Bewandernswert! Der YouTube-Kanal “Mythen aus Mittelerde”
Vor über zwei Jahren meinte ich in einer Radioproduktion zum “Geheimnis von Tolkiens Erfolg: Er schuf eine mehrschichtige Welt mit eigenen Sprachen und Landkarten, mit einer tiefen Mythologie und voller Namen. Diese geschaffene, „sekundäre Welt“ ist in sich glaubwürdig und zielt in Tolkiens Worten nicht auf „Magie“ und „Manipulation“, sondern auf „Kunst“ und „Verzauberung“. Gute Mythen und Märchen seien eben keine „Lügen“, sondern könnten in sich „wahr“ sein.“
Zwei YouTuber, die sich mit ihren – übrigens biblischen – Vornamen Philipp und Joschua vorstellen, schaffen seit über einem Jahr reich bebilderte Erklärvideos zu den Mythen von Mittelerde.
Ich wandere hier gerne durch die Mythen- und Bilderwelten Ardas. Und finde nicht nur das kulturelle und intellektuelle Engagement dieser YouTuber bemerkenswert, sondern auch den Medienweg dieser großen Erzählung: Aus mündlichen Erzählungen Tolkiens gegenüber seiner Kinder v.a. zum “Hobbit” entstand ein großartiges, vielschichtiges Schriftwerk vom “Silmarillion” bis hin zum “Herrn der Ringe” – aus dem dann wiederum Filme und nun Digitalstücke wurden und werden.
Und da behaupte noch irgendjemand, der Mensch lebe nur vom Brot alleine!
Außer dem Radiobeitrag gibt es hier auch einen Blogpost von 2014 zu Tolkiens bemerkenswerter “On Fairy Stories”-Vorlesung:
“Gute Mythen und Märchen seien eben keine „Lügen“, sondern könnten in sich „wahr“ sein.“
Das Wort Lüge ist unpassend, weil die Mythen der menschlichen Phantasie entspringen und damit ein teil von uns sind.
Gestern ging ich durch einen Wald, das Licht war märchenhaft und das stand ein Pilz mit einer kleinen Wasserpfütze auf seinem Hut.
So entstehen Märchen. Der Wald ist der Wohnraum der Phantasie. Deshalb fühlen wir uns im Wald gut aufgehoben.
Vielen Dank, @bote.
M.E. sind Mythen tatsächlich ein Aspekt menschlicher Kreativität – dies gilt jedoch m.E. auch für juristische, philosophische und theologische Positionen sowie wissenschaftliche Theorien. Wir Menschen setzen uns miteinander sowie mit unseren äußeren und inneren Welten sprachlich und symbolisch auseinander und bringen unterschiedlichste Erzählgattungen hervor. Diese können dann auch sehr unterschiedliche Funktionen und sich wiederum mit Erlebnisräumen (Wald, Wüsten, Höhlen, Städte usw.) verbinden.
– Nochmal lieben Dank für Ihre anregenden Gedanken!
Zusätzlich zu den Mythen und der Fantasy-Literatur gibt es auch noch die Hard-Science-Fiction, die sich bemüht, möglichst alle bekannten Naturgesetze zu befolgen, und die es dennoch schafft, phantasievoll neue Umgebungen zu erfinden.
An den Umgebungen in der Hard-Science-Fiction ist besonders attraktiv, dass sie prinzipiell realisierbar wären.
Wenn unter dem Titel “Science-Fiction” steht, dann ist jedem klar, dass es sich nicht um Lügen handelt.
Nachtrag zu diesem Thema mit vielen besonders großen Ringen:
Wirklich gute Hard-Science-Fiction sind die Ringwelt-Romane von Larry Niven.
Darum herum hat sich ein ganzes Known-Space-Universum mit vielen weiteren Geschichten entwickelt.
Ich gebe aber zu, dass der über-lichtschnelle Raumflug von den bekannten Naturgesetzen nicht erlaubt wird.
In den Kultur-Zyklus-Science-Fiction-Romanen von Iain Banks werden die Ringwelten Orbitale genannt.
In der Spiele-Serie Halo werden die Ringwelten Halos genannt, was naheliegend ist.
Es gibt also eine Menge Ringe in der Science-Fiction.
