstmal erleichtert, dass in Österreich trotz des zeitweisen Patzers der Neos noch einmal der FPÖ-Plan eines “Volkskanzlers” mit der ÖVP gescheitert ist und eine demokratische Koalitionsregierung zustande kam. Und ich kenne sowohl Manuel Hagel (CDU) wie auch Cem Özdemir (Grüne) persönlich und schätze beide als glaubwürdige Demokraten und integere Persönlichkeiten. Wenn ich sie einmal wiedertreffe, werde ich beide aber auch gerne fragen, ob sie das schweizerische Modell der Konkordanzregierung schon einmal mit ihren Leuten durchdacht haben. Denn wenn derzeit bei uns die Verhältnisse noch stabiler sind als im Bund, so wäre mir doch wohler, wenn die bessere Option auch in der Landespolitik bekannt wäre.
Ihnen herzlichen Dank für den erneut starken und anregenden Kommentar! 🌞🙏📚☕
@Konkordanzdemokratie
Das hilft vielleicht auch gegen die Lobbyisten. Die fossile Lobby fördert die Verbrennerautos, die Stromkonzerne versuchen die Energiewende möglichst teuer zu machen, die Pharmalobby macht Gesundheit zunehmen unbezahlbar, die Immobilienlobby fördert ungebremste Migration und die Bürokratenlobby verhindert eine schnelle Aufrüstung.
Am Ende überrollt Putin dieses dekadent gewordene Europa, während sich die Koalitionsregierungen mit ihrer Lobbyistenunterstützung weiter um sich selber drehen.
Einfach mehr wirklich ergebnisoffene Diskussionen in den Parlamenten, mitgetragen von Onlinediskussionen direkt mit den Wählern per Mastodon, könnte nachhaltigere Politik ermöglichen. Also sehr viel mehr Bürger mitnehmen und zugleich weiter in die Zukunft hinein wirksam werden.
Bleibt zu hoffen, dass die anlaufende Merzregierung dennoch Verantwortung zeigt, und trotzdem der Bedrohung durch Putin erfolgreich begegnet, die Energiewende weiterlaufen lässt und auch weitere Migration tatsächlich reduzieren kann.
Danke, @Tobias
Ja, Potentiale für ein besseres Sichtbar-Machen von Lobbyismus sehe ich in der Konkordanzdemokratie schon auch. Es ist doch fatal, dass die entscheidenden, politischen Verhandlungen in der Bundesrepublik von wenigen Parteioberen nichtöffentlich geführt werden und die vom Volk gewählten Abgeordneten dann dazu kaum noch etwas sagen oder fragen dürfen. Das ist doch zum Beispiel für fossilen Lobbyismus geradezu eine Einladung!
Generell gibt es aber legitimen wie auch notwendigen Lobbyismus in jeder Demokratie, also auch in der Schweiz. Dass etwa Wirtschafts- oder auch Mitweltschutzverbände, Gewerkschaften oder auch Kirchen, Religions- und Weltanschaungsgemeinschaften öffentlich sichtbar für ihre jeweiligen Positionen und Interessen werben, halte ich für völlig korrekt. Was nicht geht, sind nichtöffentliche Einflussnahmen, Bestechungen etwa durch Geld oder Jobzusagen, Desinformationskampagnen.
Ein wichtiger Unterschied zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz besteht zudem in der Judikative: Die Schweiz hat kein dem deutschen Bundesverfassunsgericht entsprechendes Gericht. So konnte in einigen Kantonen sehr lange das Frauenwahlrecht blockiert oder per Volksabstimmung auch ein Minarettverbot beschlossen werden. Gleich 1893 richtete sich eine antisemitisch konnotierte Volksabstimmung gegen das jüdische Schlachten (Schächten), wogegen die industrielle Massentierhaltung immer weiter ausgebaut wurde:
https://de.wikipedia.org/wiki/Eidgen%C3%B6ssische_Volksinitiative_%C2%ABf%C3%BCr_ein_Verbot_des_Schlachtens_ohne_vorherige_Bet%C3%A4ubung%C2%BB
Also auch hier noch einmal der Hinweis, dass Deutschland vom Schweizerischen Konkordanzmodell viel lernen, es aber nicht einfach kopieren sollte.
