Dialog über Drogenpolitik. Jeanne Hersch und der Vier-Säulen-Würfel der Schweiz
Bisher habe ich mich nicht oder nur sehr zurückhaltend zu Drogen geäußert, weil ich mich in diesem Feld nicht für besonders kompetent hielt: Ich rauchte keinen Tabak und nur einmal eine Shisha aus diplomatischen Gründen im Irak, trinke nie ein zweites Glas mit Alkohol bzw. überhaupt nicht, wenn ich fahren soll und habe auch noch keine andere Droge konsumiert. Meine Skepsis war stets stärker als der Reiz. Und ich habe auch nicht das Gefühl, dass mir dadurch irgendetwas Wesentliches entgangen wäre.
Doch in den vergangenen Monaten haben mich immer wieder Menschen zu einem Dialog über Drogenpolitik gebeten. Denn ich hatte im Kontext der Bekämpfung von Antisemitismus und Terrorismus davor gewarnt, dass sich das syrische Assad-Regime sowie die Hisbollah-Terrorormiliz massiv auch über die Herstellung von Captagon und dessen Verkauf nach Europa finanzieren. Auf ein KAS-Papier von Caspar Schließhack möchte ich hierbei gerne verweisen und daraus zitieren:
“Heute ist das Captagon-Business fester Bestandteil der Kriegswirtschaft in Syrien und mit Abstand ihre lukrativste Säule.”
Auch hatte ich verstärkt darauf hingewiesen, wie antisoziale Internet-Medien die thymotische Trias aus Dopamin, Adrenalin und Testosteron manipulieren und damit Menschen verrohen, (empörungs-)süchtig machen und radikalisieren. In einem Blogpost hatte ich sogar entstehende KI-Kokons mit der neuropsychologischen Wirkung von Kokain in Beziehung gesetzt.
Sowohl bei illegalen Drogen wie auch bei fossilen Rohstoffen nehme ich eine Externalisierung der Kosten auf die Mitwelt und Mitmenschen wahr. Michael Blume mit Leonardo.AI, Juni 2024
Und heute (30.11.2024) berichtete Mathias Bury in der Stuttgarter Zeitung (S. 17):
Kokain-Missbrauch: Auch in Stuttgart mehren sich die Fälle
Obgleich “die Zahl der Rauschgiftdelikte 2023 insgesamt um 6,1 Prozent auf 5511 Fälle gesunken” sei, habe es zu “Kokain […] ein Plus von 9,4 Prozent auf 491 Fälle” gegeben. “Bundesweit haben sich – nach einer Auswertung des Barmer-Instituts für Gesundheitsforschung – die ärztlichen Behandlungen wegen Kokainmissbrauchs seit 2013 “mehr als verzehnfacht.” Die größte Gruppe unter den Konsumenten sind Männer im Alter zwischen 20 und 39 Jahren.”
Auch diese Droge werde durch organisierte Kriminalität aus dem Ausland importiert.
“Seit den späten 2000er Jahren ist Kokain die weltweit am zweithäufigsten geschmuggelte Droge, die Produktionsmengen in Südamerika und insbesondere in Kolumbien sind enorm. Bis heute wird Kokain, das stimmungsaufhellend und euphorisierend wirkt, ein Gefühl gesteigerter Leistungsfähigkeit und Aktivität gibt sowie Hunger und Müdigkeit vertreibt, als Partydroge und zur Leistungssteigerung eingesetzt. Nur lässt das High rasch nach, bald muss nachgelegt werden.”
Negative Auswirkungen drohten auch aufgrund der Cannabis-Teil-Legalisierung. “Oft war festgestellter Kokain-Besitz “Beifang” bei Drogenkontrollen, etwa wenn Beamte durch eine Cannabis-Schwade auf Konsumenten aufmerksam wurden, die auch Kokain in der Tasche hatten. Heute kann die Polizei hier nicht mehr handeln, nach der Teillegalisierung wäre dies ein anlassloses Eingreifen. Nur: “In gewissen Kreisen sind die beiden Drogen eng verbunden”, erklärt der Leiter des Stuttgarter Rauschgiftdezernats.”
Mit Jeanne Hersch wider dem Recht auf Rausch
Also gut, meine Position: Persönlich neige ich auch bei der Frage des Drogenkonsums der recht strengen Haltung der Schweizer Philosophin Jeanne Hersch (1910 – 2000) zu. In ihrem Vortrag von 1995 “Rauschgift als Verneinung des eigenen Menschseins” argumentierte die dialogische Monistin:
“Ich glaube, dass die Menschen einen Sinn haben für das, was gut ist, und für das, was schlecht ist. Das unterscheidet sie von den Tieren. Dieser Unterschied ist wesentlich.”
Dieses nicht nur instinktive Reagieren auf Reize resultiere aus der menschlichen Fähigkeit zur Vorausplanung, dem menschlichen Verhältnis zu Zeit und Sinn:
“Weil die Menschen viel weiter voraussehen. Infolgedessen sorgen sie für die Zukunft, für ihre eigene und für die Zukunft ihrer Kinder. Sie haben viel weitere Sorgen. Infolgedessen ergreifen sie weitere Vorsichtsmassnahmen, und zwar viel umfassender als die Tiere. Das ist der Unterschied.”
Wer also abhängig machende Drogen nehme, verwerfe laut Hersch dieses menschliche Potential.
“Man muss klar sehen, worum es bei den Drogen geht. Es geht darum, ob man sein Menschsein annimmt oder ob man es so haben will wie alle anderen lebendigen Wesen auf dieser Erde. […] Wer drogensüchtig wird, es bleibt und nicht aus diesem Zustand herauskommen will, der verzichtet, soweit es von ihm abhängt, auf das, was aus uns einen Menschen im vollen Sinne des Wortes macht. Ich sage nicht, dass dieser Mensch dann besser ist als alle anderen. Es ist keine Frage des Besserseins oder der Überlegenheit, aber es ist eine Dimension der Welt – oder ich würde eher sagen, eine Dimension im Sinne der Welt, die von uns abhängt, die kein Philosoph erklären kann, die wie ein Wunder ist und auf die blind verzichtet, wer es vorzieht, drogensüchtig zu sein.”
In meinen Worten würde ich dieses Argument so fassen, dass wir eine Verpflichtung als Menschen haben, unsere Freiheit und Dialogfähigkeit gegenüber der Mitwelt und den Mitmenschen zu pflegen. Drogen beeinträchtigen diese Dimension der menschlichen Fähigkeiten. Es gäbe demnach also kein Recht auf Rausch.
Herschs Vortrag gegen Rauschgift samt anschließender Diskussion und alle Zitate finden sich im Band “Erlebte Zeit. Menschsein im Hier und Jetzt”, Verlag NZZ 2010, S. 96 – 115. Foto: Michael Blume, 2014
Eine Verantwortung zur Prävention von Drogensucht sah Hersch freilich nicht nur beim Einzelnen, sondern auch in der Gesellschaft, vor allem in der Pädagogik:
“Es gibt Kinder, da ist es wirklich sehr schwer, sie nicht zu langweilen, das stimmt. Das sage ich für die armen Lehrer, die hier sind. Aber man müsste die Langeweile bekämpfen, denn die Langeweile ist immer eine Art Art Sinnlosigkeit. Und deswegen ist man gelangweilt. Also ich würde auf alle schwarzen Bretter in den Klassen schreiben: “Langeweile verboten!” Denn die Langeweile ist die Mutter der Droge.”
Hier bin ich etwas zurückhaltender als Hersch, da ich der Auffassung bin, dass keine Schule – und schon gar keine staatliche Schule – ein umfassendes oder gar exklusives Sinnangebot machen kann und darf. Langeweile scheint mir sogar manchmal notwendig zu sein, um Raum für die Gedanken und Gefühle der Freiheit zu schaffen. Allerdings teile ich mit der Schweizerin die Skepsis gegenüber Liberalisierungen.
“Ich meine, dass Liberalisieren an sich überhaupt kein Mittel ist. Ich sehe gar nicht, wie man sich aus einer Sucht dadurch befreien kann, dass man bekommt, was man möchte. Das verstehe ich überhaupt nicht. Aber es gibt alle möglichen Wege, und vielleicht kann für einige, wenn es medizinisch durchgeführt und menschlich behandelt wird, etwas dabei herauskommen. Man kann nicht sagen, es ist unmöglich, aber eine allgemeine Lösung ist es nicht, davon bin ich überzeugt.”
Auch ich würde entsprechend die Beweispflicht für die medizinische oder kriminal-präventive Wirkung bei jenen sehen, die weitere Liberalisierungen auf den Drogenmärkten fordern. Mir scheint, dass meist eher die Einschränkungen etwa beim Alkohol-Jugendschutz oder gegen das Passivrauchen wirksam waren.
Der Schweizer Vier-Säulen-Würfel
Entsprechend große Sympathien habe ich für die Schweizer Drogenpolitik der vier Säulen, die sich Anfang des 21. Jahrhunderts durch mehrere Parlamentsdebatten und -beschlüsse sowie Volksabstimmungen herausbildete. Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) schreibt dazu:
“Die Schweizer Drogenpolitik setzt sich zum Ziel, den Drogenkonsum und seine negativen Folgen für die Konsumierenden und die Gesellschaft nachhaltig zu vermindern. Dabei stützt sie sich auf die vier Säulen: Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression.”
Spätere Beratungen haben dieses zweidimensionale Vier-Säulen-Modell um drei Konsummuster zu einem dreidimensionalen Würfel erweitert:
“Die Eidgenössischen Kommission für Drogenfragen (EKDF) erweiterte das Konzept der vier Säulen um die Dimension der drei Konsummuster: risikoarm, problembehaftet, abhängig. Gleichzeitig postulierte sie, dass dieses Konzept für alle Suchtformen gelte, nicht nur für illegale Drogen.
Die Nationale Strategie Sucht 2017-2024 baut auf diesem «Würfelmodell» auf.”
Der EUSALP-Alpenraum ist meine geistige Heimat. Zuletzt war ich im August 2024 in “Zauberberg”-Davos zum Dialog über die Bekämpfung des Antisemitismus geladen. Foto: Kulturplatz Davos
Nach den mir vorliegenden Informationen war die Schweizer Drogenpolitik insgesamt recht erfolgreich darin, sowohl den Drogenkonsum wie auch die Drogenkriminalität zu verringern. Mir scheint dies ein guter Weg zu sein, aus einer Haltung der Menschenwürde und Verantwortung heraus die externalisierten Kosten aus dem Drogenkonsum für Mitmenschen und Mitwelt Schritt für Schritt zu verringern. Aber da illegale Drogen bisher nicht zu meiner Lebenswelt gehören, bin ich selbstverständlich auch gerne bereit, weitere und andere Argumente zu hören bzw. zu lesen.
Wir beobachten hier im Westen ja ein Paradox was den Umgang mit legalen und illegalen Drogen angeht:
Legale Drogen wie Alkohol und Nikotin werden als problematisch wahrgenommen und es gibt einen breiten Konsens bis hin zu denen, die Drogen generell legalisieren wollen, dass eine Welt mit weniger Alkohol- und Nikotinkonsum eine bessere wäre. Beim Nikotin geht/ging das sogar so weit, dass 1) Rauchen an immer mehr Orten verboten ist und 2) bestimmte Länder sogar eine nächste Generation von nur noch Nichtrauchern anstreben (durch Verbote). Und über die negativen Auswirkungen von Alkohol erscheinen sehr viele Berichte. Sogar in Russland wird inzwischen gegen übermässigen Alkoholkonsum vorgegangen.
Genau umgekehrt ist es bei angeblich harmlosen bisher illegalen Drogen wie Cannabis/Marihuana, wo etwa in Kanada und in den US-Staaten, die sie legalisiert haben, der öffentliche Raum voller Werbung für den Cannabis-Konsum ist.
Für mich ist die einzige „richtige“ Drogenpolitik, eine, die auf einen Rückgang des Drogenkonsums hinarbeitet. Und das für alle Drogen. Also für Nikotin, Alkohol, Cannabis, Amphetamine, Tranquilizer und den ganzen Rest. Mir schwebt also das Ideal des chemiefreien Lebens vor, denn das chemiefreie und überhaupt suchtfreie Leben, das auch ohne Spielsucht, Sexsucht und was es alles noch gibt, auskommt, scheint mir das richtige Leben. Und wenn es überhaupt so etwas wie ein freies Leben gibt, dann ist es ein Leben ohne Sucht, ein Leben in dem man zur Not auf nur weniges angewiesen ist.
