Die digitale Diskursverschiebung von der Einsamkeit zur Dauer-Wut

Auch im derzeit laufenden Bundestagswahlkampf erleben wir alle, wie viele zentrale Themen wie die Extremwetter, der thymokratische Staatsstreich in den USA oder auch die Demografie kaum oder gar nicht diskutiert werden. Entsprechend schlug @CorinnaVahrenk1 auf Mastodon als Thema vor:

Über eine Diskursverschiebung: wie konnte es dazu kommen, dass fast die gesamte Republik nicht mehr über die wirklich drängenden Probleme wie die #Klimakrise, die sozialen Verwerfungen, den Mangel an bezahlbarem Wohnraum, die verrottende Infrastruktur und die Ungerechtigkeiten unseres Bildungssystems spricht.

Aus meiner Sicht liegt auch hier vor allem ein Paradox der Zeitlichkeit und Externalisierung vor: Menschen diskutieren lieber über Themen, die sie kurzfristig selbst beeinflussen können. So kann auch ein kleiner Staat wie Dänemark strenge Migrationsgesetze erlassen, selbst ein mittelgroßer Staat wie die Bundesrepublik Deutschland aber kaum die globale Erhitzung oder die säkulare Bevölkerungsimplosion abbremsen. Entsprechend laut werden jene Kurzfrist-Themen debattiert, die sich in einer Wahlperiode vermeintlich “lösen” lassen, wogegen rechte, libertäre und linke Dualisten jene Themen aggressiv verdrängen, die sie nicht mit einfachen Feindbildern “bearbeiten” können.

Auch antisemitische Verschwörungsmythen bieten Schein-Antworten auf reale Probleme. Jemand Anderes muss sich beschuldigen lassen, von Selbsthinterfragung ist abzusehen!

Das Konzern-Neurohacking in digitalen Medien und deren Verbreitungslogiken steigert die Empörungssucht, die unsere Aufmerksamkeit von unserem eigenen Leben wegschiebt. Der digitale Thymos übertrumpft den dialogischen Logos.

Folien von Jörg Lohrer mit Gamma.app stellen die Thymotisierung durch digitale Medien und das Medienmengen-Paradox dar.

Das mediale Konzern-Neurohacking in der digitalen Aufmerksamkeitsökonomie zielt auf Dopamin-Sucht und Adrenalin-Schübe, drosselt unser Testosteron: Milliarden werden so thymotisiert – also Web-süchtig, hyperpolitisch und zerspalten. Screenshot: Michael Blume

Politische Parteien verwandeln sich daher zunehmend in digitale Medienblasen, dann in überpersonalisierte Bekenntnis- und Glaubensgemeinschaften, die sich immer stärker von der komplexen Lebensrealität der meisten Menschen entfernen. Auch hier auf diesem Wissenschaftsblog kann ich die Zugriffs- und Kommentarzahlen mit knalligen Beobachtungen zum “fossilen Wahnsinn” schnell nach oben treiben, wogegen die langfristigen Themen wie Philosophie oder Evolutionsforschung zur Religion viel weniger “klicken”. Schade, aber wahr.

Das Bild zeigt einen entrückten Mann mit Datenbrille und Schild "No more responsibilies", daneben zwei Folien zu "Externalisierung und Reaktanz" und "Formen der Externalisierung"

Worüber schweigen Ihre Diskurse? Folie auf Basis des KIT-Readers “Digitale Aufmerksamkeitsökonomie” von Michael Blume & Jörg Lohrer. Screenshot: Michael Blume

Nehmen wir als Beispiel die Demografie: Längst zeigen Beispiele wie Japan und Südkorea, dass Gesellschaften mit schnell sinkenden Familien- und Kinderzahlen auch wirtschaftlich und politisch in erhebliche Schwierigkeiten geraten. So sinkt die Nachfrage nach immer mehr Produkten – einem der meist beschwiegenen Hauptgründe, warum etwa der deutsche Export von Verbrennerautos weltweit einbricht. Warum sollte etwa die schnell schrumpfende Bevölkerung in China weiterhin fossile, deutsche Technologien kaufen, statt neuester Elektrofahrzeuge aus eigener Produktion? Würden wir das denn tun?

Auch sinken Investitionen etwa in den Wohnungsbau – denn Bauleute und Rohstoffe werden teurer, während ganze Dörfer und Regionen bereits schrumpfen. Die paradoxe Folge, längst auch in Deutschland: Wohnungsnot gerade auch für junge Menschen und Familien in Städten bei gleichzeitigem Leerstand in anderen Landesteilen.

Mit den sinkenden Geburtenzahlen steigt schließlich auch die Arbeitslosigkeit, vor allem die Jugendarbeitslosigkeit – denn es werden mehr Arbeitskräfte in Pflege und einfachen Dienstleistungen, aber weniger in Produktion und Innovation benötigt. Thüringen schließt gerade Kindergärten – mangels Kindern! In aus meiner Sicht schon sehr gruseliger Wortwahl heißt es dazu beim ZDF:

“Einige Kindergärten müssen schließen. Und besonders “die Frauen aus dieser Generation sind eben Mangelware”, sagt Daniel Steffan (CDU). Er ist Bürgermeister im thüringischen Ort Gerstungen. Die Gemeinde hat die Fläche einer Großstadt, aber nur rund 9.000 Einwohner.”

Dass unser vorherrschendes System Menschen lange als Überschuss- und jetzt als Mangelware gedeutet hat, bringt nach meiner Einschätzung die Problematik des Homo oeconomicus auf den Punkt. Als Familienvater und Ehemann erkenne ich mich in dieser Gesellschaftsform nicht wieder. Und werde ja auch in jeder Hinsicht zu einer Minderheit, wie das Statistische Bundesamt in diesem Monat (Februar 2025) zum gestrigen “Welttag der Ehe” mit nur schwachem Medienecho vermeldete:

“WIESBADEN – Jede zweite erwachsene Person in Deutschland ist verheiratet. Das entsprach 35,0 Millionen Menschen, die Ende 2023 in einer Ehe lebten. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) zum Welttag der Ehe am 9. Februar mitteilt, waren das gut 50 % der Bevölkerung ab 18 Jahren hierzulande. Zahl und Anteil der Verheirateten sinken jedoch seit Jahren nahezu kontinuierlich: 30 Jahre zuvor hatten noch rund 39,3 Millionen volljährige Menschen in einer Ehe gelebt, das waren 60 % aller Erwachsenen.” 

Haben Sie zu diesem massiven Umbruch unserer Gesellschaft Sondersendungen gesehen? Sondersitzungen der Parlamente? Wurde es bei irgendeinem “TV-Duell der Spitzenkandidaten” wie gestern zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz angesprochen? Familienpolitik, Zukunft, Einsamkeit? Dabei haben Demografie und Demokratie doch nicht zufällig die gleiche Wortwurzel: Demos, das (ganze) Volk. Wer Demografie auf Migration reduziert, streitet auch über Ästhetik statt fossiler Wasserkrise. Jede Wahr-Nehmung basiert auf Zeit.

Ich will fair sein: In Gehirn & Geist 03/2025 fand ich auf den S. 20 – 27 den lesenswerten Artikel “Wege aus der Einsamkeit” der Neurowissenschaftlerin Stefanie Uhrig. Auch im Dialog mit meinem Studierenden am KIT Karlsruhe war es Thema – und ich mir noch nicht sicher, ob analoge Gespräche oder Berührungen das wichtigste Element im Medienmix von uns Menschen ausmachen. Ich tendiere mit “Human Touch” von Rebecca Böhme zunehmend zu Letzterem. 

Die gute Nachricht – Die digitale Thymokratie ist nicht von Dauer

Aus der Perspektive der Religions- und Politikwissenschaft bin ich mir immerhin ziemlich sicher, dass der digital befeuerte, säkulare Zeitenumbruch zur Thymokratie nur eine Übergangsphase darstellt: Die crossmediale Diskursverschiebung von langfristigen Logos-Wissenschaft-Dialogen auf kurzfristige Thymos-Identität-Inszenierungen ist nicht nachhaltig sondern beschleunigt die Vereinsamung, die säkulare Bevölkerungsimplosion und den Zusammenbruch der fossilen Überproduktion. Als Christ, dialogischer Monist & “kinderreicher” Solarpunk denke ich gerne und oft darüber hinaus. Denn: Zeit emergiert, aber wiederholt sich nicht. Über die eigene Zeit und Aufmerksamkeit bestimmen zu können betrachte ich als den Inbegriff von Menschenwürde und Freiheit. Und diese lasse ich uns nicht nehmen.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

28 Kommentare

  1. Guten Morgen, @Michael Blume,

    Danke, dass du auch Themen ansprichst und weiter entwickelst, die gerade nicht im Fokus der medialen Debatte stehen.

