Der Alphabet-Leuchtturm des aschkenasischen Japhetismus – Podcast-Interview zu und für Perry Rhodan
BLOG: Natur des Glaubens
Dualistische Verschwörungsmythen lassen sich nicht alleine auf der Ebene wissenschaftlicher Theorien überwinden. Wir brauchen dafür immer wieder erneuerte, lebens- und wissensbejahende, reflektiert monistische, sowohl religiöse wie nichtreligiöse Mythen!
Wie die große Science-Fiction-Mythologie von Perry Rhodan – “Perry” ist die Koseform des lateinischen Peregrin: Wanderer, Fremder, Pilger -, von dem auch ich als junger Teen Hunderte Heftromane freudvoll las. Wussten Sie, dass die seit 1961 ununterbrochen laufende Rhodan-Heftreihe samt Büchern & Fanzines bereits einen voll-alphabetiserten Turm von über 500km ausmachen würde – und die größte Fortsetzungsreihe der Welt bildet?
Am Anfang für die Zielgruppe junger, lesender Hauptschüler (!) konzipiert, hat sich die Perry Rhodan-Reihe gegen Generationen der bildungsbürgerlichen Verachtung behauptet und ist heute zu einer literarischen und zunehmend crossmedialen Mitwelt von Zigtausenden in aschkenasisch-japhetitischer Alphabetschrift angewachsen. Dazu auch biografisch etwa mikka in “Pods, Peeps, und Perry”.
Nachdem ich 2020 im Podcast “Verschwörungsfragen” den Star-Wars-Day des 4. Mai “offiziell anerkannt” hatte, war es mir schon lange ein Bedürfnis, die größte und deutschsprachige Science-Fiction-Reihe einmal zu würdigen und darüber zu sprechen, was sie auch mir als Arbeiterkind gegeben hatte.
Ein SF-Leser & Blogger mit Perry Rhodan-Podcast-Radio-Freies-Ertrus-Tasse. Foto: B. Blume
Gestern nun also erschien das Podcast-Interview mit Christoph und Alex beim Radio Freies Ertrus. Und ich hoffe, es wird deutlich: Ertrus wird nicht fallen und die Perry Rhodan-Reihe wird gerade durch ihr digital-soziales Perryversum neu verjüngt!
Link zum Podcast RFE – Radio Freies Ertrus. Screenshot: Michael Blume
Als Lieblingsstelle habe ich mir eine Ansage der Wissenschaftlerin Laffima Pautpar aus Heft 3173, “Meisterin der unbesiegbaren Schatten” von Robert Corvus, S. 19 – 20 herausgesucht. Dort bringt die Erforscherin des “Episodischen Biogat” nach meiner Auffassung sowohl Chancen wie auch Gefahren des japhetitischen Alphabetes kognitionspsychologisch auf den Punkt:
“Unsere Spezies will verstehen und damit beherrschen. Das reduziert die Angst vor dem Unbekannten. Wir kategorisieren, benennen, wollen überzeugen und uns der Wahrheit unserer Auffassungen versichern.”
Großartig – und “Ja”!
Wer die Heftroman-Serie noch gar nicht kennt, kann hier in einer Perryversum-YouTube-Folge von Ben Calvin Hary einen Eindruck der acht wichtigsten (!) Alien-Völker samt ihrer Namen in der riesenhaften SF-Mythologie gewinnen.
Und so sage ich zu, neben der jährlichen Feier des Darwin-Day (für die Theorien) und des Star Wars-Day (für “gute Mythen”) auch im Dialog mit dem deutschsprachigen Perry Rhodan-Universum zu bleiben. Es würde einen eigenen Jahrestag verdienen, zumal es viel zu lange missachtet worden ist.
Ein äußerst interessanter Text – mit ‚etwas’ größerem Anspruch an Vorwissen. Die Begeisterung strahlt förmlich zwischen den Zeichen und Zeilen empor. Auch das allein ist eine große Kunst.
Wenn ich diesen, menschheitsgeschichtlich höchst essenziellen Text, wirklich ganz aufzufassen fähig war, mag ich Laffima Pautpar‘s Ansage semantisch weiterentwickelt verdichten mit: > === <
Hans-Georg Gadamer nennt diese: „Aus der eigenen Mitte Empfangen.“
Ich bescheiden: Evoutive Innovation einfallen, also auch ‚Empfangen‘.
