Angst vor Männern, Muslimen, Sachsen – Was meinen Sie?

Diesen Blogpost schreibe ich aus einem ICE auf dem Weg nach München, wo ich einen Vortrag zur Evolutionsforschung zur Religion halten und meinem mittleren Sohn die Hauptstadt unseres Nachbarlandes zeigen möchte. Doch nicht nur mein Kind, auch viele weitere Fahrgäste erleben hier auch eine Horde männlicher, grölender und teilweise betrunkener Fussballfans, die den Wagen mit gemeinschaftlichen Sprechgesängen, Symbolen und Ritualen sowie auch „Düften“ für sich reklamieren.

Parallel lese ich auf Twitter einen Tweet von @Michaela Maya, in dem sie ihre Angst äußert. Sie sei „Feministin“ und „hasse Männer nicht. Ich habe aber Angst vor ihnen. Nicht vor jedem einzelnen, aber doch [vor] Männern allgemein.“ Und dies sei „begründet“, denn: „Gewalt gegen Frauen ist allgegenwärtig; fast jede Frau hat Belästigung, Erniedrigung & Gewalt am eigenen Leib erfahren.“

Tweet vom 24.11.2018, Screenshot: Michael Blume

Empirisch hat Michaela Maya durchaus Argumente für sich: Laut BKA-Lagebericht sind die Fallzahlen sogenannter „Partnerschaftsgewalt“ in Deutschland von 104.290 auf 113.965 in 2017 gestiegen. Die große Mehrheit der Täter sind deutsche Männer ohne Migrationsgeschichte, die Opfer schwerer Gewalt zu über 80 Prozent Frauen.

Diesem empirischen Argument begegne ich immer wieder: Zwar seien nicht alle Muslime Terroristen, aber doch die meisten Terroristen Muslime (und Männer!). Daher fürchte man nicht jeden einzelnen Muslim, wohl aber „den Islam“.

Vor wenigen Tagen habe ich selbst auf Twitter eine Beobachtung geteilt: Als die BILD-Zeitung mit „Familiendrama in Jena“ und vier Todesopfern titelte, war mir sofort klar, dass der Täter kein Migrant oder Muslim war. Denn der Begriff des „Dramas“ als schicksalhaftes Ergriffenwerden wird meistens für die Mehrheit der eigenen Leserschaft reserviert. Zugewanderte oder Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten werden dagegen schnell als Ehren- oder Messer“mörder“ tituliert, also als aktive, bewusste Täter. Der deutsche Mann wurde tragischerweise von seinen Leidenschaften überwältigt, der Fremde sei dagegen planvoll böse…

Ebenso bin ich vor Vorträgen in Leipzig und Dresden vor „rassistischen Sachsen“ gewarnt worden. Auch hierzu werden die Wahlerfolge von NPD und AfD empirisch angeführt, ebenso hasserfüllte Pegida-Demonstrationszüge und rechtsextreme Vorfälle bis tief in den Staatsapparat hinein.

Wie gehe ich damit um?

Ich schaue mir die Befundlagen jeweils an und versuche dennoch Pauschalurteile zu vermeiden. Ja, es gibt derzeit Gewaltbereitschaft empirisch häufiger unter Männern, Muslimen und Sachsen als unter Frauen, Humanisten und Badenern. Doch 1. sind jeweils Mehrheiten der beschuldigten Menschengruppen friedfertig und es verbieten sich also Pauschalurteile über „die“ Männer, Muslime oder Sachsen (die ich jeweils auch sehr positiv im Familien- und Freundeskreis habe). Und 2. helfen uns die Evolutions-, Sozial- und Kulturwissenschaften zu verstehen, warum Menschen in bestimmten Bevölkerungsgruppen häufiger kriminell werden – und was dagegen getan werden kann. Mit „Islam in Krise“ habe ich ja auch selbst dazu publiziert.

Kurz: Ich verstehe Ängste vor Menschengruppen – und plädiere doch dafür, fair gegenüber den Einzelnen zu bleiben und nicht bei gruppenbezogenen Vorurteilen stehen zu bleiben. Die Mehrheit der friedvollen Männer, Muslime und Sachsen verdient Respekt und Unterstützung!

Umgekehrt erwarte ich aber auch von den auffälligen Gruppen – und als Mann mit auch sächsischen Wurzeln also auch von mir selbst – das eigene Verhalten zu reflektieren und wo nötig zu verbessern. Und versuche, das auch meinen Kindern zu vermitteln.

