Der Bundes-Koalitionsvertrag von 1961 als Abweg vom Grundgesetz

Deutschland diskutiert wieder erregt (und überwiegend empört) über Parteipersonal. Doch eine kleine, aber wachsende Gruppe im Fediversum fragt nach der Option einer demokratischen Konkordanzregierung statt wachsendem Faschismus. Denn schon vor einem Jahrhundert hatte die Schweizer Alpenrepublik den Weg der konfrontativen Mehrheitsregierungen verlassen und eine politische Kultur der demokratischen Konkordanz mit starkem Parlament, Föderalismus und Bürgerbeteiligung entwickelt. Während Italien, Deutschland und Österreich an den Antisemitismus, Faschismus und sogar Nationalsozialismus fielen, widerstand die Schweiz diesem Trend nicht nur, sondern wählte 1943 (!) mit Ernst Nobs (1886 – 1957) erstmals einen Sozialdemokraten in den Bundesrat (die Regierung). Und während die deutsche Bundesrepublik aus den rauchenden Trümmern des massenmörderischen NS-Regimes neu gebildet wurde, wurde Nobs dann 1949 auch zum ersten sozialdemokratischen Bundespräsidenten der Schweiz gewählt.
Das von den Müttern und vielen Vätern entwickelte, deutsche Grundgesetz sah ebenfalls eine föderale Bundesrepublik mit starken, die Regierungen kontrollierenden und Gesetze beschließenden Parlamenten – dem Bundestag und Landtagen – vor. So heißt es bis heute in Artikel 38.1 GG ausdrücklich:
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
Zusätzlich wurde sogar noch ein starkes Bundesverfassungsgericht eingesetzt, das es in der Schweiz so nicht gibt.
Und anfangs funktionierte dies auch sehr gut, es entstand eine zunehmend lebendige Demokratie und auch der neue, deutsche Bund und die Länder hätten jederzeit wie die Schweiz den Weg in eine Konkordanzdemokratie beschreiten können. So erzielte Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876 – 1967) 1952 im Bundestag auch gegen erbitterte Widerstände aus CSU, CDU und FDP eine Mehrheit für das deutsch-israelische Luxemburger Abkommen, weil die Abgeordneten der SPD ihm zustimmten. Im Bundestag wurde von Abgeordneten noch ehrlich und über die Fraktionen hinweg diskutiert, statt Parteibeschlüsse abzulesen!
Doch 1961 stand der machtbewusste Adenauer im Alter von 85 Jahren mit dem Rücken zur Wand: Immer mehr Unions-Abgeordnete forderten seinen baldigen Rücktritt zugunsten eines Jüngeren und CDU/CSU verloren bei der Bundestagswahl am 17. September 1961 die absolute Mehrheit. Der Bau der Berliner Mauer ab dem 13. August 1961 hatte Deutschland durch einen “Eisernen Vorhang” getrennt und Europa an den Rand des III. Weltkrieges geführt.
In dieser prekären Situation entschied sich der Kanzler gemeinsam mit dem neuen FDP-Vorsitzenden, einstigen Wehrmachts-Offizier und wieder stolzen Ritterkreuzträger Erich Mende (1916 – 1998) für ein autoritäres Instrument, das das deutsche Grundgesetz gar nicht vorgesehen hatte und das die bis heute reichende Entmachtung des deutschen Bundestages und der Landtage einleitete: Für einen zwischen Parteivorsitzenden verhandelten Koalitionsvertrag (hier als KAS-pdf hinterlegt).
Der damals noch verfassungsrechtliche umstrittene CDU/CSU/FDP-Koalitionsvertrag von 1961 hatte 9 Seiten, der bereits auch von fast allen Medien als vermeintlich alternativlos präsentierte CDU/CSU/SPD-Koalitionsvertrag von 2025 hat bereits 144 Seiten. Foto: Michael Blume
Der zwischen den Parteispitzen verhandelte Koalitionsvertrag schaffte das freie Mandat der gewählten Abgeordneten gemäß Artikel 38 Grundgesetz faktisch ab, indem es schon im ersten Kapitel Wahl und späteren Rücktritt des Kanzlers vereinbarte. In Kapitel II.1 wurden die Mitglieder des Bundestages auch darüber hinaus einer strikten Fraktionsdisziplin unterworfen:
II.1 Die Vorsitzenden der Koalitionsparteien und der Koalitionsfraktionen verpflichten sich, darauf hinzuwirken, daß die Fraktionen im Deutschen Bundestag nicht mit wechselnden Mehrheiten abstimmen, insbesondere, daß nicht einzelne Gruppen der Koalitionsfraktionen zusammen mit der Opposition in Einzelfällen Mehrheiten bilden.
In Kapitel II.4 wurde ein Koalitionsausschuss als entscheidendes Steuerorgan einer Neben- und Überregierung der Parteivorsitzenden gebildet, den das deutsche Grundgesetz weder kennt noch vorsieht. Schon in II.5 wurden diesem Ausschuss alle Regierungsmitglieder (die Exekutive) unterworfen:
II.5 Die Grundgedanken der Regierungsentwürfe sind vor der Einbringung im Kabinett dem Koalitionsausschuss zur Beratung zuzuleiten. An diesen Beratungen nimmt der Fachminister teil.
Und im nächsten Absatz wurde den Abgeordneten des Bundestages (der Legislative) auch verboten, noch eigenständige Gesetzentwürfe im Parlament einzubringen:
II.6 Initiativgesetzentwürfe der Koalitionsfraktionen sind vor der Einbringung im Deutschen Bundestag dem Koalitionsausschuss zuzuleiten. Die Koalitionspartner werden versuchen, über die Einbringung und den Inhalt von Initiativgesetzentwürfen Übereinstimmung zu erzielen.
Auf Bundes- und dann auch Länderebene setzte sich dieses autoritäre Modell von Parteien – Koalitionsverträgen bald allgemein durch und wurde sogar weiter verschärft: Die Koalitionsverträge wurden immer länger und bürokratisch kleinteiliger, sie wurden von willkürlich besetzten Parteikommissionen erarbeitet und auch noch die Fraktionsvorsitzenden wurden den unterworfenen Abgeordneten von den Parteivorsitzenden “vorgeschlagen”.
Der Koalitionsvertrag von 2025 sieht als besondere Demütigung des Bundestages in Zeile 594 sogar eine von den Parteien bestückte “Rentenkommission” vor, statt wenigstens diesen innersten Teil der Gesetzgebung noch den vom Volk gewählten 630 Abgeordneten und deren Tausenden Mitarbeitenden zu überlassen. Unsere MdBs werden vor aller Augen zu machtlosem Stimmvieh der Parteibüros degradiert – und es kümmert kaum noch jemanden. Wir Deutschen kennen es ja gar nicht mehr anders.