Bezüglich der Einhegung von problematischem Lobbyismus ist Felo.ai übrigens recht hoffnungsvoll!
Eine Konkordanzdemokratie könnte strukturelle Vorteile gegenüber einer Parteien-Koalitionsdemokratie bei der Bewältigung von Lobbyismus aufweisen. Ihr grundlegendes Prinzip, möglichst viele Akteure in den politischen Prozess einzubeziehen und Entscheidungen im Konsens zu treffen [15][37][51], steht im Kontrast zur stärker wettbewerbsorientierten Natur der Koalitionsdemokratie, in der Lobbyeinfluss oft konzentriert auf die Regierungsparteien oder Koalitionsverhandlungen wirkt [7][20]. Die Notwendigkeit, in Konkordanzsystemen breitere Kompromisse zu suchen und potenziell das Parlament stärker einzubinden [15], könnte einseitige Einflussnahme erschweren und eine transparentere, ausgewogenere Berücksichtigung verschiedener Interessen fördern, auch wenn sie nicht immun gegen problematischen Lobbyismus ist [1][24][33].
### Charakteristika von Konkordanz- und Koalitionsdemokratien im Kontext des Lobbyismus
**Konkordanzdemokratie**
Dieser Demokratietyp zielt darauf ab, eine möglichst große Zahl von Akteuren – Parteien, Verbände, Minderheiten, gesellschaftliche Gruppen – in den politischen Prozess zu integrieren [15][37]. Entscheidungen sollen durch Konsensfindung und Kompromisse getroffen werden, wobei die Mehrheitsregel weniger dominant ist [15]. Ein zentrales Merkmal ist das ständige Suchen nach Kompromissen, um Minderheiten einzubinden und möglichst alle politischen Kräfte zu vertreten [15]. Die Schweiz gilt als klassisches Beispiel für eine Konkordanzdemokratie, in der historisch auch Oppositionsparteien in die Regierung eingebunden wurden, um einen breiten Konsens zu sichern [7][15]. Dies geschah oft als politischer Kulturwandel, nicht zwingend durch Verfassungsänderungen [7].
**Parteien-Koalitionsdemokratie**
Diese Form basiert stärker auf dem Wettbewerb zwischen politischen Parteien [1][11][42]. Regierungen werden typischerweise durch Koalitionen gebildet, die nach Wahlen oft in nicht-öffentlichen Verhandlungen vereinbart werden [7][6]. Solche Koalitionsverträge können die Handlungsfreiheit der Abgeordneten der Regierungsfraktionen einschränken (Fraktionsdisziplin) [7]. Die Macht konzentriert sich tendenziell stärker auf die Regierungskoalition und die Exekutive [26]. Deutschland wird als Koalitionsdemokratie beschrieben, in der die Regierungsbildung durch die Pluralisierung der Parteienlandschaft komplexer geworden ist [8][43][6].
### Strukturelle Unterschiede in der Handhabung von Interessenvertretung
**Breitere Einbindung vs. Fokussierung auf Regierungsmacht**
Die Konkordanzdemokratie strebt explizit die Integration auch von Minderheiten und Opposition an [15]. Dies schafft potenziell mehr Zugangspunkte für eine Vielfalt von Interessen, über die Regierungsparteien hinaus. In Koalitionsdemokratien konzentriert sich Lobbyismus hingegen oft auf die Regierungsparteien, Ministerien und den Koalitionsausschuss, da hier die zentralen Entscheidungen getroffen oder vorbereitet werden [55][7]. Dies kann dazu führen, dass Interessen, die dort keinen privilegierten Zugang haben, benachteiligt werden [3][57].
**Rolle des Parlaments**
In Konkordanzdemokratien kann das Parlament eine stärkere Stellung gegenüber der Regierung haben, da sich die Regierung keiner festen Mehrheit sicher sein kann und diese für jedes Thema neu suchen muss [15]. Dies könnte Abgeordneten mehr Raum für unabhängige Entscheidungen und die Berücksichtigung verschiedener Lobbyargumente geben. In Koalitionsdemokratien sind Abgeordnete der Regierungsfraktionen oft stärker an Koalitionsverträge und Fraktionsdisziplin gebunden, was ihre Offenheit für abweichende Interessen oder Argumente einschränken kann [7].