Sehr beeindruckend.
Beste Grüße
Ulrich Dietl alias .f.a.m.i.l.a.r.i.s.
Vielen Dank, @Ulrich Dietl.
Ja, dass sich ganze Erzählgattungen wie Science-Fiction vor allem aus der Medienpsychologie vollvokalisierter („japhetitischer“) Alphabete erschließen, wird erst von sehr wenigen erfasst. Sogar der lineare (nicht mehr zyklische) Kalender setzte sich erst in Alphabet-Kulturen durch!
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/verschwoerungsfragen-4-zeit-und-kalender-zwischen-hoffnung-und-antisemitismus/
Andererseits zeigt gerade auch die Perry Rhodan-Heftreihe, wie komplex Mythologien sein dürfen – und dass deren Erfassen auch Freude machen kann.
Wesentliche Grundlagen zur japhetitischen Medien- und damit auch Literatur- und Religionspsychologie hatte ich in „Rückzug oder Kreuzzug?“ ausbuchstabiert. Aber es braucht auch Geduld, ja.
Ihnen Dank und ein schönes Wochenende!
Kleine Korrektur: Das erste Perry Rhodan-Heft erschien im September 1961. Damals gab es in der Bundesrepublik Deutschland noch keine Hauptschulen, sondern Volksschulen (in die ich zu Ostern 1961 eingeschult wurde). Die Aufteilung in Grund- und Hauptschulen kam erst ab 1964. Aber den Hinweis Perry als Koseform von Peregrinus finde ich überaus interessant!
Danke, @Michael – das ist interessant. Denn nach meiner (gerne vorläufigen) Kenntnis gab es zwischen den Schulsystemen der Länder riesige Unterschiede, bis hin zur Konfessionalität. Eine Vereinheitlichung zur gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen begann m.W. erst in den 1960er Jahren – aber von Länderseite aus. Aber ich lese mich gerne tiefer ein!
Ich stoße mich nach wie vor daran, daß Perry Rhodan ein Mythos sei – Wir hatten den Disput schon bei Star Wars. Für mich sind das Heldengeschichten, Epen. Es sind keine sinn-, gar heilsstiftenden Erzählungen, auch wenn sie etwa moralische Werte vermitteln. Wir würden weder bei Homers Odyssee noch bei Karl Mays Winnetou-Trilogie von Mythen sprechen. Auch nicht beim Parzival, so sehr Richard Wagner ihn in „Bühnenweihfestspielen“ in die Nähe eines Mythos zu rücken versucht.
Darth Vader ist vielleicht ein Grenzfall, wenn man denn, wie ich, annimmt, er sei der chosen one gewesen, der Erwählte. Aber er war es in einem anderem Sine, als die Tradition erwarteten, „vielleicht missverstanden worden sie ist“, raunt ja schon Meister Yoda: Auch wenn er die beiden Sith Lords zu Tode brachte, brachte er damit doch nicht den von einem Messias erwarteten Weltfrieden.
Die Griechen haben sehr scharf geschieden in Theater, das zweifellos seine Herkunft hat aus den Dionysien, und „echten“ Mysterienspielen.
Klar, @Alubehüteter – Sie unterscheiden zwischen religiösen Mythen und säkularen Heldengeschichten. Das ist aber bereits eine kirchlich-theologische Setzung. Im antiken Griechenland wurden z.B. auch Zeus- und Trojamythen sowohl religiös wie säkular-unterhaltsam gedeutet (gerade auch im Theater, in dem auch noch der Theos steckt, ebenso wie in Theorie!). Heute begegnen wir Zeus und Achilles in Disney-Comics. Und Zigtausende Briten bekannten sich in einer Volkszählung zum Jedi-Glauben. Über religiös-säkulare Einhorn- und UFO-Mythen finden Sie hier auf dem Blog auch sehr viel. 😊📚🦄🛸👽
Meine Unterscheidung ist nicht säkular vs. sakral – Nur, wo von Göttern die Rede ist, sei Mythos –, sondern sinnstiftend vs. Unterhaltung. Die Kiewer Rus, die Taufe Wolodimirs I sind ein russischer wie ukrainischer Nationalmythos, und da handelt kein Gott. Umgekehrt sind Homer wie Hesiod von den griechischen Vorsokratikern förmlich gehaßt worden für ihre profanisierenden Göttergeschichten, wo diesen alles unter den Menschen Gemeine angedichtet wurde, Ehebruch, Betrug, Diebstahl, Mord. Schon Homer muß darauf Bezug nehmen in seiner Theodizeerede in der Odyssee und seine Konzeption ändern.
