Der Erkenntnismodus der Viabilität am Beispiel von Musik, Religion und Hoffnung

In den letzten Wochen wurde ich immer wieder gefragt, wie ich so früh wissen konnte, dass der Musikfilm “KPop Demon Hunters” ein internationaler Erfolg werden würde. Ob dies mit meiner Musik-Hoffnung-Theorie zusammenhänge, die Frauenband Huntrix besonders “hoffnungsvoll” nicht nur für junge Menschen sei? Einige wussten auch bereits, dass ich ein Menschenrecht auf Musik vertrete.

Eine Netflix-Filmszene ins Hause Blume gestreamt: Nachdem sie mit ihrem kämpferischen Dress auch einen Kreuz-Zipper angelegt hat, bekennt sich die Rumi, die Leadsängerin von Huntrix, zu Glaube, Liebe und Hoffnung.

Nachdem sie mit ihrem kämpferischen Dress auch einen Kreuz-Zipper angelegt hat, bekennt sich Rumi, die Leadsängerin von Huntrix, zu Glaube, Liebe und Hoffnung. Foto: Michael Blume 

Gerne möchte ich die Gelegenheit also nutzen, Interessierte in mein eigentliches Lebensthema mitzunehmen: Die wissenschaftliche Erkenntnistheorie.

Aus meiner Sicht gibt es drei überholte Erkenntnismodi, die mit dem Aufkommen der empirischen Wissenschaften ab dem 18. Jahrhundert ihre wissenschaftliche Plausibilität verloren haben:

1. Die Mimesis als Nachahmung von vermeintlich vorzeitlichem Urwissen.

2. Die neuzeitliche Offenbarung von überzeitlichem Wissen wie z.B. bei Rudolf Steiner (1861 – 1925) und

3. Die Induktion als Schluss von bisherigen Beobachtungen auf vermeintlich ewige Gesetze.

Dafür haben wir drei neue Erkenntnismodi gewonnen, die ich gerade auch an meinen Forschungsbereichen Religiosität und Musikalität festmachen möchte:

Oben links sehen wir das Buch "Das Ich und sein Gehirn" von Karl R. Popper und John C. Eccles. Oben in der Mitte sehen wir "Religion and Science as Forms of Life" von den Herausgebern Carles Salazar & Joan Bestard. Daneben ein Aufsatz von Catherine Z. Elgin über Viabilität und schließlich das neue und große "Philosophie der Musik" von Christoph Türcke. Die untere Hälfte der Fotografie wird von einer Doppelseite zum Hören mit Gehör und Gehirn aus einem Hirnatlas gebildet.

In der heutigen Religions- und Musikforschung werden 1. Falsifikation, 2. evolutionäres Paradigma und (leider noch selten) 3. interdisziplinäre Viabilität angewandt. Foto: Michael Blume

Hier sehen wir anhand mehrerer Bücher dargestellt, die derzeit drei anerkannten Erkenntnismodi wissenschaftlicher Arbeit:

    1. Falsifikation nach Sir Karl Popper (1902 – 1994): Wissenschaftliche Theorien nähern sich der Wahrheit an, indem sie ständig überprüft, verbessert und überboten werden können. Dies ist das heute gängige Werkzeug wissenschaftlichen Arbeitens. Schon in seinem Dialog-Werk “Das Ich und sein Gehirn” (1977) mit dem australischen Hirnforscher und Nobelpreisträger Sir John Carew Eccles (1903 – 1997) musste Popper jedoch zur Erklärung von Musik auch auf seine wiederum philosophische 3-Welten-Theorie zurückgreifen. Die Falsifikation ist notwendig, aber nicht ausreichend für die wissenschaftliche Erfassung von Wirklichkeit. Mit Prof. Dr. Inan Ince konnte ich eine eigene Folge “Blume & Ince” zu Poppers kritischem Rationalismus aufnehmen.

    2. Paradigmenwechsel nach Thomas Samuel Kuhn (1922 – 1996): Wissenschaftliche Erkenntnis entwickelt sich nicht nur in kleinen, falsifikatorischen Schritten, sondern auch durch grundlegende Umbrüche und den Wechsel ganzer Paradigmen, etwa von Newton über Einstein zur Quantenphysik. Ebenso erfolgte in der Erforschung von Musik und von Religion ein Paradigmenwechsel von der Philosophie und Theologie zur Evolutionsbiologie. Dies wird deutlich im Band zur kognitionspsychologischen und erkenntnistheoretischen Barcelona-Konferenz von 2011 “Religion and Science as Forms of Life” von Carles Salazar und Joan Bestard (Neuausgabe 2019), an der und an dem ich bereits mitwirken durfte.

    3. Die Viabilität nach Catherine Z. Elgin (geb. 1948): Den erkenntnistheoretischen Begriff der “Viabilität” lernte ich über den “radikalen Konstruktivismus” nach Ernst von Glasersfeld (1917 – 2010) kennen. Dieser merkte als Verschärfung von Popper und Kuhn an, dass wir nie sicher wissen könnten, ob unsere wissenschaftlichen Konstruktionen wirklich “wahr” seien. Es gebe keinen direkten Zugang zur Wahrheit; stattdessen könnten wir nur aussagen, was derzeit „viabel“ (haltbar, funktionsfähig) sei. Doch im erkenntnistheoretischen Sammelband “Wissen zwischen Entdeckung und Konstruktion” (Suhrkamp 2003) von Matthias Vogel und Lutz Wingert argumentierte Catherine Elgin überzeugend, dass die Viabilität wissenschaftlicher Theorien erhöht wird, wenn sie aus verschiedenen Disziplinen gestützt wird. Deutlich wird dies am neuen und wuchtigen “Philosophie der Musik” von Christoph Türcke (Beck 2025), das sich schon im Titel auf die philosophische Tradition bezieht, deren Befunde aber falsifikatorisch und paradigmatisch an der Evolutionsbiologie überprüft. 

Schon die Tora, die fünf Bücher Mose der Bibel, enden in 5. Mose 31 & 32 mit einem von Gott gebotenen Liedtext.

Obwohl das Judentum die erste Religion der Alphabetisierung und eine sog. Schriftreligion ist, lautet ihr Credo: Schema YisraelHöre Israel! 

Auch Jesus ruft seine Gefolgsleute zum Hören auf – er hinterlässt gesprochene & aufgezeichnete Worte, aber keine selbst verfassten Texte. Die christlichen Musiktraditionen prägen die Menschheit bis heute.

Der islamische Quran erhält seinen Namen vom Aufruf zur lesenden Rezitation: Iqra!

Auch fiel mir bei der Dissertation zur damals sogenannten “Neurotheologie” (2003, Neuauflage 2009) auf, dass sich die Befunde aus der Religions- und Musiksoziologie etwa bei Max Weber (1864 – 1920) in Begriffen wie “religiöse Musikalität” und “religiöse Virtuosität” viabel ergänzten. Ich las einige Werke zur Musikwissenschaft und besonders -soziologie, formulierte dazu aber noch keine Thesen. Erst in “Gott, Gene & Gehirn” mit dem Biologen Rüdiger Vaas (Hirzel 2013) gibt es ein eigenes Unterkapitel “Musikalität und Religiosität” (S. 143 f.) mit Sätzen wie:

“Glaubensinhalte werden von Anhängern als stimmig, Gemeinschaften als harmonisch beschrieben, gute Predigten stoßen auf Resonanz, sie bringen religiöse Saiten zum Schwingen und sind Musik in den Ohren der Gläubigen – diese Liste der Analogien ließe sich fortsetzen. […] Wie Religiosität und Sprachfähigkeit scheint Musikalität ein genetisch veranlagtes Merkmal oder Merkmalsbündel zu sein, das sich in der Stammesgeschichte des Menschen herausgebildet hat.”

