Die faszinierende Faszination für die Papstwahl-Konklave

Eilmeldungen jagen durch das Netz: Schwarzer Rauch quillt aus dem Schlot des Vatikan, im ersten Wahlgang hat noch kein möglicher Papst eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht.

Wahlen können so spannend sein, oder auch nicht. In den vergangenen Wochen war ich als Politikwissenschaftler entsetzt über das Desinteresse auch von Politik – Qualitätsmedien an den realen Konkordanz-Optionen unseres Grundgesetzes. Und heute früh antwortete ich @Hui Haunebuh:

Ich denke, wir haben in den letzten Wochen eine Umbruchphase in der Mediengeschichte erlebt: Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte beschrieben KI-Anwendungen die Optionen unseres Grundgesetzes besser als die Politik-Redaktionen auch der Qualitätsmedien. Ich hänge eine solche Erläuterung der Konkordanzdemokratie hier an und gebe zu: Ja, auch mich hat das erschüttert.

Wie nahezu alle anderen Konkurrenzdemokratien auch steht die Bundesrepublik Deutschland unter erheblichem Druck. So geht in Rumänien erneut ein Rechtsdualist als Favorit in die Präsidentschaft-Stichwahl des 18. Mai 2025.

Im zweiten Hauptfach – der Religionswissenschaft – kam ich freilich nicht darum herum, gleichzeitig zu staunen, wie intensiv die gleichen Medien aber über die Papstwahl-Konklave im Vatikanstaat in Rom berichteten. Und klar fragte ich mich: Wie ist diese Gleichzeitigkeit an Ignoranz und Interesse möglich?

Kardinäle beim Ritual in der Sixtinischen Kapelle vor dem Beginn der Konklave-Papstwahl 2025 in der Berichterstattung der Tagesschau vom 7. Mai 2025.

Sogar die ARD-Tagesschau berichtete nur verkürzt über die realen Wahloptionen des deutschen Grundgesetzes, aber mehrfach und ausführlich über die heute eröffnete Konklave zur Papstwahl in Rom. Foto: Michael Blume

Nun war ich selbst ja auch schon als evangelischer Christ und Wissenschaftler mehrfach im Vatikan, unter anderem bei dessen ersten Bloggertreffen. Und ich sehe drei Gründe für das stärkere, mediale Interesse an der Papstwahl, die ich hier gerne vor- und zur Diskussion stellen möchte.

1. Spannung: Deutschland ist leider seit dem ersten Union-FDP-Koalitionsvertrag 1961 zu einer Parteien – Konkurrenzdemokratie geworden, in dem die Abgeordneten des Bundestages und der Landtage der Fraktionsdisziplin unterworfen sind und nicht mehr frei abstimmen dürfen. Sogar seriöse Zeitungen halten daher inzwischen die Parteien – Koalitionsverhandlungen für allein entscheidend und die Wahl im Bundestag nur noch für ein mehr oder weniger langweiliges “Zeremoniell”. Abgeordnete, die nicht wie vorgeschrieben abstimmen, werden als “Abweichler” diffamiert. Dagegen sind die Kardinäle im Vatikan tatsächlich freier in ihrer Wahl und so entstehen allerhand Spekulationen um “Papabiles” (zum Papst Befähigte) und ein Narrativ der Spannung.

 Die Stuttgarter Zeitung meldete am Morgen des 6. Mai 2025 "Die schwarz-rote Regierung steht", darunter ein Bild der drei Parteivorsitzenden Markus Söder (CSU), Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD).

Die Stuttgarter Zeitung ging noch am Morgen des 6. Mai 2025 davon aus, dass die Regierung mit der Unterschrift der drei Parteivorsitzenden Markus Söder (CSU), Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD) unter den Koalitionsvertrag “steht” und bezeichnete die Kanzlerwahl im Bundestag als “Zeremoniell” in einer Reihe mit dem “Großen Zapfenstreich für den scheidenden Bundeskanzler”. Foto: Michael Blume

2. Weite der Zeit: Ob im Vatikan in Rom, im ezidischen Lalish in Kurdistan-Irak oder auch im kaiserlichen Himmelstempel in Beijing, China – auch ich erlebe geheiligte Orte auch unabhängig von meinem eigenen Glauben als intensiv zeitenthoben. Jahrhunderte und bisweilen gar Jahrtausende von Ritualen erzeugen eine Wahrnehmung von Ewigkeit, die auch als wohltuender Kontrast zu den Aufgeregtheiten des politischen Alltags erlebt wird. Mythologien, Rituale und Symbole modulieren die Erfahrung der Zeit in einer Weise, die auch anders- und nichtreligiöse Menschen anspricht.

Programmheft und Unterlagen zur Stiftungsrede von Dr. Michael Blume bei "40 Jahre Pädagogisch-Kulturelles Centrum Ehemalige Synagoge Freudental".

In der ehemaligen Synagoge Freudental sprach ich (auch) über die Bedeutung der Zeitspannen von 40, 80 und 120 Jahren in der Bibel. Während meiner Rede erreichte uns die Nachricht von der Freilassung israelischer Geiseln. Foto: Michael Blume

3. Gemeinschaft und Demografie: Aus gemeinsamen, religiösen Glaubenstraditionen erwachsen starke und häufig kinderreiche Gemeinschaften mit zolibatärer Geistlichkeit (römisch-katholisches Christentum, Buddhismus u.a.) oder auch mit Bildungsfamilien (Rabbiner- und evangelische Pfarrfamilien u.a.). Dagegen führt Säkularisierung immer wieder zur Individualisierung und zum demografischen Verebben.