Oh, dann ist es noch deutlicher, @Alubehüteter: Vor und dann neben den christlichen und jüdischen Mythologien waren mir jene über Perry Rhodan, „Herr der Ringe“ und Star Wars in höchstem Maße „sinnstiftend“! Nach Ihrer eigenen Definition wäre also klar, warum ich hierbei von Mythen statt „nur Unterhaltung“ schreiben muss. Und das verbindet mich mit Unzähligen… 🙂
Epen vermitteln Werte. Anstand, Ritterlichkeit, Mut, Tapferkeit, Kooperation. Sie inspirieren. Machen es möglich, sich in ihnen wiederzufinden. Aber sie verpflichten nicht, wie gemeinschafts- und sinnstiftende Mythen. Sie machen höchstens Angebote. Karl May und Gene Roddenberry verpflichten Sie nicht wie Jesus, der Christen, wie aber auch Auschwitz, das uns Deutsche verpflichtet, daß es sich nie wiederholen dürfe, daß es dazu ein Existenzrecht Israels geben muß.
Mythen haben eine ganz andere Verbindlichkeit.
Danke, @Alubehüteter – nun definiere also nicht mehr alleine die Sinnstiftung den Mythos, sondern die Verbindlichkeit.
Damit aber schließt sich der Kreis zur ersten Antwort: Für viele Griechen hatten die Mythen über Zeus und Troja höchste Sinnstiftung und Verbindlichkeit – heute gehören sie zum Unterhaltungsprogramm, teilweise als Cartoon.
Auch die von Ihnen angeführten Berichte über das NS-Mordlager Auschwitz wird von manchen von uns Deutschen als hoch verbindlich betrachtet, von anderen leider als irrelevant und von dritten sogar niederträchtig mit Verschwörungsmythen bestritten.
Selbst wenn wir also Ihre streng funktionalistische Mythos-Definition (Mythen seien sinnstiftende und verbindliche Erzählungen) anlegen, kommen wir zum Ergebnis: Sehr unterschiedliche, sowohl religiöse wie nichtreligiöse Erzählungen werden von Menschen als Mythen gedeutet, verlieren aber mitunter auch ihren Mythenstatus wieder.
Und ich stimme Ihnen dabei zu: Während substantialistische Mythos-Definitionen bestimmte Inhalte zu identifizieren versuchen, erfassen funktionalistische Definitionen auch die Wandelbarkeiten, Auslegungs- und Deutungsleistungen.
In „Verschwörungsmythen“ habe ich die Mythos-Definition von David Atwood („Schwellenzeiten“) vorgestellt und angewandt.
Ich versuche mal anders, nämlich konstruktiv: Moderne Mythen wären das von Dr. Frankenstein geschaffene Monster oder HAL, die KI aus „2001“. Von den Werten der Sternenkonföderation mögen Sie sich inspirieren lassen oder auch nicht. Diesen beiden Phänomenen müssen wir uns alle stellen. So. Jetzt verstehe ich mich auch besser 🙂
Danke, @Alubehüteter, für einen herausragend konstruktiven und spannenden Blogpost-Dialog!
Und ja, die großen SF-Mythen!
Live long and prosper!
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/spocks-vermaechtnis-warum-vulkanier-auch-juedisch-gruessen/
Und möge die Macht mit Ihnen sein!
Theater: Das Wiktionary lehrt uns:
Ja, @Alubehüteter – und u.a. Sokrates erläuterte, was theatralisch & theoretisch geschaut wurde, bevor sich „das Theater“ nach und nach „säkularisierte“! 🙂
Inhaltlich widerspreche ich Ihnen hier nicht, ich korrigiere nur etymologisch. Das Theater entstammt dem Dionysoskult, müssen Sie mir, einem alten Doors-Fan, nicht erklären. Dennoch leitet sich das Wort dafür nicht ab von „theos“.
Bitte keine Aussagen „widerlegen“, die ich gar nicht geschrieben habe, lieber @Alubehüteter. Aber ich glaube, wir sind uns ja auch hierbei grundsätzlich einig. 🙂