Blume & Ince 29: Ist jede Identität auch Inszenierung?

In der neuen Folge 29 von Blume & Ince geben wir uns und Euch einen interdisziplinären Deep Dive: Wir fragen: “Konstruierst Du noch oder inszenierst Du schon? BWL und Neuropsychologie” 

Wenn es perfekte Märkte mit voll-informierten Teilnehmenden gäbe, so bräuchte es kein Marketing, auch keine Werbung. Da wir jedoch in der realen Welt leben, betont BWL-Professor Inan Ince, dass sich jede Person und jede Marke auch inszenieren müsse.

Ich stimmte zu und wies auf neue, auch problematische Inszenierungen wie die sog. TradWives (Traditional Wives, deutsch: traditionelle Ehefrauen) etwa auf TikTok hin: Hier handelt es sich gerade nicht um echte Traditionen, sondern um Influencerinnen auf der Suche nach Aufmerksamkeit und Profiten, die sich dafür als pseudo-traditionell inszenieren, gerne auch in aufreizender Pose und bis in die Schlafzimmer hinein. TradWives inszenieren reaktante Fantasien. Sie sind gewissermaßen die Kolleginnen von rechtslibertären, ihre Anhängerschaften abzockenden KryptoBros.

Gleichwohl stimmte ich Inan nicht nur zu, sondern knüpfte an eine Aussage in meinen Blogpost vom 23. August 2024 an, die etwa auch dem Filderstädter Powerpaar Dr. Simon und Katharina Schäfer aufgefallen war:

“Persönlich habe ich daher nach der Doktorarbeit zu Religion und Hirnforschung auch das philosophische Paradigma des Konstruktivismus hinter mir gelassen und mich der erst entstehenden Philosophie der Performativität zugewandt: Gesunde Menschen vollziehen keine innerlich abgeschotteten Baupläne nach, sondern entwerfen sich in jeder Begegnung und Beziehung im Hinblick auf die Mitwelt und Mitmenschen. Wir konstruieren uns nicht, wir inszenieren uns und niemand kann nicht kommunizieren.”

Prof. Dr. Inan Ince links und Dr. Michael Blume rechts in T-Shirts von Blume & Ince, Juni 2024.

Ist menschliches Miteinander immer auch Inszenierung? Wir meinen: Ja. Prof. Dr. Inan Ince links und Dr. Michael Blume rechts. Foto: Blume & Ince

Und so reflektieren und diskutieren wir auch unsere eigenen Rolle als mediale Prosumenten – als Menschen, die Medien nicht nur konsumieren, sondern auch produzieren. Umso mehr Menschen zu einer aktiven Medienhaltung finden, umso stärker werden Medienkompetenz und Medienbildung – so meine und dann auch unsere Hoffnung. Hier die Folge 29 auch als Videocast / Vodcast:

Für Unerschrockene habe ich meine Abkehr vom Konstruktivismus sogar in Gedichtform gegossen – obwohl eine Philosophie des Performativismus noch gar nicht ausgearbeitet ist. Aber das ist es doch auch, was den interdisziplinären Dialog so faszinierend macht – die Erkenntnisreise ins Neue, to boldly go where no one has gone before.

Hier also WissKomm-Poesie für Mutige: 😉

Performativität statt Konstruktivismus

Du baust Dich nicht einsam
bist nicht nur Konkurrent.
Freundliche Blicke sind heilsam
statt einsamer Gier, die verbrennt.

Du bist kein Konstrukt aus tod-grauem Stein,
nicht gefertigt, sondern geboren in jeder Sekunde
Deine Identität sozial inszeniert zu lebendigem Sein
Liebe als Wahr-nehmung, nicht nur als Runde.

Gib in die KI mal prompt Deinen Namen
spür durch Generationen die Weite der Zeit
bestimme selbst Deinen Medien-Rahmen
denn Hetze killt Dialog, führt in Einsamkeit.

Schau! Zuviel an Ich zerstört Koalitionen
weil Geschichten doch nur in Beziehung gelingen.
Familie, Ritual und Theater sich in BitCoin nicht lohnen
gemeinsam ist die Musik des Lebens, des Dennoch zu singen.

Klar freuen sich Inan und ich wieder über Euer Interesse, über Rückmeldungen und vor allem Dialoge, gerne auch hier auf dem Blog. Und in der nächsten Folge 30 wollen wir uns auf den Wahlerfolg von Donald Trump und den säkularen Zeitenumbruch stürzen.