Das Cover von "Gott, Gene und Gehirn. Warum Glaube nützt. Die Evolution der Religiosität" zeigt ergriffen Betende in einer Jerusalemer Kirche.

In “Gott, Gene und Gehirn. Warum Glaube nützt. Die Evolution der Religiosität” mit Rüdiger Vaas erkundeten wir auch Entsprechungen von Religiosität und Musikalität. Cover: Hirzel

Die Überwindung des Konstruktivismus durch den Performativismus könnt Ihr hier als Lied hören. 🙂 

Und so lese ich neben der Religionswissenschaft immer wieder auch Musikwissenschaft – aktuell etwa bei Spektrum der Wissenschaft über die Musikalität von Orca-Schwertwalen. Oder auch das christlich-existentielle “Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens” (2010) vom Geigenbauer Martin Schleske.

Mir ist dabei völlig bewusst, dass die interdisziplinäre und letztlich philosophische Erkenntnistheorie nur ein Anliegen sehr weniger Menschen war und ist. Doch für mich bildet sie den Gipfel des Berges der Erkenntnis, auf dem sich philosophische, religiöse, musikalische, wissenschaftliche und existentielle Erfahrungen begegnen. Und ich freue mich über alle, die die Mühen dieses Aufstiegs auf sich nehmen. Denn auch Erkenntnistheorie gelingt – nicht zufällig ebenso wie Musikalität und Religiosität – am Ende doch nur im Dialog.

Allen, die es feiern, wünsche ich ein gesegnetes Laubhüttenfest Sukkot! Angesichts der fortschreitenden Bedrohung durch Antisemiten am zweiten Jahrestag des Hamas-Massakers werde ich (auch) heute die jüdische Gemeinde in Mannheim besuchen.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

36 Kommentare

  1. Alles schön und gut.
    Das Problem des Dialogischen Monismus ist das Kernproblem der Zeit: was ist wahr, wer hat recht und was setzt sich durch?
    Es artet in Rechthaberei aus und das Durchsetzen der jeweiligen Interessen und Ziele mittels Gewalt ist onvouge geworden.
    Willkür hält wieder Einzug und wird als Freiheitsargument benutzt.
    Willkür wird mittels Krieg verteidigt und prägt die Diskussion zum berechtigten Angriff.
    Überlegen ist nicht das Argument, sondern die Gewalt, die Herrschaft über die Angst um Leib und Leben.
    Pure Rechthaberei, Herrschaft über die Waffe und durch sie Steuerung von Gemeinschaft und Gesellschaft.
    Gewalt und Krieg wieder als legitimes Mittel zur Durchsetzung von Politik.
    Das sind die Grenzen des Dialogischen Monismus.
    Die Frage ist, wie stellt man sich dagegen?
    Die Mitte befindet sich auf einem inneren und äusseren Rückzug aus diesem Konflikt.
    Was macht Konfliktfähigkeit aus?
    Ist man bereit, für seine Überzeugungen einzustehen? Wenn ja, dann ist man wieder im Grenzfall.
    Rückzug ist dann der Normalfall und es wird so schlimm ja nicht werden oder überlässt es anderen.
    Es bedarf aus meiner Sicht einen größeren öffentlichen Diskurs über Konfliktfähigkeit und Konfliktlösungsstrategien.
    Über Rechthaberei als Folge der Wahrheitsdebatte.

    • Danke, @Mussi

      Nun weiß der dialogische Monismus ja um seine Fragilität – sowohl biografisch wie religiös & politisch droht immer wieder der Rückfall in den egozentrischen Relativismus oder gar feindseligen Dualismus. Entsprechend behauptet er kein Ende aller Konflikte, sondern befürwortet – in Ihren Worten trefflich beschrieben – „einen größeren öffentlichen Diskurs über Konfliktfähigkeit und Konfliktlösungsstrategien.
      Über Rechthaberei als Folge der Wahrheitsdebatte.“

      Genau auch deswegen blogge ich hier dialogisch.

      Danke für Ihr Interesse & Ihre konstruktiven Kommentare! 🙏🙌

  2. Ein zentrales Thema zwischen Logos und Thymos und somit im Dialogischen Monismus, somit auch Zeichen der Zeit ist : Feigheit.
    Im welchem Verhältnis steht Feigheit zur Freiheit?
    ‘Schön’ aktuell gerade…

    • Lieben Dank, @Mussi 🙏

      Ich stimme zu, halte das Verhältnis jedoch für wesentlich geklärt:

      Der feindselige Dualismus flieht feige vor der Wahrheit, meist unter den vermeintlichen Schutz eines Thymoten (Tyrannophilie).

      Der egozentrische Relativismus leugnet feige die Relevanz unangenehmer Erkenntnisse etwa der Demografie oder Klimawissenschaften.

      Nur der dialogische Monismus stellt sich mutig auch unangenehmen Erkenntnissen und übernimmt auch persönliche Verantwortung. Er nähert sich so dem Logos.

      Die Erkenntnistheorie fragt nach der philosophischen Haltbarkeit von Wissen und bildet daher nach meiner Auffassung die demütige Selbstreflektion des dialogischen Monismus.

  3. Um das mal ganz platt auszudrücken, so richtig platt: Sokrates war nicht feige, Jesus auch nicht und Bonhöfer auch nicht und Sophie Scholl auch nicht.
    Im Übrigen ist Andreas Reckwitz ist überaus aktuell mit: Verlust, das Grundproblem der Moderne.

    • Ja, @Mussi – da kann ich nur zustimmen! Und wir sehen an diesen Beispielen ja auch, dass alle als „nicht feige“ Genannten für ihren Mut zur Wahrheit ermordet wurden. So fand auch der kritische Rationalist Karl Popper zum Sprachbild des „Kreuztragens“ für jene, die Wahrheit auf sich nehmen.

      Und der Verlust des fossilen Versprechens auf ewiges Wachstum gehört auch nach meiner Wahrnehmung zu den zentralen Aufgaben unserer Generation. An der wir individuell, mythologisch und auch politisch durchaus scheitern können. Es kommt also auch heute auf Mut zur Wahrheit – mindestens zur Viabilität etwa zwischen Ökonomie, Demografie & Ökologie – an.

  4. Offenbarung funktioniert durch Falsifikation – die bisherigen Gewissheiten halten den Reality Checks nicht mehr stand, alle bekommen Zweifel, jeder hat so seine Gedanken und Fragen und Ideen, und alle durchfluten die Gesellschaft, bis sie zufällig bei einem Kopernikus oder Einstein zusammenkommen, bei dem der Groschen fällt. Dass es oft zwei gibt – dass zwei Leute das Periodensystem der Elemente oder das Telefon gleichzeitig erfinden – deutet darauf hin, dass sich Gedankenströmungen nicht zufällig bilden, dass sie dazu neigen, mehrere Pole zu bilden, und falls sich die Zwei bei näherer Analyse bestätigt, würde ich sie als Nächstes mit Magnetfeldern vergleichen.

