Blog-Kommentarfunktion eingeschränkt
BLOG: Natur des Glaubens
Das wissenschaftliche Bloggen hat mir in den vergangenen Jahren unheimlich viel Freude gemacht – und ich möchte es auch nicht mehr missen. Das Interesse war und ist sehr erfreulich und aus vielen guten Diskussionen habe ich auch viel mitnehmen dürfen. Dass sich unter dem Schutz vermeintlicher Anonymität manchmal auch Spinner, Trolle und Stalker austob(t)en, war wohl kaum zu vermeiden und hat nach meiner Einschätzung mit der Ausweitung deutschsprachiger Blog-Angebote auch nachgelassen bzw. besser verteilt.
Zeitbudget & Ansprüche
Zeitlich zunehmend schwierig finde ich jedoch den Anspruch einiger Nutzen, dass Blogger selbstverständlich auf ganze Kaskaden von Fragen ausführlich antworten sollen, die Kommentatorinnen und Kommentatoren – gerne auch anonym – einstellen und die von ganz unterschiedlicher Qualität sind. Manchmal scheint dabei in Umfang und Ton aber völlig aus dem Blick zu geraten, dass Wissenschaftsblogger – auch hier auf den Scilogs – normalerweise ehrenamtlich wirken und knappe Freizeit opfern. Und auch ausführliche Antworten führen dann oft nur zu weiteren Kaskaden – und ein "Danke" für stundenlanges Arbeiten ist dabei sehr selten zu hören.
Zur Natur der Sache gehört auch, dass die jeweiligen fachlichen Kenntnisse von Blog-Nutzerinnen und Nutzern sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Das ist nicht schlimm, sondern Teil der Chance von Blogs – insofern der gegenseitige Respekt gewahrt bleibt und sich niemand zu schade ist, sich in neue Themen halt auch mal einzulesen. Aber ich sehe schon mit Sorge, dass einige Nutzer schon bloße Verweise auf Fachliteratur oder auch nur auf bereits veröffentlichte Downloads und Beiträge als unstatthaft empfinden – und stattdessen allen Ernstes erwarten, dass sich Blogger wieder und wieder auf erklärende Einzeldiskussionen im Kommentarteil einlassen. Bei vermeintlich "weichen" Themen wie Religion bzw. Religionswissenschaft ist dies wohl noch ausgeprägter als in anderen Wissenschaftsbereichen.
Und nun musste ich auch noch erfahren, dass wenige Nutzer meine wiederholten Bitten um Verständnis und Hinweise auf (m)ein knappes Zeitbudget untereinander geradezu als Ansporn nahmen, sich ein wenig "Spaß zu machen" und noch ein bißchen "zu provozieren", gerne auch mal auf der persönlichen Schiene. Ein seriöses Niveau war dabei dann oft nicht mehr zu erkennen. Und ich gebe gerne zu, dass mich diese Erfahrung nach dem Einsatz Hunderter Stunden in "Natur des Glaubens" schon etwas ernüchterte. Und so reifte der Entschluss: Nö, in diese Richtung fahre ich nicht mehr mit.
Blog-Kultur in der Entwicklung
Jede Medien- und Wissenschaftskultur ist ein lebendiger Prozess, der für Veränderungen offen sein muss. Ehrenamt trägt unsere Gesellschaft entscheidend mit, ist aber leider auch immer wieder zynisch ausgebeutet worden. Da gilt es dann halt auch mal, überzogene Freibier-Ansprüche nicht länger hinzunehmen, sondern "Nein" zu sagen. Mir scheint, dass sich Standards der wissenschaftlichen Blogdebatten im deutschen Sprachraum erst noch entwickeln müssen – und dazu sind verschiedene Wege auszuprobieren. Einige Wissenschaftskolleginnen und -kollegen bloggen inzwischen einfach immer weniger, andere moderieren jeden Beitrag und löschen rigoros, was ihnen nicht gefällt. Mir macht das Bloggen an sich jedoch weiterhin Spaß und wenn ich schon Leute um ihre Kommentare bitte, mag ich sie respektieren und nur sehr ungerne zensieren.
