Andreas Malessa: Eine Blume für Zehra. Liebe bis zu den Pforten der Hölle

Zunächst erlebte ich es als Religionswissenschaftler. “Herr Blume, Ihr Vortrag über den Islam war ja sehr interessant. Aber darf ich Sie fragen, wie das bei Ihnen zuhause läuft? Sind Sie oder ist Ihre Frau konvertiert, damit Sie heiraten konnten?”

Später kamen Anfragen von Medien: “Sie beklagen ja zu Recht, dass das Zusammenleben von Christen und Muslimen oft nur negativ dargestellt wird. Wir würden gerne aus Ihrer Familie berichten. Wann dürfen wir denn Kameras bei Ihnen daheim aufbauen?”

Und schließlich kamen, was uns besonders nahe ging, Anfragen von interkulturell Verliebten: “Auch wir sind in ein christlich-muslimisches / yezidisch-christliches / muslimisch-humanistisches Paar und überlegen, ob wir eine Zukunft haben. Dürfen wir Sie fragen, wie Sie das mit der Religion der Kinder geregelt haben?”

Kurz: Zehra und ich standen immer wieder vor der schwierigen Entscheidung, was und wem wir etwas von unserem Privatleben anvertrauen sollten. Zumal wir auch keine “Superfrommen” sind, sondern einfach zwei Menschen je aus einer ostdeutschen und türkischen Arbeiterfamilie, die einen gemeinsamen Weg gesucht und gefunden haben. Über das Thema selbst zu schreiben kam für uns nicht in Frage – ich habe bislang nur Sach- und Wissensbücher geschrieben und möchte es auch mittelfristig dabei belassen.

Die Antwort fanden wir schließlich durch eine Anfrage von Andreas Malessa, einem bekannten Hörfunkjournalisten und Buchautor, der uns kannte und dem wir vertrauen. Er interviewte uns, Freunde und Verwandte und setzte ein Buch über eine christlich-islamische Ehe an. “Eine Blume für Zehra” ist nicht nur ein Wortspiel, sondern auch ein Hinweis auf eine wahre Begebenheit (über die gerne geschmunzelt werden darf, wir tun es auch.)

Foto: Michael Blume – “Eine Blume für Zehra”, von Andreas Malessa bei bene!

Doch dann kam plötzlich die Leitung des Sonderkontingents Nordirak auf mich zu und ich war anderthalb Jahre völlig “weg”. Der Journalist aber reagierte nicht etwa sauer, sondern recherchierte einfach weiter, sprach mit Kolleginnen, Kollegen und nahm sogar Kontakt mit Nadia Murad auf. Die Unterzeile mit den “Pforten der Hölle” geht auf eine Aussage von mir an den Massengräbern bei Kocho zurück…

Nun liegt es also vor – das Buch von Andreas Malessa über unseren Weg. Und ich muss sagen, dass der Autor tatsächlich manches über uns, unsere Geschichte und unser Umfeld herausgefunden hat, von dem wir selbst bis dahin noch gar nicht wussten.

Der Flyer mit den Verlagsinformationen zum Buch von Andreas Malessa. Foto: Michael Blume

Wir hoffen also, dass “Eine Blume für Zehra” anderen Freude macht und vielleicht auch Informationen und Mut gibt. Ohne dass wir als perfekt erscheinen – denn das sind wir nicht.

Wichtig war uns zudem, dass wir an unserer eigenen Geschichte kein Geld verdienen wollten. Daher haben wir Autor und Verlag gebeten, im Fall eines Erfolges lieber an den Verein Hawar.help e.V. um Düzen Tekkal zu spenden, die mit ihrem wunderbaren Team geflüchtete Frauen und Kinder im Irak und in Deutschland unterstützt. Wenn das Buch also Menschen ermutigen und zudem noch Gutes wirken würde, dann wären wir damit mehr als glücklich…