Ein Positivbeispiel ist für mich wiederum dieser Tweet der deutschen Jesidin Düzen Tekkal, die Patriarchat, Gewalt und Zwangsheiraten auch in ihren eigenen Religions- und Kulrurkreisen anprangert und sich für Frauen, Kinder und Reformen engagiert.

Was meinen Sie?

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

24 Kommentare

  1. Ein interessanter Text. Nur warum hat das “linksliberale” Milieu, das angeblich keine Vorurteile hat, “alte weiße Männer” oder “Sachsen” als Feinbild.

    Als die BILD-Zeitung mit „Familiendrama in Jena“ und vier Todesopfern titelte, war mir sofort klar, dass der Täter kein Migrant oder Muslim war. Denn der Begriff des „Dramas“ als schicksalhaftes Ergriffenwerden wird meistens für die Mehrheit der eigenen Leserschaft reserviert. Zugewanderte oder Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten werden dagegen schnell als Ehren- oder Messer“mörder“ tituliert, also als aktive, bewusste Täter. Der deutsche Mann wurde tragischerweise von seinen Leidenschaften überwältigt, der Fremde sei dagegen planvoll böse…

    Das sehe ich anders. Die “Ehrenmorde” in islamischen Familien unterscheiden sich durch Planung und Ausführung deutlich von “Familiendramen”. Folgende Unterschiede sehe ich hier:

    1. Planung. Es sind mehrere Familienmitglieder bei der Planung beteiligt. Es wird manchmal ein minderjähriges Mitglied für die Tat “ausgewählt”.

    2. Ausführung. Es wird nur die Frau getötet. Kinder oder der Täter bleiben am Leben.

    Es mag sein, daß ich da falsch liege, aber so stellt es sich mir dar.

    • @Rudi Knoth

      Die „empirischen Gründe“ für die Ängste vor Männern, Muslimen und Sachsen habe ich doch oben dargestellt. Oder wollen Sie die Daten zur stärkeren Gewaltneigung generell von Männern und die Wahlergebnisse sowie hohe Zahl rassistischer und antisemitischer Vorfälle in Sachsen abstreiten?

      Und woher stammt Ihre Information, dass sog. „Ehrenmorde“ nur in islamischen Familien aufträten – und nicht zum Beispiel auch in yezidischen, christlichen und nationalistischen? 🧐

      Freut mich sehr, dass dieser Post zum Denken anregt. 🙂

  2. @Michael Blume 25. November 2018 @ 08:12

    Die „empirischen Gründe“ für die Ängste vor Männern, Muslimen und Sachsen habe ich doch oben dargestellt. Oder wollen Sie die Daten zur stärkeren Gewaltneigung generell von Männern und die Wahlergebnisse sowie hohe Zahl rassistischer und antisemitischer Vorfälle in Sachsen abstreiten?

    Die Statistiken kann man sicherlich nicht abstreiten. Nur aus diesen Statistiken ein “Feindbild” wie “alte weisse Männer” zu konstruieren, halte ich falsch. Übrigens Muslime sind hier eher stärker pigmentiert.

    Und woher stammt Ihre Information, dass sog. „Ehrenmorde“ nur in islamischen Familien aufträten – und nicht zum Beispiel auch in yezidischen, christlichen und nationalistischen?

    Ich wollte eher die Unterschiede zwischen einem Ehrenmord, wie er etwa in eine “antideutschen” Internetseite beschrieben und Ihrem Fall aus der Bildzeitung beschreiben. Denn im Fall eines Ehrenmordes ist nur die Frau tot. Die Kinder und der Mann bleiben am Leben.

    • @Rudi Knoth

      Den Satz mit den „stärker pigmentierten Muslimen“ verstehe ich nicht. Deutsche Nationalsozialisten waren meist „schwach pigmentiert“ und ermordeten Millionen. Sagt dies etwas über die Wahrnehmung von Hautfarben? 🧐

  3. Jedes gesellschaftliche Milieu, jede zusammenlebende Gemeinschaft definiert den normalen Umgang miteinander, aber auch wie man auf Regelverstösse reagieren kann und welche Autorität und welche Rechte den einzelnen Mitgliedern zustehen. Und jede Gesellschaftsgruppe trifft auch Annahmen, was in anderen Gesellschaftsgruppen üblich ist. Zudem gibt es Entwicklungen. Früher waren Schläge für Kinder zuhause und in der Schule an der Tagesordnung, heute gibt es das in Deutschland kaum noch. Gewalt gegen Frauen hat in Partnerschaften sicherlich gegenüber 1970 abgenommen, aber sie ist auch heute noch häufig: 30% der Frauen in Grossbritannien haben seit dem 16. Lebensjahr mindestens einmal Gewalt durch ihren Partner erlebt. Aber auch 26% der Männer haben mindestens einmal Wegschubsen, Ohrfeigen, Kratzer und Bisse von ihrer Partnerin abbekommen. Das zeigt aber für mich gerade die grösseren Gefahren für Frauen, denn sie sind körperlich meist unterlegen.