    Ein wichtiger Selektionsfaktor ist dabei Trotz. Alle sagen das Gleiche, die Dogmen hallen von allen Wänden, und wenn man die Lücken darin kennt und die Leute trotzdem gebetsmühlenartig immer und immer wieder deren Wahrheit beteuern, platzt einem der Kragen. Schätze mal, draußen laufen Abertausende solcher Trotzköpfchen wie ich, denen die schiere Masseträgheit moderner Physik so sehr auf den Sack ging, dass, sie abwinkten und sie ganz allein fertig gemacht haben, und jeden Tag, in dem sich die Physik doof stellt, obwohl sie alle Antworten kennt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass einer von uns naiven Spinnern so viel Recht auf einmal hat, dass die kritische Masse den Physikern um die Ohren fliegt. Prinzip Boot Camp: Bullshit hat eine wichtige Aufgabe als Füllmaterial – er verleiht dem Informationsdruck die nötige Masse, um den Saulusen den Glauben zu brechen und sie als Pauluse neu zu erschaffen.

    „Religion and Science als Forms of Life“? Nein. „Paradigmenwechsel“ ist zu wenig. Zu viel Zögern, zu viele Kompromisse, zu viel Reden um den heißen Brei, zu viel Denkfeigheit. Da muss was brechen. Da muss was Klick machen, damit aus Saulus ein Paulus wird, der sich voll und ganz dem ergibt, was er längst weiß. Die Lehre von kollektiven Lebensformen muss ja nicht Dämonologie heißen, wie ich es nenne, aber das Christentum und der Staat gehören genauso ins Biologie-Lexikon wie der Pilz und die Gazelle. Sie leben in der Ruhe vor dem Sturm, dem Moment vor dem Dammbruch, und das ist eine der Apokalypsen, die er mit sich bringen wird. Manche Weltuntergänge muss man fürchten, manche herbeisehnen, aber einer kommt selten allein.

    Das Problem mit der Wahrheit ist, dass wir immer nur Spiegelbilder kennen – wir leben nicht in der Realität, wir leben in einem VR-Modell der Realität, das unsere Hirne bilden, einzeln und gemeinsam. Diese Bilder werden durch Zuckerbrot und Peitsche zur Wahrheit gemacht. Deswegen hat in der Sowjetunion auch Stalin das Flugzeug erfunden – der Gulag heute ist stärker als die Gebrüder Wright gestern, also konnte diese Lüge dort zur gefühlten Wahrheit werden, wo er sie überbieten konnte. Es funktioniert, weil die Welt aus Zuckerbrot und Peitschen besteht, es versagt dann, wenn der Stärkere – die Wahrheit der Welt – auf die Anwendung von Zuckerbrot und Peitsche verzichtet und deswegen die Menschen sie selbst anwenden können.

    So hält sich jeder Papst für den Zuhälter seines Gottes, bis sein Gott zurückkehrt und ihm die Leviten liest. Sobald es Reality Checks hagelt wie heute, fallen Sie vor Naturgesetzen und Materie auf die Knie, nicht vor Trump oder Flagge oder Dollar oder Ihrem eigenen Ego oder der Meinung der Mehrheit, wenn Sie lebend aus der Nummer herauskommen wollen.

    Und Schrift – ist Sprache. Selbstverständlich ist es eine Form des Hörens, die Information muss ja genauso verarbeitet werden wie gesprochenes Wort. Allerdings ist auch Sehen, Riechen, Spüren, Schmecken eine Form des Hörens, schließlich übertragen alle Sinneseindrücke Information. Der Mensch ist ganz Ohr für die Sprache Gottes – die Sprache der Welt um ihn herum.

    Und weil ich ein Trotzköpfchen bin, fällt mir bei Erkenntnis vor allem die AfD ein: Es sind Piranhas, super Sinne, scharfe Zähne, so viel Verstand wie eine Mausefalle. Ihre Augen und Ohren sind überall, sie sind Teil des Sensoren-Netzwerks Volk, das sich übers ganze Land erstreckt, die nutze ich mit, um zu sehen, was ich nicht sehen kann. Die Zähne können nur Blutbad, und das ist im Karpfenteich nur nützlich, solange es bellt und nicht beißt, es ist der Job der Karpfen, in die Puschen zu kommen, bevor sie gefressen werden. Sobald sie selbständig zu denken versuchen, hole ich die Bratpfanne und das Paniermehl.

    Der Taube sieht besser, der Blinde hört besser, zusammen haben sie Supersinne. Das ist der wesentliche Vorteil der Arbeitsteilung in einer Gemeinschaft. Aber die Gemeinschaft ist dafür verantwortlich, dass die Kooperation auch klappt.

    Auf dem Gipfel der Erkenntnis wird man übrigens total gaga und hält sich für Gott, weil man so viel Information auf einmal überschaut, dass sie im Einzelnen ganz klein wird, sodass man als Riese über ihr in den Wolken schwebt. Ich habe das Gefühl häufiger, wenn ich hier schreibe, und ich hüte mich davor, weil es lügt. Je flacher der Hügel in Ihrem Kopf, desto schneller sind Sie am Gipfel Ihrer Erkenntnis angelangt. Aber nicht bei der ganzen Wahrheit. Und wenn ich meinen Gipfel schon zu Lebzeiten erreicht habe, hat mein Hersteller wohl gewaltig am Hirnschmalz geknausert.

    Ich mochte die Suche lieber. Wo man ganz klein ist und die Welt um einen herum ganz groß, jedes Staubkorn erscheint wie ein Planet und man reist einsam und allein durch interstellare Weiten. Und hat die kleinen Öhrchen, die die Musik und das Flüstern hören, die die Götter nicht mehr hören können.

    • Danke, @Paul S. – das war, wenn Sie erlauben, eine Ihrer bisher stärksten Textfluten!

      Eingehen möchte ich auf folgenden, erkenntnistheoretischen Absatz von Ihnen:

      Das Problem mit der Wahrheit ist, dass wir immer nur Spiegelbilder kennen – wir leben nicht in der Realität, wir leben in einem VR-Modell der Realität, das unsere Hirne bilden, einzeln und gemeinsam. Diese Bilder werden durch Zuckerbrot und Peitsche zur Wahrheit gemacht.

      Nun wird eine VR-Brille von Ingenieuren und Software-Entwicklungen gebaut, unsere Sinne aber sind über Jahrmillionen („Zuckerbrot und Peitsche“, wie Sie es nennen) evolviert. Wenn wir da Baumeister annehmen wollten, dann stünden diese vor & über der Zeit.

      In ihrem brillanten Viabilität-Text verdeutlicht dies Catherine Z. Elgin am Beispiel des Wales 🐋. Äußerlich eine Fisch-Form, innerlich Säugetier-Organe, ergeben Wale erst und nur Sinn vor dem Hintergrund der Evolutionstheorie – als Säugetiere, die über Jahrmillionen ins Wasser gingen. So steigert die interdisziplinäre Betrachtung die Viabilität bis an den Rand dessen, was wir Wahrheit nennen dürfen.

    • Das ist richtig, @Mussi – der Thymos braust auf, die Selbstreflektion nimmt sich selbst zurück. Doch auch der Dialog braucht Raum, Zeit und also Sicherheit, weswegen schon Platon die Rolle der Thymotiker in Wache und Verteidigung gesehen hat. Nicht zufällig diskutieren wir ja auch in Deutschland die Rückkehr zur Wehrpflicht nur für Jüngere, wogegen sich viele Ältere sowohl gegen höhere Steuern und Beiträge wie auch gegen längeres Arbeiten stemmen. Es bleibt, buchstäblich, spannend.