Vielen Dank, @Martin Holzherr – ich sehe es im Grundsatz auch so. Mir geht es nicht darum, Menschen zu kriminalisieren. Aber schon weil kein Mensch eine Insel ist und jede Sucht auch die Angehörigen, mögliche Kriminalitätsopfer und die Mitwelt betrifft, kann ich auch kein Recht erkennen, die eigene Würde und Freiheit an Suchtstoffe zu vergeuden. Wer etwa Captagon oder Kokain konsumiert, schadet damit sich selbst und anderen, finanziert das syrische Regime und die Hisbollah bzw. südamerikanische Drogenkartelle. Nichts daran scheint mir heldenhaft oder würdig zu sein.
Entsprechend des vielfältigen Schweizer Ansatzes stimme ich dem Ziel zu – der Überwindung von Süchten jeder Art durch Aufklärung (Prävention) und Besteuerung etwa von Tabak und Alkohol, durch Jugendschutz, Therapie und Schadensminderung, wo nötig bei sog. “harten” Drogen auch durch Repression.
Auf Mastodon ist mir immerhin noch die Drogenpolitik von Portugal vorgeschlagen worden, die ebenfalls auf die Überwindung von Drogensucht zielt, aber kleine Mengen nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Während ich das gegenseitige Lernen und die wissenschaftlichen Evaluationen dazu sehr begrüße, scheint es mir jedoch zunächst naheliegend, die Erfahrungen unseres Nachbarlandes Schweiz auszuwerten.
Wenn Sie einen Deutschen mit dem Messer überfallen, versucht er, Ihnen eine Pistole zu verkaufen. Diese absolute, gnadenlose Käuflichkeit bringt uns erfolgreicher und zielstrebiger um, als alle Drogen und Drogenkriminalität der Welt. Muss man jetzt Deutschland-Prävention betreiben, um Deutschland zu retten?
[Gekürzt, M.B.]
Aha, @Paul S., heute haben mal wieder Anti-Handels-Ressentiments gesprochen. Früher richteten sich diese ja meist gegen britische und jüdische Menschen, da ist allgemein antideutsch ja schon “ein Fortschritt”…
Auch auf Mastodon tummeln sich noch ein paar Leute, die wieder “den Kapitalismus” für die Drogensucht verantwortlich machen wollen und etwa von der monistischen Ökonomie nach Elinor Ostrom noch nichts gelesen haben.
Wegen all dem erinnere ich hier gerne einmal mit Perplexity.ai daran, dass auch das kommunistische Regime in China maßgeblich über Drogen finanziert wird, konkret durch Tabak:
Die Kommunistische Partei Chinas ist in hohem Maße von den Einnahmen aus dem Tabakverkauf abhängig, was zu einem komplexen Interessenkonflikt zwischen wirtschaftlichen Vorteilen und gesundheitspolitischen Zielen führt.
## Finanzielle Abhängigkeit
Die staatliche Tabakindustrie in China, vertreten durch die China National Tobacco Corporation, generiert enorme Einnahmen für den Staat:
– Im ersten Halbjahr 2014 betrugen die Tabaksteuereinnahmen 579 Milliarden Yuan (71 Milliarden Euro)[2].
– Dies entsprach 7,8% der gesamten Staatseinnahmen[2].
– Für das Gesamtjahr 2014 wurden Tabaksteuereinnahmen zwischen 800 Milliarden und über einer Billion Yuan prognostiziert[2].
Diese Zahlen verdeutlichen die immense finanzielle Bedeutung der Tabakindustrie für den chinesischen Staat.
## Politische Dimension
Die Einnahmen aus dem Tabakverkauf fließen in zentrale staatspolitische Initiativen:
– Sie unterstützen Präsident Xi Jinpings große Mikrochip-Initiative[5].
– Auch das Projekt einer “Neuen Seidenstraße” wird teilweise durch Tabakgelder finanziert[5].
Dies zeigt, wie eng die Tabakindustrie mit strategischen Zielen der Kommunistischen Partei verwoben ist.
## Machtstellung von China Tobacco
Die China National Tobacco Corporation, das staatliche Tabakmonopol, nimmt eine außergewöhnlich einflussreiche Position ein:
– Ein Gesundheitsexperte vergleicht den Einfluss des Chefs von China Tobacco mit dem eines Vorgesetzten gegenüber einem Bürgermeister[5].
– Diese Machtstellung ermöglicht es dem Unternehmen, gesundheitspolitische Reformen zu blockieren oder abzuschwächen[5].
## Interessenkonflikt und Reformbestrebungen
Die Abhängigkeit von Tabakeinnahmen steht im Widerspruch zu gesundheitspolitischen Zielen:
– Präsident Xi Jinping selbst bezeichnete in einem Bericht Zigaretten als “größten Mörder” von Chinesen und als “giftiges Produkt”[5].
– Trotz Empfehlungen für weitreichende Reformen, einschließlich der Beendigung des Tabakmonopols, wurden bisher nur halbherzige Maßnahmen ergriffen[2][5].
Diese Situation verdeutlicht die tiefgreifende Abhängigkeit der chinesischen Regierung von den Einnahmen aus dem Tabakverkauf, die es erschwert, effektive Maßnahmen zur Reduzierung des Tabakkonsums umzusetzen.
Citations:
[1] https://www.spiegel.de/ausland/china-tobacco-wie-peking-seiner-buerger-zu-zigarettensuechtigen-macht-a-36abce21-d793-4f5d-b5a8-bda1401d4f49
[2] https://www.welt.de/wirtschaft/article130666635/China-ist-das-letzte-Paradies-fuer-Raucher.html
[3] https://www.merkur.de/politik/spiegel-china-rauchen-tabak-konsum-zigaretten-sucht-taiwan-recherche-zr-92520800.html
[4] https://de.statista.com/outlook/cmo/tabakwaren/zigaretten/china
[5] https://www.derstandard.de/story/3000000186695/rauchen-fuer-den-staat-die-unheimliche-macht-von-china-tobacco
Ich kann mich nur zu Alkohol und Nikotin äußern, da ich mit anderen Drogen keine Erfahrungen habe.
Das Alkoholproblem meines Vaters war für mich in der Jugend eine Katastrophe. Was im Fall meines Vaters auch zu seinem frühen Tod führte. Ich bin in den Rauchschwaden meiner stark rauchenden Eltern aufgewachsen. Mein Bruder, der einige Jahre jünger ist, ist durch das Passivrauchen als Kind Asthmatiker geworden.
In den siebziger und achtziger Jahren waren die Lehrerzimmer verqualmt, und die Flasche Sekt griffbereit im Kühlschrank war das normale. Ich hatte einige alkoholkranke Kolleg*innen.
Als Nichtraucherin habe ich diesen Gestank in der Kleidung gehasst.
Ich habe das Verbot des Rauchens in öffentlichen Gebäuden, Schulen, Restaurants etc. sehr begrüßt. Auch das Alkoholverbot im Lehrerzimmer fand ich sehr wichtig. Heute stört es mich schon, wenn ich in einem Straßencafé sitze und an den Nebentischen stark geraucht wird, aber das muss ich hinnehmen.
Ich finde es übrigens sehr angenehm, dass es Bier, Sekt und Wein ohne Alkohol gibt, so dass man beim geselligen Anstoßen auch ohne Alkohol dabei sein kann. Ein merkwürdiges Ritual, dass überall der Alkohol ein Zeichen von Geselligkeit ist.
Drogen sollten nicht legalisiert werden, aber kleine Mengen auch nicht kriminalisiert werden.
Vielen Dank, liebe Elisabeth 🙏👍✅
Auch ich finde das Argument schwierig, dass Tabak und Alkohol für die Freigabe auch anderer Drogen herhalten müssten. Stattdessen haben sich doch gerade auch dort die Einschränkungen etwa via Jugendschutz, Werbeverbote etc. gut bewährt. Ich finde es persönlich schade, dass immer noch Menschen von Zigaretten oder gar von Alkohol abhängig werden. Der Schaden geht auch immer über die Einzelnen hinaus, lässt sich nicht einfach individualisieren.
Ein freundlicher Mastodont hat in der dortigen, sehr regen Debatte auf diesen Befund aus “The Lancet” hingewiesen:
https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(10)61462-6/abstract
“MCDA modelling showed that heroin, crack cocaine, and metamfetamine were the most harmful drugs to individuals (part scores 34, 37, and 32, respectively), whereas alcohol, heroin, and crack cocaine were the most harmful to others (46, 21, and 17, respectively). Overall, alcohol was the most harmful drug (overall harm score 72), with heroin (55) and crack cocaine (54) in second and third places.”
In deutscher Übersetzung:
“Die MCDA-Modellierung zeigte, dass Heroin, Crack und Metamfetamin die schädlichsten Drogen für Einzelpersonen waren (Teilnoten 34, 37 bzw. 32), während Alkohol, Heroin und Crack für andere am schädlichsten waren (46, 21 bzw. 17). Insgesamt war Alkohol die schädlichste Droge (Gesamtschadenswert 72), gefolgt von Heroin (55) und Crack (54) auf den Plätzen zwei und drei.”
Aus meiner Sicht ergeben sich hier also starke Argumente, mit den vier Säulen Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression gegen jede (!) Form von Rauschgiftsucht – und überhaupt generell gegen Abhängigkeiten wie etwa auch Spiel- oder Empörungssucht – vorzugehen. Menschen, die sich auf eine toxische Sucht einlassen bzw. nicht mehr aus dieser lösen wollen, beschädigen sich selbst und andere. Jeanne Hersch hatte wesentlich Recht.
Also erstmal: Der Mensch ist ein Tier. Ein Säugetier, mit den gleichen Mechanismen wie alle anderen Tiere auch. Unser Gehirn und unsere Körper existieren nicht im luftleeren Raum. Ich finde dieses Postulat des Unterschiedes immer ein wenig seltsam.
Drogen zu verbieten macht es meiner Meinung & Erfahrung nach schlimmer. Es ist eine kontraproduktive Maßnahme, die den Drogenkonsum eher anheizt und durch die Kriminalität gefährlicher macht, als dass sie ihn vermindert. Wir sollten uns fragen, was für ein seltsames Menschenbild es eigentlich ist, wenn Menschen (genauer gesagt, Politiker) glauben, ihren Mitmenschen die Einnahme von bestimmten Substanzen untersagen und von anderen Substanzen erlauben zu dürfen. Das entspricht so gar nicht meinem persönlichen Bild von Freiheit und der Rolle des Staates, ganz im Gegenteil.
Ein Recht auf Rausch halte ich für absolut gegeben. Keineswegs aber eine Pflicht zum Rausch. Keiner sollte sich berauschen müssen und es ist auch sehr wichtig, dass auf die Risiken und Nebenwirkungen im Umfeld von Drogen klar hingewiesen wird. Allerdings weniger mit erhobenem Zeigefinger und “Du, du, du!”, sondern eher im Sinne von Dokumentationen und belegter, wissenschaftlicher Forschung in dem Bereich (die durch die Kriminalisierung lange Zeit praktisch unmöglich war). Beim “Du, du, du!” bildet sich sonst bei genügend Leuten sowieso nur eine Trotzreaktion. Wenn Drogen legal abgegeben werden, kann ja auch tatsächlich auf die Gefahren hingewiesen werden, dass ein Dealer das macht, ist eher unwahrscheinlich; auf die Verpackung können, ähnlich wie bei Tabak (warum passiert das eigentlich bei Alkohol nicht?!), Warnhinweise gedruckt werden und so weiter und so fort. Nur, weil etwas erlaubt ist, heißt das nicht, dass es empfohlen wird. Von diesem non-sequitur sollten wir uns doch endlich mal lösen. Niemand empfiehlt, Entkalker zu trinken. Kaufen kann ich ihn aber trotzdem.
Beim Alkohol oder Tabak brauche ich wohl kaum darauf hinzuweisen, wieviele tausend Tote jedes Jahr alleine in Deutschland auf deren Konto gehen. Beim Cannabis lässt sich gut darauf hinweisen, dass dauerhafter Konsum speziell in der Jugendzeit mit einem verringerten IQ und weniger Hirnmasse korreliert. Dass der Hippocampus schrumpfen kann, wenn ständig gekifft, was die Vergesslichkeit vieler Dauerkiffer erklären kann. Dem mündigen Bürger nen gelegentlichen Joint oder Glas Bier zu verbieten erscheint mir trotzdem völlig absurd, geradezu faschistisch im Gedanken. Selbst bei Kokain halte ich ein Verbot für kontraproduktiv. Wir haben ja nicht in einem legalen Umfeld gerade eine Crack-Epidemie, anscheinend hilft das Verbot hier überhaupt nicht.
In Colorado hat die Legalisierung auch dazu geführt, dass mehr Menschen kiffen. Aber, mit der Zeit, weniger Jugendliche, und mehr ältere Menschen. Diese trinken dann seltener und rauchen weniger Zigaretten, was sie insgesamt gesünder macht. Cannabis ist da im Vergleich tatsächlich die weniger gefährliche Alternative.
