Danke Euch für 2013, ein Jahr der Emotionen

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Es wird Zeit, Ihnen und Euch “Danke” zu schreiben für ein lebendiges, anstrengendes und letztlich, ja, “gutes” Jahr 2013!

In diesem Jahr hatte ich nicht nur als in Jena und Köln lehrender Religionswissenschaftler, als Blogger und Buchautor mehr als genug zu tun, sondern auch als Familienvater und Berufstätiger mit Personalverantwortung. Gelegentlich geriet ich dabei an die Grenzen meiner Kraft, ein- oder zweimal wohl auch darüber hinaus. Aber ich will und darf mich nicht beklagen: Genau so ein vielseitig “erfülltes” Leben hatte ich mir immer gewünscht – und die verschiedenen Speichen darin halten das Rad auch über Schlaglöcher hinweg am Laufen! Umso mehr bin ich all jenen von Ihnen und Euch dankbar, die mich als Lesende, Studierende, Hörende und Kommentierende neugierig, kritisch und konstruktiv, korrigierend und auch ermutigend begleitet haben. Durch Euch durfte ich Wissenschaft als Dialog (er-)leben!

DankeJahr2013

Was so alles lief…

Das Jahr begann mit der Veröffentlichung von “Evolution und Gottesfrage. Charles Darwin als Theologe” beim Herder-Verlag – und vielen erfreulichen Rückmeldungen und Anfragen dazu. Es war spannend zu erleben, wie sowohl selbsternannte “Darwinisten” wie auch Darwin-Kritiker mit der Erkenntnis umgingen, dass sich binnen nur eines Jahrhunderts ein populäres Darwin-Bild entwickelt hatte, das der Tiefe und Qualität des studierten Theologen, Nicht-Atheisten und Entdeckers der Evolutionstheorie längst nicht mehr gerecht wurde. In der Religionswissenschaft ist die Beobachtung solcher “Umdeutungen” von historischen Personen längst Standard – und doch hatte auch ich selbst nicht erwartet, dass der gleiche Prozess gerade auch unter uns vermeintlich aufgeklärt-wissenschaftlich Denkenden so schnell und gründlich stattfindet!

Im Juli platzte mir angesichts der NSU- und NSA-Enthüllungen und immer noch zu zahlreicher “Wer nichts zu verbergen hat”-Beschwichtigungen dann der Kragen und ich schrieb einen Blogpost über eine selbst erlebte Intrige des Landesverfassungsschutzes in 2003. Die nur im Blog veröffentlichte Geschichte wurde unter anderem von SPIEGEL ONLINE und Phoenix, aufgegriffen – was eben auch die Reichweite und Chancen der Neuen Medien zeigt. Vor, aber vor allem hinter den Kulissen tobt der Kampf um Bürger- und Freiheitsrechte versus Überwachungsstaat weiter – eben nicht nur in Russland oder der Türkei. Dass ich jederzeit wieder und weiter berichten könnte, erlebe ich dabei durchaus (noch) als eine Art Schutz.

Zum Jahresende gelang dann der Abschluss zweier sciebooks-Buchprojekte: Sowohl “Engelkunde” wie auch “Die Haredim” über das ultraorthodoxe Judentum waren “schwere Geburten”, liegen nun aber als eBook und Taschenbücher vor und werden rege nachgefragt. In beiden Fällen hoffe ich gespannt auf vielfältige Rückmeldungen, da ich mir noch nicht sicher bin, ob ich in dieser Sachbuch-Richtung weiterarbeiten soll. Für 2014 habe ich mir fest vorgenommen, mit einem sciebook über “Religion und Demografie” nach knapp zehn Jahren diesen Themenblock zu schließen – und dann zu überlegen, wohin die Reise geht. Einige Ideen sind schon da, Entscheidungen aber noch nicht getroffen. Rückmeldungen und Ratschläge sind also wirklich herzlich willkommen!