**Konsenszwang vs. Mehrheitsentscheid**
Der Zwang zum Kompromiss und zur Konsensfindung in Konkordanzdemokratien [15][51] könnte dazu führen, dass extreme oder sehr einseitige Forderungen von Lobbygruppen weniger leicht durchsetzbar sind. Sie müssen tendenziell breiter akzeptabel gemacht werden. In Koalitionsdemokratien kann das Mehrheitsprinzip, insbesondere bei knappen Mehrheiten, die Durchsetzung von Partikularinteressen ermöglichen, wenn diese bei den entscheidenden Akteuren der Mehrheit Gehör finden [20][31][57].
### Potenzielle Auswirkungen auf Transparenz und Einflussnahme
**Sichtbarkeit von Einfluss**
Der Mechanismus der breiten Einbindung und Konsenssuche in Konkordanzdemokratien *könnte* dazu beitragen, dass Einflussversuche und die Berücksichtigung von Interessen sichtbarer werden müssen, um eine breite Zustimmung zu finden [15]. Dies steht im Gegensatz zu potenziell intransparenten Absprachen in Koalitionsverhandlungen [7] oder dem “Lobbyismus im Geheimen” [20][31][57], der in Koalitionsdemokratien oft kritisiert wird. Forderungen nach Transparenz, z.B. durch Lobbyregister oder einen “legislativen Fußabdruck”, werden zwar in beiden Systemen erhoben [2][55][59], doch die Grundstruktur der Konkordanzdemokratie *könnte* Transparenz prinzipiell begünstigen.
**Reduzierung von Ungleichgewichten?**
Lobbyismus wird oft dafür kritisiert, dass finanzstarke Akteure, insbesondere aus der Wirtschaft, überproportionalen Einfluss haben, während ressourcenschwächere Gruppen benachteiligt werden [3][28][55]. Das Ziel der Konkordanzdemokratie, eine möglichst große Zahl *unterschiedlicher* Akteure einzubeziehen [15], *könnte* dieses strukturelle Ungleichgewicht tendenziell eher abmildern als Systeme, in denen der Zugang stark von Ressourcen und persönlichen Kontakten zur Regierungsmacht abhängt [3][57]. Die Notwendigkeit, auch Minderheiten und kleinere Gruppen zu integrieren [15], schafft potenziell bessere Chancen für deren Interessenvertretung.
**Kultur des Ausgleichs vs. Konfrontation**
Die Betonung von Übereinstimmung (Konkordanz) und Kompromiss [15][37][51] *könnte* eine Kultur der Interessenvertretung fördern, die stärker auf Dialog, Ausgleich und die Suche nach gemeinsamen Lösungen ausgerichtet ist. Dies steht im Kontrast zu Demokratiemodellen, die stärker auf Konkurrenz [1] und der Durchsetzung von Interessen durch Macht und Ressourcen basieren [3][28], was zu konfrontativeren Lobbying-Strategien führen kann.
### Herausforderungen und Grenzen
**Risiko der Depolitisierung und Intransparenz**
Konkordanzdemokratien sind keine Garantie für eine perfekte Handhabung von Lobbyismus. Der schwächere Wettbewerb kann auch zu Depolitisierung führen [1][33]. Auch in Konkordanzsystemen gibt es Lobbyismus, und Transparenz ist nicht automatisch gegeben [18][30]. Es gibt Beispiele, wo konkordanzdemokratische Strukturen auch zur Gewaltneigung beigetragen haben (z.B. Libanon [24]). Regulierungsmechanismen wie verbindliche Lobbyregister [2][59] oder Karenzzeiten für Politikerwechsel [13] bleiben auch hier wichtig.
**Effizienz**
Der Prozess der Konsensfindung unter Einbeziehung vieler Akteure kann langwierig und komplex sein, was die Entscheidungsfindung potenziell verlangsamt.