Ich habe mich daher dazu entschieden, etwas Neues auszutesten und zukünftig einfach von Fall zu Fall zu entscheiden, unter welchen Blogposts ich noch Diskussionen zulasse. Persönlich provozierende Kommentare werde ich zudem zukünftig einfach ignorieren oder tatsächlich löschen. Die so gesparte Zeit möchte ich stattdessen lieber in weitere, informierende Blogbeiträge investieren, wie sie ja von Hunderten von Leserinnen und Lesern hier im Chronolog "Natur des Glaubens" aufgesucht werden. Und möchte Wissenschaft lieber wieder stärker in Lehrveranstaltungen und Seminaren der echten Begegnung mit Menschen debattieren, in denen man einander mit Namen, Gesicht und bereits gewachsenen Regeln des gegenseitigen Respektes begegnet.
Dieser Blogpost kann kommentiert werden.
Hallo
Hi, ich lese gerne Ihre Blogs, oftmals auch die Kommentare, kommentiere zwar selbst selten, stelle aber auch fest, dass sich die Diskussionen oft im Kreis drehen und auch immer wieder dieselben Fragen gestellt werden, selbst von Leuten, die hier schon lange dabei sind. Ich kann daher verstehen, wenn Ihnen das manchmal auf den Geist geht. Aber ich hoffe doch, dass es hier noch öfters was zu lesen gibt.
MFG
@Ulrich
Vielen Dank für die Rückmeldung – und Ihr Verständnis! Es freut mich sehr, dass Sie den Schritt nachvollziehen können.
Und, ja, ich denke, wenn ich weniger Zeit in manchmal leider unergiebigen Diskussionen einsetzen muss, bleibt mehr, um Beiträge zu schreiben und auch mal wieder Grafiken etc. dazu zu erstellen. So hoffe ich, Nutzerinnen und Nutzern mit echtem Interesse an der Sache mehr anbieten zu können.
Gute Entscheidung!
Ich freue mich, daß Du Dich nicht vom Bloggen abhalten läßt, ich lese hier immer wieder gerne!
Wenn unter den Kommentaren kein provokantes Gesülze mehr gefunden wird, tut das dem Blog nur gut.
Finde ich…
…absolut nachvollziehbar. Deine Beiträge sind für mich auch um einiges interessanter als die teilweise doch sehr selbstverliebten Kommentarfluten.
Ich kann mich anschließen… das ist natürlich schade, aber auch sehr verständlich!
Ich guck hier ja noch nicht so lange rein, deshalb weiß ich nicht, ob Sie das bisher schon regelmäßig gemacht haben, aber wenn Sie irgendwo einen öffentlichen Vortrag halten, dann könnten Sie das ja auch hier kurz erwähnen und wenn jemand das Glück hat, dort in der Nähe zu wohnen oder dort gut hinzukommen, dann kann er Sie dort von Angesicht zu Angesicht mit Fragen oder Diskussionen konfrontieren 🙂
Weiter
Hallo Michael,
sehr verständliche Konsequenz. Hauptsache, Du bleibst der Bloggerwelt erhalten!
In diesem Sinne, beste Grüße
Richard
verständlich
auch wenn ich hier nur sporadisch mitlese…
pädagogisch richtig wäre ja das Ignorieren von unliebsamen Kommentaren (solange keine ernsthaften Regelverstösse vorkommen) und das beachten von ernstgemeinten Kommentaren.
Ich wünsch Ihnen viel Gelassenheit und weiterhin viel Freude beim bloggen.