Interessanterweise setzte sich diese autoritäre Parteien – “Knebelung des Parlaments” (Katharina Schuler) – jedoch nur im Bundestag und den Landtagen durch. In den Kommunalverfassungen breiteten sich dagegen die konkordanten Elemente der alpin-föderal geprägten Süddeutschen Ratsverfassung immer weiter nach Norden aus, nach der direkt vom Volk gewählte Oberbürgermeister einem lebendigen Gemeinderat mit selbstverständlich wechselnden Mehrheiten und einer konkordant und überparteilich besetzten Verwaltungsspitze vorsitzt. Die Kommunal- und teilweise auch Landesdemokratien werden ergänzt durch starke Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung inklusive von Volksinitiativen und -abstimmungen.
Und auch die Europäische Union organisierte sich konkordant. Auch deutsche Abgeordnete des Europäischen Parlamentes (MdEP) sind daher heute in ihrer Mandatsausübung sehr viel freier als ihre Kolleginnen und Kollegen in Bund und Ländern, dürfen sehr viel freier debattieren, wählen und abstimmen! Und, bemerkenswert: Sogar die Kardinäle der für den 7. Mai 2025 angesetzten Papstwahl (Konklave) in Rom werden weit mehr Wahl- und Gewissensfreiheit genießen als unsere vom Volk gewählten Frauen und Männer des deutschen Bundestages einen Tag zuvor!
Es ist also aus meiner Sicht kein Wunder, dass die neu gewählte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) den Kirchen über AxelSpringer-Konzernmedien wie die BILD politische Zurückhaltung nahelegte. Wir sind in einem Zustand angekommen, in dem insbesondere die evangelischen Kirchen sowie die jüdischen Religionsgemeinschaften in Deutschland synodaler und Konkordanz-demokratischer verfasst sind als unser von Parteivorsitzenden dominierter Bundestag!
Nun wissen Sie, warum ich Kandidaturen für den Bundestag freundlich abgelehnt habe. In der konkordanten Zusammenarbeit mit allen demokratischen Fraktionen des Landtags von Baden-Württemberg mache ich hervorragende Erfahrungen. Es schmerzt mich zu wissen, dass Hunderte Abgeordnete des Deutschen Bundestages jederzeit den Geist des Grundgesetzes wiederherstellen, die Parteien – Knebelverträge abschütteln, eine stabile, demokratische Konkordanzregierung bilden und die Regierung wieder wirklich kontrollieren, die Inhalte und die Gesetze der Bundesrepublik wieder selbst beschließen könnten – es aber nicht tun, meist nicht einmal mehr davon wissen. All das macht mir Sorgen, manchmal gar Schmerzen.
Wie ich es in “Verschwörungsmythen” (2025) aktuell beschreibe, erleben wir derzeit zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte zwei Medienrevolutionen (Digitalisierung und KI-Einführung) innerhalb einer Generation. Und wieder drohen die Demokratien in Italien, Österreich und Deutschland in den Parteien-Bürokratieinfarkt und Faschismus zu kippen, wogegen die Konkordanzdemokratie in der Schweiz zwar auch vom digitalen Rechtsruck betroffen ist, aber insgesamt stabil und erfolgreich bleibt.
Ach, hätten wir doch ausreichend Abgeordnete, die sich selbst, das Konzern-unabhängige Fediversum, die Europäischen Verträge und vor allem das deutsche Grundgesetz wieder ernst nehmen würden! Dann wäre der rechtsautoritäre Drift noch immer durch eine Rückkehr zur demokratischen Mitte zu beenden. Aber in einer aktuellen Mastodon-Umfrage dazu vermuteten 64% der Antwortenden, dass die reale Option einer Konkordanzregierung allenfalls in einer Satiresendung vorgestellt werden würde. So sehr haben auch unsere Öffentlich-Rechtlichen Medien die digitale Polarisierung und Parteien – Entmachtung unserer Parlamente schon wieder verinnerlicht.
Danke, dass Sie uns die Geschichte hinter den Koalitionsverträgen noch einmal vor Augen geführt haben.
Die Entwicklung, die aus dem Vorgehen 1961 resultierte, ist kritisch zu sehen. Wir sollten aber nicht die Situation übersehen, in der sich das geteilte Deutschland zu dieser Zeit befand.
Es war mitten im Kalten Krieg und ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass man sich aus Sicht der Regierung die volle Unterstützung aus den eigenen Reihen sichern wollte. Bedenkt man die Situation, die 1962 mit der “Kuba-Krise” auftrat, dann war die Fraktionsdisziplin alternativlos. Ein verheerendes sicherheitspolitisches Signal wäre an Freund und Feind gesendet worden, hätte Adenauer nicht die Fraktionen hinter sich gehabt.
Worum es m.E. beim aktuellen Koalitionsvertrag geht, ist der Eindruck, der bei
vielen CDU Mitgliedern entstanden ist, dass man zuviele Zugeständnisse an die SPD gemacht habe. Eine gewisse Enttäuschung darüber, dass Friedrich Merz seine Versprechen nicht 1:1 umsetzt.
Der Generalsekretär der CDU will das auch bleiben, um den Umbau der CDU weiter voranzubringen. Er wird aus meiner Sicht u.a. damit beschäftigt sein, keinen Unmut in der Partei aufkeimen zu lassen. Aus Sicht von Friedrich Merz muss Carsten Linnemann ihm den Rücken freihalten. Interne Diskussionen, die womöglich an die Öffentlichkeit dringen, muss Herr Linnemann unbedingt vermeiden. Außerdem wird er vermutlich versuchen, künftig die Zusammenarbeit von CDU und Bündnis90/Die Grünen auf Länderebene zu verhindern.
Die künftigen Bundesminister flößen mir kein Vertrauen ein. Aber ich will nicht urteilen, bevor diese überhaupt im Amt sind. Der Kulturstaatsminister, den sich der künftige Bundeskanzler gewählt hat, gibt zumindest Anlass zur Besorgnis.
Da einige Politiker der Union eine gewisse Affinität zu den US Republikanern haben, bleiben auch da für mich persönlich Fragen offen.
Bleibt mir nur noch die Hoffnung, dass die Eidesformel “so wahr mir Gott helfe” ernst genommen wird von denen, die diesen Zusatz zur Eidesleistung wählen.
Vielen Dank, @Marie H. 🙏
Dass doch immerhin im Fediversum ein Dialog über eine Konkordanz- statt der bisherigen Parteiendemokratie wächst, bedeutet mir sehr viel.