    Wenn Eltern der Tochter die Heirat mit einem Muslim ausreden wollen mit dem Argument sie riskiere den Verlust an Freiheit oder gar Gewalt, dann kann ich das gut nachvollziehen, denn es ist eine Annahme, die statistisch gesehen nicht völlig unbegründet ist – auch wenn sie im Einzelfall völlig falsch sein kann. Wenn hier zu lesen ist, dass die meisten Gewalttaten gegen Frauen in Deutschland von deutschen Männern ohne Migrationshintergrund ausgehen, so ist das zu erwarten, da diese ja die Mehrheit ausmachen. Dass aber Gewalt gegen Frauen in islamisch geprägten Gesellschaften häufiger ist, ja teilweise zum Alltag gehört, wird durch viele Studien und Statistiken nachgewiesen. Beispielsweise auf der Site UNFPA Egypt, Gender based violence, wo man liest: Sexuelle Belästigung ist in Ägypten ein weit verbreitetes und ernsthaftes Problem, da das Land in dieser Frage nach Afghanistan an zweiter Stelle der Welt steht. Auch die von UN-Frauen im Jahr 2013 durchgeführte Studie “Study on Ways and Methods to Eliminate Sexual Belassment in Egypt” ergab, dass über 99,3 % der befragten ägyptischen Mädchen und Frauen berichteten, dass sie zu ihren Lebzeiten eine Form der sexuellen Belästigung erlebt haben. Laut derselben Studie fühlten sich 82,6 Prozent der gesamten weiblichen Befragten auf der Straße nicht sicher oder geborgen. Bei der Sicherheit im öffentlichen Verkehr stieg der Anteil auf 86,5 Prozent.

    Ob Links oder Rechts, fast alle werden wohl Annahmen über den normalen Umgang, in ihrer eigenen und auch einer fremden Gemeinschaft treffen – das lässt sich gar nicht vermeiden. Und klar gibt es immer Individuen, die anders handeln und die vielleicht sogar ein Vergehen anzeigen, das andere aus ihrer Gemeinschaft als festen Bestandteil des Alltags betrachten.

  4. Ergänzung zu meinem Vorgängerkommentar: Der Spiegel-Bericht: Women in Egypt (Violence Against Women “As an Egyptian woman, you spend your entire life dealing with sexual violence.”) zeigt, dass Gewalt gegen Frauen eben nicht in jeder Gesellschaft gleich ausgeprägt ist. In gewissen Ländern ist ein Leben als Frau ohne Verlust an Würde gar nicht möglich.

    • @Martin Holzherr

      Vielen Dank für Ihre Kommentare!

      Darf ich ehrlich interessiert nachfragen, wie Sie „Würde“ und deren „Verlust“ je bei Frauen und Männern definieren würden?

  5. Frauen können aufrechnen: hemmungslos mitunter und genau das scheinen sie für eine besondere Frauenbefähigung zu halten.

    so what

  6. @Michael Blume 25. November 2018 @ 13:27

    Ja das war etwas stark verkürzt. Das “feministische” Feindbild sind “alte weisse Männer”. Muslime gehören aber in der mehrheit nicht zu dieser Gruppe, weil sie stärker pigmentiert sind.

    Übrigens in dem multikulturellen “Auenland” namens “Lindenstraße” gab es in der heutigen Folge Ärger mit Anhängern von Erdogan.

    Und dann noch die Frage: warum soll man Angst vor Sachsen haben? Weil viele von diesen Leuten die “falsche” Partei wählen? Schlimmer ist es doch, wenn Guido Reil das Zugpferd der AfD in NRW ist. denn dieses Bundesland ist das Bevölkerung-stärkste.