    Ja, ich fand es gestern – wie du auch auf Mastodon geschrieben hast – einerseits durchaus ermutigend, dass die beiden „duellierenden“ Kontrahenten respektvoll miteinander umgegangen sind. Ein wohltuender Kontrast zu den USA.

    Andererseits muss ich sagen: Für mich ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Verlierer aus der Debatte hervorgegangen. Die Klimakrise, eines der drängendsten und weitreichendsten Themen unserer Zeit, wurde kaum ernsthaft behandelt – stattdessen diskutierte man über die Ästhetik von Windrädern. Wirklich? War das das Beste, was den Planern eingefallen ist?

    Aber bevor der Thymos die Kontrolle übernimmt, möchte ich auf das von dir angesprochene Thema der Zeit-lichkeit zurückkommen – etwas, das mich, wie Du weißt, durch Deine Beiträge zunehmend beschäftigt.

    Du schreibst treffend:

    „Aus meiner Sicht liegt auch hier vor allem ein Paradox der Zeitlichkeit und Externalisierung vor: Menschen diskutieren lieber über Themen, die sie kurzfristig selbst beeinflussen können.“

    Und, ich möchte hinzufügen, wir verdrängen ganz offensichtlich, inwieweit auch wir betroffen sind. In diesem Zusammenhang möchte ich auf ein außerordentlich berührendes Buch hinweisen, das unsere menschliche Zeitwahrnehmung mit den Zeitskalen der Erderwärmung verbindet:

    „Wasser und Zeit“ von Andri Snær Magnason

    Klimaveränderungen vollzogen sich in der Erdgeschichte oft über Zeiträume, die weit über das hinausgehen, was für menschliche Gesellschaften unmittelbar erfahrbar ist. Doch die derzeitige Geschwindigkeit der Erderwärmung rückt diese Prozesse immer näher an unsere eigene Lebensrealität.

    Magnason zeigt eindrucksvoll, wie eng menschliche Entscheidungen mit den Generationen vor und nach uns verknüpft sind. Durch einen Dialog mit seiner Tochter Hulda spannt er einen Bogen von ihrer Urgroßmutter bis zu einer noch ungeborenen Ur-Enkelin – ein kraftvolles Bild für die weitreichenden Folgen unseres Handelns. Seine persönlichen Familiengeschichten verwebt er mit den dramatischen Veränderungen der isländischen Gletscher, die zunehmend an Masse und Fläche verlieren und so zu einem eindringlichen Symbol für die Klimakrise werden.

    Ich glaube, diese Perspektive könnte helfen, das Thema Klimawandel auf eine Weise greifbar zu machen, die über kurzfristige politische Auseinandersetzungen hinausgeht.

    Übrigens: Andri Snær Magnason trat 2016 als Präsidentschaftskandidat in Island an. Angesichts der heutigen politischen Führungspersonen könnte der Kontrast kaum größer sein. Doch offenbar ist die Wählerschaft weltweit noch nicht bereit für solche Stimmen.

    • Vielen Dank, lieber @Peter Gutsche – und ich bin da ganz bei Dir, habe mir gerade auch “Three Ages of Water” von Peter Gleick zugelegt.

      Nach meiner Erfahrung führen die digitale Beschleunigung und das Medienmengen-Paradox nicht zufällig zu einer wachsenden Zersplitterung der demokratischen Öffentlichkeit in immer kleinere Blasen – die einen finden Migration überaus bedrohlich, die anderen innerdeutsche Femizide. Die einen wollen die Klimakrise thematisieren, die anderen die wirtschaftliche Deindustrialisierung. Die einen wollen dringend über den Neo-Faschismus reden, die anderen über die rasanten Veränderungen der Demografie.

      Entsprechend nehme ich auch wahr, dass die durch Gebühren finanzierten, öffentlich-rechtlichen Medien nicht nur Fehler machen, sondern auch zunehmend von allen Seiten angegangen werden. Sie können sich eigentlich nur noch aussuchen, von welchen Seiten sie die Shitstorms bekommen – vermeiden können sie diese nicht mehr.

      Durch das Wissenschaftsbloggen möchte ich einen kleinen Beitrag dazu leisten, mit der Klima- als Wasserkrise UND der Demografie beide verdrängten Megatrends ins Bewusstsein von Interessierten zu rücken. Ich glaube aber nicht, dass ich alleine die digitale Thymotisierung noch aufhalten könnte. Stattdessen freuen mich alle Menschen, die sich ein wenig – Zeit nehmen. Denn auch im KIT-Seminar habe ich gerade wieder die Erfahrung machen dürfen, dass ein verändertes Verständnis von Zeit auf ganz unterschiedliche Studierende befreiend und ermutigend gewirkt hat. Es scheint erstaunlicherweise gar nicht so schwer, den Empörungstunnel der Neurohacking-Medienkonzerne zu erkennen und ihn zu verlassen. Darauf will ich hoffen und danke Dir für Deine dialogischen und lesenswerten Rückmeldungen dazu! 🙂

  2. Stichwort: Ist nicht von Dauer

    Mit dieser Einschätzung zielen Sie in die gleiche Richtung, wie Brian McLaren in seinem Buch ,Life After Doom’, der darin dann auch über Perspektiven nachdenkt, wie es denn nach einem Zusammenbruch so weiter gehen kann, dass Mensch nicht die selben Fehler, die zu einem Zusammenbruch geführt haben, wieder machen wird.

    Er weist darauf hin, dass sich die inneren Bilder über das Danach sehr unterscheiden können. Für ihn gibt es 4 unterscheidbare Weisen des Zusammenbruchs, die er unter dem Stichwort Loslassen beschreibt:

    1. Es gibt eine krisenhafte Transformation der Gesellschaft und Zivilisation, die in eine nachhaltige Weise des Zusammenlebens hier auf der Erde führt. So kann ein dramatischer Zusammenbruch vermieden werden.

    2. Die Überlebenden eines dramatischen Zusammenbruchs der Zivilisationen bauen in neuer Weise ein Zusammenleben auf, wiederholen aber möglicher Weise das Muster der ökologischen Ausbeutung, im Grunde haben sie aus der Geschichte nicht unbedingt Wesentliches gelernt.

    3. Die Überlebenden diese dramatischen Zusammenbruchs finden solch schwierige Verhältnisse vor und es ist auch so viel verloren gegangen, dass es gerade noch für ein Überleben reicht.

    4. Im Zusammenhang des dramatischen Zusammenbruchs passieren solche Verwerfungen, Nuklearkrieg etc. dass die überwiegende Zahl der Menschen und vieler anderer Lebenwesen nicht überleben.

    Je nach inneren Bildern reagieren die Menschen natürlich anders. Insbesondere ist der Zusammenbruch der aktuellen Situation für viele so bedrohlich, dass sie alles dafür tun, dies zu verdrängen.

    Dieses Verdrängen wird vermutlich unterschiedliche Gründe haben. Oft ist es ja etwas, was man bei Suchtphänomenen beobachten kann. Und wer aus einer Sucht herauswill, muss lernen, wahrzunehmen.

    In weiteren Kapiteln denkt dieses Buch darüber nach, dass Menschen in der modernen Zivilisation aktuell zu viel aus dem System für sich herausnehmen – hier könnte in meinen Augen auch ein Schlüssel für einen Verstehenszugang sein. D.h. vielen Akteuren fehlt ein Zugang zu einer Lebensweise, die regenerativ ist, also das System durch ihr Wirken als Ganzes besser zurücklässt, als sie es vorgefunden haben.

    Übrigens eine Maxime, die allen, die sich in der Jugend von Baden-Powell haben inspirieren lassen, vertraut ist.

    • Vielen herzlichen Dank, @HG Unckell 🙏

      Ja, die Übereinstimmungen überzeugen mich, denn auch der Solarpunk ist ja eine post-apokalyptische Bewegung, die nicht bei den womöglich sogar lähmenden Warnungen stehenbleiben will.