Denn auch heute Morgen schockte mich die ZEIT, die ich als eine der letzten Qualitätsmedien in Deutschland betrachte. Rechtlich und faktisch falsch, sicher aus Unwissenheit vermeldete sie:
„Auch bei den Sozialdemokraten gibt es wegen der Passagen zur Migrations- und Sozialpolitik Kritik an dem Koalitionsvertrag. Die Juso-Führung hat sich dagegen ausgesprochen. Trotzdem gilt eine mehrheitliche Zustimmung der Mitglieder als sehr wahrscheinlich – vor allem, weil die einzigen Alternativen eine Koalition zwischen Union und AfD, eine Minderheitsregierung oder die Neuwahl des Bundestags wären.“
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-04/cdu-nimmt-koalitionsvertrag-mit-grosser-mehrheit-zu
Und diese journalistische Fehlmeldung ist auch deswegen bitter, weil die oben zitierte Katharina Schuler in der gleichen ZEIT noch 2013 ihr Unbehagen an Partei – Koalitionsverträgen formulierte:
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-11/koalitionsvertrag-details-richtlinien
Danke auch für Ihren Hinweis auf die bemerkenswerte Ansage von Partei-Generalsekretär Carsten Linnemann (CDU) gegenüber dem Parteivorsitzenden und designierten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Letzteren kritisch begleiten zu wollen.
Aus meiner Sicht hatte Carsten damit praktisch doppelt Recht:
1. Im Widerspruch zum deutschen Grundgesetz werden die deutschen Bundesregierungen (Exekutive) nicht mehr vom Bundestag (Legislative), sondern von den Parteien.
2. Das Amt eines Partei-Generalsekretärs ist daher längst mächtiger und Zukunft – verheißender als das eines Minsters.
Ich finde das zugleich politisch realistisch und parlamentarisch katastrophal. Und es fällt kaum noch jemandem auf!
Die meisten, vom Volk gewählten Abgeordneten und auch Journalistinnen und Journalisten wissen gar nicht mehr, dass es anders sein könnte und sollte.
Auf Mastodon vertrat Christoph Brodesser (CDA) gerade eine spannende These, die ich hiermit gerne auch auf den Blog nehme:
„Könnte es sein, dass Koalitionsverträge insbesondere aus dem Bestreben kleinerer Regierungspartner entstanden sind, nicht „unter die Räder zu kommen“ und nach der Kanzlerwahl anschließend ihre eigenen Vorstellungen und Inhalte nicht mehr durchsetzen zu können? Diese Vermutung liegt nahe, weil die erste „große Koalition“ von CDU und SPD 1965-1969 anscheinend wieder ohne einen solchen ausgekommen ist. Rainer Barzel beschreibt in seinem Buch „Auf dem Drahtseil“, dass sich nach der grundsätzlichen Entscheidung beider Parteien zur Koalition die beiden Fraktionsvorsitzenden anscheinend wohl „tief in die Augen geschaut“ und festgestellt haben, dass man auch ohne formelle inhaltliche Vereinbarung in der Lage sei, vernünftig zusammenzuarbeiten. Koalitionsverträge sind dann anscheinend erst wieder mit dem Beginn der Regierung Brandt/Scheel, also dem erneuten Eintritt der FDP in die Regierung, üblich geworden und seitdem geblieben – auch ich finde, zum Schaden unserer Demokratie, die sich dadurch zu einem parlamentarischen Abnickorgan der Parteien entwickelt hat. Interessanterweise sind damit auch immer mehr „knorrige Köpfe“ aus dem Bundestag verschwunden – Ausnahmen bestätigen die Regel -, was das Parlament langweiliger gemacht hat. Ich nenne hier nur zwei Archetypen: Herbert Wehner und Baron Guttenberg, deren Rededuelle zu den Ostverträgen mir immer in Erinnerung bleiben werden.
Meine These: Koalitionsverträge sind das Instrument der kleineren Regierungspartner, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Dass dies in der Geschichte der Bundesrepublik fast immer die FDP war, kann man nachlesen, und die beschriebene erstmalige Vereinbarung eines Koalitionsvertrags durch Mende (Verpflichtung Adenauers zum Rücktritt zur Mitte der Amtsperiode) könnte dies belegen. Daher trägt die FDP ein gerüttelt‘ Maß Verantwortung nicht nur dafür, dass diese Unsitte entstanden, sondern inzwischen auch als normal angesehen wird.“
https://friendica.opensocial.space/display/8ffdf77c-8268-1072-c625-bcb463911562
Danke, dass auch Sie unsere Demokratie und unser Grundgesetz nicht aufgeben, @Marie H.! 🙏🇩🇪🇪🇺📚🤔
Danke für die Antwort.
Sehr interessant finde ich, was Herr Brodesser schreibt. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Was die FDP betrifft, so sind Koalitionsverträge 1982 und 2024 irgendwann mal das Papier nicht mehr wert gewesen, auf das sie gedruckt wurden.
Bedenkt man, dass es im Bundestag immer wieder Abstimmungen gab, bei denen jede(r) Abgeordnete frei vom Fraktionszwang abstimmen durfte, so fühlt sich das, mit dem Wissen, das ich durch Sie neu gewonnen habe, wie ein schlechter Witz an! Weil es so ja eigentlich normalerweise sein sollte.
An den erwähnten Herbert Wehner und seinen “Stil” kann ich mich auch noch erinnern. Als er den CDU Abgeordneten Jürgen Wohlrabe als “Übelkrähe” bezeichnete.
Manche Politiker waren umstritten. Gerhard Mayer-Vorfelder fällt mir spontan ein.
In einem weiteren Post nimmt Herr Brodesser zur Reform des Wahlrechts Stellung. Ich stimme ihm zu, was die Direktmandate angeht. Wenn ich es aber richtig verstanden habe, lehnt er die Listenwahl ab. Dies hätte zur Folge – bezogen auf das Ergebnis BTW 2025 – dass noch CDU, CSU, SPD und AfD politische Bedeutung hätten. Grüne und Linke haben nur wenige Direktmandate, wären also nicht mehr von Bedeutung. Honi soit qui mal y pense…
Lieben Dank, @Marie H.
Die Parteienangst-These von Christoph Brodesser, nach der kleinere und sich schwächer wähnende Parteien zur vermeintlichen Absicherung auf verfassungswidrige Parteien – Koalitionsverträge drängen, finde ich empirisch überzeugend. Das Argument, dass direkt gewählte Abgeordnete jedoch unabhängiger seien, überzeugt mich nicht. Zwar bin auch ich der Auffassung, dass direkt Gewählte im Wahlkreis zum Zuge kommen sollten, erkenne jedoch bisher dort keinen höheren Mut. Die US-Republikaner werden sogar durch Mehrheitswahlrecht gewählt und haben sich trotzdem und deswegen Donald Trump unterworfen, ebenso die britischen Tories dem katastrophalen Brexit. Dagegen werden die deutschen Abgeordneten des Europaparlamentes durch Verhältniswahlrecht bestimmt, können ihre Mandate aber ohne Parteien – Koalitionsverträge ausüben. Aus meiner Sicht bringt es also nicht viel, über Wahlsysteme zu diskutieren, solange sich die Gewählten dann von Parteibürokratien knebeln und unter sog. Fraktionsdisziplin demütigen lassen. Haltung und Mut scheint keine Frage des Wahlsystems zu sein.