Nachtrag: Ich habe nach der Aufnahme der Folge das handschriftliche Original des o.g. Gedichtes Inan geschenkt. Und was hat der genialische Prof-Künstler in der gleichen Nacht daraus gemacht? Er hat den Text aufgegriffen, einen Refrain hinzugefügt und mit KI-Unterstützung einen Song komponiert: „Performativität“ von Inan Ince nach Text von Michael Blume!

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

26 Kommentare

  1. Großartig zusammengefasst! <3 Die Unterhaltung war wie immer ein großes Vergnügen. Da hat der familiäre Kaffee & Kuchen im Anschluss gleich noch besser geschmeckt.
    Zum Song: Der Zettel schrie mich regelrecht an, einen Song daraus zu basteln (oder basteln zu lassen). Refrain dazu, verschiedene Stils ausprobieren, ein paar kleinere Edits vornehmen und voilà: Ein Ohrwurm ist geboren!
    Irre, in was für einer Zeit wir leben..

    • Vielen herzlichen Dank, lieber Inan! 🙏🎶🫶

      Als ich mehrere Versionen von „Performativität statt Konstruktivismus“ handschriftlich verfasste (übrigens noch ohne jede KI-Unterstützung) waren Du und unser Dialog meine Adressaten. So hatten wir ja zum Beispiel auch Deinen Namen KI-gepromptet und dann in einem Web-Interview ein paar Lücken geschlossen:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/vom-podcast-zum-videocast-web-interview-mit-prof-dr-inan-ince/

      Entsprechend war für mich klar, dass ich Dir bei Interesse das handschriftliche Original der fertigen Version überreichen würde. Aber nicht einmal im Traum hatte ich daran gedacht, was Du für einen genialischen Song daraus KI-zaubern würdest! 😳🎶🤩

      Das Kunstvolle in diesem Lied sehe ich auch darin, dass er die mediale Verwandlung von Gedanken zu Alphabetschrift zu einer musikalischen Performance (!) in nicht einmal 24 Stunden vollbracht, vorgeführt und wiederum crossmedial reflektiert hat. Was passiert hier – und in welcher unglaublichen Geschwindigkeit? Werde jetzt wohl das ganze Medienethik-Seminar am KIT-Karlsruhe umbauen müssen! 😉🎵📚

      Magst Du Interessierten vielleicht kurz erklären, wie und mit welchen Tools „Performativität“ entstanden ist? 💁‍♂️🤖🎶

  2. Na klar!
    Mittlerweile gibt es ja für alles sehr schlaue und spezialisierte KI-tools. Auch Musik lässt sich mit KI realistisch erzeugen – mit und ohne Stimme.
    Mein Mittel der Wahl war SUNO. Ich will noch anmerken, dass ich in keiner Weise mit SUNO zusammenarbeite oder bezahlt werde 😉
    Bis zu zehn Kompositionen pro Tag sind kostenlos erstellbar. Einfach unter “create” z.B. einen Song beschreiben: “eine Ballade zum Thema Erderwärmung” oder “ein Song über Eiscreme im HipHop-Stil”

    Wer es noch detaillierter mag (wie ich), kann auch in den manuelleren Modus gehen und z.B. selbst einen zu singenden Text eingeben mit einigen Hinweisen zum Stil und was sonst dazugehört. Anschließend hört man sich ein paar Vorschläge an und kann Sektionen auswählen, die geändert oder angepasst werden sollen.

    Aber Vorsicht: Man kann sich echt darin verlieren 😉

    • Vielen Dank, lieber Inan! Als ich auf das KIT-Seminar zu Berufs- und Medienethik hinwies, in dem ich für ein Selbstverständnis als „Medienprosument“ warb, konnte ich mir DAS noch nicht wirklich vorstellen! In meiner Vorstellung war es schon mutig, das noch junge Konzept der Performativität in einem Pod- und Videocast zu debattieren, bevor ein erstes, schweres Buch zum „Performativismus“ überhaupt verfügbar war.