@Claudia
Wow, danke! Und Du hast wohl Recht: Wahrscheinlich habe ich schon viel zuviel Zeit mit Kommentaren verschwendet, denen von vornherein kein sachliches Interesse zugrunde lag. Und dabei übersehen, dass eine Menge Leserinnen und Leser anregende Posts und Informationen suchen und an Hahnenkämpfen kein Interesse haben. Werde mir das hinter die Ohren schreiben! 🙂
@Lars Fischer
Deine Einschätzungen waren und sind mir sehr wichtig, schließlich bist und bleibst Du ein echtes Wissenschaftsblogger-Vorbild. Wobei ich Dich manchmal ein wenig beneide: Wenn es z.B. um Chemie geht, halten sich wohl seltener Leute für Experten, die nicht mal Grundlagenwerke gelesen haben. Im Bezug auf Religionen gibt es dagegen mehr “Alltagswissen” und manche halten sich und das dann allzu schnell für wissenschaftlich reflektiert… So funktioniert wohl jeder Wissenschaftsbereich im Bereich des Bloggens etwas anders und die Augenhöhe zwischen Blogger und Nutzer hat je seine eigenen Vor- und Nachteile.
@Sebastian
Ja, sehr gerne! Ihre Kommentare fand und finde ich beispielsweise durchaus Klasse: Mal kritisch, mal lobend, mal fragend, aber eben immer menschlich respektvoll und konstruktiv. So bringt das Ganze dann ja auch was. Und die Anregung, Vorträge ne Woche vorher im Blog zu listen, greife ich gerne auf!
@Richard Zinken
Klar, gerne – das Wissenschaftsbloggen macht mir weiterhin unheimliche Freude, auch wegen der tollen Leute im Team – und ich hoffe eigentlich, an Natur des Glaubens noch über viele Jahre bauen zu können.
Am meisten Freude macht mir die Verschränkung von klassischen und neuen Publikationen, so die Verlinkung von Artikeln (wie “Homo religiosus” aus Gehirn & Geist) oder auch das Empfehlen guter Sachbücher. Wissen zu vermitteln, Neugier zu wecken und für Wissenschaftspublikationen zu werben, die eben keine Millionen-Werbeetats haben, und bei alldem auch selbst immer wieder Neues zu entdecken halte ich für ein erfüllendes und sinnvolles Engagement. Und deswegen die Scilogs für eines der besten Projekte, an denen mitzuwirken ich je die Ehre hatte! Danke Euch dafür! 🙂
@Thomas: Gelassenheit
Da haben Sie wohl völlig Recht! Im Grundsatz bin ich halt ein sehr dialogorientierter Mensch – und es fällt mir schwer, andere einfach zu ignorieren und buchstäblich “stehen zu lassen”. Wer auf meiner Party ist, den achte ich als Gast. Die bittere Erkenntnis war und ist aber, das gebe ich zu, dass einige Leute Freundlichkeit für eine Schwäche halten, an der sie sich berauschen können. Dass der Blogger persönlich erkennbar, mancher Nutzer aber gezeilt anonym ist, scheint für manche schwachen Charaktere eine echte Verlockung zu sein.
Es war schon hart, sich über das Bloggen eine schroffere Sprache anzugewöhnen, da die vielen zwischenmenschlichen Signale (Blicke, Körperhaltung etc.) entfallen. Nun suche ich nach Organisationsformen, die den Ton dieses Blogs erhalten, ohne ihn an fachlich wenig interessierte Wichtigtuer auszuliefern. Für Tips und Anregungen bin ich da immer dankbar!
@Michael Blume
Vielen Dank für das Lob!
Dabei fällt mir ein, dass ich trotz Kritik an eben diesem Punkt eines vorher nicht geschrieben habe: Auch ihre Beiträge, Links und Anregungen zu Diskussionen sind absolut klasse! Das ist mal menschennahe, erreichbare Wissenschaft, die, wie man an den vielen Mitlesern und -schreibern hier erkennen kann, offensichtlich wirklich Spaß macht!
Nachtrag
Sorry, hatte vergessen, dass ich mich darauf beziehen wollte, dass Sie für stundenlange Arbeit selten ein Danke hören.