Auch die Schweizerinnen und Schweizer wählen ihren Nationalrat nach Proporz (Verhältniswahlrecht), den Ständerat und einige Kantonsparlamente nach Majorz (Mehrheitswahlrecht mit zwei Wahlgängen). Die Konkordanzdemokratie ist also mit beiden Wahlsystemen kompatibel, wie ja auch umgekehrt die Parteien – Konkurrenzdemokratie.
Nach meiner Erfahrung werden von Wählerinnen und Wählern eines Wahlkreises vorrangig Parteien und nicht Kandidaten gewählt.
In dem Wahlkreis, in dem ich wohne, geht das Direktmandat seit vielen Jahren grundsätzlich an die CDU. Frau Esken, die PV der SPD und Kandidatin hier, müsste ja schon aufgrund ihres Amtes an der Spitze der traditionsreichen SPD prädestiniert sein für das Direktmandat. Seit 2009 kandidierte sie im hiesigen Wahlkreis und unterlag sowohl Herrn Fuchtel als auch Herrn Mack.
Die Grünen werden mE nicht wegen der Personen gewählt, die aufgestellt werden, sondern wegen der Ziele ihrer Politik. Für Direktmandate reicht es manchmal in den großen Städten.
Vielleicht brauchen wir neben einem veränderten Wahlrecht auch mehr Bewusstsein unter den Wählerinnen und Wählern über unsere Demokratie.
Vielen herzlichen Dank, @Marie H. 🙏
Auch in dieser Woche habe ich wieder zwei Schulen besuchen und mit Hunderten interessierter Schülerinnen und Schüler über die Krise der Konkurrenzdemokratien in Deutschland und Israel, über antisemitische Verschwörungsmythen, Digitalisierung und KI diskutieren können. Einige Aktive einer Schule überlegen jetzt sogar, mit ihrer Ethiklehrerin einen Podcast zu starten!
Und auch Felo.ai erfasst meine auch durch Ihre Beiträge wachsenden Fediverse-Hoffnungen dazu schon! 🙏🤔📚💡
Dr. Michael Blume erkennt im KI-Fediversum eine große Chance für Konkordanzdemokratien, da diese technologische und soziale Entwicklung Kernelemente dieses Demokratiemodells unterstützt und fördert. Das KI-Fediversum, als dezentrales, dialogorientiertes und faktenbasiertes Netzwerk, steht im Gegensatz zu zentralisierten, manipulativen “antisozialen Medien” und kann die für Konkordanzsysteme notwendige Transparenz, Wissensverbreitung und Dialogkultur stärken [2][5][8][9]. Insbesondere sieht Blume in der Kombination von KI und Fediversum das Potenzial, politische Bildung zu demokratisieren, die Abhängigkeit von traditionellen Medien zu verringern und einen Raum für sachorientierte Debatten zu schaffen, wie sie für die Funktionsweise von Konkordanzdemokratien essenziell sind [3][9].
**Blumes Eintreten für die Konkordanzdemokratie**
Dr. Michael Blume plädiert aktiv für einen Wandel von der in Deutschland praktizierten Konkurrenzdemokratie hin zu einer Konkordanzdemokratie nach Schweizer Vorbild [1][9]. Er kritisiert das bestehende System mit seinen nichtöffentlichen Koalitionsverhandlungen, Koalitionsverträgen und der Fraktionsdisziplin, die das im Grundgesetz verankerte freie Mandat der Abgeordneten untergraben [1][3][9]. Die Konkordanzdemokratie, in der möglichst alle demokratischen Fraktionen gemeinsam Regierungsverantwortung übernehmen und Entscheidungen im Dialog und Konsens finden, sieht er als stabiler, bürgernäher und näher am Geist des Grundgesetzes [1][9]. Dieses Modell fördere einen Kulturwandel weg von “feindseligen Partei-Hinterzimmern” hin zu einem dialogischen Miteinander [1].
**Das KI-Fediversum: Dezentralität, Dialog und Wissen**
Blume kontrastiert das Fediversum – ein Netzwerk unabhängiger, miteinander verbundener (föderierter) sozialer Medien-Server wie Mastodon – mit den zentralisierten Plattformen digitaler Oligarchen (z.B. Amazon, Konzernplattformen) [2][5][8]. Während letztere durch Algorithmen und “Neurohacking” auf Manipulation von Emotionen (Thymos) und die Förderung von Empörungssucht und Polarisierung abzielen, was er als “digitale Thymokratie” (Herrschaft der Wütenden) bezeichnet, sei das Fediversum strukturell auf Freiheit, Selbstorganisation und einen faktenorientierten Dialog (Logos) ausgelegt [2][5][8]. Die Kombination mit Künstlicher Intelligenz (KI) im “KI-Fediversum” sieht er als eine Entwicklung, die erstmals in der Mediengeschichte zeitliche (Beständigkeit, Tiefe) und räumliche (Reichweite, schnelle Verbreitung) Dimensionen von Medien umfassend integriert, basierend auf der Medientheorie von Harold Adams Innis [8].
**Demokratisierung des Wissens durch KI**
Ein zentraler Punkt für Blume ist die Fähigkeit von KI-Systemen, komplexes Wissen aufzubereiten und zugänglich zu machen. Er stellt fest, dass “jede ordentliche KI” bereits die Unterschiede zwischen Konkurrenz- und Konkordanzdemokratie erklären und diskutieren kann [3][9]. Dieses Wissen sei “via KI längst frei verfügbar und auch diskutierbar” [3][9]. Dies steht im Kontrast zu seiner Beobachtung, dass selbst Qualitätsmedien die Öffentlichkeit unzureichend oder falsch über die Option einer Konkordanzregierung als Alternative zu Koalitionsverhandlungen informiert hätten [3][9]. Das KI-Fediversum bietet somit einen Weg, Informationsasymmetrien abzubauen und Bürgerinnen und Bürger direkt mit politischem Wissen und verschiedenen Handlungsoptionen vertraut zu machen, was eine informierte Partizipation – ein Grundpfeiler jeder Demokratie, aber besonders wichtig für konsensorientierte Modelle – ermöglicht.