  7. Also als Sachse habe ich…
    1. Angst vor Menschen, die noch niemals im Osten waren aber sich belehrende
    Meinungen zu den Verhältnissen hier erlauben.
    2. Vor Muslims, die die in ihren Parallelgesellschaften die
    Gastfreundschaftlichkeit dieses Landes ausnützen
    (Siehe Araberclans /No go Areas/ massive und unkontrollierte Einwanderung in die Sozialsysteme ,Kinderehen etc .
    3..und dann habe ich noch Angst vor Württenbergern .
    Und wenn jemand zu SACHSEN nur der Rassismus und Pegida einfällt, dann habe ich noch Angst vor diesen “zentral gesteuerten Medien”, die mit Absicht solche demagogischen “Feindbilder” entwerfen und dem Volk zur geistigen Manipulation vorwerfen.Im übrigen habe ich das Gefühl ,dass die Menschen hier, auf Grund ihrer Sozialisation, mehr für diese Formen der Medienmanipulationen sensibilisiert sind und diese Machtspiele schneller durchschauen…

    • @Golzower

      So stelle ich also als Württemberger (mit m) mit sächsischen Wurzeln, der von Kind auf und auch noch zu DDR-Zeiten Sachsen besucht und dort übrigens auch (nach der Wiedervereinigung) unterrichtet hat, fest: Sie befürworten aufgrund von realen Vorfällen Pauschalurteile gegen andere Menschengruppen, lehnen diese aber für die eigene Menschengruppe – trotz ebenfalls nicht zu leugnender Vorfälle – wiederum empört ab.

      Und in beiden Fällen sind Sie daher dann auch mit „den Medien“ unzufrieden, die jeweils nicht so berichten, wie Sie das wünschen.

      Richtig? 🙂

  8. “Frustrierte Männer” vs. “Frustrierte Frauen”?!

    Wieviel “Angst” von Männern vor Männern, entsteht als “Männlichkeitskrise” aufgrund von Frustrationserfahrungen als “Zurückgelassene” bzw. “Verlassene”? Und wieviel Wahlkampfstimmen und -Stimmung lässt sich daraus generieren mit irrationalen Narrativen von “bösen”, “sexbesessenen”, “vergewaltigenden” fremden, migrierenden Männern aus anderen Kulturkreisen?

    → in den neuen Bundesländern kommen auf 10 Männer im Alter zwischen 20 und 40 lediglich 8-9 Frauen. (Meist emanzipierte, gut ausgebildete Frauen können seit der Wiedervereinigung in den Westen migrieren und machen rege Gebrauch davon.)
    → die meisten Frauen konzentrieren sich zudem auf Ost-Städte
    → Frauen bilden im ländlichen Osten ein “knappes Gut”

    Die Integrationsministerin Sachsens seit 2014, Petra Köpping, erhielt eine Postkarte von einem der Männer, die sie während eines Pegida-Marsches getroffen hatte. “Liebe Frau Köpping”, heißt es, “wenn Sie mir eine Frau besorgen, werde ich aufhören, mit Pegida zu marschieren.”

    Und was passiert wohl, wenn immer mehr attraktive, südländische in der Blüte ihrer Geschlechtsreife stehende Männer als zusätzliche “Konkurrenten” auftauchen und immer mehr Frauen daran Gefallen finden werden?

    Auch andere Länder Probleme mit Männerüberschüssen. China z.B. “erobert” sich Frauen aus südostasischen Ländern, als Folge ihrer jahrelangen Geburtenregelungs- und Abtreibungspolitik zu Lasten von Mädchen.

    https://www.nytimes.com/2018/11/05/world/europe/merkel-east-germany-nationalists-populism.html

    • Oh ja, @Ingo Damith – gerade auch die sozialpsychologischen Prozesse in Abwanderungsregionen sind m.E. noch immer viel zu wenig erforscht und verstanden. Und auch die Rolle sexueller Ängste und Frustrationen in Radikalisierungsprozessen wird m.E. noch immer massiv unterschätzt…

  9. @ Michael Blume
    27. November 2018 @ 21:26

    Ja, unterschätzt. Etwa so, wie viele andere (einschlägige) den Klimawandel unterschätzen, nicht wahr?

    Wissen sie, warum sie ihn (gelinde gesagt) unterschätzen?

    Weil es sie nicht interessiert.

    Etwa, weil sie zuhause ne Klimaanlage haben. Und eh erster Klasse fliegen oder so.

    Und so tut es auch niemanden interessieren, ob jemand in ein normales soziales Umfeld eingebunden ist. Das ist die neue Freiheit, die uns gegeben (was ein Euphemismus ist, wenn in dieser Freiheit jedes Recht dazu existiert, das soziale Selektionsprozesse bis zum vollkommenen Ausschluß stattfinden).