**Strukturelle Machtgefälle**
Auch in Konkordanzdemokratien können strukturelle Machtungleichgewichte bestehen bleiben, etwa zugunsten etablierter Wirtschaftsakteure [3][28]. Die reine Struktur garantiert keine vollständige Gleichheit der Einflusschancen.
### Fazit
Die theoretischen Merkmale einer Konkordanzdemokratie – breite Inklusion verschiedener Akteure, Konsensorientierung statt reiner Mehrheitsherrschaft und eine potenziell stärkere Rolle des Parlaments – bieten strukturelle Anknüpfungspunkte, um problematischen Aspekten des Lobbyismus entgegenzuwirken. Insbesondere die Notwendigkeit, breitere Kompromisse zu finden [15], könnte einseitige Einflussnahme durch mächtige Interessengruppen erschweren und eine ausgewogenere Berücksichtigung gesellschaftlicher Anliegen fördern, als dies in Parteien-Koalitionsdemokratien, wo der Zugang zur Regierungsmacht oft entscheidend ist [7][57], der Fall sein mag. Allerdings ist die Konkordanzdemokratie kein Allheilmittel; sie birgt eigene Risiken [1][33] und erfordert ebenfalls klare Regeln und Transparenzmechanismen [2][59], um sicherzustellen, dass der Einfluss von Interessengruppen demokratisch und gemeinwohlorientiert bleibt.
[1] https://www.demokratiezentrum.org/bildung/ressourcen/themenmodule/demokratiemodelle/konkurrenz-und-konkordanzdemokratie/
[2] https://www.bpb.de/themen/wirtschaft/lobbyismus/288510/einleitung-lobbyismus-und-demokratie/
[3] https://www.lobbycontrol.de/ueber-uns/lobbyismus-hoehlt-die-demokratie-aus-zehn-thesen/
[4] https://www.studysmarter.de/schule/politik/parteien/parteien-und-lobbyismus/
[5] https://www.bpb.de/themen/wirtschaft/lobbyismus/287511/fallbeispiele-und-problemfelder/
[6] https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/17737/konkordanzdemokratie/
[7] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-konkordanzdemokratie-der-schweiz-in-einem-sympathischen-video-erklaert/
[8] https://www.nomos-shop.de/de/p/die-deutsche-koalitionsdemokratie-vor-der-bundestagswahl-2013-gr-978-3-8329-7728-3
[9] https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/marco-buschmann/fragen-antworten/wieso-sind-wahlprogramme-nicht-verpflichtend-bzw-keine-pflicht
[10] https://www.duncker-humblot.de/einzelheft/staat-2-2014-387/?page_id=1
[11] https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-90598-3_2
[12] https://www.lpb-bw.de/lobbyismus
[13] https://www.br.de/puls/themen/welt/pro-contra-lobbyismus-100.html
[14] https://regierungsforschung.de/interessenvertretung-und-lobbyismus-aus-der-sicht-der-ministerialbuerokratie-erfahrungen-aus-dem-bereich-medienpolitik/
[15] https://de.wikipedia.org/wiki/Konkordanzdemokratie
[16] https://link.springer.com/article/10.1007/s12286-024-00614-x
[17] https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-18932-1_15
[18] https://verfassungsblog.de/lobbyrg/
[19] https://lobbypedia.de/wiki/Lobbyismus
[20] https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/netzdebatte/211577/contra-lobbyismus-im-geheimen-schadet-der-demokratie/
[21] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/lobbyismus-bundestag-minister-abgeordnete-kontakte-100.html
[22] https://www.nomos-elibrary.de/de/10.5771/9783845292892.pdf?download_full_pdf=1
[23] https://www.lobbycontrol.de/aus-der-lobbywelt/parteiencheck-zur-bundestagswahl-34917/
[24] https://www.nomos-shop.de/de/p/verfassung-im-kraftfeld-von-krieg-und-frieden-gr-978-3-8329-3646-4
[25] https://www.lobbycontrol.de/reichtum-und-einfluss/die-macht-des-grossen-geldes-lobbyismus-und-grossspenden-im-wahlkampf-92921/
[26] https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-531-91355-1
[27] https://www.zew.de/publikationen/wie-der-einfluss-von-lobbyismus-auf-die-politik-in-deutschland-und-der-eu-wahrgenommen-wird