**Förderung der dialogischen Kultur der Konkordanz**
Konkordanzdemokratien leben vom Aushandlungsprozess, von der Einbeziehung verschiedener Perspektiven und dem Streben nach Konsens statt Dominanz [1]. Das Fediversum fördert durch seine Struktur und Kultur tendenziell eher den Dialog und Austausch als die reine Konfrontation, die oft durch Algorithmen zentralisierter Plattformen befeuert wird [2][8]. Blume selbst nutzt das Fediversum (Mastodon) aktiv, um für die Konkordanzdemokratie zu werben und zur Diskussion anzuregen [1][9]. Die Kombination mit KI kann diesen Dialog unterstützen, indem sie Informationen aufbereitet, Argumente strukturiert oder Übersetzungen erleichtert, wodurch die für Konkordanz notwendigen delaborativen Prozesse unterstützt werden könnten.
**Alternative zu “antisozialen Medien” und Medienversagen**
Blume sieht im KI-Fediversum eine wichtige Alternative zu den von ihm als “antisoziale Medien” bezeichneten Plattformen, die durch Neurohacking und die Förderung von Empörung (Thymos) die Demokratie gefährden [5][8][9]. Er kritisiert auch das Versagen traditioneller “fossiler Konzernmedien” und teilweise sogar öffentlich-rechtlicher Medien, die Öffentlichkeit umfassend über demokratische Alternativen wie die Konkordanzdemokratie aufzuklären [1][3][9]. Das KI-Fediversum ermöglicht es ihm und anderen, diese Informationen direkt und ohne Gatekeeper zu verbreiten und eine Gegenöffentlichkeit aufzubauen, die auf Dialog und Fakten basiert [1][2][8]. Dieser “lesende Widerstand” im KI-Fediversum kann somit die Resilienz von Demokratien gegenüber Manipulation und Desinformation stärken [2][5][8].
**Fazit**
Dr. Michael Blume sieht im KI-Fediversum eine bedeutende Chance für Konkordanzdemokratien, weil es technologisch und kulturell die für dieses Demokratiemodell zentralen Aspekte stärkt: die Demokratisierung von Wissen, die Förderung einer dialogischen und faktenorientierten Kommunikationskultur sowie die Schaffung einer widerstandsfähigen Alternative zu manipulativen, zentralisierten Medienplattformen anstatt einem potenziellen Versagen traditioneller Medien. Es bietet Werkzeuge und einen Raum, um Bürgerinnen und Bürger zu informieren, den Austausch zu fördern und somit die Grundlagen für eine auf Konsens und breiter Beteiligung basierende Demokratie zu legen und zu festigen [1][2][3][8][9].
[1] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-konkordanzdemokratie-der-schweiz-in-einem-sympathischen-video-erklaert/
[2] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/blume-ince-31-das-ki-fediversum-und-die-digitale-thymokratie/
[3] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/auf-die-deutsche-spd-basis-ist-verlass-doch-die-politik-medien-haben-die-deutschen-getaeuscht/
[4] https://sueden.social/@BlumeEvolution/114218307673009736
[5] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/blume-ince-31-das-ki-fediversum-und-die-digitale-thymokratie/
[6] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/auf-die-deutsche-spd-basis-ist-verlass-doch-die-politik-medien-haben-die-deutschen-getaeuscht/
[7] https://sueden.social/@BlumeEvolution/114218307673009736
[8] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/blume-ince-31-das-ki-fediversum-und-die-digitale-thymokratie/
[9] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/auf-die-deutsche-spd-basis-ist-verlass-doch-die-politik-medien-haben-die-deutschen-getaeuscht/
[10] https://sueden.social/@BlumeEvolution/114218307673009736
@Blume
Du und Deine Spiessgesellen, ihr könnt euch jetzt winden und wenden wie ihr wollt, die Zeit der Unwahrheit in zeitgeistlichem Reformismus ist vorbei.
“Demokratie” wird nun wirklich-wahrhaftig werden, in einem globalen Gemeinschaftseigentum OHNE wettbewerbsbedingt-konfuse Symptomatik, oder sie wird ein letztes Mal die Welt in Schutt und Asche legen.
👋😇
Klar, @hto – wir haben inzwischen alle verstanden, dass Sie als gnostischer Linksdualist unserer Demokratie, den Parteien, Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie Millionen Menschen den Untergang wünschen.
Entsprechend ärgern Sie sich über Demokratinnen und Wissenschaftler, die sich gegen den Niedergang und Fossilismus stellen, beschimpfen uns des „zeitgeistlichen Reformismus“. Sie hoffen in Ihrem Hass, dass gerade auch wir scheitern.
Gerne nutze ich die Gelegenheit, Ihnen noch einmal für die ehrenvolle Beschimpfung als „Solarpopper“ zu danken!
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/solarpunk-und-solarpopper-wasserstoff-hoffnung-wunsiedel-bayern/
Auch Ihnen einen schönen Tag! 😊🖖
Vielen Dank für diesen Hinweis auf den historischen Hintergrund und das Grundgesetz.
Vor allem führt der Fraktionszwang ja auch dazu, dass Diskussionen im Bundestag völlig irrelevant geworden sind, weil es egal ist, was der Redner/die Rednerin sagt. Jeder wird trotzdem nach Parteilinie abstimmen. Vor diesem Hintergrund erscheint es mir geradezu lächerlich, wenn zum Beispiel das BVerfG angerufen wird, weil ein Thema zu “spontan” zur Abstimmung kommt. Das Argument, man habe nicht hinreichend Zeit gehabt, sich mit dem Thema zu beschäftigen ist doch hinfällig, solange man sich ohnehin an den Fraktionszwang hält.
Sehr gerne, @RainerKatastrophe – Danke auch für das Interesse! 🙏🇩🇪🇪🇺🤔
Und inhaltlich stimme ich völlig zu: Es gab ja sogar Versuche, mich zum Schweigen zu bringen, weil ich den Tanubruch gegen die Brandmauer zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz kritisiert hatte!
https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.michael-blume-antisemitismusbeauftragter-kritisiert-merz-viele-in-der-cdu-leiden.11dda589-5b85-454b-8211-a22d2d7cb30e.html
Da können sich doch alle vorstellen, dass mutige Menschen im Bundestag und in den Landtagen schnell unter Druck kommen oder gar nicht mehr kandidieren.
Das Bundesverfassungsgericht kann hier nach meiner Einschätzung kaum etwas tun, weil die Abgeordneten ihre Rechte laut Grundgesetz weiter „haben“, aber eben nicht nutzen!