      Sehr nachdenklich gemacht haben mich dazu die Einsprüche des von mir sehr geschätzten Holocaust-Überlebenden und Philosophen Hans Blumenberg (1920 – 1996) in “Die Sorge geht über den Fluss”, Suhrkamp 1987 / 2022, S. 93:

      “Ich will nicht, daß unausgesetzt Anstrengungen zu meiner Rettung unternommen werden, wenn ich nichts davon weiß, in Gefahr zu sein.

      Es gibt zu viele, die den Sinn ihres Lebens darin gefunden zu haben meinen, andere zu retten, als daß sie davor zurückschreckten, diesen einzureden, sie seien verloren.

      So sehe ich sie, auf den Straßen und Bildschirmen, in den Zeitungen und in den Büchern, auf den Kathedern und auf den Kanzeln – mit jedem neuen Medium erst recht in diesem -, emsig zu meiner Rettung bereit und schon fast tätig. Um meinen Rettungsbedarf sehe ich sie sich keineswegs kümmern.

      Das ist ein Novum in der Geschichte: So viele sind noch nie für die anderen ohne deren Auftrag tätig geworden.”

      Ich sehe hier bereits die Reaktanz und Wut gegen oft jüngere Umwelt- und “Klimaschützerinnen” etwa der sog. “Letzten Generation” vorformuliert, die mit drastischen, apokalyptischen Warnungen und Maßnahmen wie Blockaden die Mehrheit “aufzuwecken” versuchen. Sie übersehen dabei, dass seit Jahrzehnten säkular-linear Argumentierende mit immer neuen Katastrophenszenarien wie der “Überbevölkerung” oder dem “Waldsterben” unterwegs waren und damit auch die Wissenschaft sehr viel Glaubwürdigkeit gekostet haben. Auch deswegen versuche ich, wissenschaftliche Informationen zur Klima- als Wasserkrise mit interessanten Themen und auch positiven Zukunftsbildern zu verknüpfen. Ich glaube nicht, dass wir Verdrängungen durch gegenseitiges Brüllen überwinden – sondern durch Dialog und Zuhören, durch ein Vor-Leben statt ein Vor-Werfen. Entsprechend verzichte ich auch auf Vorwürfe gegen all jene, die weiterhin Fleisch aus Massentierhaltung essen oder Verbrennermotoren fahren. Ich möchte eher Freund und Berater als arroganter Oberlehrer sein. Diese Stellenanzeige ist nach meiner Erfahrung gerade auch in Deutschland schon mehrfach überbucht.

      Lieber engagiere ich mich immer stattdessen dafür, dass wir das m.E. verkürzte Verständnis einer von uns abgetrennten “Umwelt” zugunsten eines interaktiven Verständnisses von “Mitwelt” überwinden.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-feuer-von-los-angeles-umwelt-klima-oder-endlich-mitweltschutz/

      Felo.ai fasst meine Gesamtargumentation dazu so:

      Dr. Michael Blume betont die Bedeutung eines dialogischen und wissenschaftlichen Verständnisses der Mitwelt im Gegensatz zu einem dualistischen und fossilen Verständnis der Umwelt aus mehreren Gründen. Er kritisiert den Begriff “Umwelt” als tendenziell dualistisch, da er eine Trennung zwischen Mensch und Natur impliziert. Diese Perspektive, die historisch durch den Biologen Jakob Johann von Uexküll geprägt wurde, sieht die Natur oft als etwas, das vom Menschen beherrscht und ausgebeutet werden kann. Blume argumentiert, dass diese Sichtweise nicht nur ökologisch problematisch ist, sondern auch ideologisch belastet, da sie mit rassistischen und autoritären Denkmustern verknüpft war, insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus[5][7][13].

      Stattdessen plädiert Blume für den Begriff “Mitwelt”, der aus der Dialogphilosophie von Helmuth Plessner stammt. Dieser Ansatz betont, dass Menschen nicht über der Natur stehen, sondern ein integraler Teil eines dynamischen Ökosystems sind, das sie beeinflussen und von dem sie gleichzeitig beeinflusst werden. Diese Sichtweise fördert ein Bewusstsein für die gegenseitige Abhängigkeit und die Verantwortung, die Menschen gegenüber ihrer Mitwelt tragen. Blume hebt hervor, dass ein dialogisches Verständnis der Mitwelt nicht nur ökologisch nachhaltiger ist, sondern auch eine Grundlage für eine gerechtere und friedlichere Gesellschaft schaffen kann, indem es den feindseligen Dualismus überwindet, der oft zu Diskriminierung und Ausbeutung führt[5][7].

      Darüber hinaus verbindet Blume diese Perspektive mit der Notwendigkeit, fossile Energien durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Er sieht in der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nicht nur eine ökologische, sondern auch eine politische und soziale Gefahr, da sie autoritäre und antisemitische Regime finanziert. Er argumentiert, dass der Übergang zu erneuerbaren Energien nicht nur den Klimaschutz fördert, sondern auch Frieden, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stärkt[7][14].

      Zusammenfassend sieht Blume in einem dialogischen Verständnis der Mitwelt eine Möglichkeit, ökologische, soziale und politische Herausforderungen ganzheitlich anzugehen und eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.

      [1] https://sueden.social/@BlumeEvolution/113848921037868682
      [2] https://energiewinde.orsted.de/koepfe-der-energiewende/michael-blume-antisemitismus-ressourcenfluch-oel-gas-konflikte-interview
      [3] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/mitwelt-metaversum-warum-wir-fantasy-und-spiele-brauchen/
      [4] https://www.georgiasouthern.edu/colleges/science-mathematics/departments/earth-environment-sustainability/faculty-and-staff
      [5] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/mitwelt-statt-umwelt-ki-bilder-mit-leonardo-ai/
      [6] https://www.bundesregierung.de/breg-de/interview-conspiracy-theories-1911120
      [7] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-feuer-von-los-angeles-umwelt-klima-oder-endlich-mitweltschutz/
      [8] https://sueden.social/@BlumeEvolution/113848757831573632
      [9] https://www.gew-bw.de/aktuelles/detailseite/drei-fragen-an-dr-michael-blume-antisemitismusbeauftragter-der-landesregierung
      [10] https://arch.usc.edu/courses/105al-fundamentals-of-design-communication
      [11] https://www.verlagsgruppe-patmos.de/lebe-gut/alle-beitraege/michael-blume-stuttgart-haelt-zusammen
      [12] http://www.blume-religionswissenschaft.de/english/index_english.html
      [13] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/gemeinsame-lektuere-von-uexkuells-umgebung-von-schnoedl-und-sprenger/
      [14] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/windkraft-zur-produktion-erneuerbarer-friedensenergie-gegen-krieg-und-antisemitismus/
      [15] https://sueden.social/@BlumeEvolution/113924860761156417
      [16] https://ess.science.energy.gov/coastal/
      [17] https://podtail.com/podcast/eden-culture-podcast/antisemitismus-verstehen-und-bekampfen-michael-blu/
      [18] https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11187602/
      [19] https://sueden.social/@BlumeEvolution/113848066499926954
      [20] https://news-europe.churchofjesuschrist.org/article/michael-blume-honored-for-services-to-family-values
      [21] https://sueden.social/@BlumeEvolution/112815019010871702
      [22] https://www.thalia.de/autor/michael+blume-265749/
      [23] https://methods.sagepub.com/book/edvol/handbook-of-science-and-technology-studies/back-matter/d38
      [24] https://stm.baden-wuerttemberg.de/de/themen/beauftragter-gegen-antisemitismus
      [25] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-hand-des-feindseligen-dualismus-was-antisemitismus-rassismus-und-sexismus-verbindet/
      [26] https://www.boell-bw.de/de/2022/12/05/dr-michael-blume-gegenstrategien-von-seiten-der-politik-und-den-institutionen
      [27] https://sueden.social/@BlumeEvolution/113528294789696709
      [28] https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0254201
      [29] http://www.blume-religionswissenschaft.de/
      [30] https://www.salonkolumnisten.com/oel_antisemitismus/
      [31] https://www.deutschlandfunk.de/verschwoerungsmythen-das-boese-in-uns-selbst-100.html
      [32] https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Blume
      [33] https://trott-war.de/im-gespraech-mit-dem-antisemitismusbeauftragten-dr-michael-blume/
      [34] https://www.prosocial.world/people/michael-blume
      [35] https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/studie-zu-antisemitischen-einstellungen-in-baden-wuerttemberg-vorgestellt

      • Sie übersehen dabei, dass seit Jahrzehnten säkular-linear Argumentierende mit immer neuen Katastrophenszenarien wie der “Überbevölkerung” oder dem “Waldsterben” unterwegs waren und damit auch die Wissenschaft sehr viel Glaubwürdigkeit gekostet haben.