Drogen als Medizin (im englischen “Drug”=Medizin) sind natürlich sowieso sehr sinnvoll. Ein Verbot des Cannabis hat ja auch dazu geführt, dass wir die medizinischen Aspekte dieser Pflanze über ein Jahrhundert gar nicht erforschen konnten.
Opium wurde damals verboten, weil die Briten es als Waffe gegen die Chinesen einsetzten. Und Cannabis wurde verboten, weil die gescheiterten Prohibitionisten in den USA ein neues Schlachtfeld suchten – und aus Rassismus. Alles absurde und schwachsinnige Gründe, die in heutiger Zeit nichts mehr zu suchen haben.
Und zur persönlichen Situation: Ich war schwer cannabis-abhängig und hatte dadurch Drogenpsychosen; ich bin mir also der Gefahr durch diese und andere Drogen vollständig bewusst. Ich lebe seit Jahren clean von sämtlichen Drogen außer Nikotin über Verdampfer (“E-Zigarette”), davon konnte ich mich noch nicht lösen (sowie Koffein über Tee und Kaffee, aber naja). Gerade deshalb habe ich mich auch viel und ausführlich mit der Situation beschäftigt und bin zu dieser Einschätzung gelangt.
Danke für den engagierten Druko, @Leonard Schiff – der meines Erachtens genau auf die wichtigen Unterschiede unserer Menschenbilder verweist!
Sie schrieben: “Der Mensch ist ein Tier. Ein Säugetier, mit den gleichen Mechanismen wie alle anderen Tiere auch. Unser Gehirn und unsere Körper existieren nicht im luftleeren Raum. Ich finde dieses Postulat des Unterschiedes immer ein wenig seltsam.”
Genau das ist der Punkt von Jeanne Hersch und auch von mir. Der Mensch ist im Wesentlichen Säugetier – also immer sozial und sehr emotional. Es geht also völlig daneben, ihn sich als Homo oeconomicus vorzustellen, der umfassend informiert, alterslos und rational wäre. Auch als Familienvater bin ich sehr froh, dass die Abgabe von Tabak und Alkohol etwa an Kinder streng verboten ist und würde mich da jeder “Liberalisierung” politisch widersetzen. Sowohl individuelle Menschen wie auch Familien brauchen eher mehr Schutz durch zivilgesellschaftliche und staatliche Regeln.
Interessant ist, dass Sie ja auch selbst Emotionen kenntlich machen und auf die menschliche Neigung zur Reaktanz (als “Trotzreaktion”) hinweisen:
“Das entspricht so gar nicht meinem persönlichen Bild von Freiheit und der Rolle des Staates, ganz im Gegenteil.
Ein Recht auf Rausch halte ich für absolut gegeben. Keineswegs aber eine Pflicht zum Rausch. Keiner sollte sich berauschen müssen und es ist auch sehr wichtig, dass auf die Risiken und Nebenwirkungen im Umfeld von Drogen klar hingewiesen wird. Allerdings weniger mit erhobenem Zeigefinger und “Du, du, du!”, sondern eher im Sinne von Dokumentationen und belegter, wissenschaftlicher Forschung in dem Bereich (die durch die Kriminalisierung lange Zeit praktisch unmöglich war). Beim “Du, du, du!” bildet sich sonst bei genügend Leuten sowieso nur eine Trotzreaktion.”
Und auch hier stimme ich Jeanne Hersch zu – wer Rauschgift konsumiert, droht ja genau jene menschliche Entscheidungsfreiheit zu verlieren, auf die er oder sie sich beruft. Wer “aus Trotz” Captagon, Crack, Heroin oder Fentanyl konsumiert, stärkt damit genau gar keine Freiheit, sondern zerstört diese.
“Beim Alkohol oder Tabak brauche ich wohl kaum darauf hinzuweisen, wieviele tausend Tote jedes Jahr alleine in Deutschland auf deren Konto gehen.”
Deswegen begrüße ich ja auch gesetzliche Einschränkungen, erhöhte Steuern, Prävention, Therapien und wo nötig auch staatliche Repression – wenn etwa Kinder “abgefüllt” werden. Dass sogar schon teil-legalisierte Drogen massive Schäden anrichten, scheint aus meiner Sicht kein gutes Argument für weitere Liberalisierungen zu sein, im Gegenteil: offensichtlich sind auch der Missbrauch von Alkohol und Tabak stärker zu bekämpfen.
“Drogen als Medizin (im englischen “Drug”=Medizin) sind natürlich sowieso sehr sinnvoll. Ein Verbot des Cannabis hat ja auch dazu geführt, dass wir die medizinischen Aspekte dieser Pflanze über ein Jahrhundert gar nicht erforschen konnten.”
Medikamenten von Schmerzmitteln bis zu Antidedepressiva stand Jeanne Hersch und stehe auch ich selbstverständlich offen gegenüber. Gleichwohl muss ich erneut auf die Opiod-Krise hinweisen, in der in den USA Konzern-Medikamente als Rauschmittel verabreicht und Abertausende geschädigt, ja getötet wurden! Es ist schon richtig, dass Medikamente auch als “Drugs” bezeichnet werden, denn die Übergänge sind oft fließend. Ich ergänze unten einen KI-Absatz dazu.
“Und zur persönlichen Situation: Ich war schwer cannabis-abhängig und hatte dadurch Drogenpsychosen; ich bin mir also der Gefahr durch diese und andere Drogen vollständig bewusst. Ich lebe seit Jahren clean von sämtlichen Drogen außer Nikotin über Verdampfer (“E-Zigarette”), davon konnte ich mich noch nicht lösen (sowie Koffein über Tee und Kaffee, aber naja). Gerade deshalb habe ich mich auch viel und ausführlich mit der Situation beschäftigt und bin zu dieser Einschätzung gelangt.”
Es freut mich sehr, dass Sie sich bereits aus einigen Rauschgift-Abhängigkeiten lösen konnten – und es freut mich für Sie, für Ihre Mitmenschen und Ihre Mitwelt! Denn mit jedem Konsum von Drogen schaden wir Menschen uns ja nicht nur selbst, sondern immer auch anderen Mitmenschen – etwa Angehörigen und Kriminalitätsopfern – wie auch der nichtmenschlichen Mitwelt, etwa durch den Abbau, Gifte, Verbrennungen, die Finanzierung von menschenverachtenden Konzernen, Drogenkartellen, Terrormilizen und Narco-Staaten. Auch das kommunistische China und dessen repressives Militär sind von den Einnahmen aus dem Tabakkonsum angewiesen! Drogenkonsum schadet also niemals nur individuell.
Zuletzt möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass weder Jeanne Hersch noch ich uns nur für Repression ausgesprochen haben. Der Schweizer Vier-Säulen-Würfel verbindet vier Gegenmaßnahmen 1. Prävention, 2. Therapie, 3. Schadensminderung und 4. Repression und drei Konsummuster 1. risikoarm, 2. problembehaftet, 3. abhängig. Das ist also kein feindselig-dualistischer, sondern ein differenzierter und dialogischer Ansatz.
So, und hier mal die Antwort der japanischen Felo.ai auf die Schäden der Opioid-Krise in den USA:
Die Opioid-Krise in den USA hat sowohl erhebliche menschliche als auch wirtschaftliche Schäden verursacht.
## **Menschliche Schäden**
– **Todesfälle:** Die Opioid-Krise hat zu einer alarmierenden Anzahl von Todesfällen geführt. Zwischen Juli 2021 und Juni 2022 starben in den USA mehr als 107.000 Menschen an einer Überdosis, wobei ein Großteil dieser Todesfälle auf Opioide zurückzuführen ist[4][10].
– **Gesundheitliche Auswirkungen:** Neben den Todesfällen hat die Krise auch zu einer Zunahme von Gesundheitsproblemen geführt, einschließlich Abhängigkeit und damit verbundenen psychischen und physischen Gesundheitsproblemen[8].
– **Soziale Auswirkungen:** Die Krise hat weitreichende soziale Auswirkungen, darunter familiäre Krisen, erhöhte Kriminalität im Zusammenhang mit Drogenbeschaffung und eine Belastung des Gesundheitssystems[22].
## **Wirtschaftliche Schäden**
– **Gesamtkosten:** Die wirtschaftlichen Kosten der Opioid-Krise sind enorm. Die Gesamtkosten, einschließlich Gesundheitsversorgung, Produktivitätsverluste, Behandlung von Abhängigkeit und Kosten im Strafjustizsystem, belaufen sich auf über 1 Billion US-Dollar pro Jahr[8].
– **Produktivitätsverluste:** Unternehmen berichten von erheblichen Produktivitätsverlusten aufgrund von Fehlzeiten und verminderter Arbeitsleistung von Mitarbeitern, die von Opioiden betroffen sind[1].
– **Kosten im Gesundheitswesen:** Die Gesundheitskosten sind durch die Behandlung von Überdosierungen und langfristigen Gesundheitsproblemen, die mit Opioidabhängigkeit verbunden sind, erheblich gestiegen[5].
– **Arbeitsmarkt:** Die Krise hat auch den Arbeitsmarkt beeinflusst, da es schwieriger geworden ist, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, die Drogentests bestehen können[1].
Zusammenfassend hat die Opioid-Krise in den USA sowohl auf menschlicher als auch auf wirtschaftlicher Ebene verheerende Auswirkungen, die sich auf viele Aspekte der Gesellschaft auswirken.
[1] https://siepr.stanford.edu/publications/policy-brief/opioid-crisis-and-role-employers
[2] https://www.srf.ch/audio/international/opioide-in-den-usa-der-lange-kampf-gegen-die-toedliche-sucht?id=79d458fa-1e62-46c2-80e4-3cf5f1e0c538
[3] https://www.deutschlandfunkkultur.de/opioid-krise-in-den-usa-die-menschen-sterben-wie-die-fliegen-100.html
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Opioidkrise_in_den_Vereinigten_Staaten
[5] https://www.mhanet.com/mhaimages/Policy_Briefs/PolicyBrief_Economic_Cost_ofthe_Opioid_Crisis_inthe_U.S._0419.pdf
[6] https://www.deutschlandfunk.de/opioidkrise-in-den-usa-die-betaeubte-nation-100.html
[7] https://www.tagesschau.de/ausland/opioid-krise-usa-101.html
[8] https://www.directrelief.org/issue/opioid-epidemic/
[9] https://www.cdc.gov/mmwr/volumes/70/wr/mm7015a1.htm
[10] https://www.cdc.gov/overdose-prevention/about/understanding-the-opioid-overdose-epidemic.html
[11] https://www.psychiatry.org/news-room/apa-blogs/opioid-crisis-impact-challenges-recovery
[12] https://heal.nih.gov/about/opioid-crisis
[13] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wie-sich-die-opioidkrise-in-amerika-ausgebreitet-hat-19380405.html
[14] https://corxconsortium.org/report-opioid-crisis-has-cost-colorados-economy-at-least-21-billion/
[15] https://www.sueddeutsche.de/kultur/sackler-purdue-pharma-empire-of-pain-opioidkrise-1.5526724
[16] https://www.srf.ch/news/international/aufarbeitung-der-opioid-krise-usa-wohin-fliessen-die-gelder-der-opioid-krise
[17] https://www.nzz.ch/meinung/opioid-krise-in-den-usa-die-ursachen-liegen-tiefer-ld.1636931
[18] https://www.napolilaw.com/de/article/opioidkrise-amerika-infografik/
[19] https://costofaddictionvirginia.com/
[20] https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2017-08/opiod-krise-usa-nationaler-notstand-donald-trump-therapie
[21] https://aspe.hhs.gov/opioid-abuse-us-hhs-actions-address-opioid-drug-related-overdoses-deaths
[22] https://www.spektrum.de/wissen/5-fakten-zur-opioid-krise-in-den-usa/1544581
[23] https://www.hrsa.gov/opioids
[24] https://www.derstandard.de/story/2000076425084/opioid-krise-in-den-usa-wie-es-zum-massensterben-kam
[25] https://beyer.house.gov/news/documentsingle.aspx?DocumentID=5684
[26] https://www.brookings.edu/articles/the-economic-impact-of-the-opioid-epidemic/
[27] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33121867/
[28] https://www.usda.gov/topics/opioids
[29] https://www.hhs.gov/overdose-prevention/
[30] https://www.morepowerfulnc.org/get-the-facts/the-impact/
[31] https://www.osc.ny.gov/reports/continuing-crisis-drug-overdose-deaths-new-york
[32] https://law.georgia.gov/key-issues/opioid-abuse
[33] https://www.pharmazeutische-zeitung.de/opioid-krise-in-den-usa-noch-schlimmer-als-zuvor-130547/
[34] https://aerztezeitung.at/2021/oaz-artikel/politik/opioid-missbrauch-in-den-usa-eine-krise-die-nicht-endet/
Glaube ich nicht. Nicht, weil ich glaube, dass Kinder Tabak und Alkohol konsumieren sollten, weiß Gott nicht. Sondern, weil ich bezweifel, ob Verbote da überhaupt etwas bringen. Meine erste Zigarette gab’s mit 9, es war kein Problem, mit 15 an Wodka oder Cannabis zu kommen, mit 16 oder 17 war es – in meinem Freundeskreis – schon Beweis von Standhaftigkeit, kein Kokain zu konsumieren. Dabei war das alles verboten. Hat überhaupt nichts gebracht. Gar. Nichts. In der Psychiatrie schmissen die Dealer das Zeug über den Zaun, auf Pump. Aufgehört habe ich ja nicht, weil das Zeug illegal gewesen ist. Sondern weil ich wissenschaftliche Studien über die Auswirkungen gelesen habe. Weil ich psychiatrisches Personal gefunden habe, was mir zugehört hat, und was nicht versucht hat, mich von ihren eigenen Drogen (Medikamenten) abhängig zu machen, sondern mir stattdessen halfen, mich von diesen zu lösen.