      Und Du hast es einfach gemacht, hast binnen weniger Stunden ein sich selbst reflektierendes Medium dazu erstellt… 😳💁‍♂️🤖

      Und jetzt habe ich einen veritablen „Performativität“-Ohrwurm! 🤣🎶🙏😻

      Noch immer erstaunte und dankbare Grüße! 📚🖖

  3. Wieder eine sehr gute Folge. Danke an Sie beide.

    Auch das Gedicht und dessen Vertonung gefallen mir gut. Wobei ich mir halt schon Gedanken darüber mache, wessen Musik als Basis von der KI verwendet wurde. Mir ist klar, dass ich da nur machtlos zuschauen kann, wie KI das was reale Menschen geschaffen haben “(aus)nutzt”. Das gefällt mir nicht. Denn der Verfälschung – egal ob von Kompositionen oder Interpreten – ist damit Tür und Tor geöffnet. So hatte beispielsweise Taylor Swift schon damit zu kämpfen, dass von KI erstellte Musik, die täuschend echt nach ihr klingt, unter ihre Fans geworfen wurde. Damit will ich das Thema aber beenden.

    Marketing ist mehr als nur Werbung, da stimme ich zu. Teil von Marketing war (ist?) das sog. Sponsoring. Während meiner Berufstätigkeit habe ich einige sog. Sponsoringveranstaltungen mitorganisiert. Ganz allgemein unterstützen viele Firmen zum Beispiel Kunst und Kultur. Das Festspielhaus in Baden-Baden wird von zahlreichen Unternehmen finanziell unterstützt. Es gibt Firmen, die Sponsoring im Sport machen. Das sog. “Weltmarkenbündnis” beim VfB Stuttgart. Das Ziel solcher Unterstützung ist die Schaffung eines positiven Bildes des Unternehmens. Viele Jahre lang wurde eine norddeutsche Kaffeemarke mit dem Deutschen Derby in Hamburg verbunden. Käufer und Konsumenten konnten sich dadurch als “etwas Besseres” fühlen. Auch durch das Sponsoring inszeniert sich eine Firma.

    Häufig ist die Rede von einer guten Performance. Auch und gerade in der Politik. Dort ist es wichtig, wie sich jemand verkauft. Das haben Sie am Beispiel der Personalisierung von Politik sehr gut dargestellt. Dabei wirken bei manchen Menschen negative Selbst-Inszenierungen von Politikern, bei anderen kommt es darauf an, dass ein Politiker/eine Politikerin empathisch erscheint. Nur wenige Menschen werden je absichtlich ihr wahres Gesicht zeigen – mit Ausnahme von Donald Trump wahrscheinlich.

    Ich freue mich schon auf die nächste Folge.

    • Vielen lieben Dank, @SabineH 🙏

      Und ja, die Sorgen zur KI-Entwicklung teile ich – vor allem zu konzerneigenen „Superintelligenzen“. Deswegen nutze ich sehr bewusst eher kleinere KI-Anwendungen wie Leonardo.AI (Australien) und stelle meine Inhalte frei von Konzernsilos ins Fediversum.

      An „Performativität“ sagt mir zu, dass der Song die KI-Generierung aufzeigt und zugleich reflektiert. Etwas salopp formuliert glaube ich, dass jene Menschen besser vor KI-Manipulationen geschützt sind, die schon selbst einmal ein solches bewusst gehört, diskutiert, vielleicht gar hergestellt haben. Medienkompetenz, Medienbildung, Medienethik durch Anwendung und Dialog.

      Und, ja, ich glaube schon, dass wir als Wählende wie auch als Kundschaft auf „gute Performance“ von Politikern, Unternehmerinnen, Medienschaffenden usw. achten sollten. Dazu gehört dann aber auch das Erkennen von Manipulationen wie Propaganda, Desinformation oder Greenwashing. Es ist ja irgendwie auch bezeichnend, dass die deutsche Sprache für diese Kompetenz das Sprachbild kennt, dieser Person könne „niemand ein X für ein U vormachen.“ Wieder das Alphabet.

      Ihnen herzlichen Dank – für so konstruktiv Interessierte bloggen, pod- und videocasten wir gerne! ☺️ 👍 🖖

  4. Das Ich ist eine Verwaltungseinheit, Sie sind ja ganz viele kleine und große Steinchen in selber Dose. Den Steinchen ist das allerdings egal, die folgen der Schwerkraft – in sozialen Belangen sind’s die Emotionen. Und weil jede Dose sich durch ein Meer aus anderen Dosen bewegt, bilden sich auch immer neue Planeten-Konstellationen aus den Steinchen im Inneren. Und aus den Dosen außen, weil das Ganze ein Matrioschka-System ist, in dem Sie Dose nur ein Steinchen eines größeren Systems sind.