[28] https://www.lobbycontrol.de/reichtum-und-einfluss/lobbyismus-in-deutschland-und-europa-die-machtfrage-37163/
[29] https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783845239163-423.pdf?download_full_pdf=1
[30] https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/978-3-531-94070-0_3
[31] https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/netzdebatte/211577/contra-lobbyismus-im-geheimen-schadet-der-demokratie/
[32] https://www.studysmarter.de/schule/politik/parteien/parteien-und-lobbyismus/
[33] https://www.demokratiezentrum.org/bildung/ressourcen/themenmodule/demokratiemodelle/konkurrenz-und-konkordanzdemokratie/
[34] https://www.tierschutzpartei.de/mensch/anti-lobby-politik/
[35] https://www.abgeordnetenwatch.de/recherchen/lobbyismus/lobbyismus-auf-parteitagen-das-sind-die-sponsorinnen-der-parteien
[36] https://www.bpb.de/themen/wirtschaft/lobbyismus/288510/einleitung-lobbyismus-und-demokratie/
[37] https://de.wikipedia.org/wiki/Konkordanzdemokratie
[38] https://www.lpb-bw.de/lobbyismus
[39] https://www.lobbycontrol.de/reichtum-und-einfluss/die-macht-des-grossen-geldes-lobbyismus-und-grossspenden-im-wahlkampf-92921/
[40] https://regierungsforschung.de/interessenvertretung-und-lobbyismus-aus-der-sicht-der-ministerialbuerokratie-erfahrungen-aus-dem-bereich-medienpolitik/
[41] https://www.nomos-shop.de/de/p/konkordanzdemokratie-gr-978-3-8329-7066-6
[42] https://www.zeitschriftwiso.at/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=75&token=d68e40e6772976762d2c8c8716ddea8ddc892af9
[43] https://www.nomos-shop.de/de/p/die-deutsche-koalitionsdemokratie-vor-der-bundestagswahl-2013-gr-978-3-8329-7728-3
[44] https://www.lobbycontrol.de/aus-der-lobbywelt/parteiencheck-zur-bundestagswahl-34917/
[45] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-konkordanzdemokratie-der-schweiz-in-einem-sympathischen-video-erklaert/
[46] https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-04125-0_41-2
[47] https://www.bpb.de/themen/wirtschaft/lobbyismus/287511/fallbeispiele-und-problemfelder/
[48] https://lobbypedia.de/wiki/Parteienfinanzierung
[49] https://www.transparency.de/publikationen/detail/article/interessen-offen-legen-lobbyismus-regeln
[50] https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-90598-3_2
[51] https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/17737/konkordanzdemokratie/
[52] https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-91075-8_14
[53] https://www.br.de/puls/themen/welt/pro-contra-lobbyismus-100.html
[54] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/lobbyismus-bundestag-minister-abgeordnete-kontakte-100.html
[55] https://www.bpb.de/themen/wirtschaft/lobbyismus/288510/einleitung-lobbyismus-und-demokratie/
[56] https://www.lobbycontrol.de/reichtum-und-einfluss/lobbyismus-in-deutschland-und-europa-die-machtfrage-37163/
[57] https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/netzdebatte/211577/contra-lobbyismus-im-geheimen-schadet-der-demokratie/
[58] https://www.lobbycontrol.de/aus-der-lobbywelt/parteiencheck-zur-bundestagswahl-34917/
[59] https://www.transparency.de/publikationen/detail/article/interessen-offen-legen-lobbyismus-regeln
[60] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/lobbyismus-bundestag-minister-abgeordnete-kontakte-100.html
Hätten wir denn überhaupt das für eine Konkordanzdemokratie notwendige politische Personal? Mir scheint, dass die zur Wahl stehenden Personen weniger anhand ihrer Eignung für die inhaltliche Gesetzesarbeit als anhand der Nützlichkeit für den Koalitionspartikularismus vorselektiert werden.
(Ich will Ihren Vorschlag nicht schlechtreden. Aber mich interessiert, was mögliche Herausforderungen wären.)