        Sehr geehrter Herr Blume,

        an dieser Stelle muss man auf jeden Fall auf das Präventionsparadox hinweisen. Wie viele dieser vermeintlichen Nicht-Katastrophen sind nur deshalb nicht eingetreten, weil Menschen rechzeitig davor gewarnt haben? Gerade in Diskussionen um Klima- und Umweltschutz begegnet mir immer wieder diese Argumentation, dass ja keine dieser Horrorszenarien wie das Waldsterben eingetreten sei.

        Dabei wird geflissentlich übersehen, dass seit Jahrzehnten große regulatorische und technische Maßnahmen durchgeführt werden, um solche Katastrophen zu verhindern. Zum Beispiel werden bis heute Wälder gekalkt, und viele Seen in Deutschland sind nur deshalb keine stinkenden und toten Morastlöcher, weil regelmäßig Biomasse rausgeschnitten wird oder gar mit Belüftungsschiffen O2 eingeführt wird (ganz abgesehen von den riesigen Kläranlagen, die immer noch weiter mit Milliardenkosten ausgebaut werden müssen). Leider nehmen das viele Menschen als selbstverständlich war, und glauben, dass die Dinge schon von alleine gut werden. Das ist aber magisches Denken.

        • Vielen Dank, lieber @Thorsten P. – wir haben es bei Warnungen vor Katastrophen einerseits mit dem Präventionsparadox zu tun und andererseits mit dem Kassandra-Effekt: Wie die trojanische Seherin ziehen jene, die unliebsame Wahrheiten aussprechen, auch Reaktanz und Wut auf sich.

          “Aus meiner Sicht spielte der Kassandra-Effekt schon bei der ungerechten Hinrichtung des Philosophen Sokrates in der attischen Demokratie eine große Rolle: Wer unliebsame Fragen, Wahrheiten oder Prognosen präsentiert, löst auch psychologische Widerstände vor allem der Reaktanz und Externalisierung aus, die sich auch in den Begriffen Rat-Schlag und Vor-Schlag manifestieren. Kaum jemand hört gerne, er oder sie habe etwas oder gar sich selbst zu verändern! Prebunking kostet also einen hohen Preis bis hin zum Risiko für das eigene Leben.”

          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/prebunking-loest-reaktanz-aus-bloss-nicht-wegducken-vor-dem-kassandra-effekt/

          Bis heute erinnere ich mich daran, wie wir als Schulkinder Mitte der 80er Jahre von einem engagierten Lehrer in ein Waldstück geführt wurden, wo uns der beliebte Pädagoge weinend (!) aufforderte, “noch einmal echte Bäume zu berühren”, denn “sie sterben, schon in wenigen Jahren wird es keine Wälder mehr geben.” Viele von uns, auch ich, weinten mit, als wir die Rinde der Bäume berührten.

          Einerseits bin ich dem Lehrer bis heute dankbar, dass er uns für die Bewahrung der Wälder sensibilisiert hat. Und ich glaube auch, dass er selbst davon überzeugt war, dass das Waldsterben durch den damals sog. “sauren Regen” weiter eskalieren würde. Doch als ich später mit meinen eigenen Kindern in die Wälder ging, dachte ich auch mit einer gewissen Bitterkeit an die Panik, die uns gemacht worden ist. Und es ärgert mich bis heute, dass weder die Prognosefehler noch die erfolgreichen Maßnahmen gegen das Waldsterben ausreichend kommuniziert und gewürdigt wurden:

          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/erst-stirbt-der-wald-dann-du-die-dissertation-von-birgit-metzger-zum-waldsterben-und-waldmythos/

          Eine positive Erfahrung war dagegen das Schwimmen von Klaus Töpfer (1938 – 2024) im Rhein um 1988 – damit konnte der erstmals berufene “Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit” medienwirksam aufzeigen, dass der “Aktionsplan Rhein” zu Erfolgen geführt hatte:

          https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/klaus-toepfer-rlp-umweltminister-cdu-gestorben-sprung-rhein-100.html

          Aktuell äußerte sich Gabor Steingart in einem FOCUS-Gastbeitrag dazu, dass Medien jahrelang die Klimakrise apokalyptisch inszeniert hätten und sie jetzt, da sie keine Quote mehr bringe, mieden.

          “Medien und Politiker haben in enger Kooperation Aufmerksamkeit, Auflage und Wählerstimmen maximiert, aber nicht den Klimaschutz. Es gibt viele Wege, eine gute Sache zu verraten. Die Übertreibung der Übertreibung ist der sicherste.”

          Aus meiner Sicht kommt es also wirklich darauf an, gerade auch Themen wie den Mitweltschutz langfristig und glaubwürdig zu kommunizieren, statt durch Zyklen aus Apokalyptik und Erschöpfung Reaktanz und Wut zu produzieren. Sowohl zur Vermeidung des Präventionsparadox wie auch des Kassandra-Effekts sind dabei dringend auch die Erfolge zu erzählen, die der bisherige, sog. Umweltschutz und die erneuerbaren Friedensenergien erzielt haben und weiter erzielen. Warum finde ich etwa solche Meldungen fast nur auf Spezialseiten:

          “2024 stieg die niedersächsische Solarleistung um rund 1.608 Megawatt an und liegt damit aktuell bei 8.762 Megawatt. Das entspricht einem Zubau von 18,35 Prozent innerhalb von 12 Monaten. Mit 7.335 Megawatt verzeichnete den größten Zubau das Solarsegment Bauliche Anlagen, hinter dem sich die Bebauung von Hausdächern, Gebäuden und Fassaden mit Solarpaneln verbergen.

          Solarparks, sogenannte Freiflächen-Photovoltaikanlagen, verzeichneten einen Zuwachs von 40 Prozent auf rund 1.168 Megawatt. Bauliche Anlagen wie Gebäude, Verkehrsanlage oder Werbeträger legten um 16,5 Pro-zent auf 163 Megawatt zu. Auf Platz vier des Zubau-Rankings liegen die Balkonkraftwerke. Ihr Zubau liegt bei rund 92 Megawatt und hat sich im Vergleich zu 2023 mit 162 Prozent mehr als verdoppelt. Die niedersächsische Landesregierung hatte 2023 beschlossen, dass mindestens 0,5 Prozent der Landesfläche für PV-Freiflächenanlagen bereitgestellt werden müssen.”

          https://www.pv-magazine.de/unternehmensmeldungen/solarenergie-boomt-in-niedersachsen-und-bremen/

          Damit möchte ich zugleich verdeutlichen, warum ich so stark für den Solarpunk eintrete – also für post-fossile und post-apokalyptische Zukunftsbilder. Nach meiner Erfahrung erreichen wir sehr viel mehr Menschen, wenn wir ihnen Lust auf eine gute Zukunft machen (zu der auch das Überwinden von Schwierigkeiten gehört), als wenn wir ihnen Panik vor einer kaum nach abwendbaren Katastrophe einreden. Hier sehe ich auch enge, psychologische Verbindungen zur Demografie:

          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/fuer-kinder-braucht-es-zuversicht-frieden-zu-solarpunk-und-demografie/

          Vielen Dank für Ihr Interesse, bitte bleiben Sie mit dran! 🙂

      • Vielen Dank für Ihren richtig umfangreichen Antwortpost.

        Retten ist darin für mich ein ganz wichtiges Stichwort. Es greift auch eine Erfahrung aus dem Umfeld von Sucht auf. Wenn eine Person in einer Sucht gefangen ist, so erleben es ganz viele Co-Abhängige, können Außenstehende diese nicht retten. Viel zu schnell spielen sie mit und oft verlängern sie die Leidenszeit der Sucht.

        Deshalb ist es nur folgerichtig, nicht als Lehrer also von oben herab mit anderen zu interagieren, sondern auf Augenhöhe. Ein Freund oder Berater kann so eher etwas in Bewegung bringen.