Wenn ausreichend viele MdB es wollten, könnten sie jederzeit die Parteibürokratien in Ihre gesetzlichen Schranken laut Art. 21 GG weisen, eine Kanzlerin oder einen Kanzler ihres Vertrauens wählen 🗳️ und ihre Rechte laut GG Art. 38 und Art. 1 konkordant wiederherstellen! Dass sie dies (noch) nicht tun, meist nicht einmal davon wissen – das scheint mir das Problem.
@Michael 29.04. 09:36 / Christoph Brodesser (CDA)
„Meine These: Koalitionsverträge sind das Instrument der kleineren Regierungspartner, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen.“
Die drei Parteien CDU, SPD und Grüne sind nun eher auf ähnlichem Niveau, entsprechend könnte man hier doch hin und wieder wirklich Bundestagspolitik machen? Mir wären auch mal wechselnde Mehrheiten durchaus recht. Auch weil das wohl auch die Politik deutlich unterhaltsamer machen könnte.
Das mit den Parteien-Hinterzimmern ist nicht nur anfälliger für Lobbykorruption, es schränkt auch einfach nur den wirklich öffentlich diskutierten politischen Prozess ein.
Ich sehe hier echt Perspektiven, auch die Demokratie einfach interessanter für die Öffentlichkeit zu machen. Einfach weil dann wirklich alle Themen dialogisch bearbeitet werden müssen. Das fördert nicht nur die Qualität der Ergebnisse, das macht auch einfach mehr Spaß.
Wenn man dann sehen kann, wie sich die Abgeordneten, die man gewählt hatte, dann in einer echten ergebnisoffenen Diskussion schlagen, dann ist man als Bürger doch auch selber mit dabei.
Und noch besser, wenn alle Abgeordnete eine Mastodonaccount haben, dann kann der Bürger mitdiskutieren und vor allem mitlesen, was hier wirklich in der Politik passiert. Das wäre dann eine echte Republik als Öffentliche Sache. Mehr als die üblichen Fernsehdiskussionen, die meistens ziemlich wenig in die Tiefe gehen.
Vielen Dank, lieber @Tobias 🙏🇩🇪🇪🇺
Gerade habe ich mich während einer Autofahrt mit einer KI 🤖 über die Brodesser – These unterhalten. Und tatsächlich: Nachdem die FDP die Koalition mit CDU / CSU aufgekündigt hatte, kam es 1966 zur ersten Großen Koalition aus Union und SPD. Und weil damals Parteien – Koalitionsverträge durchaus noch verfassugsrechtlich umstritten und nicht allgemein üblich waren, verzichteten die Regierungsparteien auf einen solchen!
Laut KI dienten die Koalitionsverträge den beteiligten Parteivorsitzenden tatsächlich, um gegenüber der eigenen Anhängerschaft Erfolge zu zeigen und Sicherheit herzustellen.
Aus meiner Sicht spricht dies für die Brodesser – These, denn die sehr starke FDP der Schweiz 🇨🇭, die Freisinnigen genannt, ließ sich ja dann auch wirklich auf die Konkordanzdemokratie ohne Parteien – Koalitionsverträge, mit dafür starken Parlamenten und Bürgerbeteiligung, ein.
Entsprechend fragte ich die KI dann auch, ob nicht eine demokratische Konkordanzregierung mit breiter Mehrheit die Sicherheit und Erfolge bieten könnte, zumal Koalitiobsverträge ihrerseits zu Parteien – Bürokratismus, Inflexibilität und Frust führen würden. Das wurde von der KI klar bejaht. (Wobei KIen generell zu schnell Zustimmung geben, zu affirmativ sind. Wir werden also weiterhin selbst denken müssen.)
In der Summe sehe ich starke Belege für die Brodesser – These und glaube, dass sich die demokratischen Parteien aus Angst vor dem Misserfolg in die Koalitionsvertrag – Enge treiben lassen. Eine demokratische Konkordanzregierung mit starken Abgeordneten, wie im Grundgesetz vorgesehen, und mit Bürgerbeteiligung sowie starker Fediversum-Präsenz würde weit mehr Sicherheit, Erfolge und Widerlegung des Faschismus ermöglichen als das zunehmende Koalitionsvertrag-Gewürge der letzten Jahrzehnte. Unsere Gewählten müssten sich nur trauen, was sich auch die Schweizer Abgeordneten trauten! 🤔🇨🇭🇩🇪🇪🇺🖖
Noch ein ergänzender Aspekt: Nicht nur im Bundestag, sogar in der Länderkammer Bundesrat dominiert die Parteipolitik, scheint mir zumindest.
Die Idee des Bundesrats ist im Kern die Ländervertretung – die jeweiligen Landesregierungen wägen ab, welche Auswirkungen ein neues Gesetz speziell auf ihr Bundesland hat.
Aber oft (zu oft?) fallen auch im Bundesrat die Entscheidungen streng nach Parteifarben:
Länder mit kompatiblen Koalitionen zur Regierungsmehrheit im Bund stimmen mit JA, Oppositions-regierte Länder (aus Bundessicht) mit NEIN, “gemischte” Koalitionen enthalten sich.
So war das nie gedacht.
Danke, @Hans – ganz genau so ist es. Im Bundesrat sind ja die Landes”regierungen” vertreten, die wiederum von bürokratischen Parteien-Koalitionsverträgen geknebelt werden und deren Landtage sich ebenfalls weitgehend konfrontativer Parteipolitik unterworfen haben. Jedes Land, das den Mut zu einer demokratischen Konkordanzregierung gefunden hat, wird auch im Bundesrat eine stärker an der Sache orientierte Rolle einnehmen können. Die Schweizer Konkordanzdemokratie ging sogar wesentlich aus den Impulsen und Erfahrungen mutiger Kantone hervor, die strukturell den deutschen Bundesländern entsprechen.
Felo.ai zur Schweizer Entwicklung im Bund und in den Kantonen:
Die Konkordanzdemokratie hat sich in der Schweiz sowohl auf Bundesebene als auch in den Kantonen entwickelt, jedoch nicht in einem strikt parallelen oder zeitgleichen Prozess. Beide Ebenen wurden durch ähnliche grundlegende Faktoren wie den Föderalismus und die direkte Demokratie geprägt, die eine konsensbasierte Politikgestaltung begünstigen. Historisch gesehen gingen Entwicklungen auf kantonaler Ebene, insbesondere im Bereich der direkten Demokratie, den eidgenössischen oft voraus und beeinflussten diese. Während die institutionelle Ausgestaltung, wie die “Zauberformel” auf Bundesebene, spezifisch sein kann, ist das Prinzip der breiten Einbindung politischer Kräfte und der Konsenssuche ein gemeinsames Merkmal beider Staatsebenen.