Was ich gelernt habe…

Mit dem Säkularisierungs-Vortrag in der Akademie Hohenheim hatte ich versucht, das Jahr auch inhaltlich soweit abzuschließen und zu testen, welche Fragen anstehen. Allerdings wird bei Vorträgen leider kaum deutlich, was die Vortragenden selbst aus dem Dialog über Wissenschaft gelernt und mitgenommen haben. Für mich stand dabei in 2013 vor allem eine Erfahrung im Mittelpunkt: Die Bedeutung von Emotionen in Religionsdebatten.

Dass wir alle nicht nur aus Vernunft, sondern auch aus vermeintlich “irrationalen” Gefühlen bestehen, wird ja nur noch von wenigen bestritten. Ich erlebe das immer wieder in Diskussionen – zunehmend auch auf Facebook – über Gott, die mich eigentlich nicht so interessieren: Ich glaube ohnehin nicht, dass wir mit unseren “Säugetiergehirnen”, die kaum die Quantenphysik meistern, dieses große Thema befriedigend erörtern oder gar “lösen” können. Aber gerade auch Online-Religionskritikern scheint es sehr wichtig zu sein, möglichst lautstark dagegen zu sein – nicht wenige verbringen mehrere Stunden pro Tag damit, gegen “Gott” anzukämpfen, der ihnen aber zugleich angeblich nichts bedeute. (Es gibt ja inzwischen sogar einen eigenen Online-Witz dazu: “Das Nervige an den Neuen Atheisten ist, dass sie ständig nur über Gott reden wollen.”)

Entsprechend hatte ich damit gerechnet, mir für das Buch zum Engelglauben einen mittleren Shitstorm einzufangen; doch weit gefehlt! Engel gelten irgendwie als “okay”, da traf ich vor allem auf freundliches Interesse, manchmal sogar auf Aussagen wie “Ach, gegen so einen Schutzengel kann doch keiner was haben.” Erstaunliche Beobachtung: Über Engel können Religiöse und Religionskritiker viel sachlicher diskutieren als über Gott! Ebenso hatte kaum jemand Angst vor den Old Order Amish, wogegen gegenüber ultraorthodoxen Juden (Haredim) gleich starke Meinungen (“Sozialschmarotzer”, “sollen verhungern” usw.) geäußert wurden.

Kurz geschrieben: Ich habe in 2013 gelernt, dass praktisch alle religionsbezogenen Themen mit völlig unterschiedlichen Emotionen behaftet sind, über die es sogar eine Art “gesellschaftlichen Konsens” gibt. So ist Gott in Deutschland Entweder-Oder, Engel sind okay, Amish harmlos und niedlich und Haredim irgendwie unheimlich. Und diese Auffassungen sind sehr tief und fest, eher “gefühlt” als gewusst und durch Argumente also auch kaum zu verändern. Diese Erkenntnis nehme ich ins neue Jahr mit.

2014 kann kommen! 🙂

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

7 Kommentare

  1. @Michael Blume

    “Ich habe in 2013 gelernt, dass praktisch alle religionsbezogenen Themen mit völlig unterschiedlichen Emotionen behaftet sind, über die es sogar eine Art “gesellschaftlichen Konsens” gibt. So ist Gott in Deutschland Entweder-Oder”

    Gut beobachtet! Aber das dürfte kein speziell deutsches Phänomen sein, sondern mit der speziellen Kulturgeschichte in Europa zusammenhängen. Dein Kollege Michael von Brück hat das jedenfalls hier so erklärt:
    http://www.theeuropean.de/michael-von-brueck/5660-religion-und-die-bedeutung-von-ritualen

    “Engel sind okay (…) Diese Erkenntnis nehme ich ins neue Jahr mit.”

    Na dann schicke ich doch gleich mal einen Engel vorbei, damit sämtliche Wünsche im Jahre 2014 in Erfüllung gehen. 😉

    @all

    http://data8.blog.de/media/114/6809114_92dcd8b8c3_m.gif

  2. Hallo Michael,
    durch eine deiner medialen Aktivitäten, weiß nicht mehr, was das war, habe ich Scilogs entdeckt.
    Danke dafür!
    Und ein frohes, erfolgreiches neues Jahr.