    Äh und wenn dann psychiatrisch auch noch diagnostiziert wird, verdreht diese Freiheit die Errungenschaften der Moderne auch noch vollends ins infantile und Ignorante: dann nämlich darf man sich in den Kliniken Traumfänger bauen und Spekstein schleifen oder Mandala ausmalen und hält das für eine angemessene “integrationsmaßnahme” … wie es immer so schön heisst. Meine Frage nach einem Technik-Baukasten wurde mit dem gleichen Desinteresse, wie man andernortes den klimawandel für nebensächlich hält, als “illosorisch” abgetan … freilich liegt es dann auch immer am Geld. Das Universal-Argument für alles und jedes.

    Und so scheint es auch illosorisch zu sein, wenn Männern in besagten Bundesländern die Frauen weglaufen, dagegen irgendwas zu tun. Oder so manchem die Dringlichkeit wegen des Klimawandels glaubhaft machen zu können. Da kommt auch schnell Resignation an den Tag.

    Wie du mir, so ich dir! Eine alte, unheilige Abgeltungsstrategie. Was? Ihr erkennt meine Bedürfnisse nicht an? Dann will ich auch nichts vom Klimawandel hören. Oder von Frauenrechten. Oder von … suchen sie sich was Kontroverses und Emotionales aus…

    Dummerweise verlangt die Bibel unmissverständlich, dass man bei Demütigung noch die ander Wange hinzuhalten. Tut mans nicht, hat das Folgen für einen selbst.

    Was aber hat man dann, wenn man das eine berechtigterweise verlangen darf, aber wegen dem Bibelspruch keinen Anspruch ausprechen darf?

    Genau, eine Zwickmühle, aus der man nicht mehr raus kommt. Aussenstehende nennen das dann Schicksal.
    Ich dachte immer, diese aufgeklärte, freie und auf Austausch und Mitmenschlichkeit ausgelegte Neue Welt würde die Probleme lösen können. Aber anstatt tut sie es einfach solange totschweigen, bis die Menschen gebrochen sind und sodann dem Sozialstaat erst recht auf der Tasche liegen.

    Da ist viel ideelles im massenmedialen oder sozialem Äther. Aber nichts davon scheint mir irgendwie wirkliche Probleme lösen zu können, gar zu wollen.

    An solchen Verhältnissen müssen sie zweifeln. Und Zweifel war das Problem, weswegen wir diese jetzigen menschlichen Katastrophen in aller Welt haben.

    Das Absurde ist, dass bei einem Kind, das scheinbar tot am Strand liegt, alle aufschreien. Aber noch schlimmer scheint mir zu sein, dass im Fernsehen zwar jeden Abend ein Krimi läuft oder auch mal eine Meldung, dass es irgendwo einen bewaffneten Konflikt gegeben hat, bei dem es Tote gab, aber auf keinen Fall werden jeden Abend die Toten tot auf den Boden liegend gezeigt, die es bei dem gemeldeten Konflikt gegeben hat.

    Das wünsche ich mir: 15 Minuten pro Stunde an jedem Abend diese Bildeinstellung: langsam an den in Reihe liegenden Toten vorbeifilmen. Und dann der Psalm von der Schuld des Menschen am Leid und tot in der Welt nebenher. (wer einen kennt, am Besten hier posten).

    Auf jeden Fall wären nach dem ersten Abend mit dieser massenmedialen “Therapie” die Psychiatrien voll.

    Stattdessen gibts ja endlos Heroisches über Hitler und so. Jeden Abend.

  10. Online-Kommunikation ist immer fehleranfällig, @ISJ. Allerdings schätze ich Michaela Maya so ein, dass sie sich ggf. selbst artikulieren würde, wenn sie sich falsch verstanden fühlte. Und ich begrüße die in wichtigen Teilen nachdenkliche Debatte, die sie auch über Twitter hinaus angestoßen hat.