Wenn es so einfach wäre, dass man es verbieten könnte, und dann würden die Leute es einfach nicht mehr konsumieren, das wäre natürlich toll. Oder auch nicht, dann wären wir Menschen schließlich hirnlose Drohnen, die einfach nur tun, was man ihnen ge- oder verbietet. Mein Argument ist aber ja gerade, dass Verbote in dem Bereich sich eher kontraproduktiv auswirken. Bei Kindern und Jugendlichen kann ich das ja noch irgendwo nachvollziehen, so als erzieherisches Werkzeug (auch wenn ich die Sinnhaftigkeit schon da in Zweifel ziehen muss), aber bei Erwachsenen ziehen solche Verbote dann natürlich überhaupt nicht mehr.
Die Kartelle und Kriminalität im Bereich der Drogen kommt ja gerade aus der Kriminalität heraus. Wir finanzieren mit der Prohibition jedes Jahr die Mafia in Deutschland und zahlen mit den Polizeieinsätzen noch oben drauf, statt das Geld in Forschung und Therapie zu stecken, wie es sinnvoll wäre.
Es braucht einen guten Grund für ein Verbot, der sich über “Ist schädlich” hinaus erklärt. Ein Verbot muss eben auch zielführend sein, und das sind diese Verbote meiner Meinung nach nicht, ganz im Gegenteil, richten sie mehr Schaden an, als dass sie helfen würden. Gerade bei Kindern und Jugendlichen sind doch eher Eltern und andere unmittelbare Ansprechpartner in der Pflicht, ihr Kind entsprechend aufzuklären. Eine zerrüttete Jugend rettet man nicht dadurch, dass der 13-Jährige seinen Stoff beim Dealer statt in der Apotheke holt und die Polizei ihm erklärt, dass er den Scheiß nicht rauchen dürfe.
Mit Captagon, Crack, Heroin oder Fentanyl fängt es ja nicht an. Meist fängt es mit Alkohol an. Drogen konsumiert man nicht pur aus Trotz, sondern aus psychologischen Gründen, meistens, meiner Meinung und Erfahrung nach, um Emotionen zu verdrängen und sein Leben im Gang zu halten. Wenn da dann jemand kommt und sagt “Uiiii, das darfst du aber nicht!”, dann setzt der Trotz ein.
Bei den zugrundeliegenden Problemen muss dann eben auch da angesetzt werden und entsprechend gerade für Jugendliche mit Problemen genügend Kapazitäten geschaffen werden im Sinne von Psychotherapie und Co, dass diesen Menschen geholfen werden kann. Ihnen etwas zu verbieten hilft da nicht. Und aus einer Mücke einen Elefanten zu machen erst recht nicht. Der gelegentliche Joint ist für das Hirn sehr viel weniger schädlich als die erwähnten Antidepressiva. Aber gerade im Bereich der “soften” Therapien werden ja konstant die Mittel gekürzt. Psychiatrie besteht in vielen Dingen aus “Symptome -> Diagnose -> Medikamente -> und tschüss”. Für echte, nachweisbar funktionierende Psychotherapie fehlen meist die Mittel, auf einen Platz beim Therapeuten darf man Jahre warten, ganz davon zu schweigen, dass man selten beim ersten Therapeuten einen Treffer landet.
Da muss angesetzt werden, und ich denke, da sind wir uns auch durchaus einig, wenn ich mir den Kommentar zum Vier-Säulen-Modell angucke.
Zur Opioid-Krise: Da ist doch hoffentlich klar, dass das verschriebene Opium, durch das die Leute erst abhängig wurden, durch die Bank weg legal war? Es ist ja keine Möglichkeit, keine Schmerzmittel mehr verschreiben zu können. Die Opium-Krise war in der Hinsicht ein Problem der fehlenden Kontrolle von Ärzten und der Pharmaindustrie, die Straßenkriminalität kam erst danach auf den Plan. Es ist und war ein Skandal der Bestechlichkeit und des Profit-Wahns, die Drogen waren nur Mittel zum Zweck.
Ja, @Leonard Schiff – Verbote alleine wirken nicht. Dies hat hier aber auch niemand gefordert. Auch Jeanne Hersch nicht, die sogar die erste Verantwortung bei der Pädagogik der Schulen sah. Auch Elternhäuser, Freundeskreise, Vereine, Kirchen und Religionsgemeinschaften können und sollen etwas gegen Drogen tun. Der Vier-Säulen-Würfel der Schweiz ist da außerordentlich klar und differenziert.
Auch noch einmal der Hinweis, dass keineswegs nur kriminelle Organisationen von Rauschgiften profitieren, sondern auch völlig “legale” Konzerne wie etwa Tabakproduzenten, Alkoholverkäufer, Opioid-Entwickler. Liberalisierungen erweitern nur den Kreis der Profiteure, reduzieren aber den problematischen Konsum gerade nicht.
Und, nein, auch bei uns Blumes daheim wurde und wird nicht einfach verboten. Wir klären unsere Kinder auf, diskutieren, handeln Regeln aus. Die gesetzlichen Regeln zum Jugendschutz helfen uns dabei – ob es um den Konsum von Alkohol und Tabak oder auch einfach um die Altersgrenzen von Filmen und digitalen Spielen geht.
Den allermeisten Eltern ist sehr wohl bewusst, dass Kinder einerseits Regeln brauchen und auch wollen, andererseits ein Übermaß an Strenge und fehlender Dialog nur zu Reaktanz (“Trotz”) führt. Das gilt für Rauschmittel, Mobilität, Sexualität, Freundeskreise (Peer-Groups), für Schule und Lernen, für Handys und Finanzen und nicht zuletzt für die digitale Thymotisierung.
Was der methodologische Individualismus immer wieder übersieht oder gar verdrängt: Familien stehen bei all diesen Fragen inmitten der Medienrevolutionen ganz vorne in den Lebenswelten. Wir sind keine Idioten und übrigens auch meist keine Thymoten. Wir entscheiden uns für das gemeinschaftliche Zusammen-Leben, immer wieder.
Das wollte ich auch keineswegs behaupten, und wenn das so rüberkam, so möchte ich da um Entschuldigung bitten.
Das Thema ist für mich natürlich ein emotional aufgeladenes, weil ich die Jahre meiner Drogensucht stets darunter gelitten habe, dass man Drogensüchtigen gesellschaftlich oft nicht mit konstruktivem und produktivem Verständnis begegnete, sondern stattdessen mit Kriminalisierung, Ausgrenzung und Stigmatisierung.
Natürlich weiß ich, dass das Thema für niemanden ein einfaches ist.
Vielen lieben Dank, @Leonard Schiff 🙏
Keine Sorge: Ich habe mich und meine Familie noch gar nicht angegangen gefühlt. Mir war es jedoch wichtig, auf die blinden Flecken auch des methodologischen Individualismus hinzuweisen. Säugetier-Leben und damit auch menschliches Leben evolviert grundsätzlich in Gemeinschaften.
Biokulturelle Evolution bedeutet auch: Es gab und gibt keine Menschenvölker ohne familiäre und religiöse (fast immer auch pronatale) Traditionen. Dagegen verebbt der säkulare Individualismus immer wieder auch demografisch.
Aus der Perspektive säkularer Philosophie ist bisher keine überzeugende Begründung für die Weitergabe von Leben und Leiden gelungen (sog. Anthropodizee-Frage). Allerdings gibt es sehr viele gute Begründungen für die Vermeidung von Leid und die Suche nach Sinn.
Da sind wir also wieder bei den Menschenbildern.
Danke für den guten, intensiven Dialog, @Leonard Schiff! 🙏📚🙌
Sehr geehrter Herr Blume,
Ihr differenzierter Beitrag zur Drogenpolitik, insbesondere zur Schweizer Vier-Säulen-Strategie, ist äußerst interessant und regt zu wichtigen Diskussionen an. Sie beleuchten die Gefahren und sozialen Kosten des Drogenkonsums, was zweifelsohne ein essenzieller Aspekt der Debatte ist. Dennoch möchte ich auf eine oft unterrepräsentierte Perspektive hinweisen: die potenziellen Vorteile bestimmter Substanzen für die Erweiterung des Bewusstseins und die Unterstützung psychischer Heilungsprozesse.
Drogen, oder präziser formuliert: bewusstseinserweiternde Substanzen, sind seit Jahrtausenden in vielen Kulturen ein Mittel, um tiefere Einblicke in das Selbst, die Welt und das menschliche Dasein zu gewinnen. Von indigenen Völkern, die Ayahuasca oder Peyote in rituellen Kontexten nutzen, bis hin zur modernen Forschung an Psychedelika wie Psilocybin oder MDMA: Die Geschichte zeigt, dass diese Stoffe nicht nur Gefahren bergen, sondern auch Heilung und Erkenntnis ermöglichen können.
Psychedelika und psychische Gesundheit
Die moderne Wissenschaft bestätigt, was viele Kulturen bereits wussten: Substanzen wie Psilocybin (aus Zauberpilzen), LSD oder MDMA haben das Potenzial, tiefgreifende therapeutische Effekte zu entfalten. Studien renommierter Institutionen wie Johns Hopkins oder Imperial College London zeigen, dass kontrollierte und professionelle Anwendungen solcher Substanzen bei Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und Suchterkrankungen signifikante Verbesserungen bewirken können.
Besonders hervorzuheben ist, dass diese Substanzen nicht als Flucht oder „Verneinung des Menschseins“ fungieren, wie von Jeanne Hersch kritisiert, sondern im Gegenteil den Zugang zu bisher unbewussten emotionalen und geistigen Räumen eröffnen können. In solchen Räumen sind Heilung, Einsicht und oft auch das Gefühl einer tieferen Verbundenheit mit der Welt möglich.
Bewusstseinserweiterung als menschliches Potenzial
Jeanne Hersch postulierte, dass der Mensch aufgrund seiner Fähigkeit zur Reflexion und Planung über das Tier hinausgeht. Ich würde ergänzen, dass bewusstseinserweiternde Substanzen genau diese Kapazitäten fördern können: Sie erlauben es uns, festgefahrene Denk- und Verhaltensmuster zu durchbrechen und die Welt mit neuen Augen zu sehen. Es gibt unzählige Berichte von Menschen, die durch Psychedelika existenzielle Einsichten gewonnen oder kreative Durchbrüche erlebt haben.
Diese Perspektive ist nicht dazu gedacht, die Risiken zu ignorieren. Im Gegenteil: Der verantwortungsvolle Umgang, wie ihn die Schweizer Drogenpolitik mit Prävention und Schadensminderung anstrebt, ist der Schlüssel. Doch die pauschale Verurteilung dieser Substanzen als reine Gefahrenquelle übersieht ihr großes Potenzial – ein Potenzial, das unsere Gesellschaft weiter erkunden sollte, um das Menschsein nicht zu verneinen, sondern es in seiner Tiefe zu verstehen und zu fördern.
Schlussgedanke
Vielleicht liegt der wahre Fortschritt in einer differenzierten Betrachtung von Substanzen – weder in blinder Liberalisierung noch in strikter Ablehnung. Es gilt, den Kontext und die Intention des Konsums zu berücksichtigen. Drogen sind keine rein destruktive Kraft, sondern können bei verantwortungsvollem Einsatz ein Werkzeug sein, um nicht nur die eigene Menschlichkeit zu bejahen, sondern auch anderen dabei zu helfen, dies zu tun.
Ich freue mich auf Ihre Gedanken und den weiteren Dialog über dieses vielschichtige Thema.
Mit besten Grüßen, Dave
Vielen herzlichen Dank für Ihren klugen und dialogischen Druko, @Dave!