Datentabelle, die einen linearen Zusammenhang von Gottesdienstbesuchen und durchschnittlicher Kinderzahl sowohl weltweit wie auch in Deutschland anzeigt aus dem "Homo religiosus"-Artikel von Dr. Michael Blume, Gehirn und Geist 2009. Die Überschrift dazu lautet: "Seid fruchtbar und mehret euch!" Je aktiver Menschen ihre Religion ausüben, desto mehr Kinder haben sie.Aus: Gehirn & Geist 04/2009, “Homo religiosus” von Dr. Michael Blume

Entsprechend der höheren Vernetzung und stärkeren Traditionsbildung können auch kleinere Religionsgemeinschaften eine enorme, gesellschaftliche Wirkung entfalten: Nur etwa vier Prozent der Japanerinnen und Japaner bezeichnen sich als (auch) christlich, aber neun der 65 Nachkriegs-Ministerpräsidenten (14%) waren Mitglieder einer christlichen Kirche. (Quelle: Economist, 19.04.2025, S. 43)

Fazit

Religiöse Wahlverfahren wie die Papstwahl-Konklave oder auch etwa die Suche nach der Reinkarnation eines weiteren Dalai Lama sind für um Aufmerksamkeit konkurrierende Medien sehr viel attraktiver, farbenfroher und spannender als die durch Parteivorsitzende bereits abgesprochenen Block-Abstimmungen von Konkurrenzdemokratien. Deswegen berichten Qualitätsmedien noch ausführlich und kundig aus Rom, während sie bei der Bundeskanzler-Wahl 2025 bereits von KI-Anwendungen an Sachkunde überboten wurden.

Mastodon-Post von Dr. Michael Blume am 30. April 2025 an die Tagesschau mit Hinweis zum Blogpost über die Grundgesetz-Option einer demokratischen Konkordanzregierung.

Mastodon-Post vom 30. April 2025, der die Tagesschau darauf hinweist, dass nach dem deutschen Grundgesetz einer demokratische Konkordanzregierung ohne Parteien – Koalitionsverträge jederzeit möglich bleibt. Screenshot: Michael Blume

Als Wissenschaftler und Wissenschaftsblogger werde ich mich dieser Aufmerksamkeitsökonomie freilich nicht beugen, sondern auch weniger nachgefragtes Wissen für jene bloggen, die interdisziplinär wissen wollen. Dazu zählen etwa die spannenden, vergleichenden Arbeiten des niederländisch-amerikanischen Politikwissenschaftlers Arend Lijphart zu Wahlsystemen, Konkurrenz- und Konkordanzdemokratien.

Das Buch "Thinking About Democracy. Power Sharing and majority rule in theory and practice" von Arend Lijphart.Das Buch “Thinking About Democracy. Power sharing and majority rule in theory and practice” von Arend Lijphart, 2008. Foto: Michael Blume

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

40 Kommentare

  1. Zwei andere Aspekte fallen mir noch spontan ein.

    1) So ein Konklave ist ein extrem seltenes Ereignis – bei mir z.B., obwohl nicht mehr wirklich jung, erst das dritte, das ich bewusst mitverfolge. Gleichzeitig ist es eben nicht nur farbenfrohes Entertainment, sondern stellt tatsächlich für vermutlich viele Jahre die Weichen, wo es hingeht mit der kath. Kirche.

    2) Man erfährt so gut wie nichts von den Diskussionen innerhalb des Konklaves, höchstens ein paar unbestätigte Gerüchte. Umso größer ist die Imagination, die Faszination und die Spannung, weil man wirklich nicht vorhersagen kann, wer da am Ende auf den Balkon geschoben wird, und warum.

    Beides ist für eine Demokratie gar nicht wünschenswert – weder der Seltenheitswert von kollegialen Entscheidungen noch die Intransparenz. Parlamente sind vielleicht langweiliger, aber mir trotzdem in der Politik lieber als einmal in 10 Jahren mit Rauchzeichen kommunizierende ältere Herren.

    • Zustimmung, @Hans – das meine ich ja mit dem Hinweis auf die Weite der Zeit. Auch der Begriff saeculum für „das Jahrhundert“ steht ja für die schnelle Jetztzeit im Gegensatz zur religiösen Zeit. Schon im pharaonischen Ägypten finden wir die Unterscheidung von Djet = religiöse Ewigkeit, Medium Stein und neheh = zyklischer Lebenszeit, Medium Lehn.

      Und auch da sehen wir die Faszination von Medien und auch Reisenden mit der Symbolwelt der nicht-alltäglichen Ewigkeit.

  2. Naja, intensiv haben die Medien schon auch über die Kanzlerwahl berichtet. Das heißt ja nicht, dass das gute Berichterstattung war.

    Von daher würde mich einmal interessieren, wie Leute aus der katholischen Religionswissenschaft die Qualität der Berichterstattung bewerten. Nicht, dass das alles nur ein Fall von Gell-Mann-Amnesie ist.

    • Danke, @Bernd – dazu nur ein kleiner Hinweis: Es gibt keine „katholische Religionswissenschaft“, sondern katholische Theologie. Die Religionswissenschaft selbst ist empirisch und also methodologisch agnostisch orientiert.

  3. Wie @Hans geschrieben hat, ist eine Papstwahl ein seltenes Ereignis.

    Historisch betrachtet, kann man die Wahl eines neuen Papstes daher nur bedingt mit einer deutschen Kanzlerwahl vergleichen.

    Zunächst wählen da nicht einmal 100 Kardinäle das Oberhaupt einer Kirche, der weltweit Milliarden Menschen angehören. Nicht zu vergessen, dass der Papst auch das Staatsoberhaupt des Vatikanstaates ist. Er bekleidet somit nicht nur ein religiöses sondern auch ein weltliches Amt. Bei der Wahl hat also die übergroße Mehrheit der Katholiken weltweit kein Mitwahlrecht.