Die erste rotierende ringförmige Raumstation stammt aber von Herman Potocnik aus dem Jahre 1929.
Diese war aber naturwissenschaftlich korrekt entworfen.
@Karl Bednarik
Verstehe ich Sie richtig, dass Sie an Fantasy bzw. Science-Fiction die Erwartung haben, dass diese unseren wissenschaftlichen Erkenntnissen möglichst entspreche? 🤔
Ja, stimme Dir zu, lieber Michael.
Meine Gedanken dazu gehen dahin, dass die “Macht” von Mythen* (*große Erzählungen) in ihrer Wirklichkeit emulierende Imaginationskraft liegt.
Worin unterscheiden sich nun “gute”* (*nachhaltiger wirkendere) Mythen von “weniger Guten”? Vielleicht darin, dass sie mehr von dem, was dem gegenwärtigen selektiven beobachten von Beobachtern an der beobachtbaren Realität gerade verborgen und verhüllt bleibt – in Formen der Kunst und Kunstformen enthüllt wird, durch welche sich Beobachter schon immer motivieren, inspirieren und überführen liessen, auf die Art und Weise ihres beobACHTENden Handelns selbst reflexiv zu achten?
Ich denke, das bleibt nicht folgenlos. Weder für die Kommunikation der Künste der Wissenschaften* (*sammeln, interpretieren, bewerten und präsentieren von Daten/Information) – noch für die Wissenschaften der Künste.
Gute Mythen schließen an beobachtbarer Realität an. Faktisch wird immer dann in diese verändernd eingegriffen, wer ihnen handlungsleitend folgt. Und wer ihnen handlungsleitend folgt, verändert dadurch sein bewusstes Sein.
Es ist der Wahlfreiheit des beobachtens von Beobachtern geschuldet, dass diese für die eintretenden Änderungen in ihrem handlungsleitenden Wahrnehmen unentrinnbar eigen-verantwortlich bleiben und sich dafür anderen Beobachtern zu verantworten haben.
Ist das aber nicht eine “Ehrenschuld”? Und kann sich nicht ein – allen Beobachter zugänglicher – Konsens finden lassen, dass diese ‘Ehrenschuld’ gemeinsam einzulösen zu suchen im Zeitalter des Anthropozän, die Überlebensfähigkeit von mitweltlichem Leben, mit Hilfe guter Mythen, etwas Gutes ist?
Btw. anerkenne ich die gute Macht guter Mythen: “Es ist wie es ist – und kann jederzeit auch anders sein.”
Alles Gute Dir.
Hallo Herr Blume,
nur die Hard-Science-Fiction nimmt für sich selbst in Anspruch, dass sie möglichst alle bekannten Naturgesetze befolgen will.
Es gibt sogar sehr gute und spannende Science-Fiction-Romane, die ganz ohne den über-lichtschnellen Raumflug auskommen.
In der Fantasy-Literatur gilt diese Regelung nicht, sodass dort Feen, Zauberer und Magie erlaubt sind.
Falls eine unbegrenzte Anzahl von Parallel-Universen mit unterschiedlichen Naturgesetzen existieren, dann könnten dort beliebige Ereignisse in allen ihren Variationen stattfinden.
Außerdem würde das die lebensfreundliche Kombination der Naturkonstanten in unserem Universum erklären.
Parallel-Universen, von Max Tegmark, deutscher Text, keine Bilder:
Spektrum der Wissenschaft 8 / 2003, Seite 34,
https://www.spektrum.de/magazin/parallel-universen/830044
Parallel-Universen, von Max Tegmark, englischer Text, bunte Bilder:
http://space.mit.edu/home/tegmark/crazy.html
Mit freundlichen Grüßen, Karl Bednarik.
Noch ein magischer Nachtrag:
Arthur C. Clarke schrieb sehr gute Hard-Science-Fiction, und er sagte:
“Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.”
Vorsicht, Science-Fiction-Humor. Graf Hombug im Land der Magie:
http://members.chello.at/karl.bednarik/OPERWINX.txt
@Karl Bednarik
Nach Tolkien & Co. müssen Fantasy-Welten vor allem innere Konsistenz haben, also innerhalb der Fantastik plausible „Naturgesetze“.
Und hier geht es ja vor allem darum, Faszination und Regelhaftigkeit von Mythensystemen nachzuspüren.