  5. Dann bleibt also die Frage, wie mit dem Thymos und dem Willen zur Macht umgehen?
    Demokratisch über die Nichtwahl.
    Soziologisch über die Soziale Kontrolle. Aber da sind wir wieder bei Konfliktfähigkeit und der Frage der Erlaubnis. Inwieweit darf ich freiheitliche Willkür einhegen?
    Ist der Thymos einmal an der Macht, hilft demokratisch nur Abwahl oder Zivilcourage des Nichtbefolgens.
    Andere Lösungen fallen mir nicht ein, außer tatsächlich Bürgerkrieg mit der Hoffnung auf Sieg. Aber das ist grausam, wie man sieht.
    Der Tod des Anderen wird vom Thymos einkalkuliert.
    Wie damit umgehen?

    • Danke für die Nachfragen, @Mussi

      Aus meiner Sicht können Bildung und Gesetze die Auseinandersetzung mit dem Thymos zwar befördern, aber nicht ersetzen. Über den Thymos / Yetzer hara hinaus zum Logos / Yetzer ha-tov zu reifen ist eine Aufgabe, der sich jeder Mensch immer wieder selbst zu stellen hat.

      So erlebe ich gerade auf Mastodon wieder, wie viele auch vermeintlich progressive Männer selbst beim Thema Chatkontrolle nicht von ihrem feindseligen Dualismus gegenüber CDU, CSU und Jens Spahn lassen wollen…

      Gerade gehen hier wieder zahlreiche #AberTrotzdem – Posts ein, in denen (fast immer männliche) Mastodonten auf ihrem feindseligen #Dualismus gegen Andersdenkende – hier die #Union – beharren.

      Mich macht das traurig. Aber ich gebe nicht auf.

      https://sueden.social/@BlumeEvolution/115336967633797593

      Der Thymos lässt sich nicht thymotisch, sondern allenfalls dialogisch einhegen.

  6. Sehr viele Menschen verdrängen offenkundige Wahrheiten. Einige davon schweigen, andere kämpfen gegen die Realität mit bestenfalls Halbwahrheiten an. Dieser Umstand deprimiert mich immer noch.

    Seien es Medien, wie z. B. Redaktionen, die es eigentlich gut und demokratisch meinen, aber trotzdem nicht auf den Punkt kommen und der Unwahrheit Zeit und Raum zur Entfaltung geben.

    Seien es Individuen, z. B. aus dem Freundeskreis, die trotz hoher Bildung und Intelligenz sich Wege an der Wahrheit vorbei suchen, weil sie zum einen aus einem Dualismus heraus keine validen Argumente der Gegenseite (der “Feinde”) zulassen wollen und zum anderen ihre soziale Stabilität in Gefahr sehen.

    Wenn wir Probleme nicht ehrlich und nicht nach den Prinzipien der Wissenschaften analysieren, ist die Gefahr der Problemeskalation bis hin zum Krieg und zur Selbstzerstörung groß.

    Wir leben in einer Wissensgesellschaft. Es muss doch zumindest irgendwie möglich sein, die Gebildeten mit der Wahrheit zu erreichen. Aber wie? Wie bauen wir Brücken?

    • Herzlichen Dank, @Hui Haunebuh – und Zustimmung zu den Beobachtungen! 🙌

      Aus der Perspektive von Evolutionspsychologie haben sich unsere Gehirne 🧠 vorwiegend an Überlebens- und Reproduktionsvorteilen entfaltet. Auch ein Ingenieur oder auch eine Professorin, die durch neue Erkenntnisse ihr Lebenswerk und ihren Status gefährdet wähnen, können dann emotional überwältigt werden und beispielsweise Erkenntnisse der Klima- oder Politikwissenschaft verwerfen.

      Auch fördert die mediale Beschleunigung kognitive Abkürzungen und also Freund-Feind-Dualismus.

      Ich denke also wirklich, dass wir sowohl im RL – etwa an Essenstischen – und auch im Internet – etwa im Fediversum, wie hier auf diesem Blog – wieder mehr dialogische Orte brauchen.

      So sprach ich Sonntag bei einer großen DIG-Demonstration für die Freilassung der Geiseln und für Frieden im Nahen Osten. Heute, am 7.10., besuchte ich die besonders bedrängte Synagoge von Mannheim. Bei beiden Terminen erlebte ich sehr intensive Begegnungen, Dialoge, Wertschätzung.

      Ganz anders auf den antisozialen Konzernmedien: Einige meiner Hate sind ja auf X bereits völlig empörungssüchtig geworden und merken nicht einmal mehr, wie sie sich zunehmend selbst schaden. Diese Leute sind ja meist durchaus formal gebildet, aber haben sich in den feindseligen Dualismus dumm gedaddelt.

      Mir scheint also, dass digitale Verrohung und Vereinsamung noch einige Jahre, ja Jahrzehnte Menschen isolieren und verdummen werden. Doch wir alle können schon damit beginnen, dialogische Begegnungsorte zu schaffen bzw. zu stärken, in denen wir die digitalen Medienrevolutionen gemeinsam überleben. Denn auch wenn unsere Gehirne dazu tendieren, wissenschaftliche Erkenntnisse zu verwerfen, so bleiben diese doch wirksam.

      Danke für Deine starken Beiträge, die nicht nur diesen Blog, sondern auch mich persönlich immer wieder fordern & weiterbringen! 🙏🙌

  7. Hallo @Michael,

    Ein sehr reichhaltiger Blogpost – danke dafür! Es lohnt sich, sich Zeit zu nehmen, um auch den vielen verlinkten Informationen und Videos nachzugehen.

    Ich habe mir Deine Rede vom 19.04.2024 noch einmal durchgelesen und finde Deine These sowie die Bezugnahme auf Blumenberg sehr inspirierend: Musik als Medium der Hoffnung, die uns durch schwere Zeiten trägt. Gerade in der aktuellen Lage wäre ein solcher Hoffnungsraum dringend notwendig – besonders für jene, die Leid erfahren.

    Umso bedrückender finde ich es, dass der Kulturbetrieb – der genau diesen Raum öffnen sollte – zunehmend in eine Rolle gedrängt wird (oder sich teilweise drängen lässt), die von einseitigen Schuldzuweisungen und einer Art Sündenbockkultur geprägt ist. Das zeigt sich leider immer wieder an öffentlichen Ein- und wieder Ausladungen.

    Das schmerzt auch deshalb, weil es sich anfühlt, als gehe ein geschützter Raum verloren – einer, der gerade jetzt so dringend gebraucht würde.

    Du hast es in Deiner Rede im April 2024 bereits treffend formuliert:

    „Nach diesem Verständnis wäre es also ganz falsch, von einer Musikerin oder einem Musiker zu erwarten, politische, metaphysische oder psychologische, biografische Probleme alleine durch Musik zu lösen. Doch gute Musik kann und wird uns die Hoffnung geben, dass wir selbst sie er-tragen können. Sie zielt auf Resonanz, auf Ergänzung unserer sprachlichen, körperlichen und sozialen Potentiale. Musik bietet uns nicht den Sieg über alles, sondern Grund zur Hoffnung auf alles.“

    Und:
    „Musik ermöglicht, Musik beendet nicht. Sie soll beim Verstehen der Anderen helfen, nicht bei deren Verurteilen.“

    Ich fand @Inan Inces Kommentar zum vorherigen Blogpost übrigens sehr stark. Er bringt wunderbar auf den Punkt, dass wir uns gerade in überfordernden, komplexen Situationen nicht zu vorschneller Einseitigkeit verleiten lassen sollten. Ich habe den Eindruck, dass sich viele Kulturschaffende dieser Gefahr noch nicht wirklich bewusst sind.