Nun kann ich natürlich nicht für Jeanne Hersch sprechen – zitierte aber auch schon von ihr Sätze, die eine Weitergabe von Rauschmitteln im medizinisch kontrollierten (!) Bereich ausdrücklich zuließen. Sie sprach und schrieb als Zeit-Philosophin auch über die Bedeutung von Festen, zu denen in vielen Kulturen ja auch der Genuss von “Bewusstsein erweiternden Substanzen” gehört. Tatsächlich würde ich gerade auch religiöse Ritualisierung als eine sogar strikte Form der sozialkulturellen Kontrolle bewerten, die den Konsum bestimmter Stoffe auf wenige, genau geregelte Zeitpunkte beschränkt.
In meiner evangelischen Landeskirchen-Gemeinde wird zum Abendmahl aus Rücksicht auf die Gefahren inzwischen nicht mehr Abendmahlswein, sondern ein guter Traubensaft gereicht. In der Abendmahlsordnung heißt es dazu:
16. Als weitere Formen der Darreichung des Sakraments kommen in Betracht: Anstelle des Gemeinschaftskelchs der Einzelkelch, anstelle des Weins der Traubensaft und anstelle der Hostie das Brot. Ein Nacheinander verschiedener Formen innerhalb einer Abendmahlsfeier soll vermieden werden.
https://www.kirchenrecht-ekwue.de/document/17172
Auch aus meiner Sicht spricht also dann nichts gegen den sorgsamen Einsatz von Stoffen in Medizin oder auch Religion, soweit sich daraus keine weitergehenden Schäden und Abhängigkeiten ergeben. Auch Traditionen dürfen und sollen immer wieder kritisch hinterfragt werden.
Zugleich muss ich leider jedoch darauf hinweisen, wie viele Menschen durch die Opioid-Krise insbesondere in den USA ins Unglück gestürzt wurden, indem sie durch die falsche Verabreichung von Medikamenten drogensüchtig (gemacht) wurden. Die juristische Aufarbeitung dieser organisierten Konzern-Kriminalität ist ja leider immer noch nicht abgeschlossen:
“Washington, 28.06.2024 – Das Oberste Gericht der USA hat den Insolvenzplan für den für die Opioidkrise verantwortlich gemachten Pharmakonzern Purdue Pharma verworfen. In seiner gestern verkündeten Entscheidung befand der Supreme Court, dass der in dem Plan vorgesehene umfassende Schutz der Unternehmerfamilie Sackler vor künftigen Zivilklagen von Opioidopfern und deren Angehörigen unangemessen sei.”
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/152542/Rechtsstreit-um-Opioidkrise-Oberstes-US-Gericht-stoppt-Insolvenzplan-fuer-Purdue
Noch einmal herzlichen Dank für Ihren konstruktiven und dialogischen Druko, auf den einzugehen Freude und Sinn machte. Ihnen eine frohe Advents- und/oder Dezemberzeit! 🙂
Während meiner Berufsphase habe ich eine Ausbildung zur betrieblichen Suchthelferin absolviert, nachdem mir als Personalrätin die erste verhaltensbedingte Kündigung einer Kollegin wegen anhaltender Fehlzeiten auf den Tisch kam.
Das erste: kulturell bedingt sind bei uns die stofflichen Drogen Alkohol und Nikotin gesellschaftlich akzeptiert und erlaubt, ebenso die nichtstofflichen Drogen Spielen und Internet.
Rein von der Schädlichkeit her (siehe Beitrag weiter oben) ist dies nicht zu begründen.
Zum Zweiten: unschädliche Drogen gibt es nicht, die gesundheitlichen Folgen sind bei allen nachweisbar. Viel ausgeprägter sind jedoch die Persönlichkeitsveränderungen und sozialen Folgen, wie von Elisabeth K. beschrieben.
Da es sich bei Süchten immer um Erkrankungen handelt, kann eine Strategie, die auf Kriminalisierung, Schuldgefühlen und Repression beruht, letztlich nicht zum Erfolg führen.
Prävention und Aufklärung: ja, unbedingt.
Gleichzeitig müssen wir den Blick aber auch für die Gründe, warum Menschen süchtig werden schärfen. Das bedeutet auch, unseren eigenen Umgang mit Sucht mitteln zu hinterfragen – ich bin in einem Weinbaugebiet aufgewachsen, das Glas Wein am Abend war in meinem Elternhaus eine Selbstverständlichkeit. Nach meiner Ausbildung habe ich damit aufgehört und trinke kaum noch alkoholische Getränke.
In der medizinischen Forschung ist inzwischen anerkannt, dass Süchte oft darunter liegende unbehandelte Depressionen und ungelöste Konflikte überlagern und es wohl auch eine genetische Prädisposition geben kann.
Die beste Suchtprävention ist daher eine wertschätzende und persönlichkeitsstärkende Erziehung von Kindern und jungen Erwachsenen, nicht deren Konditionierung zu ‘Leistungsbringern’.
Ganz herzlichen Dank für den starken und auch persönlichen Druko, liebe @Corinna Vahrenkamp! Ich freue mich immer noch darüber, dass wir uns in Hessen auch mal im RL begegnen konnten! 🙂
Inhaltlich bin ich ganz bei Dir, vor allem bei der Ansage: “Unschädliche Drogen gibt es nicht, die gesundheitlichen Folgen sind bei allen nachweisbar.”
Dem stimme ich völlig zu und erweitere – auch soziale, externalisierte Kosten sind bei allen Drogen nachweisbar!
Denn mit jedem Konsum von Rauschmitteln schaden wir Menschen uns ja nicht nur selbst, sondern immer auch anderen Mitmenschen – etwa Angehörigen und Kriminalitätsopfern – wie auch der nichtmenschlichen Mitwelt, etwa durch den Abbau, durch Gifte und nicht zuletzt die Finanzierung von menschenverachtenden Konzernen, von Drogenkartellen, Terrormilizen und Narco-Staaten. Auch das kommunistische China und dessen repressives, u.a. die Republik Taiwan bedrohendes Militär sind von den Einnahmen aus dem Tabakkonsum angewiesen! Drogenkonsum schadet also niemals nur individuell und gesundheitlich, sondern immer auch sozial und mitweltlich.
Auch deswegen kann es nach meiner Einschätzung kein Recht auf Rausch geben. Wie bei jedem anderen Konsum auch ist vielmehr der Schaden zu minimieren. Entsprechend möchte ich auch noch einmal betonen, dass weder Jeanne Hersch noch ich uns nur für Repression ausgesprochen haben.
Der Schweizer Vier-Säulen-Würfel verbindet vier Gegenmaßnahmen
1. Prävention,
2. Therapie,
3. Schadensminderung
4. Repression
mit drei Konsummustern
1. risikoarm,
2. problembehaftet,
3. abhängig.
Es geht dabei mit der Vielzahl der Ansätze immer um das klare Ziel, jeden Konsum von Drogen zu minimieren und idealerweise zu überwinden. Der Schweizer Würfel ist also kein feindselig-dualistischer, sondern ein differenzierter und dialogischer Ansatz.
Hersch formulierte die Hinter-Gründe für Drogensucht in einem Absatz (auf S. 109 in “Erlebte Zeit”) so:
“Je nachdem, wer es ist, hat auch andere Gründe. Ich bin überzeugt, dass es so viele Gründe gibt wie Drogensüchtige selbst. Ich meine, jeder ist anders und auch aus ganz anderen Gründen hineingeraten. Es gibt auch gemeinsame Gründe: Sie liegen in unserer Zivilisation und in unserer Gesellschaft.”
Hersch sprach bei all dem übrigens nicht als religiöse Konservative. Sie war eine weitgehend nichtreligiöse Jüdin und Sozialistin bzw. später Sozialdemokratin. Ihre sehr klare Haltung auch gegenüber Rauschgiften entsprang ihrer Philosophie der Zeit. Sie formulierte die Erwartung an Menschen insbesondere in freiheitlichen Gesellschaften, ihre Lebenszeit mit Sinn und Bildung zu füllen, nicht mit übermäßigem Konsum.
So antwortete sie auch zu diesem Thema auf eine Frage recht engagiert (S. 110):
“Vielmehr muss man sich fragen, warum finden diese jungen Leute, die arbeitslos sind, nichts, was sie interessiert? Warum ist ihre Zeit nicht in Anspruch genommen durch irgendetwas, das sie interessieren kann?
Und warum ist keiner da, der ihnen etwas vorlegt: “Bitte, beobachte das, beobachte, wie dieses Insekt sich beträgt und lebt, wie diese Blume sich öffnet, wie diese Pflanze ihre Wurzeln schlägt, wie diese Entdeckung gemacht wurde. Hier sind Bücher.” Und so weiter.
Wieso gibt es so viele Menschen, so viele verantwortliche Menschen, die keine Arbeit haben, die zu viel Zeit haben und kein Interesse haben? Das ist unsere Schuld – ich meine uns als Erwachsene. Das ist unsere Schuld, denn es zeigt, dass wir keine Erwartung in ihnen geweckt haben. Und das ist noch viel schlimmer, als keinen Posten zu haben und kein Geld. Denn es ist die Wurzel der Drogenabhängigkeit. Es ist die Wurzel.
Deswegen sage ich, die Langeweile ist verboten, denn das ist die Langeweile. Davon spricht man in den Medien nicht.”
Noch einmal herzlichen Dank für Deinen Druko, der mich wieder zu einiger dialogischer Fleißarbeit motiviert hat, liebe Corinna! 🙂
Ich konsumiere Zigaretten und Alkohol, weil ich diese Welt unerträglich finde.
1972 war das Jahr, in dem das Wachstum und die ökologischen Grenzen beginnend thematisiert wurden.
Nun sind wir an und über Kippunkten.
Ich kann jeden verstehen, der sich an diesem Schaden beteiligt.
Vielen Dank für den ehrlichen und philosophisch schonungslosen Druko, @Mussi. Denn in einem gewissen Sinne bestätigen Sie ja die Aussage von Jeanne Hersch: Der Konsum von Drogen aller Art ist nicht trivial oder harmlos, sondern negiert die menschliche und mitmenschliche Existenz.
Den Abschluss ihres Vortrages „Rauschgift als Verneinung des eigenen Menschseins“ von 1995 formulierte Hersch daher so (S. 110):
„Ich dachte mir, ich will zu Ihnen weder als Arzt noch als Pfarrer noch als Soziologe noch als Politiker sprechen, denn ich bin nichts von all dem.
Aber ich glaube, ich bin jemand, der versucht, ein Mensch zu sein. Und ich hoffe, dass mir das einigermaßen gelingt.
Wenn es mir auch nicht gelingt, kann ich Ihnen sagen, warum ich das Menschsein liebe. Jedenfalls gelingt es mir, es zu lieben. Das ist schon etwas.
Wie ich Ihnen gesagt habe, liebe ich es, weil ich darin die Quelle nicht nur des Menschseins, sondern des Sinnes der Welt überhaupt sehe.
Ich sehe sonst nicht, was all das rechtfertigen würde, was ich als Sinn sehe, als Quelle, als Erfolg. Das sind wir auf dieser Erde.
Ich glaube, es ist alles wert, einem Menschen zu helfen, und, wenn es um einen selbst geht, sich selbst zu helfen, wenn man diese wunderbare Gabe bekommen hat, als Mensch hier zu leben, diesem Ruf des Menschen treu zu sein.
Es ist viel wichtiger, viel größer, viel großartiger, als ein großer Dichter, ein großer Maler, ein großer Techniker, ein berühmter Akademiker zu sein, wirklich auf dieser Erde ein Mensch zu sein mit seiner Verantwortung, seiner Freiheit und seiner bewussten Wahl.
Ich danke Ihnen.“
In meinen Worten: Die Antwort auf die Verlockung des Nichts ist das Dennoch. Nicht das dualistische Trotzdem, sondern immer wieder das dialogische Dennoch.
Hinter vielen der Kommentare zum Artikel verbigt sich ein Fortschrittsglaube, der nicht mehr funktioniert.
Zu fragen ist, wie er so lange existierte?
Das ist völlig richtig, @Mussi 📚👍✅
Der lineare Fortschrittsglaube setzte sich erst mit dem Medium der Alphabetschrift im 18. Jahrhundert vor Christus auf dem Sinai durch und nahm ihm ersten Jahrtausend vor Christus die monotheistisch-religiöse Form an.
Deswegen haben sowohl Judentum wie Christentum und Islam lineare Kalender entwickelt, die die Jahreskreise aufwärts zählen seit der biblischen Erschaffung der Welt (jüdisch), der Geburt von Rabbi Jehoschua / griechisch Jesus / arabisch Isa (christlich) und der Hidschra aus Mekka nach Medina (islamisch). Der Fortschritt war aber noch religiös auf das Jenseits und das Kommen eines Messias gerichtet. Keine Bäuerin, kein Handwerker etwa des 11. Jahrhunderts nach Christus hätte ein jährliches Wirtschaftswachstum und immer mehr Gerechtigkeit in dieser Welt erwartet.