    Die Wahl eines Kanzlers oder einer Kanzlerin im Deutschen Bundestag ist für die meisten eine reine Formsache – ohne zeremonielles Brimborium. Denn die Entscheidung darüber, wer dieses hohe Staatsamt einnimmt, haben die Wählerinnen und Wähler entschieden. Also im demokratischen Sinne Millionen von Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes.Das soll nicht heißen, dass nicht trotzdem eine Konkordanzregierung vorzuziehen wäre!

    Auch die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wurden “gewählt” – von einer Handvoll von Kurfürsten. Wie bei den damaligen Papstwahlen waren auch da häufig größere Geldsummen etc. im Spiel.

    Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden auch die Päpste gekrönt – mit der Tiara. Die wir in weltlicher Form bis heute auf den Köpfen von Königinnen, Prinzessinnen etc. sehen. Im Deutschen heißen diese übrigens Diadem, weil die Tiara für die Päpste “reserviert” war.

    Mit dem Begriff “Zeremoniell” tue ich mich schwer. Ganz bewusst ist bei uns die Wahl zum Bundespräsidenten beispielsweise ohne jedes – an die Monarchie erinnernde – Zeremoniell vorgesehen. Vielleicht schalten gerade deshalb Millionen Menschen auch in Deutschland ihr Fernsehgerät ein, wenn aus London “Trooping the Colour” übertragen wird oder nach über 70 Jahren wieder eine Königskrönung stattfindet.

    Sind Monarchien daher auch Teil der “Weite der Zeit”? Dennoch will ich keine Monarchie in Deutschland.

    • Vielen lieben Dank, @Marie H.

      Demokratietheoretisch ist ja durchaus spannend, dass die ersten Päpste als Bischöfe von Rom noch direkt vom Volk „gewählt“ und ausgerufen wurden. Erst später wurden sie durch Geistliche ausgewählt, mussten aber immer noch durch die Zustimmung (Akklamation) des Volkes bestätigt werden. Der zunehmende Abschluss – die Konklave – ging zum einen auf den Druck zur schnellen Einigung und zum Anderen auf die Abweisung externer Einflüsse zurück.

      Danke auch für Ihren spannenden Hinweis auf die englische Monarchie! Denn hier gibt es ja gar keine Wahl, sondern eine Thronfolge. Zugleich werden aber die englischen Monarchinnen und Monarchen auch (weitgehend zeremonielle) Oberhäupter der anglikanischen Church of England 🏴󠁧󠁢󠁥󠁮󠁧󠁿, wie umgekehrt der Papst auch Staatsoberhaupt des Vatikan 🇻🇦 wird. In beiden Fällen sehen wir also ein Verschränkung von kirchlicher Religion und staatlicher Zivilreligion.

      Gleichwohl bleibt auch die Berichterstattung über die japanischen Kaiserkrönungen hinter der Konklave zurück, obwohl auch hier Seltenheit, Zeremoniell bis hin zu einer neuen Zeitrechnung & Monarchie plus Staatsoberhaupt und Religion (Shintoismus, teilweise Buddhismus). Die internationale Demografie spielt für die mediale Relevanz eben doch auch eine starke Rolle.

      Nach dem Untergang des massenmörderischen und symbolisch pompös inszenierten Nationalsozialismus war die Entscheidung der Mütter und Väter des Grundgesetzes für eine nüchtern-zurückhaltende Zivilreligion in der neuen Bundesrepublik Deutschland 🇩🇪 m.E. völlig nachvollziehbar. Doch gerade deswegen würde ich mir Politik – Redaktionen wünschen, die auch größere Linien und Optionen aufzeigen, statt die Kanzlerwahlen nur als bürokratischen Vollzug einer zeitweisen Einigung von konkurrierenden Parteivorsitzenden darzustellen. Da wäre doch auch in unserem Grundgesetz und der Parlamentsgeschichte weit mehr Musik zu finden, meine ich. 😌🤔🇩🇪🇪🇺📚🖖

      • Worum es mir mit dem Hinweis auf die Monarchie ging, ist mein Eindruck, dass auch in den Politikredaktionen der Medien eine gewisse Oberflächlichkeit Einzug gehalten hat.

        Pomp und Pracht als Ausdruck eines Zeremoniells wie bei den von mir angeführten Ereignissen im britischen Königshaus. Diese Ereignisse liefern bunte Bilder. Eine Kanzlerwahl nicht.

        Der Einzug der Kardinäle in die Sixtinische Kapelle bringt ähnliche Bilder zustande.

        Es ist zwar spannend für die Medien, sich mit dem Konklave und seiner Geschichte zu beschäftigen – andererseits ist dies aber auch ein Zeichen dafür, dass man sich mit der anscheinend zu wenig unterhaltsamen Materie der Kanzlerwahl auseinandersetzt. Oder sich mit den Möglichkeiten beschäftigt, die das Grundgesetz beispielsweise bei einer Regierungsbildung – Konkordanz – bietet.

        Das Prinzip der Thronfolge ist ein sehr altes und passt eigentlich nicht in unsere Zeit. Aber die von den heute noch bestehenden europäischen Monarchien produzierten Bilder haben etwas von “Brot und Spiele” und sind – bei aller politischen und/oder religiösen Bedeutung – doch vor allem von einem großen Unterhaltungswert.

        Selbst der ÖRR hat ja – auf dem Gebiet der Unterhaltung – sich in den letzten Jahren sehr dem “Niveau” des sog. Privatfernsehens angenähert. Anscheinend aus Sicht von ARD/ZDF etc. mit “Erfolg”. Zum Bildungsauftrag des ÖRR würden auch – meine ich – die von Ihnen genannten “größeren Linien und Optionen” gehören. Doch ich befürchte, damit könnte man nur wenige Zuschauer erreichen. Quote ist leider auch für den ÖRR immer wichtiger geworden.

        Und in den Zeitungen? Wie viele Leserinnen und Leser würden über solche Artikel hinwegblättern?