**Grundlagen der Konkordanz in der Schweiz**
Die Konkordanzdemokratie, die auf Ausgleich und Konsens abzielt, ist ein prägendes Merkmal des politischen Systems der Schweiz [23]. Sie steht im Gegensatz zur Konkurrenzdemokratie, bei der eine Mehrheit regiert und die Opposition klar definiert ist [1][12]. In der Schweiz werden die wichtigsten politischen Kräfte in die Entscheidungsfindung einbezogen und bei der Ämtervergabe berücksichtigt [1][7][12][23]. Dieses System ist keine verfassungsrechtliche Vorgabe, sondern hat sich historisch entwickelt, massgeblich beeinflusst durch den Föderalismus, die direkte Demokratie und die sprachlich-kulturelle Vielfalt des Landes [4][23][30]. Die Instrumente der direkten Demokratie, insbesondere das Referendum, zwingen die politischen Akteure zur Suche nach breit abgestützten Kompromissen, um zu verhindern, dass Gesetze oder Beschlüsse vom Volk abgelehnt werden [10][14][28]. Der Föderalismus mit seiner Machtteilung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden bildet eine weitere Säule dieses Systems [4][5][13][15][27][30].
**Entwicklung auf Bundesebene**
Die Etablierung der Konkordanz auf Bundesebene war ein schrittweiser Prozess. Ein früher Meilenstein war die Einführung des fakultativen Referendums 1874, das den Zwang zum Konsens erhöhte [9][11][16]. Die Einführung des Proporzwahlrechts für den Nationalrat 1919 beendete die Vormachtstellung der Freisinnigen und ermöglichte eine breitere Vertretung [23]. Die eigentliche Entwicklung zur heutigen Konkordanzform setzte in den 1930er Jahren ein, als Reaktion auf politische Polarisierung (Arbeiterbewegung vs. Bürgerblock) und äussere Bedrohungen (Weltwirtschaftskrise, Faschismus) [1][7][12][23]. Die Annäherung zwischen bürgerlichen Parteien und der Sozialdemokratischen Partei (SP), unter anderem durch deren Bekenntnis zur Landesverteidigung 1935, ebnete den Weg zur Zusammenarbeit [7][23]. 1943 wurde erstmals ein Sozialdemokrat in den Bundesrat gewählt [7][23]. Die sogenannte “Zauberformel” (2 FDP, 2 CVP, 2 SP, 1 BGB/SVP) wurde 1959 etabliert und galt bis 2003 als Ausdruck der vollendeten Konkordanz auf Bundesebene, die eine stabile Quasi-Allparteienregierung sicherstellte [1][4][12][23]. Obwohl diese Formel seither Modifikationen erfuhr, bleibt das Grundprinzip der parteipolitisch breit abgestützten Regierung bestehen [1][12][23].
**Entwicklung auf kantonaler Ebene**
Auch auf kantonaler Ebene ist das Konkordanzprinzip verbreitet, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung [3][23]. Die Entwicklung verlief hier nicht synchron zur Bundesebene. Viele Kantone führten Instrumente der direkten Demokratie bereits früher ein, oft in den 1860er bis 1880er Jahren, was die Konsenskultur förderte [30]. Die Verfassung des Kantons Zürich von 1869 war beispielsweise eine der ersten direktdemokratischen Verfassungen [20]. Die kantonalen Regierungen (Regierungsrat, Staatsrat etc.) bestehen meist aus fünf oder sieben Mitgliedern, die in der Regel direkt vom Volk gewählt werden (meist im Majorzverfahren) und nach dem Kollegialitätsprinzip arbeiten [30]. Obwohl oft per Majorz gewählt, spiegelt die Zusammensetzung häufig eine Form der Konkordanz wider, die durch die Notwendigkeit, Mehrheiten für Sachfragen zu finden und die starken direktdemokratischen Rechte (wie Gesetzesinitiative und Finanzreferendum) gefördert wird [21][30]. Die kantonalen Volksrechte sind teilweise sogar umfassender als auf Bundesebene (z.B. Gesetzesinitiative, Finanzreferendum), was den Druck zur Konsensfindung weiter erhöht [30].
**Vergleich und Parallelität der Entwicklung**
Die Entwicklung der Konkordanzdemokratie auf Bundes- und Kantonsebene verlief nicht streng parallel, sondern war von Wechselwirkungen geprägt. Die strukturellen Rahmenbedingungen – Föderalismus und direkte Demokratie – wirkten auf beiden Ebenen als Treiber für konsensorientierte Lösungen [3][4][7][13][30]. Die Einführung direktdemokratischer Rechte in den Kantonen im 19. Jahrhundert schuf oft erst die Voraussetzungen oder diente als Vorbild für spätere Entwicklungen auf Bundesebene [7][30]. Während der Bund die parteipolitische Zusammensetzung der Regierung mit der Zauberformel stärker formalisierte, entwickelten sich in den Kantonen ähnliche konkordanzähnliche Praktiken oft informeller durch Wahlsysteme und politische Kultur [4][21][23][30]. Es handelt sich also weniger um eine parallele als um eine konvergente Entwicklung, bei der beide Ebenen unter ähnlichem strukturellem Druck ähnliche, wenn auch nicht identische, Lösungsansätze im Sinne der Konkordanz entwickelten [3]. Die Konkordanzinstitutionen wie Föderalismus, direkte Demokratie und breit abgestützte Mehrparteienregierungen sind sowohl im Bund als auch in den Kantonen wirksam [3].
## Schlussfolgerung
Die Konkordanzdemokratie ist ein wesentliches Merkmal des politischen Systems der Schweiz sowohl auf Bundes- als auch auf Kantonsebene. Ihre Entwicklung war jedoch kein synchroner Parallelprozess. Beide Ebenen wurden durch die grundlegenden Strukturen des schweizerischen Staates – Föderalismus und direkte Demokratie – zur Ausbildung konsensorientierter Politikformen gedrängt. Kantonale Entwicklungen, insbesondere im Bereich der direkten Demokratie, haben die Entwicklung auf Bundesebene oft beeinflusst oder vorbereitet. Trotz unterschiedlicher Zeitabläufe und teils unterschiedlicher institutioneller Ausprägungen (z.B. Zauberformel vs. kantonale Regierungsbildung) teilen Bund und Kantone das grundlegende Prinzip der breiten politischen Inklusion und der Notwendigkeit, tragfähige Kompromisse zu finden.