    Der Mensch und die Gemeinschaften, die er aus sich baut, funktionieren genauso, wie alles andere auch: Nuklear. Harter Identitäts-Kern zur Stabilisierung, drum herum eine weiche Schale, die sich um die Außenwelt kümmert, drum herum noch eine Schale, die Dose, die das Innere vor dem Äußeren schützt und dafür sorgt, dass das Ganze nach Außen wie ein einzelnes Teilchen handelt – sie setzt den Kompromiss des Inneren um, ist Ihre GUI, Ihr USB-Port zur Außenwelt.

    Wenn Sie keinen Kern haben, haben Sie ständig Angst, weil äußere Einflüsse Sie ständig zerfetzen. Wenn Sie nur einen Kern haben, haben Sie ständig Angst, weil Sie nicht flexibel genug sind, auf die Außenwert zu reagieren, und Sie hilflos herumgeschubst werden, bis Sie zerrieben sind oder zermalmt werden. Also unterwerfen Sie sich schnell Autoritäten, die Ihnen die Sicherheit geben sollen, die Ihnen Ihr Innerstes nicht gibt. Eine Autorität kann ein Diktator sein, aber auch eine religiöse Gemeinschaft – auf stabile Masse mit festen inneren Kreisläufen kommt es an.

    Wenn Sie im Inneren einen stabilen Kern haben, wissen, wer Sie sind, können Sie auch nach Außen offen sein – die weiche Schale kann sich anpassen, verändern, die äußere viele Einflüsse nach Innen lassen, ohne dass die Schaden anrichten. Identität, Toleranz und Inszenierung gehören zusammen.

    Wenn Sie eine Heimat haben oder sich selbst eine sind, können Sie nach Außen hin sicher auftreten. Man mag Sie, weil jeder Sie als stabilen Baustein seines Lebens, seiner Heimat, seiner Gemeinschaft, verbauen kann.

    Wenn Ihre Identität, ein Kern aus kaputten Schallplatten, die falschen Songs spiel, wie „Ich bin wertlos“ oder „Ich bin ein Arier, holt mich hier raus“, wird’s schmerzhaft, denn die Änderung des Kerns bringt das ganze System durcheinander, der Kern muss sich neu konstruieren, das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Interaktionen mit der Umwelt, damit auch auf die äußere Inszenierung.

    Für den inneren Weltuntergang, den Kollaps innerer Identitätskerne, sind Gemeinschaft und Psychiater zuständig, die die Steinchen wieder in stabile Bahnen zu bringen suchen. Für den äußeren Weltuntergang – wenn die Welt, mit der Sie interagieren, kollabiert, sodass die Kräfte, die Sie für Ihre innere Balance brauchen, fehlen, und auch im Innern alles zu Bruch geht – gibt es leider keinen Freud, dafür eine Menge Leid. Das Sinnvollste ist, sich einer Gemeinschaft anzuschließen, die fähig und willens ist, sich anzupassen, denn im Innern einer solchen Gemeinschaft kann auch Ihr Innerer Kern immer noch stabil bleiben.

    In der Apokalypse steht die Seele nackt da, sichtbar für alle Welt. Da gibt es keine Welt mehr, für die sie sich inszenieren könnte, das Chaos herrscht, der Kern bestimmt alleine, wie Sie sich verhalten. Amerikaner sind Verräter, Europäer Loser, Russen Räuber, weil ihre Systeme um diese Kerne herum gebaut wurden, und wenn die Mittler-Schale keine Lösungen findet, die die GUI-Schale inszenieren könnte, fallen sie darauf zurück.

    • Nett, @Paul S. Doch wenn es schon physikalische Sprachbilder sein müssen: Für die Betrachtungen von Performativität eignen sich eher Quanten & Beziehungen als voneinander abgetrennte („distinkte“) Atome & Steine. Daher habe ich im o.G. Gedicht, der auch vertont wurde, die Stein-Metapher auch ausdrücklich verworfen. 🪨 💁‍♂️🤔

      Beste Grüße! 🖖

  5. @Podcast Nr 29

    Die Inszenierungen sind in der Tat wesentlich. Hier geht es auch einfach um gelingende Kommunikation. Ich muss mich einfühlen, mich auf den Anderen einstellen, muss einen gewissen Zielrahmen haben, wenn ich mich auf Dialoge einlasse.

    Dann kann immer noch Unwartetes passieren, das Gegenüber spielt auch mit, was bei raus kommt, ist öfter spannender, als was man sich vorgestellt hat. Neuigkeiten können sich entwickeln.