Die Scheibenwelt von Terry Pratchett ist ein gutes Beispiel für die, innerhalb der Fantastik, plausiblen Naturgesetze.
Besonders lustig, hier drinnen, Geschöpfe der Scheibenwelt, Reannuelle Pflanzen:
http://www.cos-mig.de/scheibenwelt.html
Karl Bednarik,
Science Fiction Romane können Mythen sein/werden, wenn sie nicht nur ein einmalig stattgefundenes Ereignis beschreiben, sondern ein Gleichnis für Erlebnisse sind, der sich in jedem Menschenleben abspielen.”
Michael Blume
Mythen und Märchen auf eine Stufe zu stellen ist richtig. Eine strikte Abgrenzung zwischen Mythos und Märchen gibt es nicht. Das Märchen vom “Hans im Glück” ist so zeitlos und tiefgründig, ja sogar religiös, und wenn es nicht in Kinderform geschrieben wäre, könnte es auch als Sage fungieren.
Danke, @bote. Tatsächlich ist das Mär-chen ja auch sprachlich die „kleine Mär“. Vgl. der Engel im Weihnachtslied „Vom Himmel hoch, da komm ich her, ich bring Euch neue, gute Mär. Der guten Mär bring ich so viel…“
Umgekehrt werden frühere, religiöse Mythen etwa zu Zeus heute zur Unterhaltung verwendet, von Disney bis Rick Riordan…
@ Michael Blume
29.08.2019, 09:32 Uhr
Auch schon Homers „Ilias“ ist Unterhaltungsliteratur. Offensichtlich wird das Homer schon von Zeitgenossen vorgeworfen, Homer läßt Zeus darauf in dessen „Theodizeerede“ in der „Odysse“ reagieren.
Das ist wirklich interessant, @Alubehüteter! Würde es Ihnen etwas ausmachen, die besagte Textstelle und einige Gedanken dazu mit uns zu teilen? Ich bin mir sicher, dies würde nicht nur mich interessieren! 🤗👍
Ein sehr guter Hard-Science-Fiction-Comic ist auch Schlock Mercenary.
Er erscheint seit dem Jahre 2000 täglich, und er ist völlig kostenlos.
Ein guter Zeitpunkt um einzusteigen ist hier:
https://www.schlockmercenary.com/2018-07-25
Kann man mal wieder sehen: Ich hielt das für allgemein bekannt mit der Theodizeerede des Zeus. Ist aber wohl nur dem Bildungszufall zu verdanken, daß ich auf einem Werner-Jaeger-Gymnasium zur Schule gegangen worden bin, und Werner Jaeger ist der Altphilologe, der diese Rede stark gemacht hat.
(Erster Gesang)
Worauf Zeus reagiert, das ist die Klage der Menschen über die Götter – In der Ilias. Die Götter spielen mit den Menschen, wie wir als Kinder gespielt haben mit Playmobilfigürchen. Das ist noch ganz volkstümlich, yellow-press. Einer Hochkultur nicht würdig. Die Odyssee hält sich dann an diese neue Programmatik: Jedem Verderben der Menschen geht ein Frevel ihrerseits voraus.
Es ist also keineswegs Frevel an der Hochkultur, wenn Homer geplündert und disneyfiziert wird. Geschieht ihm vielmehr ganz Recht. Er hat angefangen damit. 😁
Ich weiß nicht, ob das auch noch interessiert: Atlantis-Forschung.
Den Fragment gebliebenen Dialog „Kritias“, in dem Platon seine Atlantis-Saga entwickelt, bricht er genau an der Stelle ab, wo Zeus seine platonische Theodizeerede hätte halten sollen. „Und Zeus sprach:“ – Ende. Nix mehr. Was in der Philologie merkwürdig unbemerkt bleibt. Die meisten Theorien dazu, warum Platon seine Erzählung abbricht (und stattdessen einen anderen Dialog noch schreibt, die Nomoi), erklären uns nicht, warum er das hier tut. Die Theodizeerede wenigstens, die Programmatik, das theologische Konzept der Atlantis-Saga Platons, die hätten wir doch wenigstens gerne noch gelesen.