    • Vielen herzlichen Dank, lieber @Peter! 🙏

      Tatsächlich war die Veranstaltung in meiner Heimatstadt Filderstadt eine Gelegenheit gewesen, einmal im halb-gesicherten Rahmen zu testen, ob es Interesse gab, die Viabilität von Musik- und Religionswissenschaft interdisziplinär zu stärken. Würden die Menschen einem Religions- und Politikwissenschaftler auch zum Thema Musik – zuhören?

      Die positive und lang anhaltende Resonanz dazu hat mich bestärkt, weitere Schritte auf dem Weg der Erkenntnistheorie zu gehen. Auch die vielen und überaus konstruktiven Blog-Kommentare hier deuten doch darauf hin, dass es ein großes Interesse an jenen Potentialen unserer Gehirne gibt, die Hoffnung geben und Gemeinschaft stiften können.

      Und, ja, ich lese den Blog-Dialog zwischen Inan und Dir mit besonderer Aufmerksamkeit und verhalte mich nur deswegen still, weil ich von Euch beiden vieles lerne. Mir wird immer wieder bewusst, wie oft ich mich früher mit meinen Interessen – etwa an Erkenntnistheorie – isoliert wähnte und was für ein Segen es ist, auch über diesen Blog faszinierende Menschen lesen zu dürfen!

      Dir lieben Dank für Dein Interesse und Deine Ermutigung – gerade auch in Fragen der Erkenntnistheorie! 🙌

    • Darf ich nachfragen, was unter “Kulturbetrieb” zu verstehen ist?

      Auch Künstler sind Menschen, die unterschiedliche künstlerische Ambitionen haben. Die Theater, Opernhäuser, Hallen etc sind teilweise von der öffentlichen Hand subventioniert, was es für private Theater nicht leichter macht.

      Mit dem Theater oder der Oper war immer schon der Hang zur Provokation verbunden. “Salome” von Richard Strauss wurde an der Wiener Hofoper mit einem Aufführungsverbot belegt.

      Die Freiheit von Kunst und Kultur bekam nach dem 2. Weltkrieg einen hohen Stellenwert. Damit geht grundsätzlich eine große Verantwortung einher, derer manche nicht gerecht werden.

      Theater, Oper, Konzert, Festivals, Kinos, Galerien etc sind Fluchtpunkte auch in unserer Zeit.

      Vorträge oder Lesungen sind sicherlich schwieriger geworden.

      Mir persönlich war die Schaffung des Amtes eines Kulturstaatsministers im Bund von Anfang an ein zweischneidiges Schwert. Ich stimme weder mit dem aktuellen Amtsinhaber noch seiner Vorgängerin überein.

      Unsere Gesellschaft ist gespalten. Ich meine, dass selbst Kunst und Kultur diese Spaltung nicht überwinden können, und ich erwarte es auch nicht.

  8. Ein weiterer kultureller Bereich, der äusserst viabel ist, ist der Sport, insbesondere die Spielsportarten.
    Der Logos lernt Regelkonformität, Sorge um Körper und Geist, sowie die Wechselwirkung aus Konkurrenz und Kooperation. Ohne gemeinsames Spiel kein Wettkampf.
    Erst der Thymos macht aus Spiel Ernst an Leib und Leben und Gesundheit, Gewinn oder Verlust: Krieg.
    Solange wir spielen, homo ludens, ist alles einigermassen gut, viabel.
    Wird es ernst, kriegerisch, ist es ‘verfahren’.
    Inwieweit das übertragbar auf die Weltkrisen zu sehen ist, Spaltung und Polarisierung, überlasse ich weiteren Analysen.

    • Oh ja, @Mussi – in der Tat finden wir das Spiel im Sport, in den verschiedensten Bereichen des Gaming – und in der Musik!

      So setze ich wachsende Hoffnungen in sportliche RL-Begegnungen, aber auch etwa ins Theater und ins Spielen, analog wie digital. Ganz konkret bekenne ich mich zur Kartenliebe, wie sie etwa durch Computerspiele wie “Europa Universalis 4” gefördert wird – mit der fünften Edition am Start für Anfang November!

      https://www.youtube.com/shorts/TpjdOzK1aY8

      Ich denke im Übrigen auch, dass intensives Spielen im Wechsel von Siegen und Niederlagen dazu beitragen kann, den Thymos in den Griff zu bekommen. Diese Erfahrung mache ich auch als Ehemann und Familienvater immer wieder. 🙂

  9. @Michael 07.10. 10:19

    „So steigert die interdisziplinäre Betrachtung die Viabilität bis an den Rand dessen, was wir Wahrheit nennen dürfen.“

    So weit das dann aber eben reicht. Die eigene Lebenserfahrung gibts dann nun mal auch noch. Mehr oder weniger mit Geisteswelten zu tun zu haben, ist jetzt auch persönliches Faktum, das nun mal von den Grundmethoden der Wissenschaften weggefiltert wird.

    Wenn ich einmal im Lotto gewonnen habe, ist das für mich eventuell eine göttliches Geschenk, der Wissenschaftlich orientierte Mensch sagt dazu, Glück gehabt, einer musste ja gewinnen. Da gibts nichts weiter zu forschen, ich hab gewonnen.

    Man kann solche Einzelerfahrungen nicht wissenschaftlich erfassen. Das sind schlichtweg Phänomene, die sich nie wiederholen. Aber dennoch ständig passieren. Die Wissenschaftliche Methode findet grundsätzlich nur die Phänomene, die sich seelenlos wiederholen. Der ganze Rest des Kosmos bleibt so außen vor.

    Weswegen es mir gerade ein Anliegen ist, nach diesen Resten zu suchen. Ich vermute, dass eine wirklich interdisziplinäre Herangehensweise in genau dieselbe Richtung unterwegs sein kann.

    • Ein großes Ja und ein kleines Nein, @Tobias

      Ich stimme zu, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse auf Muster verweisen und damit die individuelle Vielfalt und auch Würde niemals ganz erfassen können.

      Allerdings würde ich der Einschätzung widersprechen, “die wissenschaftliche Methode” (welche?) finde “grundsätzlich nur die Phänomene, die sich seelenlos wiederholen.”

      So würde ja niemand von uns ohne eine lange Kette von Vorfahren existieren – Reproduktion ist Wiederholung mit Zugabe. Nichts daran ist seelenlos, auch nicht der morgendliche Sonnenaufgang.

      Gerade auch in diesem Blog meine ich doch, wissenschaftlich abstrakte Thesen sogar der Erkenntnistheorie einerseits mit intensivem, persönlichen Dialog andererseits zusammen zu bringen. Aus meiner Sicht negieren Muster die Einzigartigkeit jedes Lebens nicht, sondern ermöglichen dieses erst. Würde unser Planet nicht auf festen Bahnen – sich seit Jahrmillionen wiederholend – um die Sonne kreisen, so hätte er keine Körper und Seelen hervorbringen können.

      “Ich vermute, dass eine wirklich interdisziplinäre Herangehensweise in genau dieselbe Richtung unterwegs sein kann.”

      Ja, das vermute ich auch. Abstrakte Thesen und persönliche Dialoge schließen sich m.E. erkenntnistheoretisch überhaupt nicht aus, sondern beflügeln einander.

  10. Überaus spannend, wobei mir als Nicht-Akademikerin die wissenschaftlich-philosophische Betrachtung der Musik fremd bleibt. Warum ist das so?