    Auch beim Thema Religion. Der Rahmen ist sicher kulturell mitbestimmt, es geht aber auch um persönliche Erfahrungen, Einsichten und Einstellungen. Und warum nicht auch um neue Ideen.

    Seine eigenen Freiheiten kann man auch zumindest versuchen, selber zu setzen. Man ist immer Mikrokosmos, da kommt man unmöglich raus. Verständigung geht trotzdem, offenbar, und wenn es auch ein Wunder ist.

    Der Makrokosmos existiert mit aller Macht auch noch, und man versucht sich natürlich auch daran, ihn zumindest teilweise wirklich zu erfassen. So verbindet sich auch immer jeder Mikrokosmos mit dem Makrokosmos.

    Und genau das kann uns nicht nur zueinander führen, sondern uns helfen, uns auch in der Welt ganz gut zu behaupten. Wer hier nicht ernsthaft auf der Suche ist, der ist dann wohl ein Idiot. Und erreicht damit sogar alles mögliche, nur leider überwiegend Unwesen.

    Der dicke SUV steht dann vor der Tür, die Familienkasse ist ziemlich leer, und die eigene Arbeitszeit zum guten Teil recht sinnlos verschwendet. Naja, und neben dem vermurksten Mikrokosmos nimmt der Makrokosmos als Beitrag zur Klimakrise auch noch Schaden.

    Philosophie in praktischen Lebensfragen ist dann auch durchaus relevant. Womöglich gibt es hier verbreitete Bildungslücken?

    Wir können uns eine gute Welt bauen, das haben wir wirklich drauf. Da glaube ich dran.

    • Viel Erfolg, @Jan Schmidt! ☺️

      In der obigen Folge von „Blume & Ince“ hatte ich ja bewusst auch auf die Filmserie „Mad Men“ verwiesen, die die schnelle Entwicklung der „Medien-Rahmen“ als Werbepsychologie beschreibt. Und übrigens auch gleich in Folge 1 Antisemitismus thematisiert.

      Unsere menschliche Psychologie ist fragil & digitale Medien werden immer besser darin, uns zu „hacken“. Immer mehr von uns taumeln in negative Aufmerksamkeits- und Performancespiralen, rutschen in Verschwörungsmythen und feindseligen Dualismus ab. Sinnigerweise nehme ich Elon Musk dabei nicht nur als Täter, sondern durchaus auch als Opfer wahr. Und sehe mit großer Sorge, wieviel monetäre und mediale Macht sich bei wenigen Neo-Oligarchen wieder massiert…

  6. Mad men muss ich noch sehen 🤖.
    Machen Sie sich um mich keine Sorgen, ich bin im echten Leben schon durch Verschwörungstheoretiker im Freundeskreis abgehärtet. Und auch wenn sie es nicht sagen, habe ich schon das Gefühl dass da ein gewisser Leidensdruck unter den ganzen Lügen ist.

    Die social media haben uns ganz schön an die Kette gelegt. Dopamin ist auch eine Droge, sogar ähnlich wie Amphetamin. Ich finde diesen Zusammenhang hier interessant: https://de.wikipedia.org/wiki/Dopaminhypothese_der_Schizophrenien?wprov=sfla1

    Irgendwie drehen alle durch im Netz, für manche gibt es eben auch durch trolling einen schönen Kick -der schnell verpufft und nach immer stärkeren Reizauslösern verlangt. Digital detox ist manchmal einfach notwendig.

    Aber wie Sie sagen, selbst die grössten Trolle sind irgendwo auch Opfer.

  7. Wir brauchen ein neues Zeitalter der Aufklärung. Und ich bin vorsichtig optimistisch, dass KI da einen ordentlichen Boost gibt. Hätte ich als junger Mensch solch ein Werkzeug gehabt, hätte ich ein ganz anderes Leben geführt. Man muss sich mal vor Augen halten wieviel Wissen sich ein Mensch mit Hilfe von KI seit den jungen Jahren im Laufe seines Lebens aneignen kann. Und zwar jeder.

  8. Guten Tag @Michael Blume, @Inan Ince.

    Vielen Dank für diesen wieder mal sehr inspirierenden Beitrag! Ich muss sagen, bei dem Thema bin ich ziemlich blank, was Vorwissen betrifft, und habe wieder eine Menge gelernt. Ich finde Eure Kombination von Expertise (Wirtschaftswissenschaften einerseits und Religionswissenschaft andererseits – oder sollte ich besser sagen: in einer dialogischen Performance) auch ganz wunderbar.