        Wenn wir als Gesellschaft gerade auch in einer Sucht verfangen sind, die durch die mögliche fossile Energie-Nutzung entstanden ist, dann können wir uns alle als Betroffene wahrnehmen und unsere Beziehung zur Mitwelt in den Blick nehmen. Daher ist dieser Begriff sicher viel geeigneter, um mit anderen in einen konstruktiven Dialog treten zu können.

        Möglich wäre auch, dass wir, ähnlich wie es eine der erfolgreichsten Bewegungen zur Bewältigung von Suchtdruck es erprobt hat, uns dem Programm der 12-Schritte anvertrauen, also das Miteinander als Selbsthilfekontext verstehen. Dann können wir voneinander lernen, einander ermutigen, dann ist klar, alle, die miteinander unterwegs sind, sitzen im gleichen Boot. Dazu gibt es auch eine bewusst christlich ausgestaltete Variante mit Materialien zugänglich unter https://www.endlich-leben.de/

        Die Diskursverschiebung, die dann in den Blick kommen könnte, ist die Energiesucht unserer Zivilisation, die die Begrenzungen des Menschseins zum Beispiel auf Mobilität oder auch Produktivität in den Hintergrund treten lässt, und gleichzeitig die Auswirkungen auf die Mitwelt oft verdrängt. Dieser Perspektivwechsel betrifft dann auch die Friedensenergieen – wie Sie sie nennen – die sicher auch in der Gefahr sind, als Ersatzdroge eingesetzt zu werden – also länger sich dieses unangenehmen Suchtthemas nicht annehmen zu müssen. Sie lassen also nicht per se frei werden.

        Wer sich so diesem Thema nähert merkt einmal, wie ein wichtiges Mantra dieser Selbsthilfegruppen Bedeutung gewinnt: Das Gelassenheitsgebet https://de.wikipedia.org/wiki/Gelassenheitsgebet

        Und ganz zentral ein Schritt, der systemisch nicht so spannend ist, weil in unser chaotischen Welt ziemlich offensichtlich, aber in der politischen Praxis vermutlich etwas Undenkbares – nämlich die bewusste Annahme der ersten Schritte dieses Programms:

        1. Schritt
        Wir geben zu, dass wir dem Problem gegenüber machtlos sind, und unser Leben nicht mehr meistern können.

        2. Schritt
        Wir kommen zu dem Glauben, dass eine Macht, größer als wir selbst, uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann.

        3. Schritt
        Wir fassen den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes, wie wir ihn verstehen, anzuvertrauen.

        • Vielen Dank für den tiefen und starken Antwort-Druko, @HG Unckell

          Und, ja, Sie haben m.E. völlig Recht, das der von Ihnen genannte “1. Schritt” leider “in der politischen Praxis vermutlich etwas Undenkbares” sei:

          “Wir geben zu, dass wir dem Problem gegenüber machtlos sind, und unser Leben nicht mehr meistern können.”

          Genau das darf nach meiner Einschätzung keine Kandidatin und kein Kandidat in einer demokratischen Wahl jemals tun. Stattdessen werden sie oder er sich ständig als vermeintlich kompetente Problemlöser inszenieren (müssen), die die Gesellschaft zurück auf den Pfad der linear-säkularen Wachstumsverheißung führen. Deswegen werden Themen gesetzt, die vermeintlich leicht umzusetzen sind (wie “Grenzen schließen” oder “Arbeitsplätze sichern”) und nicht jene, die in einer Wahlperiode kaum gelöst werden können (wie “die Geburtenraten wieder deutlich erhöhen” oder “die wirtschaftliche Transformation gegen die fossilen Industrien durchsetzen”).

          Und weil die realen Probleme sich mit solchen Kurzfrist-Maßnahmen längst nicht mehr überspielen lassen, verschärft sich die Vertrauenskrise ungewollt – und weltweit – weiter. Immerhin ist der Anteil der Verschwörungsgläubigen auch in Deutschland zuletzt wieder etwas gesunken – auch Aufklärung und vor allem Medienbildung zeigen also zunehmend Wirkung!

          “Im September 2024 hielten 28 Prozent der deutschen Bevölkerung die Aussage “Es gibt geheime Organisationen, die einen großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben” für mindestens wahrscheinlich. Zwei Jahre zuvor war noch ein Drittel (33 Prozent) davon überzeugt. Die Aussage “Regierungsbehörden überwachen alle Bürger genau” hielten 2024 17 Prozent der Bevölkerung für mindestens wahrscheinlich; zwei Jahre zuvor betrug dieser Anteil noch 27 Prozent. “Dieser starke Rückgang ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Lockerung der Kontaktbeschränkungen in der Coronapandemie zurückzuführen”, so Dr. Yasemin El-Menouar, Expertin für Religion und Zusammenhalt bei der Bertelsmann Stiftung.

          Die dritte Aussage zur Messung von Verschwörungsglauben – “Ereignisse, die auf den ersten Blick nicht in Verbindung stehen, sind oft das Ergebnis geheimer Aktivitäten” – fand 2024 bei 19 Prozent der Bevölkerung Zustimmung – im Jahr 2022 war dieser Anteil mit 22 Prozent etwas höher. Damit ist der Verschwörungsglaube in Deutschland insgesamt leicht zurückgegangen, aber immer noch ist ein Fünftel bis zu fast einem Drittel der Bevölkerung ansprechbar für Verschwörungsnarrative.”

          https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/religionsmonitor/projektnachrichten/verschwoerungsglaube-ruecklaeufig-aber-risiken-bleiben-bestehen-1

          Aus meiner Sicht ist die nationalstaatliche Politik also kaum noch in der Lage, die digitale Thymotisierung und Polarisierung alleine zu stoppen – dazu braucht es mehr Medienbildung und entschiedenes Engagement der Zivilgesellschaft. Immerhin merke ich dabei immer mehr und auch immer schnellere Fortschritte, weil doch immer mehr Menschen die eigenen, negativen Erfahrungen mit dem Konzern-Neurohacking antisozialer Medien zu reflektieren beginnen. Beobachte und hoffe ich.

          Vielen Dank für Ihre tiefen, nachfragenden und zugleich auch immer wieder ermutigenden Drukos! 🙂

  3. Wieder ein Beitrag zum Nachdenken.

    Verkehrspolitik ist ein Thema, das durchaus auch einen Teil der Demografie-Entwicklung ausmacht. Die einen wollen den ÖPNV z.B. auf dem Land ausbauen, die anderen lieber Autobahnen x-spurig machen. Kompromisse sehe ich da keine.

    Ihre Formulierung: “..Berührungen das wichtigste Element im Medienmix…” finde ich schwierig. Auch der Text über das Buch ist durchaus verletzend! “Ein Mangel an Berührung hingegen kann regelrecht krank machen.” Ich glaube, dass man die Freiheit haben sollte, über den Beziehungsstatus selbst zu entscheiden, wenn man es für sich als richtig erkannt hat, allein zu bleiben. Solche Sätze helfen einsamen Menschen nicht weiter, im Gegenteil schafft dies emotionalen Druck.

    Im übrigen ist nicht jede Ehe glücklich. Wir leben nicht in den Romanen von Hedwig Courths-Mahler.

  4. Herzlichen Dank für die ausführliche Antwort, die Missverständnisse meinerseits ausgeräumt haben.

    Um auf Ihre Mastodon Frage zu antworten: Sie brauchen nicht zu schweigen.

    • Vielen Dank, @Marie H.

      In der aktuellen Agenten-Familien-Komödie “Back in Action” mit Cameron Diaz und Jamie Foxxx sowie deren “Kindern” werden auch die unterschiedlichen Berührungskulturen zwischen den USA und Großbritannien aufs Korn genommen.

      Aber es ist wirklich ein Thema, mit dem ich ringe: Ich möchte gerne wissenschaftlich informieren, aber ungerne Menschen verletzen. Und ich verstehe schon, dass schon jede Information über die Folgen fossiler Verbrennung oder auch der säkularen Bevölkerungsimplosion bei Menschen den Eindruck erweckt, ihnen würde etwa das Autofahren mit Verbrennermotor oder das Alleinleben vorgeworfen. Zumal es ja durchaus Dualisten gibt, die genau das auch tun und etwa Straßen blockieren oder kinderlose Frauen herabwürdigen.

      Das aber bedeutet, dass es für politische Kandidierende tatsächlich ein Wahnsinn wäre, solche längerfristigen und unangenehmen Themen offen anzusprechen. Sie würden damit nur Wählerinnen und Wähler verlieren.