Erst mit dem Buchdruck ab dem 15. Jahrhundert und beschleunigt durch die Industrialisierung setzt sich der säkulare, linear-rationale Fortschrittsglauben durch: Jetzt soll es immer mehr Fortschritt schon in der Jetztzeit, im saeculum, dem eigenen Jahrhundert geben.
Und diese linear-rationale, säkulare Fortschrittsverheißung zerfällt derzeit durch die Multikrise aus fossil befeuerter Klimakrise, säkularer Geburtenimplosion, fossil finanzierten Kriegen und digitaler Medienrevolution. Wir leben in einem Zeitenumbruch, vor dessen Zumutungen nicht nur Abermillionen in den USA 🇺🇸 zu Donald Trump und Elon Musk fliehen. Nichts erklärt die aktuellen Wahlergebnisse so gut wie medial befeuerte Zukunftsangst:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/es-ist-die-zukunftsangst-stupid-die-zeitenumbruch-these-zur-wiederwahl-von-donald-trump-usa/
Ich rechne mit der langsamen Entstehung eines dialogisch-regenerativen Zeitverständnisses. Aber es liegt an uns, ob und welche Staaten und Völker diesen Umbruch samt der „Feuer des Hasses“ überhaupt überleben werden. Ich bin kein Optimist mehr, aber habe noch Hoffnung.
Sehr spannendes Thema, ich würde dabei gerne auf ihren Blognachbar Herrn @Schleim verweisen, der eine eher Freien Bezug von Substanzen präferiert, wohl auch deswegen weil die positiven Effekte in der Forschung nicht wirklich beleuchtet werden und weil wie auch Herr @Schiff und Frau @Vahrenkamp reine Verbote nicht wirklich viel bringen. Tatsächlich ist Versteckter Konsum wohl weit schädlicher, wie man an den Alkoholproblemen im Iran sieht. Wenn man nicht einmal Unterstützen kann aus Kulturellen und Politischen Gründen, dann wird es für den Suchtgefangenen nur schlimmer. Wobei ich mir dann immer Russland vorstelle, wo Alkohol in einem bombastischen ausmaß zur Unterjochung benutzt wird und dies auch Signifikant die Lebenserwartung der Russen nach unten drückt. Ähnlich wie in gewissen Regionen in den USA, wo zu starke Opiate verkauft wurden und dadurch eine Lebenserwartung von gerade knapp 70 Jahren erreicht wird. Für eine Industrie und Wissensnation ein Sakrileg.
Deswegen bin ich wohl eher Zwiegespalten, würde aber einen freien Konsum, mit vielen Hilfsprogrammen wohl präferieren. Vielleicht auch aus dem Anarchistischen denken heraus, das auch der Mensch für sich selbst Entscheiden kann und soll. Gerade das Soll ist da entscheidend meiner Meinung nach.
Wünsche einen frohen ersten Advent 🙂
Danke & nein, @Berthold Forster – die weitere Freigabe auch von Alkohol und Tabak etwa auch an Minderjährige wird kaum jemand fordern, der selbst Kinder und Enkel hat. So sehr ich akademische Selbstbespiegelungen auf Basis des methodologischen Individualismus auch schätze, so wenig Rückhalt finden rationalisierende Homo-oeconomicus-Modelle in der Lebensrealität von Familien. Regelloses Laissez-Faire hat mit Kindern nie funktioniert und ist gerade auch gegenüber Schwächeren unverantwortlich.
Die Debatten, Wahlen und Abstimmungen der Schweiz 🇨🇭 haben es bereits gezeigt: Die Epoche der säkularen und im Ergebnis oft lebensfeindlichen Liberalisierungen von Rauschmitteln endet im 21. Jahrhundert endlich. Wie ich meine, zu Recht. Weil kein Mensch eine Insel ist, kann es auch kein Recht auf Rausch geben.
In Australien 🇦🇺 wurde gerade sogar ein Mindestalter von 16 Jahren für thymotisierende, antisoziale Medienportale beschlossen.
Und: Auch in Deutschland 🇩🇪 fand laut aktueller Umfragen die von der Bundesregierung propagierte und beschlossene Legalisierung von Cannabis nie eine gesellschaftliche Mehrheit. Auch hier handelte die Ampel auf eigene Kosten gegen den demokratischen Mehrheitswillen der Deutschen:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1459269/umfrage/meinung-zur-cannabis-legalisierung-in-deutschland/
Zuletzt noch einmal klargestellt: Der Schweizer Vier-Säulen-Würfel setzt zur Bekämpfung von Süchten ausdrücklich nicht nur auf Repression. Das hat auch Jeanne Hersch nie getan. Repression ist ein notwendiges, aber nie das einzige Werkzeug jeder wissenschaftlich informierten und verantwortungsvollen Drogenpolitik.
Freue mich über die lebendige und gerne auch Blog-übergreifende Debatte! 😊📚🙌
Danke für die ausführliche Antwort Herr @Michael Blume!
Ich Lese gerade auch das Buch Furien, auch dort wird der Drogenmissbrauch mit daraus entstehenden Gewalttaten in den Vordergrund gerùckt. Prinzipiel ist ja auch zu sagen das Menschen ohne jegliche Sucht ein erfùlltes Leben fùhren zu können, das zu ermöglichen wàre für die Gesellschaft dann wohl das Ziel.
Freu mich schon auf die weitere Denkanstöße 🙂
Vielen herzlichen Dank, @Berthold Forster! Angeregt durch das starke Fediversum-Echo auf diesen Blogpost habe ich nun auch mal zu den beiden Begriffen Biohacking und Neurohacking gebloggt:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/biohacking-und-neurohacking-mit-je-drei-aktuellen-beispielen/
Danke, dass Sie sich so interessiert und dialogisch einbringen! 🙂
Suchtmittel gibt es viele. Gefährlich sind alle. Ihr Gefahrenpotential ist unterschiedlich. Wer Suchtmittel konsumiert ist nicht automatisch süchtig, wie es Jeanne Hersch beschreibt. Mit deren philosophischen Ausführungen kann ich nichts anfangen. Ich habe den Eindruck, dass das sinnlose Gedankenexperimente von jemanden sind, die krampfhaft versucht, gegen etwas zu argumentieren, was sie nicht mag und wovon sie sehr wenig Ahnung hat. Was ist Menschssein? Also bitte! Das erinnert mich an meine Mutter, die mir erzählte, Heavy Metal sei Satansmusik und brächte meine Seele in Gefahr. Wäre das hier nicht der Blog des von mir geschätzten Michael Blume, würde ich die Thesen von Hersch bestenfalls belächeln. “Langweilen verboten!” Geht’s noch? Für mich ist das ganz klar eine Geisteshaltung, deren Streben es ist, anderen Menschen ihre eigene Lebensweise aufzudrücken.
Wo ich mitgehe: Menschen müssen aufgeklärt und geschützt werden. Suchtmittel sind nie harmlos. Das hat auch niemals ein vernünftiger Mensch hinsichtlich Cannabis behauptet. Besonders junge Menschen brauchen Schutz. Da braucht es und gibt es Verbote. Bitte alles wissenschaftlich fundiert gestalten. Cannabis ist wesentlich harmloser als Alkohol.
Drogenkonsum sollte für Erwachsene prinzipiell möglich sein. Dadurch sollten keine Dritten leiden; nur soweit darf Freiheit eingeschränkt werden. Entsprechend sollte alles organisiert werden, von der Herstellung bis zum Verkauf. Die Verkaufspreise müssen so hoch sein, dass keine externalisierten Kosten übrig bleiben. Auch sollte vermieden werden, dass Menschen leicht süchtig werden können. Drogen mit extremen sofortigen Suchtpotential gehören weiterhin verboten.
Ich stelle die steile These auf, dass Drogen nicht nur ein Teil von sehr vielen menschlichen Kulturen sind, Drogen können sogar einen positiven kulturellen Effekt haben.
Das verheerendste Suchtmittel unserer Zeit dürfte der Industriezucker sein.
Wenn Menschen bevormundet werden sollen, sollte das nur nach sehr vorsichtiger Abwägung geschehen.
PS. Ich habe relativ viel persönliche Drogenerfahrung und dabei Leid erlitten und noch viel mehr Leid gesehen. Selten gönne ich mir immer noch einen Rausch. Ist mein Kind in der Nähe, rühre ich gar nichts an. Ich bin in der Lage, verantwortlich mit Drogen umzugehen.
Vielen Dank für den tiefen und sehr konstruktiven Druko, @Hui Haunebuh
Ja, Jeanne Hersch stand politisch links von mir und räumte dem staatlichen Schulsystem Aufgaben ein, die auch ich als übergriffig zurückweisen würde. Ich teile ihr Anliegen, dass möglichst alle Menschen Bildung und Sinn erfahren sollten. Allerdings darf dies niemals nur Aufgabe des Staates und der Schulen sein. Auch ist Langeweile nach meiner Einschätzung nicht nur negativ zu bewerten, sondern ein notwendiger Freiheitsraum der Selbstentdeckung inmitten der Fülle des Lebens.
Auch die Einbeziehung weiterer Abhängigkeiten wie Spielsucht, Gaming, Zucker usw. in den Schweizer Vier-Säulen-Würfel finde ich völlig richtig! Gerade auch zur Suchtwirkung von Industriezucker habe ich auch schon gesprochen und gebloggt:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/sind-digitale-news-der-neue-industriezucker-zum-kit-seminar-medienethik/
Aus meiner Sicht gibt es also philosophisch gesehen kein Recht auf Rausch. Allerdings stimme ich zu, dass die Bekämpfung der Süchte auch nicht nur durch Repression geschehen kann, sondern auch mit Mitteln wie Aufklärung und Besteuerung zu arbeiten hat. Danke auch, dass Sie Ihr Kind beschützen! 🙏😊✅
Hallo Herr Blume,
wäre es an ihrer Stelle nicht einfacher gewesen ihrem Bloggerkollegen Prof. Dr. Stephan Schleim begründet zu widersprechen?
Er hat ja nicht umsonst hier auf den Scilogs sehr viel zu diesem Thema geschrieben, Bücher dazu veröffentlicht usw. Sein Wissen ist zudem sehr viel aktueller, als die rein subjektiven Ansichten von Frau Hersch, die nie über Drogen oder ihre Wirkungen geforscht hat. Ist nicht sehr glaubhaft solche Argumente dann zu referenzieren.
Danke, Herr Francke. Ich schätze den Bloggerkollegen Stephan Schleim viel zu sehr, um mich in seine Blogposts einzumischen. Und aus meiner Sicht ist es wunderbar, wenn die Interessierten mit den unterschiedlichen, philosophischen Grundpositionen in den Dialog treten können. Ich halte diese Vielfalt der deutschen Blogosphäre und konkret der scilogs für eine große Stärke! 🙂
Es ginge dabei um den Austausch der (besseren) Argumente und selbstverständlich nicht darum den Blogger-Kollegen Schleim persönlich anzugreifen. In sofern hätten sie das ruhig versuchen können.
Das würde ja den Austausch unterschiedlicher Positionen in keiner Weise einschränken.
Beim gesellschaftlichen Umgang mit Substanzen geht es (leider) um Entscheidungen. Philosophie kann dabei helfen den ein und anderen Gedanken deutlicher herauszuarbeiten oder wenigstens zu formulieren, die Entscheidung abnehmen kann sie in keiner Weise.
Genau so, @Heinrich Francke. 👍
Nach meiner Auffassung kann es schon deswegen kein „Recht auf Rausch“ geben, weil jedes (!) Suchtmittel sowohl das Individuum wie auch Mitmenschen und Mitwelt beschädigt. Ich verweise hierzu beispielhaft auf China Tobacco, aber auch auf Purdue Pharma, auf Drogenkartelle und die thymotisierende Empörungssucht durch X. In einem neuen Blogpost habe ich auch zu den Begriffen Biohacking und Neurohacking gebloggt.
Denn schon Immanuel Kant lehrte zu Recht:
„Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“
Vielen Dank für Ihr klasse Interesse an sogar mehreren Wissenschaftsblogs! 🙏🙌✅
Neulich waren wir zum Du übergegangen. 🙂
MMn geht es nicht um die Frage nach einem Recht auf Rausch, sondern, ob ein Verbot von Rausch angemessen ist.
Ich möchte ganz legal Psilos sammeln und verwerten dürfen. Zumindest theoretisch. 😅 Ich vertrage die überhaupt nicht gut.
Und falls das falsch rübergekommen sein sollte: Ich trinke ab und an wirksame Alkoholmengen und paffe(!) pro Jahr 3 Zigaretten. Ich würde aber nie ausschließen, jemals wieder zu kiffen o. ä.
Kindesschutz ist selbstverständlich. Ich möchte kein schlechtes Vorbild sein. Alkoholkonsum soll nicht zur automatischen Norm werden.