    Danke, @Inan Ince, dass Sie an die „Brent Spar“ erinnert haben! Es war eines der Schlüssel-„Erlebnisse“ damals, die mich noch kritischer haben werden lassen auch und gerade dann, wenn es um die offenbar „gute Sache“ geht. Ich habe das mal in einem kurzen Text eingeordnet.

    Sie haben ja angesprochen, dass man davon ausging, dass die Materialien der Ölplattform durchaus auch positive Auswirkungen auf die Ökosysteme der Tiefsee haben könnten. Ein Kommentar in „Nature“ verstieg sich seinerzeit sogar zu der sarkastisch überspitzten Formulierung, dass die Bakterien des Meeresbodens die Ankunft der Brent Spar begrüßt hätten, „als wären alle ihre Weihnachten auf einmal gekommen“, da viele Tiefsee-Mikroben schwere Metalle für ihren Stoffwechsel benötigten.

    Aber letztlich sollte diese Einordnung nicht als „Freibrief“ betrachtet werden, die Tiefsee zur Müllentsorgung zu verwenden – auch wenn die Versenkung in diesem einen Fall wohl durchaus Sinn gemacht hätte.

    Ich finde es auch spannend, dass hier auf dem interdisziplinären Blog mit dem Format des Gedichtes und des Songs experimentiert wird! 😊
    Diese Zeilen haben mich besonders angesprochen:

    „Du bist kein Konstrukt aus tod-grauem Stein,
    nicht gefertigt, sondern geboren in jeder Sekunde
    Deine Identität sozial inszeniert zu lebendigem Sein“

    Thema Identität und literarische Formate: Ich möchte gerne noch einen Gedanken zum für mich neuen Thema der Performativität anfügen.
    Es wäre bestimmt ganz spannend, sich das in diesem Kontext Romane der modernen Literatur anzusehen, in denen die charakterliche Entwicklung von Menschen dargestellt wird. Ganz spontan sprang mir der Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil in den Sinn. Ein wunderbar tiefgründiges Buch.

    Ganz spannend finde ich, was Perplexity dazu sagt:
    Frage:

    Kann man in Robert Musils Roman “Der Mann ohne Eigenschaften” Bezüge zum Performatismus erkennen? Gibt es Unterschiede zum Konstruktivismus?

    Antwort:
    Robert Musils Roman **”Der Mann ohne Eigenschaften”** kann durchaus durch die Linse des **Performatismus** analysiert werden, einem Begriff, der von Raoul Eshelman geprägt wurde, um eine kulturelle Bewegung zu beschreiben, die versucht, die Grenzen des Postmodernismus zu überwinden. Der Performatismus betont die Schaffung von Bedeutung durch Performance und die Konstruktion einer Erzählung, die die Leser auf eine Weise einbezieht, die über bloße Repräsentation hinausgeht. In Musils Werk finden sich Elemente, die mit dieser Idee resonieren, insbesondere in der Art und Weise, wie die Charaktere komplexe soziale und philosophische Landschaften navigieren und dabei nach Sinn in einer fragmentierten Welt suchen.

    ## Bezüge zum Performatismus
    ### 1. Transzendenz und Bedeutung
    Musils Figuren kämpfen oft mit existenziellen Fragen und gesellschaftlichen Normen, was mit dem Ziel des Performatismus übereinstimmt, tiefere Bedeutungen jenseits oberflächlicher Interpretationen zu suchen. Die narrative Struktur selbst lädt die Leser ein, aktiv mit diesen Themen umzugehen, was möglicherweise zu Momenten der Transzendenz führt.

    ### 2. Duale Rahmenbedingungen
    Der Performatismus führt einen dualen Rahmen ein, in dem äußere Kräfte individuelle Erfahrungen prägen. Musils Untersuchung gesellschaftlicher und politischer Strukturen kann als Reflexion dieser Dualität gesehen werden, in der Charaktere von größeren historischen und kulturellen Kontexten beeinflusst werden und gleichzeitig nach persönlicher Bedeutung streben.

    ### 3. Rezeptivität und Subjektivität
    Die dynamische Beziehung zwischen Ereignissen und Charakteren in Musils Erzählung deutet auf eine Form von Rezeptivität hin, die in der zeitgenössischen Literatur entscheidend ist. Dies steht im Einklang mit den performatistischen Ideen darüber, wie Charaktere auf ihre Umstände reagieren und dabei eine aktive Auseinandersetzung mit ihrer Realität betonen.