      Und wenn wir es konsequent weiterdenken, dann würden progressive (“linke”) Säkulare auch im Hinblick auf die Klimakrise häufiger auf Kinder verzichten, wogegen konservative (“rechte”) Religiöse diese verdrängen und Kinderreichtum befördern würden. Das Ergebnis wäre eine Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltung mit einem demografischen Trend nach rechts – wie wir es ja auch in immer mehr Ländern beobachten können. Für die USA habe ich diesen Trend ja schon öfters beschrieben. Auch beispielsweise die hohe Geburtenrate in Israel geht vor allem auf die nationalreligiösen und ultraorthodoxen Gemeinschaften zurück, wogegen das liberale und säkulare Bürgertum demografisch ins Hintertreffen gerät. Ähnliches gilt auch bereits in der Türkei, wo das säkular-laizistische Bürgertum schließlich den religiösen Familien aus den Dörfern und Vorstädten weichen musste.

      Da frage ich mich schon, ob die Liebe zur Wahrheit bedeutet, sich ständig auf allen Seiten unbeliebt zu machen. Auch ich könnte mich ja einfach auf die Themen beschränken, die die meist eher säkularen Leserinnen und Leser eines Wissenschaftsblogs eben gerne lesen…

      • Lieben Dank für Ihre Antwort.

        Die Demografie ist ein wichtiges Thema. Ich finde es auch richtig und wichtig von Ihnen, darüber zu informieren, indem Sie über Ihre Erkenntnisse schreiben.

        Es stimmt auch, dass in der Politik zu selten offen darüber geredet wird.

        Aber auch, wenn dieses Thema nicht direkt angesprochen wird, so kann man doch aus den Zukunftsvorstellungen der Parteien sich ein Bild machen, wohin die Reise gehen könnte.

        Als Mutter von zwei erwachsenen Kindern sehe ich, dass die Entscheidung Kinder zu bekommen, keine einfache ist. Wie möchte ich, dass meine Enkel aufwachsen?

        Eine Welt, in der man wieder auf Atomkraftwerke setzt? Eine kalte Welt, in der nur der zählt, der Vermögen hat? In einer Welt, in der miteinander diskutiert kontrovers diskutiert werden kann? In einer Welt des Kompromisses?

        Die Zukunft von Gesellschaften hängt meines Erachtens davon ab, wie viel Vertrauen man in sie hat, welche Unterstützung man ggfls. bekommt – Stichwort Betreuung – etc. und auch, welche Zukunftsaussichten man selbst hat. Wer politisch Andersdenkende des demokratischen Spektrums ausschließt, wird auch kein Vertrauen aufbauen können, dass die körperliche Unversehrtheit der eigenen Person gewährleistet ist.

        Nochmal: Ich bedaure es, dass Sie den Eindruck haben, sich “unbeliebt” zu machen. Mehr will ich dazu nicht mehr sagen, weil sonst die Gefahr besteht, missverstanden zu werden.

        • Lieben Dank, @Marie H. Ihre Drukos lese ich sehr gerne!

          Freilich ist mein Problem nicht, “unbeliebt” zu sein – das ist ohnehin das Schicksal aller Menschen, die für Wissenschaft und gegen Verschwörungsmythen antreten. Was mich bedrückt ist vielmehr, dass ich aus Rückmeldungen manchmal den Eindruck bekomme, Menschen wie Sie ungewollt zu verärgern oder gar zu verletzen. Und das möchte ich mit dem Wissenschaftsbloggen ja gerade nicht erreichen. Daher hin und wieder der Gedanke, mich auf “unverfängliche” Themen zu beschränken.

          Die Sorge vor dem globalen Rechtsruck und der digital befeuerten Regierungsform der rechtsdualistischen Thymokratie teile ich ausdrücklich. Gleichzeitig sehe ich hier das Paradox der vorauseilenden Angst – wenn sich Demokratinnen und Demokraten schon vorab selbst aufgeben, wer wird dann wohl gewinnen?

          So schrieb heute früh ein Kommentierender:

          “Man könnte schon fast überlegen ob es bei dem voraussichtlich massiv schwindenden Lebensraum sozial verantwortlich währe keine Kinder in die Welt zu setzen.
          Kinder in Fascho land ?”

          https://sueden.social/@Willy_Wuff@troet.cafe/113983270934286262

          Nun hatten starke Jahrgänge junger Menschen in der Vergangenheit Demokratien meist in eine progressive Richtung verschoben. Wohin aber würde eine Logik führen, in der die jungen Generationen immer weiter schrumpften und zudem nur noch aus den Kindern von Wissenschaftsleugnern und Rechtsdualisten bestünden?

          Aus meiner Sicht besteht auch eine moralische Verpflichtung, sich nicht einschüchtern zu lassen und Mut für eine bessere Zukunft zu wagen. Hatte hier ja mal eigenes dazu gebloggt:

          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/fuer-kinder-braucht-es-zuversicht-frieden-zu-solarpunk-und-demografie/

          Ihnen Dank für die spannenden Dialoge! 🙏🤔🙌

  5. Baumaterial ist also da, aber wir bauen keine Häuser, sondern hetzen gegen potenzielle Bauarbeiter, weil wir mit ihnen um knappen Wohnraum konkurrieren müssen. Und es fühlt sich völlig normal an. Selbstverständlich. Alltäglich. Wie Atmen. Willkommen in der Sekte. Willkommen in der Massenpsychose.

    Geld ist ein Gutschein für materiellen Profit (Brot, Häuser, Fabriken, Krankenhäuser, all die Dinge, wegen denen wir überhaupt Wirtschaft machen). Schulden sind ein Gutschein für einen Gutschein. Materieller Profit entsteht erst dann, wenn Sie den Gutschein aufgeben: Profit=Kosten.

    Kosten kürzen und Geld mehren = Profit mindern, Inflation mehren = wünsch dir viel, tu wenig dafür = versprich viel, halte wenig. Sie können Geld nicht essen, aber Ihr Geld kann Sie fressen.

    Acht Milliarden Geisteskranke verarschen sich nach Kräften selber. Aber selbstverständlich werden sie immer wieder enttäuscht, fühlen sich verarscht, und werden immer wütender auf eine Weltverschwörung, der sie alle als fanatische Mitglieder angehören. Ich habe mir mit Wachsmalstiften einen Gutschein für einen Palast gemalt aber nur einen Pappkarton gebaut, wer hat meinen Palast geklaut? Migranten? Mexikaner? Juden? Die Armen? Die Reichen? Echsenmenschen?

    Was Sie als digitale Oligarchen bezeichnen, ist wohl die Vorstufe zu dem, was ich reißerisch Machine Lords nenne: Diktatoren, die ihre Macht aus Imperien beziehen, die keine Menschen mehr brauchen, weil Roboter und KI gehorsamer sind und mehr Leistung bringen. Die Wirtschaft wird modernisiert, der Homo oeconomicus rationalisiert sich selber weg. Nun, auch die Demokratien automatisieren, wo sie nur können, um den Kindermangel zu kompensieren. Leider konvergieren beide Entwicklungen, denn auch demokratische Mehrheiten entsorgen manisch jeden, den sie nicht als Wirtschaftsnutzvieh melken können, und die Gruppe der entsorgten Nutzlosen wird so lange wachsen, bis nur noch Musk, sein Harem und ein paar Speichellecker übrig sind, denn nach deren Sinn oder Nutzen fragt keiner, und die gebieten über ein Volk aus zehn Milliarden braven, arischen Toastern.

    Wenn ich eine Wahl treffen will, streiche ich als Erstes alle Optionen von der Liste, die nicht funktionieren können. Es braucht gigantische Ressourcen, um bei einem ständig auf Maximierung seiner Nutzlosigkeit optimierten Wirtschafssystemplacebo ein solches Lotterleben zu führen wie die Europäer. Erst plünderten wir selbst die Welt, nach 1945 gingen unsere Imperien im amerikanischen auf, wir schnorrten uns die imperialen Services von ihm, das hatte die globalen Märkte fast für sich alleine, die Sowjetunion kein Gegner, der nennenswerte Kosten, Mühen oder Kriege erfordern würde, also konnten wir erst jetzt so richtig plündern und prassen. Doch jetzt gibt es ernsthafte Konkurrenz, und wenn die ganze Welt reicher werden will, ohne dass wir ganz dolle ärmer werden, fliegt die Wirtschaft, wie sie ist, von der Liste.