Ich kann mir sogar gut vorstellen, dass eine Partei, die mit dem Ziel einer Konkordanzregierung in den Wahlkampf zieht, einen erheblichen Schub in der Wählergunst erhalten würde. Es gibt aktuell eine große Sehnsucht nach politischer Erneuerung. Ich halte es sogar paradoxerweise für möglich, dass dies auch für einen Teil der AfD-Wähler anziehend wäre, und zwar denjenigen Teil, der eine solche Erneuerung sucht und dabei die rechtsextreme Ausrichtung der AfD im Sinne der bonhoefferschen Dummheit konsequent leugnet.
Ja, @Bernd – auch ich erlebe es so, dass die meisten Deutschen die Parteien – Koalitionsverträge mit folgender „Fraktionsdiziplin“ gründlich satt haben und sich für ein echtes Parlament mit selbstbewussten Abgeordneten begeistern würden.
Wenn ich schon lesen muss, dass die Koaöitionsparteien eine „Rentenkommission“ einsetzen wollen… 😣 Warum? Wir haben Hunderte Mitglieder des Bundestages mit unterschiedlichster Expertise, persönlichen Mitarbeitenden, Fraktionsmitarbeitenden und einer funktionierenden Bundestagsverwaltung! Die Abgeordneten sollten selbst die Beratungen starten, Verbände und Expertinnen anhören, Bürgerbeteiligungen (Veranstaltungen, Foren, Befragungen) starten und mehrere Modelle im Bundestag debattieren! Laut unserem Grundgesetz wird niemand anderes als das Parlament über die Rentengesetze entscheiden! Und da wollen sich die Abgeordneten von irgendwelchen nichtgewählten Kommissionen mit haufenweise Lobbyisten eine Vorlage erstellen lassen, denen sie dann unter „Fraktionsdisziplin“ zustimmen müssen? Wie tief lassen sich unsere Gewählten eigentlich noch demütigen?
Nach meiner Erfahrung gibt es hervorragende und auch mutige Leute in allen demokratischen Parteien. Aber niemand weiß mehr, dass auch das deutsche Grundgesetz nur eine „Mitwirkung“ der Parteien, aber keine außerparlamentarischen Knebelverträge vorgesehen hat! Selbst in Diskussionen dieser Tage begegnen mir immer noch Leute, die sich gar nicht mehr vorstellen können, dass eine Konkordanzregierung ohne Koslitionsvertrag, aber mit echtem Parlament und Bürgerbeteiligung möglich ist!
Habe heute darüber auch mit Prof. Dr. Inan Ince und Monica Wüllner vom CDU-Bundesvorstand in Folge 37 von „Blume & Ince“ gesprochen:
https://blumeundince.podigee.io/40-wuellner-cdu-cda
Ich bin wirklich gespannt, was passiert, wenn sich die Option einer Kobkordanzregierung unter politisch und medial Aktiven langsam herumzusprechen beginnt… 😊 Unser Grundgesetz und die Landesverfassungen, viele unserer Kommunen und auch Strukturen der Europäischen Union erlauben viel mehr Demokratie und Dialog, als sich die meisten derzeit noch vorstellen können. 🇩🇪🇪🇺🖖
Ministerpräsident Reiner Haseloff kritisiert die politische Unwucht im ÖRR. Und was fällt ihm ein? Ein Verharmlosen der Klimakrise und ihre “framen” als “linkes” Thema:
“„Es gibt Untersuchungen, die eindeutig zeigen, dass es da eine Unwucht gibt, und das ist ja auch offensichtlich“, sagte der Regierungschef. In Deutschland stehe die überwiegende Mehrheit der Menschen politisch in der Mitte oder rechts der Mitte. Ein wichtiges Thema sei für sie zum Beispiel die innere Sicherheit: „Wenn die Tagesschau wie gestern damit beginnt, dass wir in Europa die trockenste Zeit seit so und so vielen Jahren erleben, frage ich mich: Ist es das, was die Leute am meisten interessiert?“”
http://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/haseloff-kritisiert-politische-unwucht-im-öffentlich-rechtlichen-rundfunk/ar-AA1DFhvy?ocid=msedgntp&pc=LCTS&cvid=0554c11c320246d0bce2ab00438ce26d&ei=39
Ich frage mich immer, was ich in solchen Fällen tun soll. Eine mail an sein öffentliches Mail-Konto schreiben? Es wird ignoriert werden.