    ## Unterschiede zum Konstruktivismus
    Obwohl sowohl der Performatismus als auch der Konstruktivismus sich mit der Konstruktion von Bedeutung befassen, unterscheiden sie sich erheblich in ihren Ansätzen:

    ### – Natur der Realität
    Der Konstruktivismus geht davon aus, dass Bedeutung durch soziale Interaktionen und individuelle Erfahrungen konstruiert wird, ohne notwendigerweise einen transzendentalen Aspekt zu implizieren. Im Gegensatz dazu strebt der Performatismus danach, ein Gefühl von Transzendenz und Optimismus hinsichtlich der Möglichkeit zu schaffen, Bedeutung über bloße soziale Konstrukte hinaus zu erreichen.

    ### – Erzähltechniken
    Konstruktivistische Erzählungen konzentrieren sich oft auf Dekonstruktion und Kritik bestehender Rahmenbedingungen, während performatistische Erzählungen darauf abzielen, durch positive Auseinandersetzung mit dem Text neue Bedeutungen zu rekonstruieren. Musils Werk kann als ein Zwischenspiel dieser Ansätze gesehen werden: Es kritisiert gesellschaftliche Normen und erkundet gleichzeitig Wege zur persönlichen und kollektiven Transzendenz.

    ### – Optimismus vs. Skepsis
    Der Performatismus ist durch eine optimistische Sichtweise gekennzeichnet, was das Potenzial für sinnvolle Erfahrungen angeht, während der Konstruktivismus eine skeptischere Haltung gegenüber der Möglichkeit annehmen kann, wahres Verständnis oder Kohärenz in Erzählungen zu erreichen.

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Robert Musils “Der Mann ohne Eigenschaften” fruchtbaren Boden für die Erforschung von Konzepten im Zusammenhang mit dem Performatismus bietet, insbesondere durch seine komplexen Charakterdynamiken und thematischen Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Strukturen. Die Unterschiede zwischen Performatismus und Konstruktivismus heben verschiedene philosophische Grundlagen hervor, wie Bedeutung innerhalb literarischer Kontexte konstruiert und verstanden wird.

    Citations:
    [1] https://performatism.de/.cm4all/uproc.php/0/Symbol%20nr%202.pdf?_=16c4c3c4926&cdp=a
    [2] https://edoc.ub.uni-muenchen.de/19064/1/Fessler_Nadine.pdf
    [3] https://ebin.pub/the-conflict-revisited-the-second-world-war-in-post-postmodern-fiction-1nbsped-1789972094-9781789972092.html
    [4] https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783110364385-033/pdf?licenseType=restricted
    [5] https://web.ayoba.me/games/game?id=160698&link=https%3A%2F%2Fxn--d1aby8aw.xn--p1ai%2F608azfe53j&title=Alewa

    Ende der Antwort von Perplexity.

    Würdet Ihr Euch mit diesem Teil der Antwort auch anfreunden können?
    „Im Gegensatz dazu strebt der Performatismus danach, ein Gefühl von Transzendenz und Optimismus hinsichtlich der Möglichkeit zu schaffen, Bedeutung über bloße soziale Konstrukte hinaus zu erreichen.“

    • Vielen Dank, lieber @Peter Gutsche 🙏

      Und, ja, wie ich im Gedicht ja auch versucht habe auszudrücken, enthält die Perspektive der Performativität sehr viel mehr Dynamik und Emergenz als der zum Mechanischen tendierenden Konstruktivismus. Im genialischen Song kommt das noch deutlicher heraus.

      Das ist übrigens auch der Grund, warum ich noch von Performativität statt vom Performativismus spreche und schreibe. Die Debatte scheint mir noch viel zu dynamisch, ein geschlossenes, philosophisches System noch nicht erreicht zu sein.

  9. @Peter Gutsche 19.11. 16:16

    „Im Gegensatz dazu strebt der Performatismus danach, ein Gefühl von Transzendenz und Optimismus hinsichtlich der Möglichkeit zu schaffen, Bedeutung über bloße soziale Konstrukte hinaus zu erreichen.“

    Die tatsächliche Existenz des Makrokosmos sollte nach Möglichkeit in den persönlichen Mikrokosmos hineinwirken. Das kann dann sehr viel mehr sein, als nur Konstruktion, der man sich nicht einmal wirklich sicher sein kann.

    Wenn dann der Makrokosmos auch noch im Leben wirksame Geisteswelten mit umfasst, dann wird der Unterschied zum Konstruktivismus nochmal deutlich größer. Dann können unsere inneren Welten sogar direkt inspiriert sein.