  4. Die Erfahrung, dass über seltene Ereignisse ausführlicher berichtet wird als über solche, die häufiger auftreten, hängt auch mit dem Informationsgehalt eines Ereignisses zusammen. In der Informationstheorie wird das sogar quantitativ beschrieben. Seltene Ereignisse haben einen höheren Informationsgehalt. Ein Konklave findet seltener statt als eine Bundestagswahl.

  5. Hypnose der Macht: Menschen orientieren sich an Machtquellen, wie Blümchen an der Sonne. Ein Grund für das Chaos in Europa und Welt ist, dass die Sonne Amerikas untergeht, und wir in der Finsternis jedem Glühwürmchen folgen.

    Der Papst, die katholische Kirche, sind eher wie der Mond oder die Alpen oder der Rhein – ich muss ihn nicht anbeten. Ich kann davon halten, was ich will. Aber sie gehören zu der Ordnung der Dinge, dem Fundament meiner Welt, sind Teil der Landkarte, an der ich mich orientiere, und sich auch die Gesellschaft orientiert, sodass wir alle füreinander vorhersehbar sind und das Ganze in seinen gewohnten Bahnen läuft. Selbst wenn ich mich abwende, sind sie immer noch die Wand in meinem Rücken, bieten Schutz und Sicherheit. Sie sind Teil meiner Geschichte, des übermächtigen Schneepflugs, der mich durch die Zeit schiebt, des Fahrstuhlbodens, der mich in die Unendlichkeit trägt.

    Ich hätte vorgeschlagen, meine Freundin zum Papst zu wählen. Sie würde den ganzen Tag da oben auf dem Balkon hocken, Zigaretten rauchen, Kaffee trinken, man bräuchte nur hinauf zu schauen und dächte sich – der Papst ist da, der Papst ist ruhig, der Papst ist wie immer, alles ist gut.

    In unseren Köpfen gibt es nur einen Silberrücken, der die Welt erschafft. In der Wirklichkeit gibt es inzwischen viele Symbole, Tempelberg, Petersdom, Reichstag, Buckingham Palace, Eiffelturm, die Freiheitsstatue – all das sind die Nägel, die unsere Welt zusammenhalten, und die Honks, die in deren Pelz herumwieseln, sind allein deswegen Autoritätspersonen, weil ein großer Haufen Steine und die Masse der Horden, die sie repräsentieren, hinter ihnen stehen. Wenn wir sie ansehen, sehen wir immer noch den einen Vater, den einen Berg, um die sich unsere Welt dreht.

    Die Realität hat keine Chance gegen die Fantasie. Die Regierung muss sich tatsächlich an echten Problemen abplagen, an sich selbst, sie kann scheitern, sie kann Fehler machen, sie kann nie wirklich alle glücklich machen. Sie ist zum Menschlichen verdammt, zu dem Irdischen und Materiellen. Die AfD, die bloß das Maul aufreißt und Versprechungen macht, die Opposition, die nur herumnörgeln muss, haben deswegen Macht über die Seelen, weil sie keine Macht über die Körper haben und nichts beweisen müssen. Diese spirituelle Macht hat auch ein Papst.

    Ich rede ständig von einem König in Europa. Den Fürstchen der Zwergstaaten fehlt die weltliche Macht, die die Untertanen mit Brot und die spirituelle mit Strom versorgt, der Kaiser in Washington opfert die Soft Power, um sich als schmierige Seifenoper zu inszenieren, der Zar in Moskau ist ein durchgeknallter Massenmörder, der Papst und die Kirche sind zu klein und zu rückständig für eine Zeit, in der alle Religionen in Frieden zusammenleben müssen, unter Bedingungen, die die Kirche in 2000 Jahren noch nie erfahren hat. Aber es sind immer noch unsere Kirche und unser Papst, Symbole, die uns einen. Und damit sind sie auch für den Rest der Welt Symbole für Europa oder den Westen oder die gesamte Christenheit, sogar die Protestanten – je weiter sie geistig entfernt ist, desto mehr verschwimmt das alles zu einem Silberrücken am Horizont.

    Die Kirche kann nicht mehr das sein, was sie im Mittelalter war, der gemeinsame Druide der zerstrittenen Stammesfürsten, der dann doch für ein wenig Zurückhaltung, Kommunikation, Ordnung, Verständigung und Zusammenhalt sorgte. Weil uns die Identität fehlt, zerfallen wir in Kopfjägerstämme, Rassisten, Identitäre. Wir haben mit der Relideologie des Wertestaates, der Demokratie, der Toleranz, der Menschenrechte und des Friedens die bislang am höchsten entwickelte aller Religionen – doch weder die spirituelle noch die weltliche Kraft, sie am Leben zu erhalten.

    Der Papst – ist ein Sender im Radio. Wo ich ihn empfangen kann, weiß ich, dass ich zuhause bin. Auch wenn’s nicht meine Musikrichtung ist, wenn er nicht mehr sendet, habe ich mich in der Fremde verfahren.

  6. @Michael
    “…dass die ersten Päpste als Bischöfe von Rom noch direkt vom Volk „gewählt“ und ausgerufen wurden…”

    Interessant im Zusammenhang mit der in der Schweiz verwurzelten Konkordanz: Der sonst autoritär durchregierende Papst muss sich aus der Bischofswahl im schweizer Bistum St Gallen heraushalten (abgesehen von der Bestätigung des Gewählten), und es gibt auch eine Beteiligung des Kirchenvolks.