    Was habe ich als Alternative? Nix Ernsthaftes, nicht mal ein Versuchsmodell im Testlauf. Die Liste ist leer.

    Wenn wir als Europäer zusammenhalten, hat Europa genug Macht, sich neben USA, China, Russland, durchzusetzen – ob als Partner oder als Gegner, Sie spielen nur mit, wenn man Sie ernst nehmen muss. Wenn wir aber weiterhin die Wahnvorstellung ausleben, wir wären souveräne Staaten oder könnten uns welche leisten, steht jeder der Euro-Zwerge gegen die geballte Macht von USA, China, Russland, Europa. Das überlebt keiner. Dazu kommen noch die Kosten, 28 Staatsapparate durchzufüttern, die gigantischen Kosten der nationalen Egos, gegenseitiger Sabotage und Streitigkeiten, die die Konkurrenz nicht hat. Wir wissen aber aus der Geschichte, dass wir nur konstruktiv kooperieren können, wenn die Option Streiten und Rauben durch eine Regierung unmöglich gemacht wird.

    Steht die Option EU-Föderation auf der Liste? Nö. Nicht mal die Linke traut sich noch, die Internationale zu singen. Der Nationalismus hat gewonnen, und der ist schon gestrichen.

    Die Liste ist immer noch leer.

    Wenn ich vor gewaltigen Veränderungen stehe, brauche ich sehr viele junge Leute, denn nur diese haben die Kraft und Anpassungsfähigkeit, die Sache zu stemmen. Sie müssen ja nicht nur lauter Alte und Arbeitslose durchbringen, die nur noch auf einfachere Jobs umgeschult werden können, sondern auch durch Versuch und Irrtum neue Wege, neue Strategien, ein neues Modell von Staat, Wirtschaft, Leben und Überleben entwickeln, also Unmengen von Risiken eingehen, Unmengen von Kosten und Scheitern schultern können. Im Moment, bis mir was Besseres einfällt, kann ich diese jungen Leute nur aus dem Import beziehen. Sie müssen aber auch noch integriert und ausgebildet werden, genau wie die Kinder aus heimischer Produktion.

    Stehen Investitionen in Migration, Willkommenskultur, Bildung, Ausbildung, aber auch in Kitas und andere Erleichterungen für Familien auf dem Programm, ganz egal, welche Herkunft die Familien haben?

    Nö. Das absolute Gegenteil, wir schnallen den Gürtel enger für Fürsten, Führer und Vaterland, bis er uns die Kehle zuschnürt. Die Liste ist leer.

    Diese Wahl existiert nicht. Sie ist eine Illusion. Die Wähler haben den Wahlzettel längst leer gestimmt, es steht nix drauf außer Scheitern, Faschismus, immer brutaleren Verteilungskämpfen, bis nur noch die Peitsche des Tyrannen wenigstens für ein Bisschen Frieden sorgen kann, wenn schon nicht für Brot. Wen juckt’s da, über welche Pseudo-Themen wir uns aufregen? Wenn Sie freiwillig den Hammer wegwerfen, müssen Sie sich über Nägel auch nicht mehr den Kopf zerbrechen.

    Naja. Wenn uns die Amis jetzt auf zweitklassige Nebenländer des Imperiums ohne Wahlrecht in Washington zurechtstutzen, können wir uns wenigstens gegen Russland wehren und vielleicht noch ein wenig schnorren. Und in den nächsten Jahrhunderten um Emanzipation kämpfen. Masel tov ihr Demokraten. Wie damals in Weimar, habt ihr stur und konsequent so lange alle besseren Alternativen ausgeschlossen, bis nur der Führer einen Hoffnungsschimmer bietet. Masel tov.

  6. @Michael 10.02. 21:41 / Felo.ai

    „..sondern eine gelebte Praxis, die erneuerbare Energien, soziale Gerechtigkeit und eine friedliche Zukunft in den Mittelpunkt stellt.“

    Eben nicht immer mehr Unsinn, und dafür noch andere ausbeuten und ausrauben. Das ist doch eine Vision, die umsetzbar ist. Der Technische Fortschritt hilft uns doch sogar, wenn der nicht immer wieder in noch mehr Verschwendung investiert wird. Sondern auch einfach in Zeit für uns Menschen, uns mehr zu bilden, und eben auch in eine nachhaltige Lebensweise.

    Ich weiß nicht recht, ob hier der weitere Bevölkerungsrückgang wirklich so schlimm ist. Immerhin haben wir dann auch mehr Platz und mehr Ressourcen pro Person. Ich kann mir vorstellen, dass wir eben erst vernünftigen Solarpunk realisieren müssen, und dann erst wieder bestandserhaltend Kinder hinbekommen.

    Wenn hier ganze Regionen verfallen, ist das freilich sehr schlecht für die Immobilienwerte, aber, dann ist dieses Vermögen eben weg. Wir werden es überleben.

    Große Flächen können wir dann der Natur zurückgeben, was dann auch touristisch hochinteressant werden kann. So kann man seit etlichen Jahrzehnten in Schweden überall in der Natur frei zelten, was freilich mit der geringen Bevölkerungsdichte und ganz viel nur extensiv bewirtschafteten Flächen zusammenhängt.

    Das sind auch Freiheiten. Und überhaupt ist weniger Arbeit und Leistung kein Mangel.

    Und der weitere Technische Fortschritt betrifft auch ganz konkret die Realisierung von tatsächlichem Solarpunkt. Etwa kann ein Sammeltaxisystem auf Basis von selbstfahrenden Batteriefahrzeugen die Mobilitätskosten mehr als halbieren, was insbesondere den Ländlichen Raum deutlich attraktiver machen kann. Auch die ganze Grüne Technik ist an vielen Stellen dabei, immer fortschrittlicher und kostengünstiger zu werden.

    Zusammen mit entspannteren Konsumzielen können sich hier durchaus echte Möglichkeiten entwickeln.

    Bleibt zu hoffen, dass dieser ganze Reaktantenmist sich irgendwann auch wieder verläuft, wenn eben die Energiewende um sich greift und nicht mehr aufzuhalten ist. Zusammen mit einer wirklich lebenswerten Umgestaltung des urbanen Raums und der ländlichen Gegenden, mit gerne auch recht wilder Natur dazwischen, die auch uns urlaubenden Menschen Raum gibt. Ohne nennenswerten Reiseaufwand und zu sehr geringen Kosten.

    So sehe ich es auch nicht wirklich als ein echtes Problem an, wenn wir eben nicht mehr den laufenden Geburtenmangel mit Einwanderern ausgleichen. Andere Regionen in Europa schrumpfen auch, und wenn mal kaum noch einer zu uns kommen will, dann geht es ja sowieso nicht mehr.

    Und wenn wir aus Afrika und dem Nahen Osten keine mehr haben wollen, weil die hier mit uns nicht wirklich klar kommen, weil sie öfter Demokratie, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit eher irritiert, dann ist auch das eben vorbei. Man kann das gerne anders sehen, oder sich gezielter Einwanderer aussuchen oder auch wirklich Verfolgten weiterhin Asyl gewähren. Es könnten dann auf jeden Fall deutlich weniger werden, und wir müssen dann eben gucken, dass wir Solarpunk und Kinderreichtum umsetzten, und ansonsten die Schrumpfung von Wirtschaft, Bevölkerung und Immobilienwerten kreativ verarbeiten.

    • Lieben Dank, @Tobias

      So sehe ich es auch – die Weltbevölkerung dürfte m.E. durchaus eine Zeit lang schrumpfen, doch wäre nach Möglichkeit ein Zusammenbruch ganzer Gesellschaften und ein auch demografischer Vormarsch der Reaktanten bzw. Reaktionären durchaus zu verhindern. Wenn gerade auch wissenschaftsoffene Milieus etwas mehr Kinder in die Welt setzen und diesen eine starke Bildung mitgeben könnten, so wäre dies ein wichtiger Beitrag für die Weiterentwicklung des Ganzen. Auch ohne religiösen Glauben ist es m.E. möglich, die Menschheit als entdeckende und erkennende Art Wert zu schätzen!

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/dennoch-liberale-anthropodizee-nach-karl-popper/

      Stattdessen erlebe ich auch aufgrund dieses Blogposts wieder den üblichen Anthropodizee-Dualismus zwischen meist rechtsdrehenden Wissenschaftsleugnern einerseits, die die fossile Klimakrise verleugnen und meist linksdrehenden Klima-Apokalyptikern, die die Leistungen demokratischer Eltern weiterhin verhöhnen.

