Das japhetitische AEIOU von Friedrich III von Habsburg

Das KIT-Seminar zur Reflektion von Medienwirkungen und Medienarbeit mit der Gebirgsregionen-Medienthese am Beispiel Alpenraum hat wieder sehr viel Freude gemacht. Von wegen digital entfremdete Studierende: Von einer selbstorganisierten Zoom-Konferenz mit dem Dozenten bis hin zu kreativen, kritisch-konstruktiven Beiträgen samt eigenen “Nachrichtenvideo” überraschten die Aktiven überaus positiv. Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin schaltete sich sogar aus Brasilien zu. War ich bisher als Lehrender klar im “Team Präsenz” gewesen, so wechselte ich während dieses intensiven Seminars ins “Team Hybrid” – ich denke, die Zukunft der Lehre wird gemischten Formaten aus digitalen Angeboten und analoger Präsenz gehören. Bestätigt fand ich das Zitat aus dem Talmud im Studienbrief:

„Rabbi Chanina sagte: „Viel habe ich von meinen Lehrern gelernt, von meinen Kollegen mehr als von meinen Lehrern, und von meinen Schülern mehr als von ihnen allen.“ (Taanit 7a)

Umgekehrt versuche ich seit einigen Jahren aber auch dem Wunsch von Studierenden zu entsprechen, auch einen eigenen Beitrag beizusteuern, in den auch Fragestellungen des Seminars einfließen.

Eine zunehmend verdichtete Erkenntnis aus der Wissenschaftskommunikation versuchte ich auch diesmal zu vermitteln: Annäherungen an die Wahrheit werden nicht von alleine nachgefragt, oft sogar aktiv abgelehnt. So scheiterte beispielsweise die Vermittlung der m.E. überaus relevanten Rentierstaatstheorie zu den politischen und ideologischen Folgen von Erdöl und Erdgas auch daran, dass sie bisher nicht erfolgreich personalisiert und vermittelt wurde.

Zur Gebirgsregionen-Medienthese im Alpenraum wählte ich daher eine überaus interessante und noch viel zu wenig erforschte Person der europäischen Geschichte: Friedrich III. von Habsburg – der sich selbst als Friedrich II. bezeichnen ließ – wählte sich nach einer Pilgerreise ins Heilige Land nicht nur das japhetitische Alphabet-Monogramm AEIOU, sondern organisierte das aus den Schweizer Stammlanden vertriebene Habsburg mit Schwerpunkt in Österreich um, wurde als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation noch in Rom gekrönt, förderte Baukunst und gelehrte Studien und wurde wegen seiner positiven Haltung zu den von seinem Vorgänger verfolgten Jüdinnen und Juden antisemitisch als “König der Juden” geschmäht. Sein Sohn, Kaiser Maximilian, versuchte sogar bei den Wiener Theologen eine Herkunft von Noah zu belegen – ein weiteres, leider noch kaum erforschtes Detail im Wirken der Habsburger.

Das AEIOU-Monogramm von Friedrich III. von Habsburg (1415 – 1493)

Der KIT-Vortrag zum geheimnisvollen AEIOU-Monogramm von Kaiser Friedrich III. von Habsburg (1415 – 1493). Collage: Michael Blume

Während schon zeitgenössischer Spott über Friedrich III. als unkriegerische “Erzschlafmütze” bis ins späte 20. Jahrhundert nachwirkten, findet jedoch langsam eine auch geschichtswissenschaftliche Wiederentdeckung dieses Kaisers statt. Wir dürfen also auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten spannende, neue Erkenntnisse erhoffen. Wenn Sie also wollen – viel Freude beim Vortrag!

Der Vortrag soll auch die politikwissenschaftlichen Aspekte der Gebirgsregionen-Medienthese noch einmal unterstreichen: In Gebirgsregionen entstehen stärker männerbündlerisch-föderale Regierungssysteme (wie Bundes-Republiken), in den Flussebenen dagegen stärker zentralistisch-militaristische Reiche. Wo sie verschmelzen, entstehen regelmäßig Selbstbezeichnungen als Union (wie in den USA, UK, EU). 