Gerne, @hui haunebuh – ich wollte Dir nicht zu nahe treten. 🙂
Und ich möchte auch gerne weiterhin mein Freiheitsrecht ausüben, Dir wissenschaftlich klar zu sagen, dass jeder Konsum von Rauschmitteln Dich selbst, andere und die Mitwelt schädigt. Das bedeutet nicht, dass ich Dir alles verbieten wollte. Aber ich finde es eben falsch und gefährlich.
Beim auch gesetzlichen Kinderschutz sind wir uns da offensichtlich einig. 🙂
@Michael 01.12. 14:54
„Aus meiner Sicht gibt es also philosophisch gesehen kein Recht auf Rausch.“
Das finde ich schon ziemlich schwierig. Meine frühere Alkoholsucht habe ich seit über 30 Jahren hinter mir gelassen, und bin froh darum. Aber ich habe schon auch meinen Spaß mit Alkohol gehabt. Man sollte nicht automatisch von sich auf andere schließen, das kann schief gehen, auch philosophisch.
„Allerdings stimme ich zu, dass die Bekämpfung der Süchte auch nicht nur durch Repression geschehen kann, sondern auch mit Mitteln wie Aufklärung und Besteuerung zu arbeiten hat.“
Steuereinnahmen auf Drogen sind keine externen Kosten, sondern eine Wohltat für die Staatskasse und damit sogar zu begrüßen. So kann man auch Lohnsteuern einsparen. Das ist nun wirklich kein Argument gegen Drogengebrauch.
Der Drogengebrauch selber macht die Schäden, deshalb versucht man mit Recht, das Problem zu reduzieren.
Die externen Kosten sind beim Tabak eher weniger, und mit der Tabaksteuer mehr als ausgeglichen. Raucher sind für die Krankenkassen sogar etwas günstiger als Nichtraucher, und für die Rentenkassen sind Raucher ganz klar ein Gewinn. Der Schaden liegt hier ganz beim Raucher selbst. Eventuelle nichtrauchende Mitbewohner oder Besucher ausgenommen, denen schadet das dann doch auch. Die Entscheidung liegt dann aber eher beim betroffenen Mitbewohner oder Besucher selbst.
Würde es mir irgendwann gelingen, mit dem Rauchen aufzuhören, würde ich es sicher begrüßen, wenn Tabak verboten wäre und es gelänge, auch einen Schwarzmarkt zu unterbinden. Dann kann ich nicht wieder damit anfangen. Ich bin aber süchtig, und würde wahrscheinlich komplett durchdrehen, wenn ich nirgendswo mehr Tabak bekäme.
Ein Tabakverbot wäre entsprechend eine massive Förderung der organisierten Kriminalität. Möglicherweise auch eine maßlose Erhöhung der Tabaksteuer.
Aus der Nummer kommen wir also einfach nicht raus. Suchtdruck ist und bleibt ein Faktum. Auch mit Rücksicht auf die Reinheit der Substanzen wäre es m.E. zu begrüßen, wenn der Staat alle gebräuchlichen Drogen bei nachgewiesener Sucht zu angemessenen Preisen freigeben würde.
Werbung für Alkohol und Tabak könnte freilich verboten sein. Und Nikotinpflaster oder Kaugummis dürfen gerne frei verkäuflich sein, und nicht apothekenpflichtig und damit teurer als Tabak. Auch die inzwischen eingeführten Steuern auf Dampferliquids sind m.E. kontraproduktiv. Da kenne ich jede Menge Leute, die mit den Dampfern tatsächlich vom Rauchen weggekommen sind.
Mit einer Therapie ist es auch eher schwierig. Die Künste von Medizin und Psychologie sind nun mal leider begrenzt, da können die Süchtigen dann auch wieder nichts für.
Prävention ist immer eine gute Idee, bei Heranwachsenden besonders, aber auch bei Erwachsenen. Wir sollten uns mehr um einander kümmern, keine Frage. Und der Stresslevel im Betrieb der Leistungsgesellschaft könnte auch gerne kleiner sein, bei denen die zuviel arbeiten müssen wie auch bei denen, die keiner so recht haben will.
Vielen Dank, lieber @Tobias
Ich schließe nicht von mir auf andere, sondern beziehe im Anschluss an Jeanne Hersch eine klare, philosophische Position:
Schon weil alle Suchtmittel nicht nur die Süchtigen, sondern auch deren Mitmenschen und Mitwelt schädigen, kann es kein Recht auf Rausch geben. Es gibt ja auch kein Recht auf unendliche Geschwindigkeit auf den Straßen – selbst dann nicht, wo kein Tempolimit erlassen wurde. Denn die Rücksicht auf andere ist immer zu halten.
Das bedeutet, dass Rauschgiftsucht immer zu bekämpfen ist, insbesondere im Kinder- und Jugendschutz und nicht nur mit den Mitteln des Strafrechts. Der Schweizer Vier-Säulen-Würfel bietet einen wissenschaftlich informierten und demokratisch abgestimmten Ansatz zur Bekämpfung von Süchten aller Art.
Dass Du von der Alkoholsucht heruntergekommen bist, freut mich also für Dich, aber auch für unsere Mitmenschen und unsere Mitwelt.
Das ist meine philosophische, anthropologische und dialogische Grundposition.
Wo liegt der Unterschied, ob ich eine Flasche Bier mit oder ohne Alkohol trinke? Aus meiner Sicht macht das im Einzelfall keinen gesundheitlichen Unterschied und ist für meine Mitwelt idR gleich schädlich.
Mal davon ab greife ich meist zum Alkoholfreien.
@Hui Haunebuh
Für einen Alkoholsüchtigen kann schon eine Flasche Bier zu einem katastrophalen Rückfall führen.
Mein Einwand richtet sich nicht gegen den Genuss, sondern gegen die Sucht. So halte auch ich mich seit Jugend an die selbst gesetzte Regel, niemals ein zweites Glas mit Alkohol zu trinken. Haben wir ein Recht auf Genuss? Ja! Ein Recht auf Rausch, oder gar Sucht? Ich meine, nein.
Philosophie im Alltag. Danke dafür, lieber Freund! 😊🙏🙌
Ich finde man sollte Drogen in dieser wichtigen Diskussion auch mal anhand der gesundheitlichen wirkung vergleichen, da Äpfel nunmal keine 🍐 🍐 sind.
Und die droge mit dem grössten medizinischen potential hat auch das niedrigste Suchtpotenzial.
Chat gpt 40:
Cannabis hat zahlreiche medizinische Wirkungen, die sowohl durch klinische Studien als auch durch Erfahrungsberichte belegt wurden. Die Wirkungen sind hauptsächlich auf Cannabinoide wie THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol) zurückzuführen. Hier ist eine Übersicht der medizinischen Wirkungen:
1. Schmerzlinderung
Wirksam bei chronischen Schmerzen (z. B. Arthritis, Rückenschmerzen, neuropathische Schmerzen).
Kann bei Migräne und Fibromyalgie helfen.
2. Entzündungshemmend
Hilft bei entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.
3. Muskelentspannung
Reduziert Muskelspastiken bei Multipler Sklerose und Spinaler Muskelatrophie.
Linderung bei krampfartigen Zuständen wie bei Tourette-Syndrom.
4. Angst- und Stresslinderung
CBD kann Angstzustände, Panikstörungen und PTSD (posttraumatische Belastungsstörung) lindern.
THC kann in niedrigen Dosen beruhigend wirken.
5. Unterstützung bei Schlafproblemen
Fördert den Schlaf bei Insomnie und anderen Schlafstörungen.
Wirkt durch THC sedierend, während CBD den Schlafzyklus regulieren kann.
6. Antiemetisch (gegen Übelkeit und Erbrechen)
Linderung von Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie oder schwerer Krankheit.
Appetitanregend bei HIV/AIDS oder Krebspatienten.
7. Epilepsie-Behandlung
CBD ist effektiv bei der Behandlung von Epilepsie (z. B. Lennox-Gastaut-Syndrom, Dravet-Syndrom).
8. Neuroprotektive Eigenschaften
Schutz von Nervenzellen bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Huntington.
Fördert Regeneration und Schutz bei Schlaganfällen und Traumata.
9. Antidepressiv
Kann Symptome von Depressionen lindern, insbesondere durch CBD.
10. Antitumorale Wirkungen
Studien deuten auf krebshemmende Eigenschaften hin (z. B. Hemmung des Tumorwachstums bei bestimmten Krebsarten).
11. Unterstützung bei Autoimmunerkrankungen
Modulation des Immunsystems bei Erkrankungen wie Lupus oder Psoriasis.
12. Förderung der Herzgesundheit
Mögliche Senkung des Blutdrucks und Verbesserung der Durchblutung durch CBD.
13. Antibakterielle und antimykotische Eigenschaften
CBD zeigt Potenzial bei der Bekämpfung von antibiotikaresistenten Bakterien.
14. Regulierung des Appetits
THC steigert den Appetit („Munchies“), während CBD diesen bei Übergewicht regulieren kann.
15. Unterstützung bei Suchttherapien
CBD zeigt Potenzial, Suchtverhalten (z. B. Alkohol, Nikotin, Opioide) zu reduzieren.
16. Unterstützung der Hautgesundheit
Linderung von Hautproblemen wie Akne, Ekzemen und Rosacea durch entzündungshemmende Eigenschaften.
17. Reduktion des Augeninnendrucks
Hilfreich bei Glaukom (grüner Star), indem es den Augeninnendruck senkt.
Diese Wirkungen sind stark dosisabhängig und hängen von der spezifischen Zusammensetzung der Cannabispflanze ab (Verhältnis von THC zu CBD, Terpene). Die medizinische Nutzung sollte stets unter ärztlicher Aufsicht erfolgen, um Risiken wie Abhängigkeit oder Nebenwirkungen zu minimieren.
Ja, @JR, ebenso wie Opium hat auch Cannabis medizinische Anwendungen. Das rechtfertigt jedoch aus meiner Sicht für beide Produkte keine allgemeine Legalisierung als Rausch- und Suchtmittel.
Die katastrophale Opioid-Suchtkrise in den USA mit Millionen geschädigter Familien und Hunderttausenden von Toten ging sogar direkt von einem zugelassenen Medikament aus und fordert bis heute unzählige Opfer, auch durch Nachfolgeprodukte wie Fentanyl.
Auch deswegen habe ich dieses krasse Beispiel für Biohacking hier genannt:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/biohacking-und-neurohacking-mit-je-drei-aktuellen-beispielen/
Eine kurze, chronologische Erläuterung der Opioid-Krise durch Perplexity.ai:
Die Opioid-Suchtkrise in den USA hat sich über mehrere Jahrzehnte entwickelt und stellt eine der größten gesundheitlichen und sozialen Herausforderungen des Landes dar. Hier ist ein chronologischer Überblick der wichtigsten Ereignisse und Entwicklungen:
## Historische Wurzeln
– **1620**: Das erste Opium kam vermutlich mit der Mayflower nach Amerika[1].
– **19. Jahrhundert**: Eine erste große Opium-Epidemie entwickelte sich, begünstigt durch Freizügigkeit im Vertrieb und schlechte soziale Bedingungen während der Industrialisierung[1].
## Beginn der modernen Krise
– **1996**: Purdue Pharma bringt OxyContin auf den Markt, ein opioidhaltiges Schmerzmittel[2].
– Purdue betreibt aggressives Marketing und behauptet fälschlicherweise, das Abhängigkeitsrisiko liege unter einem Prozent[2].
## Eskalation
– **Frühe 2000er**: In strukturschwachen Regionen häufen sich Fälle von OxyContin-Missbrauch[2].
– Abhängige umgehen den Sicherheitsmechanismus durch Zerstampfen oder Ablutschen der Tabletten[2].
## Ausweitung der Krise
– **2009**: Purdue ändert die Zusammensetzung von OxyContin, um Missbrauch zu erschweren[2].
– Viele Süchtige steigen auf Heroin und später auf Fentanyl um[2].
## Nationale Notlage
– **2017**: US-Präsident Trump erklärt den Gesundheitsnotstand für die USA[1].
– Der Gouverneur von Maryland ruft den Notstand in seinem Bundesstaat aus[3].
## Verschärfung während der Pandemie
– **2020**: Mit 93.331 Toten wird der bisherige Höchststand erreicht, ein Anstieg um 30% gegenüber 2019[3].
– **April 2020 – April 2021**: Erstmals sterben mehr als 100.000 Menschen innerhalb eines Jahres an Überdosen[2].
## Aktuelle Situation und Gegenmaßnahmen
– **2023**: US-Präsident Biden kündigt verschärfte Strafen für Drogendealer und verstärkte Grenzkontrollen zu Mexiko an[3].
– Die FDA genehmigt den rezeptfreien Verkauf des Gegenmittels Narcan[3].
– Das US-Finanzministerium verhängt Sanktionen gegen Drogenkartelle und Unternehmen in China und Kanada[3].
## Bilanz
– Von 1999 bis März 2021 sind fast 841.000 Menschen an einer Drogenüberdosis in den USA verstorben[3].