    Aus der Wikipedia:
    “Der Vorgang zur Wahl eines neuen Bischofs im Bistum St. Gallen ist einzigartig auf der Welt. Nach der Errichtungsbulle des Bistums St. Gallen (Instabilis rerum humanarum natura) liegt das Recht zur Bischofswahl beim Domkapitel. Dieses räumt den Gläubigen des Bistums Mitsprachemöglichkeit ein:

    Das Wahlverfahren begann bei der Bischofswahl 2006 mit einer breit angelegten Umfrage zum Bischofsamt. In 630 Eingaben wurden Wahl-Kriterien genannt und 40 Kandidaten vorgeschlagen.

    Daraus wurde vom Domkapitel eine Sechserliste erstellt, und im Vatikan geprüft und ans Domkapitel zurückgesandt. Die gewählten Laienvertreter der Pfarreien konnten dann die Liste begutachten und drei „minder genehme“ Kandidaten von der Liste streichen.

    Das Domkapitel wählt anschließend einen Bischof, welchen der Papst allerdings noch bestätigen muss”

    Konkordanz sogar bei den schweizer Katholiken!

      • .. ein US-Amerikaner, der mittlerweile aber eher in Rom sozialisierter Vatikan-Bürger ist und auch lange in Südamerika war.

        Oben habe ich geschrieben: “… Umso größer ist die Imagination, die Faszination und die Spannung, weil man wirklich nicht vorhersagen kann, wer da am Ende auf den Balkon geschoben wird, und warum….”

        Und tatsächlich war es wieder mal eher eine Überraschung (bei halbseidenen “Vorhersagemärkten” wie Polymarket lag Parolin noch kurz vor dem Habemus Papam bei 60%, Prevost bei 1-2% (; ).

        Aber es ergibt natürlich Sinn, das Warum wird jetzt schon ein wenig klar:

        Early days, aber ich denke, wir dürfen erwarten: Kontinuität mit Franziskus beim sozialen Engagement, Einsatz für die Benachteiligten und für den Frieden (darauf deutet schon der Name Leo). Das Thema “Synodalität” geht wohl auch irgendwie weiter, es ist keine Abkehr vom Franziskus-Kurs.

        Aber offenbar lag den Kardinälen auch daran, den konservativen und traditionellen Flügel zu besänftigen. Es wird mit Leo14 wahrscheinlich weniger kirchenrechtliches Hoppladihopp geben als mit Franziskus, der neue wird da mit sehr viel mehr Bedacht vorgehen; und sich wohl mehr ins vatikanische System fügen als der Rebell Franziskus. Das war auch optisch schon heute deutlich. Anders als Franziskus hat er sich wieder die traditionelle rote Mozetta übergeworfen, die Bergoglio in der Sixtina am Kleiderständer gelassen hatte. (;

        Für reformfreudige deutsche Katholiken könnte diese Wahl ein herber Dämpfer sein. Schnelle Reformen bei Zölibat, Frauenweihe, Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Beziehungen etc etc würde ich von Prevost/Leo eher nicht erwarten. Aber wer weiß, ich hoffe ich täusche mich. Päpste haben auch schon Überraschungen geliefert.

        • Vielen Dank, lieber @Hans! 🙏 Auch als evangelischer Christ und als Religionswissenschaftler freue ich mich über die überraschende Wahl und die Friedens-Namenswahl. Die Thesen zur Konklave-Faszination haben sich m.E. doch bestätigt. Habemus Papam!

          Dir Dank und eine gute Nacht! 💤

        • @Hans

          Die verschiedenen Kommentare, die ich in den Medien gelesen habe, gehen in die gleiche Richtung wie ihre Einschätzung.

          Leo XIV. sei ein Pragmatiker, ein Kompromiss. Er ist respektiert bei Reformern wie Konservativen. Man erwartet, dass er Franziskus’ Linie im sozialen wie Umweltbereich fortführt. Aber radikale demokratische Reformen wie z.B. die Frauenordination seien sehr unwahrscheinlich. Die Kardinäle würden sich zudem erhoffen, dass sich Leo XIV. als ehemaliges Mitglied der Kurie stärker um die Belange und Bedürfnisse des Vatikan kümmert und sie in Entscheidungen einbezieht und nicht wie Franziskus (dem das System wenig behagte) an ihnen vorbei agiert.

  7. Es wird sich bei der Ökumene in Deutschland vermutlich wenig ändern durch den neuen Papst.

    Bisher freut sich Trump über die Wahl – MAGA eher weniger. Sie haben die Tweets von Kardinal Prevost gefunden.

    Mal sehen, ob und wie Trump die Wahl zu seinen Zwecken propagandistisch ausnutzen wird.

    Leo XIV hat eine sehr klare Meinung zu Migranten. Ich weiß nicht, ob der katholische Bundesinnenminister diese teilt. Das neue Bundeskabinett scheint ja mehrheitlich katholisch zu sein.

    Als deutsche Protestantin habe ich keine besonderen Erwartungen.

    • Vielen Dank, @Marie H. 🙏

      Ich halte den neuen Papst für eine hoffnungsvolle Wahl: Als US-Amerikaner und Peruaner mit sozialem Gewissen symbolisiert der erste gesamt-amerikanische Pontifex ein Gegengewicht zum US-Thymokraten Donald Trump. Und mit der Wahl des „Friedensnamens“ Leo könnte auch ein diplomatisches Arbeiten avisiert sein.

      Bei allem Respekt für die römisch-katholische Kirche und ihre ökumenische & interreligiöse Theologie habe ich mich seinerzeit bewusst für die Taufe in die evangelische Landeskirche entschieden, weil hier Frauen und Männer gleichgestellt sind. Aus meiner Sicht sollten Kirchen und Religionsgemeinschaften die Diskriminierungen von Menschen nicht verlängern, sondern überwinden. Dennoch achte ich selbstverständlich auch die katholische Schwesterkirche samt der Geistlichkeit.

      • Kurze Anmerkung: Benedikt XV, der letzte Papst mit dem Namen Benedikt, bevor Kardinal Ratzinger Benedikt XVI wurde, ging auch als Friedenspapst in die Geschichte ein. Dessen Vorvorgänger war Leo XIII.