    Musik ist mehr Teil meiner Gefühle und weniger der sachlichen Ebene. Mir fällt es schwer, meinen Blickwinkel zu ändern. Nicht alles habe ich verstanden und lese Ihre Ausführungen sicher nochmals.

    Das Wenige, das ich über Musik und Philosophie weiß, lässt mich an Adorno denken, der selbst ja auch komponierte. Allerdings bin ich nie tiefer in die Gedanken Adornos eingestiegen.

    Musik und Hoffnung würde ich gerne erweitern auf Kunst/Kultur und Hoffnung. Gedichte sind ein gutes Beispiel für etwas, das neben der Musik Hoffnung vermitteln kann.

    Deshalb sind mir die Vertonungen von Gedichten und Balladen besonders wichtig. Schuberts Lied über Schubarts Gedicht über die Forelle ist ein solches Beispiel. Robert Schumann und die “Kerner-Lieder”. Beethoven und Goethe.

    Das Musiktheater lebt auch von der Emotion. Gleichgültig, ob Oper, Operette oder Musical.

    Kopfzerbrechen macht mir die Formulierung “gute Musik”. Ich würde niemals eine Einteilung in gut und schlecht machen.

    Musik und Religiosität hat noch eine Komponente, die uns heute fremd ist. Johann Sebastian Bach komponierte seine geistlichen Kantaten für den Gottesdienst. Die Predigt des Pfarrers und die Kantaten standen in einer direkten Beziehung zueinander. Am 16. Sonntag nach Trinitatis ging es in der Schriftlesung um den Jüngling von Nain. Von JSB sind vier Kantaten überliefert, die alle um den Tod kreisen. BWV 27, “Wer weiß, wie nahe mir mein Ende”. Klänge, die Trost und Hoffnung spenden.

    Man muss sich auf die Musik einlassen. Dann entfaltet sie ihren Zauber. Wie intensiv sie auf den Zuhörer wirkt, ist immer wieder anders. Das lässt sich verifizieren.

    • Vielen herzlichen Dank für Ihren schönen Kommentar, @Marie H., auf den ich gerne näher eingehe! 🙏

      Überaus spannend, wobei mir als Nicht-Akademikerin die wissenschaftlich-philosophische Betrachtung der Musik fremd bleibt. Warum ist das so?

      Nach meiner Erfahrung ist vor allem das Konzept der Viabilität auch den meisten Akademikerinnen und Akademikern nicht geläufig. Das Wissen ist in einzelne Disziplinen versäult – und es wächst innerhalb jedes Faches so schnell, dass es wenig Anreize und auch nur Möglichkeiten gibt, sich untereinander zu vernetzen. Auch deswegen bin ich Ihnen so dankbar, dass Sie sich diese Mühe machen!

      Musik ist mehr Teil meiner Gefühle und weniger der sachlichen Ebene. Mir fällt es schwer, meinen Blickwinkel zu ändern. Nicht alles habe ich verstanden und lese Ihre Ausführungen sicher nochmals.

      Lieben Dank und auch ich erlebe Musik – wie übrigens auch Spiritualität – vor allem von der Gefühlsebene her. Warum sollten wir das ändern? Die interdisziplinäre Forschung kann uns m.E. eher helfen, unsere musikalischen Erfahrungen besser zu verstehen – nicht, sie weg zu ändern. Ich erlebe nicht, dass wissenschaftliche Erforschung den Gefühlsphänomenen etwas weg nehmen würde – vielleicht gar im Gegenteil. Ich denke und fühle (!) heute insgesamt wertschätzender über Religion und Musik als vor deren wissenschaftlicher Erkundung.

      Das Wenige, das ich über Musik und Philosophie weiß, lässt mich an Adorno denken, der selbst ja auch komponierte. Allerdings bin ich nie tiefer in die Gedanken Adornos eingestiegen.

      Ja, so sehr ich andere Arbeiten von Adorno auch schätzte – seine Musiktheorie hat mich nicht überzeugt. Seine Texte dazu erschienen (auch?) mir zu verstiegen bildungsbürgerlich, zu verächtlich gegenüber populärer Musik und vor allem gegenüber Jazz.

      https://www.jazzzeitung.de/cms/2018/07/timing-ton-wie-adorno-einmal-nicht-ueber-den-jazz-schrieb-sondern-mit-ihm/

      Dass ich mich auch in diesem Blog bewusst für die populäre Filmmusik von Huntrix aus “KPop Demon Hunters” stark machte, bildet auch meine Ablehnung der bildungsbürgerlichen Unterschied von “ernster” und “populärer” Musik. Ich meine: Was musikalisch populär ist, sollte auch wissenschaftlich ernstgenommen werden.

      Musik und Hoffnung würde ich gerne erweitern auf Kunst/Kultur und Hoffnung. Gedichte sind ein gutes Beispiel für etwas, das neben der Musik Hoffnung vermitteln kann.

      Danke & das sehe ich auch so! Habe ja auch selbst ein Gedicht dazu geschrieben und selbst vorgetragen:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/bin-kein-optimist-mehr-aber-habe-noch-hoffnung-die-feuer-des-hasses-als-gedicht/

      Deshalb sind mir die Vertonungen von Gedichten und Balladen besonders wichtig. Schuberts Lied über Schubarts Gedicht über die Forelle ist ein solches Beispiel. Robert Schumann und die “Kerner-Lieder”. Beethoven und Goethe.

      Das Musiktheater lebt auch von der Emotion. Gleichgültig, ob Oper, Operette oder Musical.

      Ja, auch mich bewegt Film-Musik etwa von Hans Zimmer besonders stark, weil sie die Töne mit Bildern und Geschichten verbindet. Bachs Passion ist eben nicht einfach nur ein Musikstück, sondern mit ewigen Inhalten verbunden.

      Kopfzerbrechen macht mir die Formulierung “gute Musik”. Ich würde niemals eine Einteilung in gut und schlecht machen.

      Aus meiner Sicht gibt es durchaus erfolgreichere und weniger erfolgreiche Musik – sowie etwa enorme Unterschiede zwischen hoffnungsvollen und Hass fördernden Musiken.

      Ein Lied, das mich gemeinsam mit Text und Bildern immer wieder besonders anspricht, ist beispielsweise Light Your Fire von Dellé:

      https://www.youtube.com/watch?v=5CXQbZbX_3Q

      Ich würde es jedem Hass- oder auch Werbesong vorziehen.

      Musik und Religiosität hat noch eine Komponente, die uns heute fremd ist. Johann Sebastian Bach komponierte seine geistlichen Kantaten für den Gottesdienst. Die Predigt des Pfarrers und die Kantaten standen in einer direkten Beziehung zueinander. Am 16. Sonntag nach Trinitatis ging es in der Schriftlesung um den Jüngling von Nain. Von JSB sind vier Kantaten überliefert, die alle um den Tod kreisen. BWV 27, “Wer weiß, wie nahe mir mein Ende”. Klänge, die Trost und Hoffnung spenden.

      Dem stimme ich völlig zu – und erlebe zugleich etwa in “Time” von Hans Zimmer auch heute tiefe Transzendenz bis hin zum Nachdenken über die eigene Endlichkeit:

      https://www.youtube.com/watch?v=va1oiojnGrA

      Man muss sich auf die Musik einlassen. Dann entfaltet sie ihren Zauber. Wie intensiv sie auf den Zuhörer wirkt, ist immer wieder anders. Das lässt sich verifizieren.