      So schrieb einer heute früh auf Mastodon:

      “wer bei den aktuellen Zukunftsaussichten Kinder in die Welt setzt, weil er sonst Finanziell vom Staat bestraft wird, rechnet mal die Kosten dagegen.
      Wer Kinder in eine Welt setzt, die vorraussichtlich in 20 bis 40 Jahren kaum noch bewohnbar ist, damit er im Alter versorgt wird, ist nen egoist.
      Man könnte schon fast überlegen ob es bei dem voraussichtlich massiv schwindenden Lebensraum sozial verantwortlich währe keine Kinder in die Welt zu setzen.
      Kinder in Fascho land ?”

      https://sueden.social/@Willy_Wuff@troet.cafe/113983270934286262

      Klar frage ich mich da, ob solche Leute begreifen, wie sie durch Historizismus und Arroganz gerade auch den fossilen Feinden der offenen Gesellschaften den Weg bahnen.

      Jonas Schöll von der Stuttgarter Zeitung berichtet in der heutigen Ausgabe auf S. 10 “Die Energiewende als Jobmotor” von massiven Ausbildungs- und Qualifizierungsangeboten der Energie- und Wasserwirtschaft, die durch die post-fossile Energiewende auch in Deutschland Hunderttausende Arbeitsplätze zu besetzen hat. Zitiert wird die Chefin des BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) mit den Worten: “Die Energiewende ist ein gewaltiges Konjunkturpaket.”

      Und:

      “EnBW-Personalvorständin Rückert-Hennen wirbt mit einem ‘sicheren Arbeitsplatz mit einer fairen Bezahlung’ um Mitarbeiter. Und sie nennt noch ein weiteres Argument: ‘Wir bieten sinnstiftende Jobs und ermöglichen die Mitarbeit bei einem der größten gesellschaftlichen Projekte – der Energiewende.”

      Ich meine: Wer sich auf die Technologie- und Zukunftsoffenheit des Solarpunk einlässt, kann schon heute erkennen, dass weder die Klimakrise noch die säkulare Geburtenimplosion ein unveränderbares Schicksal sind. Mutige Dialogische könnten hier die Verdrängungen sowohl rechter, linker und libertärer Dualismen überwinden und unserer Demokratie neuen Schwung geben.

  7. Lieber Michael Blume,

    auch für diesen Blogpost möchte ich mich bedanken, denn der Inhalt hilft mir sehr, in Diskussionsrunden mit diesem Hintergrundwissen argumentieren zu können.
    In der letzten Woche hatte ich in einigen Gesprächsrunden die Möglichkeit über die Themen, die hier behandelt werden, in einfacher Form zu sprechen, und die Rückmeldungen waren immer positiv.

    Ich werde auch direkt angesprochen und gebeten, ob ich nicht einmal DeepSeek erklären könnte. Das konnte ich dank Perplexity.

    Die erste meiner Senior:innen-Gruppen ist von WhatsApp zu Signal gewechselt, ein kleiner Erfolg.

    Mein schönstes Erlebnis war die Begegnung beim Friseur, als mich eine junge Frau fragte, ob ich ihr nicht sagen könne, was sie wählen solle. Großartig. Wir waren uns einig, demokratisch zu wählen. Dann haben wir das Thema noch etwas vertieft und schließlich sagte sie zu mir: „Das hätte meine Mutter auch gesagt.“
    Und wieder war eine Stimme für die Demokratie gewonnen.

    Berührungen und Gespräche sind zu dieser Zeit die beste Waffe gegen thymokratische Tendenzen.

    • Vielen herzlichen Dank, liebe @Elisabeth K

      Ja, Dein Engagement gibt mir sehr viel Mut und zeigt, dass Medienbildung plus die “Weite der Zeit” bereits heute und quer durch alle Altersklassen wirksam sein kann. Indem Du gerade auch Seniorinnen und Senioren hilfst, den für sie passenden Medienmix zu reflektieren, zu finden und zu entfalten, wirst Du zu einer Botschafterin der Hoffnung.

      Und diese werden wir in naher Zukunft brauchen! Denn während wir alle noch aus guten Gründen auf die militärischen Auseinandersetzungen und immer wieder bedrohten Waffenstillstände zwischen Israel und der Hamas starren, eskaliert wie vorausgesetzt in der Region die Klima- zur Wasserkrise. So meldete die Jüdische Allgemeine in der Ausgabe vom 6.2.2025, S. 4:

      Klimawandel

      Israel droht der trockenste Winter seit einem Jahrhundert. Bisher fiel nur etwas über die Hälfte der für die Jahreszeit üblichen durchschnittlichen Niederschlagsmenge, wie die Wasserbehörde mitteilte.

      Im Januar sei in den Flüssen erstmals seit Jahren kein signifikanter Anstieg der Wassermenge verzeichnet worden, was auf extreme Dürre hindeute, hieß es.

      Der Pegel des Kinneret stieg demnach im Januar lediglich um zwei Zentimeter. Der Wasserstand des größten Süßwassersees lag nach Angaben der Behörde Ende Januar bei 211,26 Metern unter dem Meeresspiegel und damit 1,74 Meter über der unteren roten Linie von 213 Metern sowie 3,61 Meter über dem historischen Tiefstand des Sees von 2001.

      Der im Jordan gemessene Wasserdurchfluss war der niedrigste seit 1960.

      Wer es also wirklich gut mit dem Heiligen Land und dessen Nachbarn meint, wird wo immer möglich erneuerbare Friedensenergien und die Zusammenarbeit der Menschen und Staaten fördern!

      Ich danke Dir von Herzen für Dein vorbildliches und auch für mich ermutigendes Engagement, liebe Elisabeth! 🙏📚🙌

  8. Hallo @Michael,

    danke für die vielen coolen Artikel 🙂

    Vielleicht benutzt die Digitale Thymotisierung mehr oder weniger bewusst die selbsterfüllende Prophezeiung. Wer vom Niedergang Träumt und glaubt das alles in die Binsen geht, der darf sich nicht überraschen, das es genau so wird.

    Das Glück muss man auch wollen um es zu erhalten.

    Quasi ein Antimarx konzept, der Geist erschaft Realität und Materie.

    Hier könnte auch die überforderung mitwirken, das perplexe Themen viel Ressourcen und Kraft brauchen und man sich dem zwar stellen will, aber eben nicht auf die unangenehmste art und weise, was ja Dialog erschwert.
    Viel Nachdenken und kein einfacher Weg.

    Danke noch einmal für das Freie Wissen 🙂

  9. @Michael 11.02. 22:52 / Felo.ai

    „Die rapide Alterung der Gesellschaft und der Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter haben zu einem erheblichen Arbeitskräftemangel geführt.“

    „Ein sinkender Binnenkonsum aufgrund der schrumpfenden Bevölkerung und die geringere Nachfrage nach Konsumgütern belasten die Wirtschaft.“

    Das passt doch nicht zusammen, scheint mir. Diese geringere Nachfrage spart doch wiederum direkt Arbeitskraft ein, der dann wieder den anderweitigem Arbeitskräftemangel zumindest zu einem guten Teil ausgleichen kann.

    Was hier auf jeden Fall zurückgeht, das ist der Umsatz. Aber was stört das, im Gegenteil, es führt auch zu weniger Treibhausgasen und weniger Bedarf an Landwirtschaftlicher Nutzfläche, was gerade für Japan interessant ist. Auch müsste sich ein nachlassender Neubaubedarf sowohl auf die Mitwelt wie wiederum auf den Arbeitskräftebedarf positiv auswirken. Nur wieder schlecht für die Immobilienpreise, aber auch wieder gut für Mieter.

  10. @Michael 12.02. 05:29

    „..während gleichzeitig etwa die fossile Automobil- und Zuliefererindustrie unter dem globalen Nachfrageschwund leidet. Wir haben einerseits Wohnungsmangel in den Städten und andererseits zunehmende Leerstände in schrumpfenden Regionen.“

    Entscheidender Teil des Problems dürfte es sein, dass Arbeitskräfte die falsche Ausbildung haben und Immobilien am falschen Ort stehen. Wäre dem nicht so, wären die Probleme wohl deutlich kleiner.

    Also besser mehr Kinder großziehen.

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