Allerdings ist die zentrale Figur, mit der sich Platon in seinem Hauptwerk beschäftigt, Solon. Mit Solon wiederum beginnt die Geschichte der attischen, und damit der abendländischen Demokratie (auch wenn das noch nicht Absicht Solons war). Solons Vermächtnis aber ist sein politisches Gedicht „Unsere Stadt“, mit der er eingriff in eine schwerste Krise seiner Heimatstadt Athen. Und auch er setzt an an der Theodizeerede:
Solon also geht noch einen Schritt weiter als Homer: Nicht die Götter fügen der Stadt Athen Übles zu, indem sie ihr etwa Mißernten schickten oder Pestilenz als Strafen für Fehlverhalten. Sondern die Menschen schaffen das schon schön selber, die Stadt zugrunde zu richten durch einen unausweichlichen Bürgerkrieg.
Das, also, was Platons Zeus zu sagen gehabt hätte in Anlehnung an Homer und Solon, das war offensichtlich zu heiß. Platon wollte nicht enden wie sein Lehrer Sokrates.
(Um den Kreis zu schließen: Platons Atlantis-Saga war Teil einer Prosadichtung, mit der er die großen Werke der Illias, Odyssee und Hesiods Theogonie überbieten wollte – Wo nicht gar in seinem Idealstaat ersetzen. Eben auch da die Kritik: Die Moral, die Homer vermittelt, ist nicht eben staatstragend, politisch nützlich.)
Ich kann nicht nur Verschwörungstheorie 😄
Konstruktiv ist doch auch viel besser und weiterführender, @Alubehüteter!
So suche ich seit einiger Zeit – und bisher erfolglos – nach einer deutschen Übersetzung von Boccaccios Einleitung in seine Schrift zu den „paganen“ Gottheiten. M.W. ist das die älteste Begründung für die Erforschung antiker Religionen und ein Türöffner in die Renaissance. Wissen Sie da mehr? 🤗📚✊
@ Michael Blume
Leider nein, weil mich die alten Griechen (und andere) interessieren, also die klassische Philologie ab vielleicht frühestens 1850 oder so, und nicht so sehr, wie wir da hin gekommen sind.
Aber vielleicht hilft Wikipedia schon weiter? 😀🍀
Hier ist wirklich alles drinnen: Science-Fiction, Antike, und Götter.
Erich von Dänikens Hauptthemen in seinem Werk “Erinnerungen an die Zukunft” aus dem Jahre 1968, wie zum Beispiel “die Götter waren Astronauten” oder “Atlantis”, wurden bereits im Jahre 1951 in dem Science-Fiction-Roman “Reich im Mond” von Manfred Langrenus (Pseudonym von Friedrich Hecht, einem Geochemiker aus Wien) ausführlich beschrieben.
Es gehört natürlich ein wenig Mut dazu, einen 17 Jahre alten Science-Fiction-Roman abzuschreiben, und ihn dann als eigene wissenschaftliche Erkenntnisse auszugeben, wobei man auf die Angabe “Science-Fiction” sorgfältig verzichtet.
Professor Dr. Friedrich Hecht erwies sich nach seinem Roman “Reich im Mond” als durchaus noch steigerungsfähig, als er im Jahre 1955 dessen Fortsetzung “Im Banne des Alpha Centauri” schrieb.
In diesem Roman bewies er unter anderem, daß man auch einen viele Jahrtausende andauernden Weltraumkrieg spannend beschreiben kann, ohne gegen die spezielle Relativitätstheorie zu verstoßen, oder Energiemengen herbei zu phantasieren, die Raumschiffe schneller als die halbe Lichtgeschwindigkeit machen können.
Der Handlungsrahmen von “Im Banne des Alpha Centauri” wurde in vielen späteren Science-Fiction-Romanen mehr oder weniger gut kopiert.
@Karl Bednarik
Mich begeisterte u.a. Aasimovs Foundation-Trilogie. Aber hier ging es ja zunächst mal um Fantasy-Mythologien. Lesen Sie auch in diesem Bereich?