      Genau das, ja. Und die wissenschaftliche Erforschung nimmt dieser existentiellen Wirkung von Musik nach meiner Einschätzung nichts weg, sondern ermöglicht uns, die Frage der “Verifizierung” bis in die Wissenschaft hinein zu heben. Wer Musikalität erfährt “und” wissenschaftlich erkundet, lernt m.E. die Menschheit besser verstehen.

      Ihnen noch einmal herzlichen Dank für das Interesse und den dialogischen Kommentar! 🙌

      • Danke für die Antwort, die sehr erhellend war.

        Auf einen Punkt möchte ich nochmals eingehen. Ich stimme Ihnen zu, dass Musik, die Hass fördert, schlechte Musik ist. Außerdem bin ich beim Thema Filmmusik ganz bei Ihnen. Was wären Filme wie “Die glorreichen Sieben” ohne die Musik von Elmer Bernstein oder “Doktor Schiwago” ohne die Melodie von Maurice Jarre.

        Für britische Filme komponierten selbst Musikgrößen wie Ralph Vaughan Williams – “49th Parallel” oder Sir William Walton – “Hamlet” (Laurence Olivier). Richard Addinsells “Warsaw Concerto” aus dem Film “Dangerous Moonlight” hat es sogar in den Konzertsaal geschafft.

        Die Einteilung in gut und schlecht war immer wieder Thema in den Feuilletons. Sie nannten im Zusammenhang mit dem ESC die Sängerin Nicole.

        Gerne wird auch das Vorurteil bemüht, Kompositionen von Frauen seien weniger gut.

        Es gibt mE viele berühmte Opernsänger und -sängerinnen (Interpreten sog. E-Musik), die auch “U-Musik” aufgenommen haben. Die Liste ist lang, daher hier nur ein paar Namen: Dame Joan Sutherland, Erika Köth, Fritz Wunderlich, Hermann Prey, Gottlob Frick, Plácido Domingo…

        Ich meine, auch das Publikum hat dazugelernt.

        • Vielen Dank, @Marie H. – jetzt verstehe ich Ihren Punkt besser! Und, ja, in der Ablehnung der Unterteilung von „ernster“ = guter und „unterhaltender“ = schlechter Politik stimme ich Ihnen ausdrücklich zu!

          Für mich ergibt sich die Bewertung von Musik aus ihrer Wirkung auf Menschen – und also gerade auch auf jene, die bildungsbürgerlich ausgeschlossen werden. Die Unterscheidung von E- und U-Musik dient nach meiner Auffassung vor allem der Ausgrenzung junger, ärmerer und weiblicher Menschen. Die Fachbegriffe dafür sind Distinktion und Klassismus.

          Die Bedeutung des allgemeinen Menschenrechts auf Musik 🎶 liegt m.E. auch in der Gewährleistung von Gleichberechtigung. Bewusst sprach ich das auch zu Jom HaAtzma’ut bei der jüdischen Gemeinde an, die dankenswerterweise eine Sängerin engagiert hatte:

          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/rede-zum-israelischen-unabhaengigkeitstag-yom-haatzmaut-in-freiburg/

          Wer Musikerinnen diskriminiert oder gar weibliches Musizieren verbieten will, stellt sich m.E. klar gegen den Zentralwert der Menschenwürde.

  11. @Michael 07.10. 23:55

    „Allerdings würde ich der Einschätzung widersprechen, “die wissenschaftliche Methode” (welche?) finde “grundsätzlich nur die Phänomene, die sich seelenlos wiederholen.”“

    Wir haben z.B. im Physikunterricht einen Aufwändigen Versuch durchgeführt, um die Gravitationskonstante zu messen. Dieser Versuch maß die Anziehungskraft zwischen zwei Bleikugeln. Weil die Meßwerte doch recht schlecht waren, haben wir 20 Messungen gemacht und dann den Mittelwert berechnet. Bis auf 20 % kamen wir an den tatsächlichen Wert der Gravitationskonstante heran.

    Verallgemeinert macht man öfter jede Menge Messungen, wenn die Datenlage schwieriger ist.

    Die Einzelheiten dahinter lässt man einfach unter den Tisch fallen, was kein Problem sein muss, aber durchaus sein kann.

    In der Psychologie befragt man meistens so an die Hundert Probanden, und wertet die gewonnenen ausgefüllten Fragebögen dann statistisch aus. Am Ende betrachtet man dann meistens nur die so gewonnen Durchschittswerte.

    Wenn ich jetzt z.B. untersuchen will, ob es Menschen gibt, die beim Glücksspiel regelmäßig wirklich Glück haben, muss ich anders vorgehen. Ich müsste also mit allen Probanden vielleicht eine Stunde lang um nicht zu wenig Geld spielen.

    Der Durchschnittszocker ist hier völlig uninteressant, und wenn ich wie üblich nur die Durchschnittswerte berechne, dann fallen mir die wirklichen Glückspilze durchs Raster.

    Ich müsste also die Personen betrachten, die am meisten gewonnen haben, und mit denen dann den noch 10 Stunden weiterzocken. Dann werde ich mit etwa Glück tatsächliche Superzocker finden.

    Die persönlichen Einmaligkeiten einzelner Personen zu ermitteln erfordert hier und da eine ähnliche Vorgehensweise.

    Das wäre zu beachten, wenn man den Eigenschaften einzelner Menschen gerechter werden will. Wir sind wesentlich verschiedener, als sich mit den gängigen statistischen Methoden herausfinden lässt.

    „Nichts daran ist seelenlos, auch nicht der morgendliche Sonnenaufgang.“

    Genau darum geht es mir doch. Die Welt ist voller Leben, weit mehr als man meistens denkt.

    • Lieben Dank, @Tobias

      Sicher kann eine physikalische Messreihe auf die Ermittlung eines physikalischen Messwertes zielen und damit „seelenlos“ anmuten.

      Aber schau nur in meinen Forschungsbereich, die Religionsdemografie: Auch wir ermittelten Mess- und Mittelwerte wie die Anzahl der Kinder pro Frau im Verhältnis etwa zu Gottesdienstbesuchen.

      Das Ergebnis ist eine Tabelle, die einen höchst lebendigen und dynamischen Prozess beschreibt: Die Evolution von uns Menschen!

      Hier die damalige Gehirn & Geist – Titelgeschichte „Homo religiosus“ zum kostenlosen Download:

      https://www.spektrum.de/magazin/homo-religiosus/982255

      Und hier die Schilderung dieser & weiterer Befunde in einer Folge von Quarks & Co.:

      https://youtu.be/Iy9J9ddelVw

      Wenn wir uns die Emergenz von Geist & Körper nicht dualistisch, sondern dual & dialogisch denken, dann erweisen sich Biologie, Psychologie, Religionswissenschaft usw. als hoch beseelt auch dort, wo sie statistische Daten ermitteln.

  12. @Michael 08.10. 06:15

    „Das Ergebnis ist eine Tabelle, die einen höchst lebendigen und dynamischen Prozess beschreibt: Die Evolution von uns Menschen!“

    Wunderbar, was man mit Statistik anfangen kann. Aber wenn ich wissen will, wie die Leute zu ihrem Glauben gekommen sind, würde ich sie einfach danach fragen.

    Das ist schwieriger auszuwerten als ein standardisierter Fragebogen, führt aber gleich viel weiter.

    Und man kann dann aufgrund der Antworten einer unstandardisierten Umfrage hinterher noch einen Fragebogen draus machen.