    Mal schaun, ob ich den Post für 00.00 Uhr hinbekomme.

    Auf Monas Zitat wollte ich eigentlich auch eingehen, aber geht jetzt nicht. Danke für die Engel!

  3. Zitat:

    “Das Jahr der Emotionen”

    Wie stößt mich das vor den Kopf. In diesem Jahr haben sich meine Emotionen offenbar endgültig verabschiedet. Und diese Welt scheint froh darüber zu sein.
    Emotionen. Gefühle, Mitgefühl, Emphatie. Als ich einst an diese sonderbaren Begriffe glaubte und darauf reinfiel. Ich hab sie wohl nicht verstanden.
    Anyway, die Heuchellei hat sich als solche erwiesen. Niemand interessiert es, niemand bricht sich einen ab. Stattdessen haben sich diese Visionen als grandiose Lüge entpuppt, wohinter sich abgründiges verbirgt.
    Es ist erbärmlich solcher Existenz angehören zu müssen. Der Mob zieht halt untangiert weiter. Er ist dumm geblieben. Wer weiß, wozu es gut ist. Aber tatsächlich ernst nehmen, kann man ihn natürlich nicht. Leider aber ist der Mob die Mehrheit und zeigt mit dem Finger auf solche, die das hier schreiben. Siegerjustiz, Recht wird dabei nicht gesprochen.

    Also, herzlichen Glückwunsch fürs gelungende Jahr…auf ein neues Jahr der Verdrängung..

    • Nein, @schrittmacherm – was immer in diesem Jahr auch vorgefallen ist, “offenbar endgültig verabschiedet” haben sich Ihre Emotionen ganz sicher nicht! Sie treten in Ihrem Kommentar klar erkennbar hervor. Es mag sein, dass sie in ihrer Bedeutung noch immer unterschätzt werden, der “Mob untangiert weiter” zieht – aber das bedeutet ja nun nicht, dass sie unwichtig wären und es nichts mehr zu ihnen zu lernen gäbe, oder!? Ich denke (und hoffe!): Solange es Menschen gibt, wird es (positive und negative) Gefühle geben…

      Konkret wünsche ich Ihnen, dass das Jahr 2014 für Sie besser werde als es wohl das vergangene war…

      • Oh, meine Bedeutung mag verkannt sein. Ja, das tat selbst ich.

        Das erkennbare Hervortreten von Emotionen ist mir an mir nicht aufgefallen. Wie können sie die erkennen? Das gehört zu den Schwachstellen in der Internetkommunikation, dass diese Qualität nicht transportiert wird und falsche Interpretationen erzeugt können.
        Emotionen sind offenbar hochflüchtig. Im Kontrast zu “früher” mal ist da nichts mehr. Offenbar ist die Erregung, die sie herrauslesen, rein kognitiv.

        Ach, von einem hier in Berlin residierendem Religionswissenschaftler konnte ich neulich efahren, das er keine Kultur kenne, in der die allgemeine Umgangs- und Verhaltensstrategie nicht Sublimierung darstelle. Einschränkend bemerkt er, dass die erotisierende Verschmelzung bei Ovid am weitesten von Sublimierung entfernt sein solle. Aus dem Stand würde ich sagen: Das hilft auch nicht weiter. Vergemeinschaftungen – und dann noch derart konsequent, sind schon und noch immer als Blaupausen allen Übels erkannt. Da müsste Ovid aber doch drüber informiert sein – wo doch der griechische Mythos über Ödipus und Lokaste wahrscheinlich noch präsent genug war.

        Anyway, wenn ich “untangiert” schreibe, ist das natürlich nicht die Wahrheit. Was einem tangieren soll, muß vorher auch begriffen werden. Aber trotzdem wird sublimiert.
        Vielleicht sollten wir froh darüber sein?

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