– Zwischen Juli 2021 und Juni 2022 starben über 107.000 Menschen infolge einer Überdosis[3].
Die Opioid-Krise in den USA zeigt, wie aus einer zunächst legalen medizinischen Anwendung eine landesweite Suchtkatastrophe entstehen kann, die durch wirtschaftliche Interessen, aggressive Marketingstrategien und unzureichende Regulierung begünstigt wurde.
Citations:
[1] https://www.addiction.de/us-amerikanische-opioid-epidemie/
[2] https://www.sueddeutsche.de/kultur/sackler-purdue-pharma-empire-of-pain-opioidkrise-1.5526724
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Opioidkrise_in_den_Vereinigten_Staaten
[4] https://www.watson.ch/international/usa/775519164-wie-fentanyl-zur-toedlichsten-droge-amerikas-wurde
[5] https://www.spektrum.de/wissen/5-fakten-zur-opioid-krise-in-den-usa/1544581
@Michael 01.12. 19:42
„Recht auf Genuss? Ja! Ein Recht auf Rausch, oder gar Sucht? Ich meine, nein.“
Selber keine Lust auf Rausch haben dürfte vernünftig sein, das sehe ich auf jeden Fall so. Die beste Droge ist ein klarer Kopf, habe ich mal gehört. Der Übergang von Genuss zum Rausch kann aber mehr oder weniger fließend sein. Es anderen dann konkret von abzuraten, würde ich entsprechend nur für den konkreten Einzelfall empfehlen.
Beispielsweise für Alkohol ab und an mal nur 0,5 bis 1,0 Promille kann eine sinnvolle Grenze sein, sehr selten mal bis 1,5 Promille als absolutes Maximum auch. Wenn es denn nicht zu häufig oder unkontrollierbar mehr wird.
Recht auf Sucht trifft es sicher kaum. Sucht ist eine ernsthafte Erkrankung, das ist mehr ein medizinisches als ein juristisches Problem. Die meisten Süchtigen wären nichts lieber, als nicht mehr süchtig zu sein. Das Problem ist hier doch, dass man nicht mehr anders kann. Recht oder nicht steht hier aus der eigenen Perspektive überhaupt nicht zur Debatte. Sonst wäre es ja wohl auch keine Sucht.
Das mit dem Recht ist dann auch so schwer durchzusetzen, das ist hier m.E. ein wesentlicher Teil des Problems. Wenn es nicht möglich ist, den Schwarzhandel zu unterbinden, dann versorgen sich die Süchtigen eben weiter, mit mehr Gesundheitsschäden durch unsaubere Ware, eventuell mit Beschaffungskriminalität und in jedem Fall mit einer maßgeblichen Förderung von organisierter Kriminalität. Das kann man ja nun nicht ausklammern.
Es dürfte hier unterm Strich ganz pragmatisch deutlich günstiger für alle sein, wenn z.B. wenigstens Cannabis legalisiert bleibt.
Wenn man Süchtigen irgendwie helfen kann, dann soll man das alles gerne tun, und es von vorn herein zu verhindern ist wirklich wichtig, keine Frage. Wenn die Verbote wirklich umgesetzt werden könnten, und kein illegaler Drogenhandel mehr möglich wäre, dann wären wir in einer ganz anderen Situation.
Vielen Dank & Zustimmung, lieber @Tobias – so fanden wir doch noch dialogisch zueinander. 😊✅☕️
Ergänzen möchte ich noch, dass sich durch Biohacking die Rausch- und Suchtwirkung chemischer und biologischer Produkte immer weiter steigern lässt – mit verheerenden Folgen, schon heute.
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/biohacking-und-neurohacking-mit-je-drei-aktuellen-beispielen/
So werden durch das zugelassene Schmerzmittel-Medikament OxyContin von Purdue Pharma und inzwischen durch das von Drogenkartellen produzierte Fentanyl Menschenleben, Familien und Arbeitsplätze vernichtet – täglich!
Perplexity.ai:
Die Herstellung von Fentanyl hat die US-Opioidkrise erheblich verschärft. Fentanyl ist ein hochpotentes, synthetisches Opioid, das kostengünstig produziert werden kann und oft in andere Drogen wie Heroin, Kokain und Methamphetamin gemischt wird, um die Gewinne zu maximieren[1][2]. Diese Praxis führt zu häufigen unbeabsichtigten Überdosierungen, da Konsumenten die hohe Potenz von Fentanyl unterschätzen[1]. Mexikanische Kartelle sind Hauptakteure in der Produktion und dem Schmuggel von Fentanyl in die USA, wobei sie chemische Grundstoffe hauptsächlich aus China beziehen[2][4]. Dies hat zu einem Anstieg der Überdosis-Todesfälle beigetragen und die Krise weiter verschärft[3][4].
Citations:
[1] https://www.tagesschau.de/ausland/opioid-krise-usa-101.html
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Opioidkrise_in_den_Vereinigten_Staaten
[3] https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/10/18/fentanyl-der-amerikanische-fluch-aus-china-und-mexiko
[4] https://www.nzz.ch/international/fentanyl-aus-mexiko-drogenkartelle-treiben-us-opioid-krise-an-ld.1750219
[5] https://www.vice.com/de/article/coronavirus-ist-schlecht-fuer-drogen-kartelle-in-mexiko/
[6] https://www.capital.de/wirtschaft-politik/fentanyl-hat-das-geschaeft-der-mexikanischen-drogenkartelle-veraendert-33688302.html
[7] https://www.stern.de/panorama/verbrechen/fentanyl-hat-das-geschaeft-der-mexikanischen-drogenkartelle-veraendert-33694198.html
[8] https://www.watson.ch/wissen/drogen/485502505-fentanyl-meth-und-mdma-der-boom-der-synthetischen-drogen
Die Biohacking-Schwemme synthetischer Drogen wird nicht durch Liberalisierungen zu stoppen sein, sondern nur durch eine konsequente Anwendung des Schweizer Vier-Säulen-Würfels. Meine ich.
Vor etlichen Jahren habe ich mich intensiv forschend mit allerlei Themen rund um die Drogenpolitik beschäftigt, daher ist Ihr Post, werter Herr Blume, mir ein willkommener Anlass einige Gedanken aufzufrischen. Spaßeshalber starte ich mit einer Gegenthese zu Jeanne Hersch:
Die Suche nach Transzendenzerfahrungen ist unveräußerlicher Teil der Conditio humana, Daher hat sich die Einnahme psychotroper Substanz als eine von verschiedenen Kulturtechniken auf dem Weg zu Rausch und Ekstase entwickelt. Da Rausch in diesem Sinne Teil der menschlichen Natur ist, sollte sich Politik auf die Schadensminimierung konzentrieren. Denn selbstverständlich gibt es entmenschlichende Formen von Suchtkrankheit und lebensbedrohliche Formen von Drogenkonsum.
Beginnt man die Auseinandersetzung über Drogenmissbrauch allerdings mit dem fundamentalen Abstinenzparadigma, bekommt man einfach ein Keilthema, was gut geeignet ist, um die Gesellschaft in verschiedene Lager zu spalten, aber kaum als Leitbild zur Lösung konkreter Drogenprobleme hilft.
Die Debatte ist übrigens nicht neu, wie dieser Spiegel-Kommentar von 1997 zeigt:
https://www.spiegel.de/politik/nuetzliche-idioten-a-ababf1f1-0002-0001-0000-000008781976
Drei Gedanken zu den konkreten Themen dieses Posts:
1. Die Opiatkrise in den USA sollte uns ein Weckruf sein. Eher früher als später wird man extrem wirksame synthetische Opiate auch in Europa kaufen können. Menschen sterben dabei an konkreten Überdosierungen bei der Einnahme einer Droge mit vergleichsweise schwachen physischen Nebenwirkungen. Wenn Drogen- und Gesundheitspolitik die Leben von Opioidabhängigen retten wollen, ist Klarheit an diesem Punkt wichtig.
2. Die mögliche Rekriminalisierung des Besitzes und Anbaus von geringen Cannabismengen durch eine CDU-geführte Bundesregierung sehe ich mit einer etwas kuriosen Distanz. Cannabis ist in vielen Teilen Deutschlands als Genussmittel recht einfach zu beschaffen, günstig und mittlerweile seit zwei Generationen etabliert. Alle drogenpolitischen Effekte einer “Wende” in diesem Bereich sind m.E. überschaubar. Jenseits der Drogenpolitik stellt sich am Thema “Cannabis” symbolisch die grundsätzliche Frage, in wie weit die demokratischen Parteien gemeinsam fähig sind, langfristige Projekte über Legislaturperioden hinaus zu steuern.
3. Das Schweizer-Würfelmodell ist sehr konkret und hilft bestimmt eine Politik gegen die Gefahren jeder Art von Sucht zu strukturieren.
Vielen Dank für Ihren fast durchgängig dialogischen Post, @Ludwig 🙏
Sie schrieben:
“Die Suche nach Transzendenzerfahrungen ist unveräußerlicher Teil der Conditio humana, Daher hat sich die Einnahme psychotroper Substanz als eine von verschiedenen Kulturtechniken auf dem Weg zu Rausch und Ekstase entwickelt. Da Rausch in diesem Sinne Teil der menschlichen Natur ist, sollte sich Politik auf die Schadensminimierung konzentrieren. Denn selbstverständlich gibt es entmenschlichende Formen von Suchtkrankheit und lebensbedrohliche Formen von Drogenkonsum.”
Nun gehöre ich ja selbst einer christlichen Tradition an, die den Konsum von Wein zum Abendmahl lange Zeit als religiöse Verpflichtung gelehrt hat. Im 20. Jahrhundert setzte sich jedoch in meiner evangelischen Landeskirche auch die Auffassung durch, dass es neben dem Gemeinschaftskelch mit Alkohol aus gesundheitlichen, medizinischen und Sucht-präventiven Gründen auch den Einzelkelch mit Traubensaft geben sollte. Und das finde ich richtig so.
Aus meiner Sicht ist es auch in religiösen, kulturellen und erst Recht säkular-politischen Kontexten immer wichtig, nicht nur die Belange der Individuen zu sehen. Auch wenn 99% einer Kirchengemeinde kein Problem mit Wein aus dem Gemeinschaftskelch hätten, so wäre aus meiner Sicht doch auch jene Person zu berücksichtigen, die vielleicht keinen Alkohol zu sich nehmen darf. Deswegen kann ich das Argument, dass Traditionen Menschen zum Drogenkonsum oder – wie in Borkum diskutiert – zur Gewalt gegen Frauen verpflichten sollten, nicht nachvollziehen. Schädliche Traditionen sollten reformiert oder, wenn dies nicht möglich ist, abgeschafft werden.
“Beginnt man die Auseinandersetzung über Drogenmissbrauch allerdings mit dem fundamentalen Abstinenzparadigma, bekommt man einfach ein Keilthema, was gut geeignet ist, um die Gesellschaft in verschiedene Lager zu spalten, aber kaum als Leitbild zur Lösung konkreter Drogenprobleme hilft.”
Das ist natürlich ein beliebter und etwas fieser rhetorischer Trick, selbst eine Position der Liberalisierung zu beziehen und Andersdenkenden vorzuwerfen, Sie würden mit ihrer anderen Auffassung die Gesellschaft “spalten”.
Nein, @Ludwig, so funktionieren weder Demokratie noch Dialog. Sie dürfen Liberalisierungen von Rauschmitteln befürworten, ich darf sie skeptisch sehen. Ich habe keinerlei totale Abstinenz gefordert, auch nicht etwa für Tabak oder Alkohol. Und ich verbitte mir auch, dass Sie mich mit Abstinenz-Fundamentalisten in einen Topf stecken wollen. Vielleicht wäre es gut, wenn Sie Ihr eigenes Demokratie- und Dialogverständnis hin und wieder auch mal hinterfragen würden.
Fakt ist, dass das Schweizer Würfelmodell Rausch- und Suchtmittel jeweils ernstnimmt und Schäden minimiert, ohne völlige Abstinenz zu fordern. So würde ich mir beispielsweise wünschen, dass die nächste Bundesregierung die Folgen der Cannabis-Legalisierung medizinisch, soziologisch und kriminologisch evaluiert – um auf dieser Basis wissenschaftlich informiert zu entscheiden, ob und was sich bewährt hat und was nicht. Sie sollte dabei weder Abstinenz-Dualisten folgen noch jenen, die demokratisch Andersdenkenden “Spaltung” vorwerfen. Umfragen belegen übrigens eine gesellschaftliche Mehrheit gegen (!) die Cannabis-Legalisierung – das „Spaltung“-Argument würde sich damit auch umdrehen. Und ich würde Ihnen dennoch zugestehen, dass Sie kein Spalter sind, sondern einfach eine legitime (Minderheiten-)Meinung vertreten.