    „Wenn wir uns die Emergenz von Geist & Körper nicht dualistisch, sondern dual & dialogisch denken, dann erweisen sich Biologie, Psychologie, Religionswissenschaft usw. als hoch beseelt auch dort, wo sie statistische Daten ermitteln.“

    Das kann man machen, ja. Das Individuum sollte hier allerdings das Faktische sein, von dem man ausgeht und weiterdenkt.

    • Ja, @Tobias – das nennen wir sowohl in der Religionswissenschaft wie auch in der Politikwissenschaft: Qualitative Forschung (Befragen, Fallbeobachtung) & quantitative Forschung (Daten erheben, Thesen überprüfen). Beides zusammen (!) erbringt wissenschaftlich viable Erkenntnis.

      Womit wir wieder beim Blogthema wären! 🙂🙌

  13. @Hauptartikel

    „Mir ist dabei völlig bewusst, dass die interdisziplinäre und letztlich philosophische Erkenntnistheorie nur ein Anliegen sehr weniger Menschen war und ist. Doch für mich bildet sie den Gipfel des Berges der Erkenntnis, auf dem sich philosophische, religiöse, musikalische, wissenschaftliche und existentielle Erfahrungen begegnen.“

    Aber offenbar nicht ein einziger Berg, auf dessen Gipfel sich alle wirklich suchenden Versammeln? Eher eine erkenntismäßiges Gebirge, indem man auf alle möglichen Gipfel klettern kann, sich da auch mal ganz alleine aufhält, oder auf ganze Bergsteigergruppen treffen kann.

    Ich glaube durchaus, dass es eine Wahrheit geben kann, die dann aber doch Varianten einer menschlichen Ausgestaltung aufweisen muss. So erklären sich letztlich die vielen unterschiedlichen Religionen und Religionsvarianten.

    Und so erklärt sich vielleicht auch, wieso auch die Wissenschaft auseinander läuft, wenn es um konkrete Fragen des Geistigen in der Welt und in den Menschen geht. Die Wirklichkeit ist das Eine, was menschenverständlich ist, ist nochmal eine Sache für sich. In diesem Sinne ist auch jede Psychologie ein weites Feld, dass sich nicht universal formulieren lässt, sondern dazu neigt, einzelne Schulen zu bilden.

    Wir alle sind Bergwanderer, die in dem Gebirge der Wirklichkeit herumkraxeln. Und müssen am Gipfel angekommen sehen, das es noch jede Menge andere Gipfel gibt, die man sich auch irgendwann mal vornehmen kann.

    Langweilig wird es so schnell nicht werden. Und wir haben Zeit. Wahrscheinlich Jahrmillionen, um diesen Kosmos wirklich zu verstehen. Was jetzt aber nicht heißt, dass es keine akuten Probleme gäbe, die auf eine Lösung warten.

    • Vielen Dank für den schönen Kommentar, @Tobias 🙏🙌

      Du schriebst:

      „Ich glaube durchaus, dass es eine Wahrheit geben kann, die dann aber doch Varianten einer menschlichen Ausgestaltung aufweisen muss. So erklären sich letztlich die vielen unterschiedlichen Religionen und Religionsvarianten.“

      Ja, das glaube ich auch – und würde sogar noch einen kleinen Schritt demütiger argumentieren: Der beschriebene Gipfel der Erkenntnistheorie überragt nicht das Gebirge der Wahrheit, sondern gewährt nur einen wundervollen Blick auf dieses.

      So kann keine Erkenntnistheorie völlig ausschließen, dass wir nicht doch in einer Illusion leben könnten. Und aus evolutionspsychologischer Perspektive sehr sicher ist, dass unsere Säugetier-Gehirne sich der Wahrheit bestenfalls annähern können.

      Deswegen finde ich Deine Eingangsworte „Ich glaube durchaus…“ so treffend, weil sie die eigene Ich-Perspektive wie auch den der Erkenntnis vertrauenden Glauben umfasst.

      Meinen herzlichen Dank Dir & allen, die den Berg der Erkenntnistheorie besteigen! Es ist ein entscheidend wichtiger Aufstieg zur Weltwahrnehmung und zu uns selbst. 🙏📚🤔🙌

  14. @Michael 10.10. 08:14

    „So kann keine Erkenntnistheorie völlig ausschließen, dass wir nicht doch in einer Illusion leben könnten.“

    Dass in einem 3-Dimensionalem Raum die Zeit abläuft und so eine Gegenwart definiert ist, kann man möglicherweise nur hoffen. Hinterher ist alle Zukunft längst gelaufen? Eigentlich eine Horrorvision, all unsere Mühen, die eigene Zukunft zu gestalten wären dann zwecklos. Deswegen glaube ich das auch nicht.

    Verwandt damit dürfte das holografische Universum sein.

    „Und aus evolutionspsychologischer Perspektive sehr sicher ist, dass unsere Säugetier-Gehirne sich der Wahrheit bestenfalls annähern können.“

    Immerhin ist das Säugetiergehirn ein Objekt, dass eine Reise durch die Zeiten auf jeden Fall definieren kann, selbst dann, wenn die Zukunft eigentlich längst feststeht. Das Gehirn baut an der eigenen Zukunft, dieses Bauen selbst ist in jedem Fall ein Faktum.

    Man kommt an der Wirkmächtigkeit von neuronalen Netzen nicht vorbei, auch in der KI bestimmen diese eindeutig, was sich auf der Welt entwickelt.

    Es passt jetzt aber ein Wirklichkeitsprozess dazu, der eine wirklich offene Zukunft enthält. Dafür kann alleine schon der Quantenzufalls reichen, indem er den Weg der Dinge stets neu definiert. Und so eine tatsächliche Gegenwart bildet, die durch den ganzen Kosmos zugleich unterwegs ist und stets offene Zukunft zu definierter Vergangenheit verarbeitet.

    Mitten in dieser Zeitordnung wäre dann auch unser eigenes Bewusstsein unterwegs. Und hätte echte Freiheiten.

    • Vielen Dank, lieber @Tobias – und inhaltliche Zustimmung!

      Die weltfeindliche Gnosis kann vieles nicht erklären, so dass auch etwa die Kinofilm-Matrix bereits den Menschen als evolviertes Säugetier voraussetzt, auf dessen Gehirn 🧠 dann die Simulationen reagieren müssen. Unser neuronales Netzwerk wie auch unsere Individualität, die Du zu Recht so betonst, lassen sich durch den Evolutionsprozess in Raum & Zeit am Besten erklären! Deswegen ist der Glaube an eine geschichtlich gewordene Welt sehr viel viabler als die Behauptung einer Illusion.

      Wichtig ist mir persönlich auch die Erkenntnis geworden: „Zeit emergiert, aber wiederholt sich nicht.“ Denn wäre sie wirklich nur ein Zeit-Strahl, dann würde sie nur linear strahlen, statt mehrdimensional zu fließen. Unsere Zeit fließt wie jeder Fluss stets durch Raum.

      Dir Dank & beste Grüße! 🙏🙌

  15. @ Tobias Jeckenburger 09.10.2025, 15:43 Uhr
    @ Michael Blume 10.10.2025, 08:14 Uhr

    Zitat: „Ich glaube durchaus, dass es eine Wahrheit geben kann, die dann aber doch Varianten einer menschlichen Ausgestaltung aufweisen muss.“

    Dieses Zitat, eigentlich der ganze Beitrag Jeckenburgers und Ihre Antwort Herr Dr. Blume, begeistern mich.

    Das muss ich einfach gesagt haben……

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