Hinweis zur Benennung: Obwohl er dynastisch als Friedrich III. hätte benannt werden sollen, entschied sich der Habsburger für die Benennung als Friedrich II. Als Gründe dafür gelten die Ablehnung eines früheren Friedrich, ein Bezug zum Staufer-Friedrich II. oder damals populäre Prophezeiungen zum Zeit- und Weltenende durch einen dritten Friedrich. In den meisten Darstellungen wird daher die Eigenbenennung des Habsburgers als Friedrich II. genannt. Aber auch dieser Aspekt lohnt die Betrachtung. 🙂 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

10 Kommentare

  1. Gedanken zur Regierungszeit Friedrich III
    1347 – 1352 wütete die Pest in Europa mit 25 Millionen Toten. Dieses europäische Trauma beeinflusste sicher auch noch 100 Jahre später die europäischen Königshäuser.
    Friedrich III hatte die längste Regierungszeit aller deutscher Kaiser, er war also auf Bestand bedacht und scheute Kriege. Mit gutem Grunde, er hatte einfach zu wenig Soldaten.
    Und, so kann man vermuten, er hat sich mit Wissenschaft beschäftigt.
    Herr Blume, ich bin gespannt, was Sie noch herausfinden.

    • Vielen Dank, @hwied 🙏 – und, ja, es gäbe noch so vieles zu entdecken! Meine Hoffnung: Wissenschaft ist Teamsache & gerade zu den frühen Habsburgern wird derzeit intensiv geforscht…

  2. @Was sagt uns das jetzt?

    Wir haben offenbar vor allem Medientraditionen. Sowohl was die Schriftsysteme angeht, als auch was geografischen Details betrifft. In modernen Zeiten kommt das Internet dazu, und es explodiert quasi sowohl verschwörungsmythologisch wie auch an Vielfalt auf eher monistischer Grundlage.

    Also: Monisten aller Art, vereinigt euch!

    Wir haben auf der einen Seite die ziemlich gesicherten Erkenntnisse vor allem aus der Wissenschaft, und auf der anderen Seite eine große Vielfalt auf der mythologischen Seite. Dazu kommt nochmal sehr persönliche Lebenserfahrung und Lebenseinstellung, quasi ganz persönliche Weltmodelle, die auf eigener u.a. spiritueller Erfahrung beruhen, aber auch einfach aus der persönlichen Auswahl des persönlichen Weltwissens, das sich der Einzelne in ganz privater Konstellation angeeignet hat.

    In Zeiten von Google und Wikipedia kann ich mich wie es gerade kommt über unzählige Detailfragen schlau machen, und muss keine Studiengänge dafür buchen. Und wir können uns online auf Textbasis in einem Ausmaß und vor allem in einer Geschwindigkeit austauschen, wie das früher so nicht möglich war.

    Gerade die Anerkennung von Wissenschaft hilft hier, schneller auf gemeinsame Nenner zu kommen, auch angesichts der gesteigerten Vielfalt. Und es macht einfach Sinn anzuerkennen, was hier mit professioneller Genauigkeit festgestellt wurde. Und man kann ja auch mal mit Fehlern leben, die weiter in der Zukunft wieder korrigiert werden können.

    Daneben bleibt uns ja gerade die persönliche Lebenserfahrung, die wir wiederum ernster nehmen können, insbesondere auf dem Gebiet der persönlich erfahrenen Spiritualität. Gerade hier kann die Vielfalt eben auf Grundlage der Spielräume, die eben die noch nicht wissenschaftlich geklärten Fragen offenlassen, dann so viel Raum einnehmen, wie es jedem von uns gefällt.

    Ein grundsätzlicher Monismus ist einfach attraktiv, weil er eben auf sinnlose Zuschreibungen von Verschwörungen verzichtet, und davon ausgeht, dass die Welt nach universellem Gesetz funktioniert, und eben nicht nach grundsätzlich widerstreitenden Kräften. Das kann man spirituell verstehen, aber auch rein naturalistisch. Auf der einen Seite ist dann der Eine Gott, bzw. die Eine Geisteswelt, die uns nicht umherstößt, sondern im Leben unterstützt. Und auf der anderen Seite ist hier die eine materielle Wirklichkeit, die nach klaren Regeln funktioniert, auch wenn wir sie noch nicht alle kennen.

    Die Gemeinsamkeiten verschiedener Monismen sind hier größer als die Differenzen. Der Unterschied zu Auffassungen, die grundsätzliche Kriege zwischen geistigen oder auch ganz materiellen Parteien postulieren, sind entscheidend. Das gipfelt letztlich in der weltanschaulichen Entgleisung, dass eine atomare Vernichtung aus politischen Gründen die religiöse Vorsehung der Apokalypse und einem damit vollzogenem Ende der Weltgeschichte erfüllt. Was dann eben auch noch von denselben evangelikalischen Kreisen ersehnt und u.U. sogar gefördert wird.