    • Vielen Dank für den Fund & Link, @Axel Krüger

      Beeindruckend fand ich u.a. seine Schilderung der guten Erfahrungen mit der Einbeziehung von zwei Ordensfrauen und einer Laiin in die Bewertung möglicher Bischöfe. Und sein generelles Plädoyer für mehr Basis-Beteiligung, ohne die negativen Elemente einer in Parteien gespaltenen Konkurrenzdemokratie zu übernehmen.

      „Seit einiger Zeit werden nicht nur einige Bischöfe oder Priester angehört, sondern auch andere Mitglieder des Volkes Gottes. Das ist sehr wichtig, denn der Bischof ist berufen, einer bestimmten Ortskirche zu dienen. Deshalb ist es auch wichtig, auf das Volk Gottes zu hören. Wenn ein Kandidat niemandem in seinem Volk bekannt ist, ist es schwierig – nicht unmöglich, aber schwierig – dass er wirklich Hirte einer Gemeinschaft, einer Ortskirche werden kann. Deshalb ist es wichtig, dass der Prozess ein wenig offener ist, um verschiedenen Mitgliedern der Gemeinschaft zuzuhören. Das bedeutet nicht, dass die Ortskirche ihren Hirten wählen muss, als ob die Berufung zum Bischof das Ergebnis einer demokratischen Abstimmung, eines fast ,politischen‘ Prozesses wäre. Es ist eine viel umfassendere Sichtweise erforderlich, und die Apostolischen Nuntiaturen sind dabei sehr hilfreich. Ich glaube, dass wir uns allmählich mehr öffnen und den Ordensleuten, den Laien, etwas stärker zuhören müssen.“

      Vielen Dank für den Link zum interessanten Interview mit dem damaligen Kardinal und heutigen Papst, @Axel Krüger! 🙏🇻🇦🖖

  8. Heute morgen postete Rainer Hepler auf Mastodon die erfreuliche Nachricht mit Link:

    Der neue Papst ist offensichtlich auch ein #solarpunk:

    https://www.byteseu.com/994464/

    Über das Engagement des damaligen Kardinals Robert Prevost und jetztigen Papstes Leo XIV. für die Anerkennung der Klimakrise und die Förderung erneuerbarer Friedensenergien freue ich sehr!

    Bizarr fand ich dagegen den Hinweis, dass US-Vizepräsident J.D. Vance offensichtlich sogar die Gratulation an den neuen Papst nationalistisch auflud. Laut Artikel postete er auf X:

    “Congratulations to Leo XIV, the first American Pope, on his election! I’m sure millions of American Catholics and other Christians will pray for his successful work leading the Church. May God bless him!”

    Die Ansage mit “first American Pope” ist natürlich eine Frechheit gegenüber dem gerade verstorbenen Papst Franziskus und allen Menschen in Südamerika. Denn der letzte Papst war als Argentinier ebenfalls bereits Amerikaner, eben Südamerikaner. Und der jetzige Papst hat neben der US-Staatsbürgerschaft auch jene von Peru.

    Die nationalistische Hybris, Nordamerika oder gar nur die USA als “das” gesamte Amerikan zu beanspruchen, sollte uns ernsthaft besorgen. Dass der neue Papst in seiner ersten Ansprache seine einstige, peruanische Diözese in Spanisch ansprach, aber nicht Englisch sprach, finde ich da schon bemerkenswert.

  9. @Marie
    ” Sie haben die Tweets von Kardinal Prevost gefunden.”

    Auch eine interessante Parallele:

    Leo14 ist der erste Papst, der zuvor selbst auf sozialen Medien aktiv war. (Den Twitter- Account “Pontifex” gibt es schon seit Benedikt, aber der wurde vom Presseteam betrieben).

    Sein Namensvorbild Leo13 war der erste Papst, der auf Filmaufnahmen zu sehen ist, und mit einem Geburtsjahr 1810 der am frühesten geborene Mensch überhaut, der filmisch festgehalten wurde.

    Überhaupt ist die Namenswahl “Leo” ein geschickter Schachzug:
    Reformer und “linke” Katholiken denken an die Enzyklika “Rerum novarum” von Leo13, die die Rechte der Arbeiter gegen einen überbordenden Kapitalismus verteidigt – das Gründungsdokument der katholischen Soziallehre.

    Leo13 war auch der Papst, der eine Sternwarte auf einem Hügel direkt hinter dem Petersdom bauen ließ, was er ganz bewusst mit der Botschaft verbunden hatte, dass sich die Kirche nicht vor den Erkenntnissen der Wissenschaft fürchten muss.

    Konservative und traditionsverliebte Katholiken finden bei Leo13 aber auch sehr viel, was ihnen gefallen dürfte: Leo13 schrieb dutzende Marien-Enzykliken, sein Verständnis des Papsttums war ziemlich restaurativ und theologisch eher “vormodern” (war ja auch noch lange vor them 2. Vatikanum).

    • Vielen Dank für die Hinweise, @Hans

      Gerne möchte ich noch darauf hinweisen, dass Papst Leo XIII. (1810 – 1903) einen apostolischen Sendbrief wider den “Amerikanismus” (!) verfasst hat. Testem Benevolentiae Nostrae wurde am 22. Januar 1899 veröffentlicht und liegt auf den Webseiten des Vatikan in Latein und Englisch vor:

      https://www.papalencyclicals.net/leo13/l13teste.htm

      From the foregoing it is manifest, beloved son, that we are not able to give approval to those views which, in their collective sense, are called by some “Americanism.” But if by this name are to be understood certain endowments of mind which belong to the American people, just as other characteristics belong to various other nations, and if, moreover, by it is designated your political condition and the laws and customs by which you are governed, there is no reason to take exception to the name. But if this is to be so understood that the doctrines which have been adverted to above are not only indicated, but exalted, there can be no manner of doubt that our venerable brethren, the bishops of America, would be the first to repudiate and condemn it as being most injurious to themselves and to their country. For it would give rise to the suspicion that there are among you some who conceive and would have the Church in America to be different from what it is in the rest of the world.