    • @Wizzy & @ISJ

      Und wenn gar keine objektiven Argumente, sondern nur noch subjektive Gefühle zählen – wäre dann nicht jedes Verstehen gleichermaßen wahr und falsch? 🤔 Kommt es darauf an, was der Adressat mitteilen wollte – oder auf das, was die Empfängerin wahr-nahm? 🤔

      Wie gegenüber den meisten Radikalismen sehe ich auch einen radikalen Subjektivismus als problematisch an. Es ist okay, seine Ängste vor Menschengruppen wie Männern, Frauen, Muslimen, Jüdinnen, Sachsen, Menschen anderer Hautfarben etc. einzugestehen und sie auch durch das Sprechen zu überwinden zu lernen. Aber ein Recht darauf, dass die eigenen Empfindungen über andere Menschengruppen absolut zu akzeptieren seien und nicht auch hinterfragt werden dürfen, hielte ich für hochproblematisch. Jede Frau, jeder Mann und jedes Kind hat m.E. ein Recht darauf, primär als Einzelperson und nicht nur als Teil eines Kollektivs beurteilt zu werden.

  11. @mblume

    Das Problem bei Angst vor Männern aber ist ja ein anderes als bei Angst vor Muslimen. Angst vor Muslimen kann ich abbauen, indem ich welche kennenlerne. Als Arbeitskollegen, in der Nachbarschaft. Angst vor Männern aber muß eine Frau um so mehr haben, je besser sie sie kennenlernt. Es sind Arbeitskollegen und Vorgesetzte, die den Hintern tätscheln, Ehemänner, die schlagen, Verlassene, die vergewaltigen. Angst müssen Frauen weniger haben vor wildfremden Männern, denen sie auf der Straße begegnet. Rein von der Statistik her.

  12. So kann man aber nicht rechnen, denn es gibt schließlich Millionen von Ehemännern und Arbeitskollegen, die sich niemals etwas zu Schulden kommen lassen.

    Das Problem mit den vertrauten Gewalttätern liegt doch eher darin, dass es einfacher ist, jemandem Gewalt anzutun, den man kennt, also dessen Tagesablauf und dessen “Schwachstellen” einem bekannt sind und der vielleicht auch in irgendeinem Abhängigkeitsverhältnis steckt und sich nicht gut wehren kann. Zudem sind viele derartige Gewalttaten auch emotional motiviert, d.h. der Täter zieht ein fremdes Opfer überhaupt nicht in Erwägung.

    Das alles bedeutet aber nicht, dass jeder, den man näher kennenlernt, automatisch zu einem Gewalttäter wird, bloß weil man ihn kennt. Das ist doch falsch herum gerechnet.

    Es ist klar, dass eine Ehefrau leichter das Opfer ihres Ehemanns wird als eine Frau, die gar keinen Ehemann hat (ihr kann so etwas gar nicht passieren). Aber deswegen wird ja nicht jede Ehefrau ein Opfer, bloß weil sie einen Ehemann hat.

  13. Noch mal was zum Thema “Ehrenmorden”:

    Der Name besagt ja, dass jemand mordet, weil seine Ehre das erfordert. Wobei die Ehre jeweils in den Augen des sozialen Umfelds liegt. Das Motiv ist also in einem “Was sollen die Leute (Verwandtschaft, Nachbarn, Glaubensbrüder, …) sagen, wenn wir die Lage nicht in den Griff bekommen?” begründet.

    Mit fällt eine inzwischen schon ältere Geschichte ein: Kommt ein Türke mit Tochter in eine Klinik und will von den Gynäkologen wissen, ob sie noch Jungfrau ist. Die Ärzte lehnen dies als Zumutung ab und schicken ihn fort. 24 Stunden später ist das Mädchen tot. – Der Mann wollte hören, dass seine Tochter noch Jungfrau ist (und dass die Ärzte dafür sorgen, dass sie nach der “Untersuchung” wieder Jungfrau ist), um so die letzte Konsequenz zu vermeiden.

    Oder eine gewisse Parallele bei Fontane: In “Effi Briest” erfährt der Ehemann, dass Effi ihm vor Jahren untreu war. Er bespricht das Problem mit einem guten Freund, und auf einmal dämmert ihn: Solange er die Sache bei sich behielt, hätte er verzeihen können, aber jetzt, wo es jemand anders weiß, bleibt ihm nichts anderes übrig als seine Frau zu verstoßen (so dass sie verarmt an Schwindsucht stirbt). Jetzt kein Ehrenmord, aber doch irgendwie ähnlich.

    Die Unterschiede zum “Familiendrama” liegen auf der Hand: da hätte niemand im Umfeld gefordert, dass das Problem per Tötung gelöst wird.

    Bleibt noch zu sagen, dass natürlich nicht jeder Mord in islamischen oder arabischen Familien ein Ehrenmord ist, und Ehrenmorde auch in anderen Milieus vorkommen können …

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