Homer: Ein Klassiker ist ja zum Beispiel – Die Liebesgöttin Aphrodite, schönste und sexyeste aller Göttinen, ist verheiratet ausgerechnet mit dem verwachsenen Götterschmied Hephaistos. Also eine notorische Fremdgängerin, immer wieder hat sie ein Techtelmechtel vor allem mit dem dummen, brutalen, aber verdammt gutaussehenden und in brutaler Weise sexuell potenten Kriegsgott Ares. Hephaistos kriegt davon Wind und baut eine Falle: Ein selbst für Götter unzerstörbares Stahlnetz (gut, Stahl gab es damals noch nicht, aber das ist gemeint), das er über die beiden wirft, als sie ausgerechnet auch noch im Ehebett von Aphrodite/Hephaistos miteinander zugange sind. Und er ruft die anderen Götter herbei:
Das ist kein Mythos. Das ist nicht einmal ein Märchen. Das ist Klatsch und Tratsch. Hollywood. Neue Post für die Frau. Und das noch in der Odyssee!
Xenophanes
Oh ja, @Alubehüteter. Sie würden also auch zustimmen, dass die antiken Mythen und Rituale gerade nicht nur der religiösen Erbauung, sondern auch der „spannenden Unterhaltung“ dienten? 🤔📚👍
Für uns Heutige ist das religionswissenschaftlich natürlich äußerst interessant. Man bekommt mal einen Einblick in eine Volksreligion, noch bevor sie sich zur Hochreligion entwickelt. Ich kenne eine noch schlichtere Geschichte aus dem Baltikum: Die Sonne und der Mond sind miteinander verheiratet. Aber der Mond hat ein Techtelmechtel mit dem Morgenstern, und die Sonne reicht die Scheidung ein. Der Donner(Gott) hat nun zu befinden über die Besuchsregelung: Wann wer die gemeinsame Tochter, die Erde besuchen darf, und scheidet so in Tag (Besuchszeit der Sonne) und Nacht (des Mondes).
Aber daß den Griechen das peinlich ist, vergleicht man das mit etwa den hochentwickelten Erzählungen und Riten Altägyptens, ist auch verständlich 😄
@ Michael Blume
01.09.2019, 12:26 Uhr
„Die Antike“ ist mir zu viel. Erst einmal die alten Griechen, und auch da spezieller Homer und Hesiod. Es gibt ja auch die sehr ernsten Rituale der Mysterienreligionen, Demeter, Dionysos. (Die keineswegs „geheim“ waren, durchaus öffentlich zugänglich, aber es durfte nicht darüber gesprochen, geschweige denn, geschrieben werden, um die gemachten dramatischen religiösen Erfahrungen nicht zu profanieren.)
Aber ja. Die Griechen trennen noch nicht zwischen E- und U-Kunst. Problematisieren diese Nicht-Trennung allerdings auch. Homer-Dissing ist in der Vorsokratik Volkssport.
Ich würde unterscheiden wollen zwischen einer einfachen Volksreligion, einer entwickelten organisierten Hochreligion, die diese aufnimmt, zentral sammelt, die Motive/Erzählungen miteinander harmonisiert und wieder nach unten durchreicht, und schließlich der Weltreligionen, die nicht mehr gebunden sind an ein konkretes Volk, einer Kultur zu einer bestimmten Zeit, sondern die allen Menschen zu allen Zeiten in allen Kulturen zugänglich sind. Volksreligion sind uns selten zugänglich, da die Schrift erst entwickelt/nötig wird mit Hochzivilisationen.
Europäische Fantasy, Science Fiction: Das beginnt tatsächlich schon mit den Superheldengeschichten der Homeriden. Homer wird nicht mißbraucht von der Unterhaltungsindustrie. Er (bzw. seine Vorgänger, die fahrenden Sänger) begründen sie.
Alubehüteter,
interessant war die Neuigkeit, dass schon die griechischen Tragödiendichter Zweifel an ihrem Göttergeschlecht gehabt haben und dass ihre Kritik am Tun dieser Götter darin mündete, dass die Menschen selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen müssen/sollen/können.
Also, dass ist in der Tat schon der Beginn einer Theodizee.
Aber nur der Beginn. Die Theodizee ist eine Beweiskette , die einen Widerspruch in sich trägt und zu dem Ergebnis kommt, dass es Gott nicht gibt.
Heute weiß man, dass die Theodizee kein Beweis ist, weil das Ergebnis dieser Beweiskette schon vorliegt.