Lieber @Paul Stefan,
wie Du weißt, bin ich grundsätzlich ein großer Verfechter des ÖRR, habe für ihn sogar schon auf einer Demonstration gesprochen – war aber von der Performance beim letzten Bundestagswahlkampf enttäuscht, ja entsetzt:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/bundestagswahl-2025-ein-versagen-auch-der-oeffentlich-rechtlichen-medien/
Mehr denn je glaube ich daher, dass wir uns nicht mehr auf die sog. Massenmedien und deren Redaktionen verlassen sollten. Stattdessen sollten wir das Fediversum nach Kräften stärken und ausbauen – Blogs, Podcasts, Videocasts. Selbstverständlich arbeite ich in meiner beruflichen Funktion als Beauftragter auch gerne mit klassischen Medien wie Zeitungen oder dem SWR. Aber alleine schon unser Podcast “Verschwörungsfragen” hat in den bisher fünf Jahren seines Bestehens über 362 Tausend Downloads erreicht! Eine solche Reichweite und Thementiefe hätten mein Team und ich alleine mit klassischen Medien niemals erreichen können! Hier etwa die aktuelle Folge, ein Gespräch mit der IRGW-Vorstandssprecherin Prof. Barbara Traub:
https://verschwoerungsfragen.podigee.io/56-neue-episode
Und gerade heute haben wir im privaten Pod- und Videocast “Blume & Ince” die Gewerkschaftlerin Monica Wüllner vom CDU-Bundesvorstand und der CDA bei uns gehabt. Hier die Folge 37 als Videocast:
https://www.youtube.com/watch?v=11d1t4nJEK0
Also, lieber @Paul Stefan – sicher ist es weiterhin wichtig, auf Qualitätsmedien zu achten. Aber wir sollten uns auch langsam an den Gedanken gewöhnen, dass es keinen Weg zurück mehr gibt und die alten Massenmedien sich zunehmend den Themen der fossilen Konzernmedien annähern. Lass uns also gerade auch als europäische Demokratinnen und Demokraten nach Kräften des Fediversum stärken und zunehmend auch eigene Medien produzieren bzw. unterstützen und teilen.
Nicht Konkordanz, aber …
Gerade über Augsburg gelernt: Augsburg war im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation ab 1650 Paritätische Reichsstadt, in der wichtige Positionen doppelt besetzt wurden, also einmal katholisch und einmal protestantisch oder auch abwechselnd. Bemerkenswert nach dem 30-jährigen Krieg und gut für die Stadt und ihre Einwohner. Das wird immer noch am 8. August mit dem Hohen Friedensfest gefeiert.
Ja, @Harald Andresen – das ist ein hervorragendes Beispiel! Und tatsächlich sind bis heute viele deutsche Kommunalverfassungen sehr konkordant verfasst. Die Gemeinderäte arbeiten mit auch wechselnden Mehrheiten zusammen, die Bürgermeister / Dezernentinnen werden über Parteigrenzen hinweg besetzt. Und es funktioniert!
Das deutsche Grundgesetz kennt gar keine Parteien – Koalitionsverträge, die dann gewählte Abgeordnete entmündigen. Und ich hoffe sehr, dass sich endlich herumspricht, dass es schon jetzt sehr viel bessere, demokratische Optionen gibt. Eine Konkordanzregierung könnte innerhalb weniger Tage gebildet werden!
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/deutschland-kann-in-wenigen-tagen-eine-konkordanzregierung-statt-wachsendem-faschismus-bilden/
Also: Vielen Dank für den ermutigenden und treffenden Druko, @Harald Andresen! 🙂
@Michael 26.04. 14:51
„Generell gibt es aber legitimen wie auch notwendigen Lobbyismus in jeder Demokratie, also auch in der Schweiz.“
Ja sicher haben hier Verbände und vielleicht sogar große Firmen was zu sagen, das gehört eben auch in den parlamentarische Diskussion ganz klar dazu. Aber das muss eben öffentlich sein.