      But the true church is one, as by unity of doctrine, so by unity of government, and she is catholic also. Since God has placed the center and foundation of unity in the chair of Blessed Peter, she is rightly called the Roman Church, for “where Peter is, there is the church.” Wherefore, if anybody wishes to be considered a real Catholic, he ought to be able to say from his heart the selfsame words which Jerome addressed to Pope Damasus: “I, acknowledging no other leader than Christ, am bound in fellowship with Your Holiness; that is, with the chair of Peter. I know that the church was built upon him as its rock, and that whosoever gathereth not with you, scattereth.”

      We having thought it fitting, beloved son, in view of your high office, that this letter should be addressed specially to you. It will also be our care to see that copies are sent to the bishops of the United States, testifying again that love by which we embrace your whole country, a country which in past times has done so much for the cause of religion, and which will by the Divine assistance continue to do still greater things. To you, and to all the faithful of America, we grant most lovingly, as a pledge of Divine assistance, our apostolic benediction.

      Given at Rome, from St. Peter’s, the 22nd day of January, 1899, and the twenty-first of our pontificate.

      Leo XIII

      Die Weigerung des neuen Papstes Leo XIV., zu seiner Amtseinführung auch Englisch bzw. Amerikanisch zu sprechen, erscheint vor diesem Hintergrund noch einmal in neuem Lichte. Mir scheint, dass wir eine auch theologisch und religionswissenschaftlich spannende Amtszeit eines neuen Löwen-Papstes zu erwarten haben…

  10. @Michael 07.05. 08:47 / Felo.ai

    „Mir scheint, dass wir eine auch theologisch und religionswissenschaftlich spannende Amtszeit eines neuen Löwen-Papstes zu erwarten haben…“

    Diese Kirche bewegt sich nur langsam. Wenn man aber erst mal verstanden hat, dass die Zugänge zu Geisteswelten nicht von Pfaffen und Kirchen hergestellt werden, sondern von den Geisteswelten selbst, dann kann man hier diese Veranstaltungen ziemlich links liegen lassen.

    Statt Maria 2.0 empfehle ich daher vorerst Maria 0.0, bis in dieser Kirche Gleichberechtigung einzieht.

    Was nicht heißt, dass ich an Theologie kein Interesse hätte. Aber die Wissenschaft braucht doch auch keine ausgesprochene Verwaltung samt Verwaltungschef. Hier reichen doch die Regeln, an die sich Wissenschaftler halten. Und doch entwickeln sich zuverlässig Dialoge, die zu fundierten Theorien zusammenwachsen können.

  11. @Michael die USA sind eine große, bedeutende und zu respektierende Nation, aber sie stehen nicht über allen anderen Nationen und schon gar nicht über dem Christentum. Insofern wurde an den Amerikanismus-Hecker-Debatten auch in Frankreich, Deutschland und Italien das Verhältnis zwischen transnationaler Religion und nationaler Zivilreligion austariert. Und das ist bis heute relevant, glaube ich.

    Ok, wenn man diesen Aspekt herausgreift, ist diese alte Debatte [die ich zugegeben nur seeeehr oberflächlich per engl. Wikipedia angeguckt habe – für tieferes Einsteigen fehlt mir da gerade die Muße (; ] vielleicht wirklich noch aktuell. Aber über diese noch aktuellen Aspekte legt sich in dem alten Leo-Brief wie Mehltau der absolute Machtanspruch des Papstes, zumindest ist das mein erster Eindruck (“wo Petrus ist, da ist die Kirche”) – und den sollten wir im 19. Jahrhundert lassen.


    “the true church is one, as by unity of doctrine, so by unity of government”

    So eine Haltung wäre auch das Ende für den dt. synodalen Weg. Roma locuta causa finita.

  12. @Michael 09.05. 17:59

    „Im Hinblick auf “die Zugänge von Geisteswelten” sollte also m.E. niemand an dem großen Erfahrungs- und Erkenntnisschatz der römisch-katholischen Kirche von Dogmatik bis Mystik vorbeigehen.“

    Mag ja sein, dass man auch mit Katholischer Theologie Zugänge zu Geisteswelten finden kann. Kann ich schwer beurteilen, ich habe sie eben nicht studiert.

    Mir ist schon die Bibel zu monströs. Ich bin da auf der Suche nach einfacheren Zugängen.

    Inhaltlich bin ich auch wenig begeistert von Geisteswelten, in denen es an menschenartig gedachten Geisteswesen nur so wimmelt, inclusive einem Obergott, der auch noch eher menschlich gedacht wird. Wie soll man denn da Frieden finden? Und wo bleiben die Tiere, haben die denn keine Seele?

    Und wo bleiben die kosmischen Weiten mit abermilliarden Galaxien mit jeweils hunderten Milliarden Exoplaneten, eine Weite des Kosmos, wovon dieser unserer Planet sicher nicht das Zentrum ist. Und der Mensch eben höchstwahrscheinlich auch nicht das am höchsten entwickelte Lebewesen ist.

    Immerhin ist man auf dem richtigen Weg, was die gegenseitige Akzeptanz aller abrahamitischen Religionen betrifft. Naturreligionen oder Taoismus finde ich aber auch interessant, und an der Inklusion von Atheisten aller Art kommen wir eigentlich auch nicht vorbei.