Man nennt diese Form von Logik modus tollens.
Dieser modus tollens wird immer wahr, wenn man die Eingangsprämisse negiert.
Beispiel:
Eingangsprämisse : Es existiert ein guter und gerechter Gott.
Argument: Gott kann in das Weltgeschehen eingreifen.
Argument: Gott kann Böses in Gutes wenden.
Gegenargument: Es geschieht Böses in der Welt.
Schlussfolgerung; Der gute und gerechte Gott existiert nicht.
Das klingt alles sehr logisch ist aber nur formal logisch, denn die Logik kümmert sich gar nicht um die Inhalte, sondern nur um die Form der Aussagen.
Man kann für Gott auch den Dackel Theo einsetzen und beweisen, dass es diesen Dackel Theo nicht gibt.
Prämisse: Der Dackel Theo ist ein guter Hund.
Behauptung: Er klaut niemals Futter.
Behauptung; Er frisst keine Hühner.
Gegenbehauptung; Theo hat ein Huhn totgebissen und gefressen.
Schlussfolgerung; Den guten Hund Theo gibt es nicht.
Das ist die formale Beweisführung bei der Theodizee. Sie hat keine Beweiskraft, weil eine einzige Gegenbehauptung genügt, die Eingangsprämisse verneinen zu müssen, damit die Logigkette wahr bleibt.
@ Karl Bednarik
01.09.2019, 10:21 Uhr
Klingt spannend! 🙂 Was ich mir ergoogelt habe, klingt mir allerdings nicht nach van Däniken. Eher schon nach Odyssee 2001.
@ bote
01.09.2019, 13:13 Uhr
Zunächst einmal ist die Theodizee die Frage nach der Gerechtigkeit (altgriechisch „dike“) Gottes. Warum läßt Gott / lassen die Götter das Böse zu? Diese Frage stellt sich immer wieder; sehr eindringlich dem biblischen Hiob. Eine mögliche, aber nur eben eine Antwort ist eben die, daß es Gott nicht gäbe.
Die Antwort, die in meinem Beispiel Homer dem Zeus in den Mund legt: Es ist der Mensch mit seinen Freiheitsentscheidungen, der das Böse auf sich zieht, läßt außer Acht, daß es etwa Naturkatastrophen gibt, die Gute wie Böse gleichermaßen treffen. Ausgangspunkt für das erneute Aufwerfen der Theodizeeproblematik in der Moderne war das Erdbeben von Lissabon 1755 (https://de.wikipedia.org/wiki/Erdbeben_von_Lissabon_1755)
Hallo Alubehüteter, “Reich im Mond” wird hier recht gut beschrieben:
http://www.sf-leihbuch.de/static/buch1158.htm
Spoiler-Warnung: Die “Lotronen” sind etwas später im “Reich im Mond” recht friedlich und vernünftig, und im “Im Banne des Alpha Centauri” sogar Verbündete gegen die “Burr”, zumindest nach einer kleineren Anlaufzeit.
Friedrich Hecht ist natürlich Erich von Däniken in jeder Hinsicht weit überlegen, aber die “Odyssee 2001” ist gegen ihr Ende zu viel abstrakter als “Reich im Mond”.
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Hallo Herr Blume, ich bevorzuge die Hard-Science-Fiction, aber man kann auch mit Hilfe der Hard-Science-Fiction mythische Inhalte oder fantasy-artige Inhalte darstellen.
Formal gesehen gehören die über-lichtschnelle Raumfahrt, die Zeit-Maschine, der Materie-Transmitter, der Hyper-Raum und ähnliche Erfindungen zur Fantasy-Literatur.
Die Existenz von Parallel-Universen ist zwar naturwissenschaftlich möglich, aber die Reisen zwischen den Parallel-Universen gehören ebenfalls zur Fantasy-Literatur.
Ich lese lieber Arthur C. Clarke als Isaac Asimov, aber am liebsten lese ich Larry Niven gefolgt von Iain Banks.
Arthur C. Clarke hat schon ab dem Jahre 1945 eine große Anzahl von naturwissenschaftlich fundierten utopischen Projekten beschrieben, wie zum Beispiel die geostationären Satelliten .
Larry Niven schreibt am spannendsten, aber er verwendet auch die über-lichtschnelle Raumfahrt.