Und die Parlamentarier haben dann auch zu entscheiden, wo jetzt konkret das Gemeinwohl dabei bleibt. Auch gemäß ihre zugesicherten Gewissensfreiheit.
„Was nicht geht, sind nichtöffentliche Einflussnahmen, Bestechungen etwa durch Geld oder Jobzusagen, Desinformationskampagnen.“
Eben, dann, das ist einfach nur Korruption.
Und mit mehr Bürgerbeteiligung per Mastodon für alle Parlamentarier kann dann eben auch das Gemeinwohl deutlich besser ausgeleuchtet werden. Auch die zufällig berufenen Bürgerräte hätten durchaus was zu den aktuellen Themen zu sagen. Die Parlamentarier sind überwiegend besserverdienende Juristen und Beamte, und wohl zuweilen wenig informiert, wie schwierig die Lebenslage in den unteren Gehaltsklassen inzwischen geworden ist.
Steigende Mieten, Energiekosten, Lebensmittelpreise und Krankenversicherungsbeiträge, verursachen erhebliche Mehrkosten. Und zuviel Konkurrenz auf dem Niedriglohnsektor lassen sich auch mit 15 Euro Mindestlohn nur entschärfen, wenn der dann auch durchgesetzt werden kann.
Alternativ wäre eine wirklich unkompliziertere und einheitliche Zuverdienst/ Aufstockerregelung auch hilfreich, wenn eben der Mindestlohn dann de fakto einfach nicht bezahlt wird.
Weniger neue Zuwanderer wären hier allerdings vermutlich auch förderlich. Solange die nicht richtig Deutsch können, landen die gleich im Niedriglohnsektor, was sich auch nur über Jahre bessert, und selbst in der 2. Generation bleiben da noch Einige drauf hängen. Und die Mieten steigen mit weniger Zuwanderung dann auch weniger.
Ich habe prinzipiell nichts dagegen, Menschen in Not hier aufzunehmen, würde es allerdings sehr begrüßen, wenn hier die meisten Ukrainer und Syrer wieder in ihre Heimat zurückkehren könnten. Wer sich hier gut integriert und sich sogar aus dem Niedriglohnsektor herausgearbeitet hat, den können wir allerdings auch gerne dauerhaft behalten.
Einen gewisser Egoismus wäre hier m.E. zulässig. Man muss ja auch selber leben.
Danke für Deinen Druko, @Tobias
Demokratische Parteien sollten Orte der Vielfalt und Diskussion sein und gewählte Abgeordnete sollten selbstbewusst ihre Mandate ausüben, statt sich von bürokratischen Koalitionsverträgen und Fraktionsdisziplin herabwürdigen zu lassen. Aus meiner Sicht gehören etwa die dringend notwendigen Diskussionen über Demografie & Rente nicht in nichtöffentliche und willkürlich besetzte Parteikommissionen, sondern in den deutschen Bundestag, der die Gesetze dann auch zu beschließen hat!
Inan Ince & ich hatten zur Frage von demokratischer Kultur gestern die Gewerkschaftlerin Monica Wüllner von der CDA und dem CDU-Bundesvorstand zu Gast:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/blume-ince-37-monica-wuellner-von-cda-cdu-und-die-konkordanzregierung/
Auch hierbei sprach ich an, dass unser bundesdeutsches Grundgesetz sehr viel mehr Demokratie und Vielfalt vorsieht, als derzeit noch gelebt wird. Und ich freue mich, dass dies auch jeden Tag mehr Menschen erkennen.
@Tobias Jeckenburger
27.04.2025, 00:40 Uhr
Auch an der Stelle verdunstet das Vorgehen im Moment einfach.
Durchgesetzt werden kann er.
Bei Bürgergeldempfängern können wir auch durchsetzungsfähig bis zum Exzess sein.
Denke mal darüber nach warum das im Moment nicht so kommen wird. Vieleicht auch unter der Sicht die oben im Beitrag steht.