Also Abschlusssatz: Danke für die tolle Arbeit! 😉
@Sebastian
Danke für das Danke! Klar macht so etwas Ihnen als Leser extra Aufwand, aber es tut auch mal einfach gut und ich fände es klasse, wenn Wissenschaftsblogger auch mal öfter ein positives Feedback zufriedener Leserinnen und Leser bekommen würden. Innerhalb der Wissenschaft(en) ist das Bloggen noch keinesfalls unumstritten und es ist sehr anstrengend, es einerseits zu loben und zu verteidigen, wenn man andererseits das Gefühl hat, ständig auf niedrigem Niveau angemacht zu werden.
Insofern waren Ihre Kommentare wohl ein Beitrag zur Entwicklung einer freundlicheren (und damit noch lange nicht unkritischen) Blogkultur! Also nochmal: Danke fürs Danke! 🙂
podiumsdiskussion
sorry, dass ich es hier offtopic poste, aber bei folgender veranstaltung musste ich an diesen blog hier denken. eventuell, wenn Sie im raum münchen wohnen sollten, ist es ja für Sie von interesse: http://www.ttn-institut.de/node/1257
@Dyrnberg
Danke für den Hinweis! Zufällig hatte ich dieser Tage mit Eckart Voland zu tun und konnte ihn auf die Veranstaltung ansprechen. 🙂
Information
Gestern kam in Arte-TV ein für Sie, als Religionswissenschaftler, möglicherweise sehr interesanter Beitrag: Die Dokumentation ´Verhext´.
1) Frau Linda Caporael untersuchte die Ursahe der Hexenprozesse von Salem, Neuengland, USA.
Sie fand heraus, dass möglicherweise Ergotismus (Mutterkornvergiftung) die Ursache für viele dabei auftretende Phänomene war.
2) In Frankreich (1951, Pont St. Esprit) traten bei einer Massenvergiftung durch Mutterkorn ähnliche Phänomene auf.
Darauf wurden die Hexenprozesse in Europa örtlich zugeordnet: die meisten/schlimmsten Verbrechen stimmen mit den Hauptanbaugebieten für Roggen überein – wo Mutterkorn oft wächst.
Außerdem wurde eine 2000 Jahre alte Moorleiche aus Dänemark unersucht – um Gründe zu finden warum dieser Mann umgebracht wurde. Im Magen fanden sich Mutterkorn-Reste und in der Darmwand konnten sogar noch Mutterkorn-alkaloide nachgewiesen werden.
Auf jeden Fall war dies ein interessanter TV-Bericht, nach dem manche Hexenprozesse neu bewertet werden sollten.
Lieber Michael Blume,
von mir und meiner Familie an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für Ihre interessanten Themen, die uns oft zu langen Gesprächen inspiriert haben.
Im Vergleich mit anderen Bloggern antworten Sie häufig auf Kommentare – oft mit einer bewundernswerten Ruhe und entschärfenden Nüchternheit auf provokante Beiträge. Das ist schön – aber übertreiben Sie es nicht: lassen Sie sich nicht ärgern, ignorieren (oder löschen) Sie fruchtlose Beiträge, sparen Sie Nerven und Zeit und erhalten Sie sich die Freude am Bloggen! So, dass wir noch recht lange Ihre Beiträge lesen können.
Freundliche Grüße & vielen Dank!
@KRichard & Familie Wolf
Lieber @KRichard,
danke für den interessanten Hinweis!
Und Ihnen, @Familie Wolf, ein ganz herzlicher Dank für die ermutigenden Worte! Ja, für Menschen wie Sie mache ich diesen Blog gerne – Sie nehmen es als Anregungen zum Weiterdenken und auch -diskutieren. Super! Und den guten Rat versuche ich zu verinnerlichen, ggf. können Sie mich ja auch einfach erinnern, wenn ich es wieder mal “zu gut” meine und damit aufs Glatteis führen lasse…
Herzliche Grüße!