Allerdings hat Larry Niven auch die Spezies der Puppenspieler beschrieben, die mehrheitlich zu feige für die über-lichtschnelle Raumfahrt ist, obwohl sie diese Technologie sehr gut beherrscht.
Auch in den ersten Phasen der Kzin-Mensch-Kriege von Larry Niven beherrscht ebenfalls keine der beiden Konfliktparteien die Technologie über-lichtschnellen Raumfahrt.
Spoiler-Warnung: Auf listenreichen und völlig undurchschaubaren Umwegen, die man niemals mit den Puppenspielern in Verbindung bringen könnte, lassen dann die Puppenspieler der Menschheit die Technologie über-lichtschnellen Raumfahrt zukommen, weil ein Sieg der Kzinti den Puppenspielern noch mehr Angst machen würde, als es ein Sieg der Menschheit machen würde.
@Karl Bednarik
Das „Puppenspieler“-Narrativ von Larry Niven klingt nach einem klassischen Verschwörungsmythos, nach dem die Superverschwörer auch den technologischen Fortschritt steuern würden, um ihre eigenen Ziele zu erreichen… Was meinen Sie?
Erster Nachtrag, zweiter Beitrag:
“Im Banne des Alpha Centauri” wird hier beschrieben:
http://www.sf-leihbuch.de/static/buch1159.htm
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Einen Überblick über die Kzinti, die Puppeteers, die Sternsamen, die Outsider, und die Menschen findet man, wenn man hier drinnen nach “vorsi” sucht, aber man kann dort auch nach “bedn” suchen, Wenn es Nacht wird im Kuipergürtel:
https://scilogs.spektrum.de/himmelslichter/wenn-es-nacht-wird-im-kuiperg-rtel/
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Ein schmerzender Fehler, der in Büchern nicht leicht vorkommen kann:
Nur in der Fernsehserie “Babylon 5” fliegen die Raumfahrzeuge im Weltraum die Kurven völlig richtig mit den Triebwerken nach außen.
In den meisten anderen Filmen fliegen die Raumfahrzeuge im Weltraum die Kurven völlig falsch mit den Triebwerken nach hinten.
So etwas funktioniert nur in einer Atmosphäre.
Zweiter Nachtrag, dritter Beitrag:
Die Puppenspieler oder Pierson’s Puppeteers sind eine hochtechnisierte Spezies von Pflanzenfressern, die für öffentliche Aktivitäten von Natur aus viel zu furchtsam sind.
Falls die Puppenspieler irgend eine potentiell gefährliche Spezies entdecken, dann versuchen sie deren weitere Entwicklung in für die Puppenspieler ungefährliche Bahnen zu lenken.
Zum Beispiel haben die Puppenspieler die Technologie der Ringweltbewohner schwer geschädigt, ohne dabei selbst bemerkt zu werden.
Mit den Puppenspielern kann man sprechen und auch Handel treiben, sofern das von den Puppenspielern als ungefährlich angesehen wird.
Weil die Puppenspieler zu feige für die über-lichtschnelle Raumfahrt sind, mieten sie oft Menschen für über-lichtschnelle Forschungsreisen.
Die Kzinti sind Fleischfresser, und ihre natürliche Strategie ist vorwiegend: “Auf sie mit Gebrüll”.
Obwohl die Kzinti den Menschen anfangs technisch überlegen sind, verliern die Kzinti oft Schlachten auf Grund des Fehlens jeder strategischen Intelligenz, die zum Bespiel einen vorübergehenden Rückzug erst vorstellbar macht.
Die Menschen als Allesfresser scheinen darin schlauer zu sein.
Das erkärt warum die Puppenspieler die Menschheit als Verbündete haben wollen, obwohl die Puppenspieler den Kzinti technologisch weit überlegen sind, und sie leicht selbst besiegen könnten, wenn sie weniger furchtsam wären.