    Weiterführend und vor allem wirklich unkompliziert scheint mir hier der Panpsychismus zu sein. Der schließt erst mal die Tiere mit ein, und ist am Ende auch beliebig skalierbar. Insbesondere kann er die Basis bieten, auch weiterentwickelter KI ein eigenes Innenleben zu verschaffen.

    Es könnte ja nun Zivilisationen in unserer Galaxis geben, die schon hunderte Jahrmillionen Weiterentwicklung hinter sich haben. Selbst da könnte der Panpsychismus noch weiterhelfen. Die katholische Theologie wohl eher nicht. Oder doch? Sagt der Vatikan was zu diesem Thema? Das fände ich jetzt spannend.

  13. @Michael 10.05. 14:36 / Felo.ai

    „Blume schätzt insbesondere den Ansatz von Papst Franziskus, die Sorge um die Schöpfung als universelles Anliegen darzustellen, das über konfessionelle Grenzen hinausgeht“

    Interessant, ich wusste gar nicht, wie ernst es Papst Franziskus mit diesem Thema gemeint hat. Dem kann ich nur zustimmen.

    „…dass ich auch im Hinblick auf die Emergenz von Bewusstsein bei Tieren bewusst vegetarisch sowie als Solarpunk lebe und lieber von Mitwelt als nur von Umwelt schreibe.“

    Auch nachvollziehbar, aber nicht zwingend, finde ich. Der Mensch ist ein Allesfresser mit gewissem Raubtieranteil, und ich sehe hierin auch kein grundlegendes Problem. Insbesondere wenn ich sowieso Hühner halte, damit ich Eier hab, dann kann ich auch die Hühner dann am Ende essen. Dasselbe gilt für Kühe und Bullen, die primär vor allem Milch geben sollen. Es wäre einfach Verschwendung, das Fleisch dieser Tiere nicht zu essen.

    Und wenn ich Reste und Überschüsse habe, dann kann ich auch noch ein paar Schweine halten.

    Klar ist es hart, die Tiere dafür töten zu müssen. Aber es schmeckt mir einfach zu gut. Tiere haben auch ihre Seele, und sind zu respektieren. Menschen sind sie aber nicht. Fressen und Gefressen werden ist im Leben grundlegend. Das ist nichts Böses, wenn es den Tieren zu Lebzeiten gut geht. Meine ich.

    Weniger ist hier in der Tat mehr. Das meinte ja auch Franziskus, Verschwendung ist es nicht, die sollten wir echt weglassen. Kleine Autos und kleine Wohnungen tun es auch, und auch allerhand Anderes. Das ist nicht nur ökologisch wirksam, es spart auch Arbeitsaufwand bei allen Beteiligten, da bleibt mehr Zeit für Spiritualität und auch für mehr Kindersegen.

    Und für die Energiewende, für Aufrüstung und für Infrastruktur auch noch.

  14. @Michael 11.05. 01:11

    „Ich halte nicht jeden Verzehr von Tierfleisch an sich, sondern erst den Verzehr von Tierfleisch aus industrieller Massentierhaltung für unethisch, Mitwelt-schädlich, für verschwenderisch und auch emotional und spirituell toxisch.“

    Im Prinzip kann ich dem zustimmen. Das Fleisch, dass hier im Dortmunder Biosupermarkt angeboten wird übersteigt allerdings meine finanziellen Möglichkeiten. Diese astronomischen Preise sind allerdings nur im geringen Maße auf bessere Haltungsbedingungen zurückzuführen, sondern vor allem durch Minischlachthöfe und Verkauf in wenigen ziemlich kleinen Läden, wo auch noch überwiegend Vegetarier einkaufen.

    Wären nur die Haltungsbedingungen richtig gut, die Schlachtung, Zerlegung, Transport und der Verkauf aber weiterhin Massenware, dann rechne ich hier mit Mehrkosten unter 20 %. Das würde ich mir dann sofort leisten. Zumal mit besseren Haltungsbedingungen wie auch mit einer schonenden Schlachtung auch die Fleischqualität um Einiges besser würde.

    Hier habe ich durchaus eigene Erfahrungen. Meine Eltern hielten noch selbst Kaninchen, Tauben, Fasane, und auch mal Enten und Gänse. Das machte einiges an Arbeit, und das Schlachten war durchaus nicht angenehm, aber die Qualität war dann am Ende wirklich gut.

    Ich selber habe Ende der 80er ein paar Jahre auf dem Land gewohnt, und habe da dann auch Hühner gehalten. Das waren übriggeblieben Hähnchen aus der Massentierhaltung, die uns der Bauer in der Nachbarschaft alle 2 Monate vorbeibrachte. Immer so etwa 20 Stück. Die konnten bei uns dann dann noch mal richtig leben, und draußen in der Sonne Staubbäder nehmen. Bis wir sie dann nach 2 oder 3 Monaten dann doch geschlachtet und verzehrt haben. Und die schmeckten echt gut.

    Interessant hierbei war, dass diese Hähnchen Riesenzüchtungen waren, die schon nach 6 Wochen Mast geschlachtet wurden, wo sie eigentlich noch Küken waren. Bei uns wurden die dann richtig riesig und kamen auf Schlachtgewichte von über 5 Kg.

    Das ist wirklich kein Leben für die Tiere zu Zehntausenden im Stall, wo sie ihr Leben lang nie die Sonne sehen. Bei uns ging es denen richtig gut, und man sah auch, das sie sich des Lebens freuten. Und die Tiere waren echt pflegeleicht, es wurde nie eins krank, die blieben freiwillig in ihrem großzügigen Auslauf, und mussten nur gefüttert werden. Und die freuten sich auch, wenn man mal vorbeikam, und begrüßten uns dann immer.

    Hier in der Innenstadt geht das alles so nicht, hier ist einfach kein Platz dafür. Dafür sind dann aber alle Wege schön kurz, dass man kein Auto braucht.

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