    Die Grundidee, dass wir die Götter nicht besänftigen müssen, sondern untereinander vernünftig miteinander auskommen sollen, ist eigentlich universal. Das ist nicht nur die eigentliche Botschaft des Christentums, dass bleibt auch übrig, wenn man an gar keine Geisteswelten mehr glaubt. Und das darf gerne Prinzip bleiben, wenn man sich persönlich doch wieder Geisteswelten zuwendet.

  3. Herr Blume
    zu A.E.I.O.U ist mir spontan das alte Deutschlandlied eingefallen, „Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt „
    hier werden die (ehemaligen) Grenzen des deutschen Reiches besungen.
    Wenn Friedrich der III das A.E.I.O.U in sein Essbesteck eingravieren lässt, dann soll das ein „in memento“ sein oder eine Aufforderung an seine Nachfolger diese Grenze zu erreichen.
    A = alto adige, oder die Herkunft Aargau
    E = et, I = Istria (damals war nur Ostistrien habsburgisch) O = Ostrau heute Ostrava, U = Udine damals das Grenzgebiet zu Venedig.
    1918 hatte das Habsburgerreich alle diese Vorgaben erfüllt.

    • Danke, @hwied – doch gegen diese Deutung spricht vieles. Zum einen hätte Friedeich der II(I). sie leicht aufschreiben können. In seinen Notizbüchern finden sich aber andere Deutungen; als wäre ihm das AEIOU selbst ein mehrdeutiges Rätsel geblieben.

      Dann räumte er zeitweise seinem Bruder kampflos Wien, ließ sich aber andererseits zum Kaiser wählen und krönen. Auch das passt nicht zu einer regionalen Beschränkung.

      Schließlich scheint mir die bis heute mehrdeutig produktive Deutung der Vokalfolge eher ein Ergebnis der medial-mythologischen Wirkung zu sein, die ihn weit über Territorialpolitik hinaus bewegte.

  4. Das zurückführen auf möglichst biblische Vorfahren war vermutlich ein weit verbreitetes Anliegen der meisten christlichen Fürsten.

    Aus der Biographie von Gottfried Wilhelm Leibniz habe ich entnommen, dass er von Herzog Johann Friedrich (Hannover) nach Italien gesandt wurde, um nach alten Urkunden zu suchen, die eine solche Herkunft nachweisen sollte – ich hab die Biographie (Der berühmte Herr Leibniz: Eine Biographie
    von Eike Christian Hirsch | 19. August 2016) leider gerade nicht zur Hand.

    Von daher würde ich dem Kaiser keine spezielle Motivation unterstellen, ausser seine Herrschaft durch Herleitung von besonders alten und bekannten Vorfahren abzuleiten.

    Wie hwied schon bemerkte war Europa entvölkert und jeder Bewohner war als potentielle Steuerzahler wichtig. Später hat ja der preussische Friedrich Wilhelm, der „Große Kurfürst“ aus ähnlichen Gründen die Einwanderung der Hugenotten gefördert.

    Inwieweit er als Figur der “Gebirgsregionen-Medienthese” taugt sei mal dahin gestellt. Das Geographie Einfluss darauf hat, wie die Menschen ihr Leben organisieren ist unbestritten.

    • Danke, @Graf Cagliostro. Interessant finde ich die damaligen Identitätskonstruktionen schon – und konkret auch die Frage, warum eine Herleitung von Noah so wichtig wäre. Schließlich gingen laut biblischem Text doch alle Menschen auf die Arche-Familie zurück.

      Ach, noch einmal Doktorand sein – wie gerne würde ich diese Dokumente sichten & erforschen… ☺️📚🙏

  5. Vielleicht wollte Friedrich III auch nur an die magischen Quadrate anknüpfen sator, arepo,tenent, opera. Bis heute gibt es verschiedene Interpretationen dazu.
    Wenn man jetzt noch bedenkt, dass in Spanien während der Reconquista die Juden vertrieben wurden, dann haben viele von ihnen vielleicht bei Friedrich III Anstellung gefunden. Und die haben ihn dazu gebracht „japhetisch“ zu denken. ?
    Und noch ein Gedanke , wir sind ja noch im Stadium des Brainstorming, er könnte als Vorläufer der Freimaurer gesehen werden.???
    Bleiben sie alle gesund.

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