Pierson’s Puppeteers in Text und Bild:
https://en.wikipedia.org/wiki/Pierson%27s_Puppeteers
Und die Kzinti in Text und Bild:
https://en.wikipedia.org/wiki/Kzin
Ja eigentlich ist das schon ein dicker fetter Verschwörungsmythos 🙂
@Uli Schoppe
Wobei auch kaum ein James Bond oder die Designated Survivor-Serien ohne Verschwörungsmythen auskommen. Diese sind halt faszinierend und für dramatische Plots sehr geeignet! Das sollte man halt wissen, dann kann man m.E. auch reflektierend-aufgeklärt genießen. 📚🌍
@Michael Blume
Oder P´n´P Rollenspiel 🙂 Da kann ich das echt gut als Meister 🙂 So schöne Verschwörungen wie bei mir gibt es im RL gar nicht XD
The Expanse, da gibt es auch einen schönen Haufen davon.Wobei ich eher auf die Bücher stehe. Die Serie finde ich nicht so wirklich gelungen umgesetzt, das geht dabei los das Ade ihren nigerianischen Akzent nicht hat weil sie blond und weiß ist. Auch wenn die nicht lange mitspielt ^^. Die Physik ist da auch zum Würgen ^^.
C. J. Cherryh ist auch nicht schlecht, ich bin da mit Pells Stern eingestiegen. Wat sind Konzerne und Regierungen doch für echte Drecksäcke 🙂
Den Maßstab bekommen unsere Politiker und Konzerne nicht hin, Stümper!! XD
Wobei: Wenn ich gerade über die Menschen nachdenke mit denen ichP´n´P spiele nachdenke: Die sind am Spieltisch paranoid bis zum Abwinken, im RL neigt da keiner zum VTler ^^
Menschen oder Gruppen von Menschen versuchen ständig andere Menschen oder andere Gruppen von Menschen auszutricksen.
Dazu kann man natürlich “Verschwörungsmythos” sagen, aber eigentlich ist das der Normalfall.
Das gegenseitige Austricksen hat glücklicherweise das gegenseitige Umbringen zum großen Teil abgelöst.
Natürlich ist es das Ziel der Austrickser, dass die Ausgetricksten nichts von der Verschwörung bemerken.
Und natürlich ist es das Ziel der Ausgetricksten, dass sie mögliche Verschwörungen möglichst früh bemerken.
Zu diesem Zweck entwickeln die Ausgetricksten verschiedene Verschwörungstheorien, um sie verifizieren oder falsifizieren zu können.
Natürlich können die Austrickser auch selbst möglichst absurde Verschwörungstheorien ausstreuen, um von ihrer echten Verschwörung abzulenken.
Wenn, zum Beispiel, alle nach den Chemtrails Ausschau halten, dann kümmert sich niemand um die Dieselabgase.
Der Unterschied zwischen Theorie und Mythos ist ja gerade, dass erstere überprüfbar und also auch widerlegbar ist, letzterer nicht, weil er der Weltdeutung dient, @Karl Bednarik. Für die Aufklärung realer Verschwörungen haben wir Strafverfolgung & Justiz, Presse, Opposition und sogar parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Verschwörungsmythen werden dagegen auch ohne bzw. gegen Evidenz geglaubt. „Die Illuminaten sind seit 1800 nicht mehr nachweisbar? Da sehen Sie mal, wie gut die sind!“
Hallo Herr Blume,
der Unterschied zwischen Verschwörungstheorie und Verschwörungsmythos ist in der Anfangsphase, in der bereits ein Verdacht vorhanden ist, aber in der noch keine Beweise vorhanden sind, sehr gering.
Die, zum Beispiel politische, Weltdeutung funktioniert häufig durch die Annahme von bösen Absichten von bestimmten Personengruppen.
Zum Beispiel kann man die Kapitalisten als Ausbeuter sehen, oder einzelnen von ihnen das sogar nachweisen.
Oder Politiker als korrupt sehen, denn vor dem Nachweis muss zuerst der Verdacht kommen.
Mit freundlichen Grüßen, Karl Bednarik.
Ja, @Karl Bednarik – deswegen erkennt man Verschwörungsmythen meist schnell an ihrem Alter. Sie werden meist seit Jahrhunderten, teilweise seit Jahrtausenden tradiert und immer wieder neu „angewendet“. Wissenschaftliche Theorien werden dagegen immer wieder überprüft und ggf. durch Bessere ersetzt.
Die Reptiloiden sind aber neu 🙁
@ Michael Blume: Ja, ich habe Ihr Wörtchen „meist“ gelesen. Wollte es nur illustrieren.