[1] https://blog.nationalmuseum.ch/2021/09/mit-der-zauberformel-zur-konkordanz/
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_System_der_Schweiz
[3] https://dievolkswirtschaft.ch/de/2023/12/die-konkordanzdemokratie-in-der-polarisierungsspirale/
[4] https://www.unternehmerkompositionen.com/schweiz/politisches-system/
[5] https://www.eda.admin.ch/aboutswitzerland/de/home/politik-geschichte/politisches-system.html
[6] https://www.jstor.org/stable/24217597
[7] https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010095/
[8] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-konkordanzdemokratie-der-schweiz-in-einem-sympathischen-video-erklaert/
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Demokratie_in_der_Schweiz
[10] https://grosserrat.bs.ch/parlament/politwoerterbuch-a-z?view=article&id=179:konkordanz-konkordanzdemokratie&catid=22:politwoerterbuch
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Konkordanzdemokratie
[12] https://blog.nationalmuseum.ch/2021/09/mit-der-zauberformel-zur-konkordanz/
[13] https://www.defacto.expert/2019/11/27/durch-verdoppeln-einbeziehen-aemterkumulation-in-der-schweiz/
[14] https://grosserrat.bs.ch/parlament/politwoerterbuch-a-z?view=article&id=179:konkordanz-konkordanzdemokratie&catid=22:politwoerterbuch
[15] https://www.eda.admin.ch/aboutswitzerland/de/home/politik-geschichte/politisches-system.html
[16] https://de.wikipedia.org/wiki/Konkordanzdemokratie
[17] https://www.jstor.org/stable/26165628
[18] https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-322-95712-2_14
[19] https://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_System_der_Schweiz
[20] https://de.wikipedia.org/wiki/Demokratie_in_der_Schweiz
[21] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1002/j.1662-6370.1998.tb00230.x
[22] https://www.mehr-demokratie.de/mehr-bewegen/veranstaltungen/einzelansicht/vorbild-schweiz-konkordanzdemokratie-und-direkte-beteiligung-in-der-schweiz-5745
[23] https://blog.nationalmuseum.ch/2021/09/mit-der-zauberformel-zur-konkordanz/
[24] https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008544/
[25] https://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_System_der_Schweiz
[26] https://de.wikipedia.org/wiki/Demokratie_in_der_Schweiz
[27] https://www.eda.admin.ch/aboutswitzerland/de/home/politik-geschichte/politisches-system.html
[28] https://grosserrat.bs.ch/parlament/politwoerterbuch-a-z?view=article&id=179:konkordanz-konkordanzdemokratie&catid=22:politwoerterbuch
[29] https://www.mehr-demokratie.de/mehr-bewegen/veranstaltungen/einzelansicht/vorbild-schweiz-konkordanzdemokratie-und-direkte-beteiligung-in-der-schweiz-5745
[30] https://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_System_der_Schweiz
@Michael 29.04. 21:04 / Felo.ai
„Die Instrumente der direkten Demokratie, insbesondere das Referendum, zwingen die politischen Akteure zur Suche nach breit abgestützten Kompromissen, um zu verhindern, dass Gesetze oder Beschlüsse vom Volk abgelehnt werden.“
Das sind natürlich handfeste Motive, sich so zusammen zu tun, dass dann der Bürger in Referenden auch zustimmt.
Entsprechend fraglich, ob hier die Parlamentarier ihre eigentlichen Rechte einfordern, und selber im ganzen Plenum wirklich ergebnisoffen nach vernünftigen Lösungen suchen. Dass man dann mit diesen Ergebnissen eben auch Volksabstimmungen gewinnen könnte.
Dummerweise schlagen die Parteien ja sämtliche Bundestagskandidaten vor. Wer sich hier gegen den Wunsch des eigenen Parteivorstandes für Anderes entscheidet, hätte dann bei der nächsten Wahl u.U. schlechte Karten auf eine neue Kandidatur. Mir wäre es egal, ich würde es dennoch versuchen.
Würden wie in der Schweiz neue Gesetze am Ende auch zur Volksabstimmung stehen, dann wären jedenfalls auch die Parteivorstände bereit, auf Nummer sicher zu gehen, und eben eine breitere Diskussion mitmachen. Immerhin steigen so die Chancen, dass die eigene Arbeit dann auch vom Volk genehmigt wird.
Eventuell bräuchten wir also vielleicht auch mehr direkte Bürgerbeteiligung, um auch in Deutschland mehr Konsenssuche zu etablieren. Oder wir besinnen uns einfach ehrlich auf unsere Verantwortung, und suchen eine Politik, denen der Bürger zustimmen würde, wenn er es dürfte.
Hier können auch einfache Umfragen genutzt werden. Dann müssen wir uns nicht aufmachen und dauernd zu irgendwelchen Volksabstimmungen rennen.
Auch die zufällig ausgewählten Bürgerräte würden hier weiterhelfen. Wenn die Zustimmen, dann würde es das ganze Volk meistens auch tun. Und die Bürgerräte hätten auch noch mal Zeit, die jeweiligen Themen zu bedenken und zu beraten. Diese Ergebnisse könnten damit sogar besser werden, als wenn man das ganze Volk abstimmen lassen würde.
Dann hätten wir es doch?
Ja, @Tobias – die Instrumente für eine sichere und starke Konkordanzdemokratie einschließlich einer starken Bürgerbeteiligung haben wir längst! So werden in der CDU wie auch bei den Grünen und weiteren Parteien die Wahlkreiskandidierenden durch Mitgliederversammlungen nominiert, die Listen durch Delegierten-Parteitage. Das ist es auch, was unser Grundgesetz in Art. 21.1 GG vorsieht, wo es heißt:
Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.
Parteien wirken also an der Willensbildung mit. Da steht bewusst nichts davon, dass sie die vom Volk dann gewählten Abgeordneten dann durch bürokratische Koalitionsvorträge, verfassungswidrige Fraktionsdisziplin und die Kontrolle durch hauptamtliche Parteibürokraten knebeln und demütigen sollen.
Auch die Bürgerbeteiligung wird immer stärker und gerade wurde die Bildungspolitik in Baden-Württemberg durch ein starkes und erfolgreiches Bürgerforum nach vorne gebracht!
https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/buergerforum-uebergibt-gutachten-zu-g8g9
Eine demokratische Konkordanzregierung wäre also sowohl via Bundestag wie Landtagen jederzeit möglich. Dennoch schreibt heute auch die Tagesschau (!) sachlich und rechtlich falsch:
“Trotzdem gilt eine mehrheitliche Zustimmung zu dem Vertrag als sehr wahrscheinlich. Das liegt auch daran, dass die einzigen Alternativen zu Schwarz-Rot eine Koalition zwischen Union und AfD, eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen wären.“
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/spd-mitgliedervotum-koalitionsvertrag-union-100.html
Und wenn sogar die ZEIT gestern und die Tagesschau heute unser Grundgesetz samt der Option einer demokratischen Konkordanzregierung verschweigen bzw. wahrscheinlich nicht einmal kennen, dann ist bei der Demokratiebildung offensichtlich vieles schief gelaufen… 😢🇩🇪🇪🇺🤷♂️