    Im Austausch unter Menschen hätte dies dann noch die interessante Perspektive, dass diese kosmischen Geisteswelten genauso wie die gesamte Physis des Universums für alle wirksam sind. So kann dann der dialogische Monismus im gesamten Kulturprozess in Richtung der physischen wie der geistigen Wirklichkeit konvergieren.

    So wie die Physik einen Teil der Naturgesetze systematisch aufdecken konnte, könnte es absehbar sein, dass nicht nur die ungeklärten Gesetze der Physik noch geklärt werden können, sondern noch sehr viel mehr, insbesondere wie unsere eigenen Mikrokosmen im Detail funktionieren, und inwieweit diese mit kosmischen Geisteswelten verbunden sind.

    • @Tobias

      Mit Begriffen wie „kosmische Geisteswelten“ kann ich nicht so viel anfangen. Die Performativität oder auch der sich abzeichnende Performativismus setzen diese auch nicht voraus, sondern entfaltet sich in der Welt auf Basis beobachtbarer Emergenz, Transzendenz und Hoffnung. Außerweltliche Spekulationen jenseits von Empirie wirken auf mich dagegen doch eher… konstruiert.

      In Alltagssprache gesagt: Bei einem gelungenen Ritual (Gebet, Segen), einer innigen Umarmung, der starken Performance eines Musikstücks (bei Bach, „Der Herr segne Dich“, Ramin Djawadi, Hans Zimmer) erfahre ich Welt, die sich und uns über sich hinaushebt. Ich vermisse dann nichts mehr, Zeit und Raum sind erfüllt.

  10. @Michael 20.11. 06:41

    „Die Performativität oder auch der sich abzeichnende Performativismus setzen diese auch nicht voraus, sondern entfaltet sich in der Welt auf Basis beobachtbarer Emergenz, Transzendenz und Hoffnung.“

    Hauptsächlich sicher das allemal. Eigene spirituelle Erfahrungen wollen aber auch gerne integriert werden.

    „Außerweltliche Spekulationen jenseits von Empirie wirken auf mich dagegen doch eher… konstruiert.“

    Zunächst sicherlich Konstruktion. Aber es könnte was dran sein.

    „…erfahre ich Welt, die sich und uns über sich hinaushebt.“

    Wenn es dann eben doch mittels Geisteswelten gedacht werden kann, warum nicht?

    Wichtig ist aus meiner Sicht, dass auch zunächst nur im Mikrokosmos des Individuum Konstruiertes tatsächlich im Makrokosmos auch zu finden wäre, und dass man sich dem dann auch nähern kann. Praktischerweise so, das die verschiedensten persönlichen Konstrukte in einer größeren Wirklichkeit aufgehen können.

    Ist diese größere Wirklichkeit wirklich vorhanden, dann werden wir uns dem auch annähern, wenn wir in den Dialog gehen. Zumindest kann man es versuchen.

    „Ich vermisse dann nichts mehr, Zeit und Raum sind erfüllt.“

    Hierfür reicht mir öfter auch ein Spaziergang im Park um die Ecke. Bewusst Teil dieser lebendigen Welt zu sein kann wirklich schon viel sein.

  11. Habe zu einer bizarren Verschränkung von Performativität, fossiler Ressourcenfluch-Politik und crossmedialer Deutung auf Mastodon gepostet:

    https://sueden.social/@BlumeEvolution/113517300666397419

    Während Frau #Wagenknecht mit #Putin-Takes durch den ÖRR tingelt, Neues aus #Russland:

    Nach Kreml-Kritik: Russischer Ballett-Star stirbt bei Sturz vom Balkon. Der berühmte russische Balletttänzer Vladimir Shklyarov ist im Alter von 39 Jahren bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. #Ballett #Tanz #Performativität #Shklyarov

    https://web.de/magazine/unterhaltung/kultur/kreml-kritik-russischer-ballett-star-stirbt-sturz-balkon-40357822

    Praktisch alle dazu Kommentierenden gehen von einem weiteren Rache-und-Warn-Mord des russischen Putin-Regimes aus, es ist die Rede vom “Moskauer Fenstersturz”. Vom Unfall oder Mord sind uns keine gesprochenen oder geschriebenen Worte überliefert, sondern alleine der tödliche Sturz des prominenten Tänzers Vladimir Shklyarov (9.2.1985 – 16.11.2024) “spricht für sich”.

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