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

14 Kommentare

  1. Ja, da hat sich auch der Schreiber dieser Zeilen gefragt, ob nicht vielleicht bei Gelegenheit die Schahāda gesprochen worden ist.
    Wobei dies anscheinend nicht der Fall war, so dass Dr. W Ihnen für Beharrlichkeit und Mut alles Gute wünscht, die hier gemeinte Dame ist womöglich bei Ihren dankenswerterweise zur Verfügung gestellten audio-visuellen Dokumenten gelegentlich als Sprecherin hervorgetreten.
    Wie bereits oft geschrieben, so kennen Sie die Einschätzung des Schreibers dieser Zeilen zum Islam, wobei er hier aber Individuen meinend zu unterscheiden weiß.
    Sie tun Gutes, reden nicht nur gut, das kommt hier gut an.

    MFG
    Dr. Webbaer (der hoffentlich nicht, als Islamgegner, demnächst wieder in die Nähe von Antisemiten gerückt wird)

    • Ja, @Webbaer, ich war immer wieder überrascht, wie viele Menschen bei einer religiös gemischten Ehe den „Verdacht“ einer „heimlichen Konversion“ hegen. Auch das spricht wohl dafür, etwas Offenheit zu wagen und damit aufzuklären.

      Und ich möchte Sie wirklich nicht in den Bereich des Antisemitismus schieben, wenn ich darauf hinweise, dass in Spanien nach der Vertreibung bzw. Zwangskonversion von Juden und Muslimen ab dem 15./16. Jahrhundert ein Verdacht formuliert wurde: Die „Kinder Sems“ seien gar nicht wirksam getauft, sondern neigten „von Geburt an“ zur Verschwörung. Es komme also gar nicht auf die Religionszugehörigkeit an, sondern auf die razza (von arabisch raz = Kopf, Herkunft).

      Der rassistisch aufgeladene Verschwörungs-„Verdacht“ ist also uralt und den meisten sicher gar nicht bewusst. Aber das war durchaus ein Argument für uns, mutiger aufzuklären.

  2. Religion, besondere Rückgebundenheit ist gemeint, meint keine unveränderliche Beschaffenheit Einzelner, sondern Kultur, die es zu kritisieren gibt, Dr. W weist sich gerne auch als Kulturalist aus.
    Zudem ist der hier gemeinte theozentrische Kollektivismus herrschaftssystem-vollständig und als sog. Religion fast gänzlich unzureichend beschrieben.

    Wobei Dr. W gerne bei Ihnen bleibt, sie gerne lobt, wie heraufsetzt, auch auf Grund vorliegender Datenlage.
    Das Individuum kann kann aber nicht durch Auslassung zugrunde liegender Ideologie zureichend beschrieben werden.
    MFG
    Dr. Webbaer (der hier “den Braten nicht fett” sieht, für Ihre Arbeit dankt (wie sich nun ausklinken wird))

  3. @Blume’s

    “Zumal wir auch keine Superfrommen sind, …”

    – Das ist eine superblöde Aussage!

    Ein kleines Gleichnis:
    Beim Taxifahren habe ich mit einem jungen Fahrgast über das Leben diskutiert, weil er doch sehr krasse Ansichten hatte.
    Am Schluss meinte er dann: “Naja, ich bin halt nur ein bisschen Nazi”, worauf ich ihm antwortete: “Meine Güte, was ist das denn für ein Quatsch, entweder ist man ganz oder garnicht, …”

    • Das sehe ich tatsächlich anders, @hto. Ich glaube – auch auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse -, dass wir Menschen hier nie ganz eindeutig und unfehlbar sein können, sondern immer auch Widersprüche in uns tragen und Fehler machen. Deswegen ist bislang auch jede – religiöse wie auch nichtreligiöse – Ideologie gescheitert, die „den Himmel auf Erden“ oder die Schaffung eines „neuen Menschen“ versprochen hat. Echter Fortschritt ist Stückwerk.

      Und wenn ich der Überzeugung wäre, schon alle Wahrheit zu besitzen – warum sollte ich dann andere (und Sie!) noch anhören bzw. lesen? Am Radikalismus erstirbt jeder Dialog, jede Begegnung.

      Auch Sie, lieber @hto, nehmen einerseits gerne höchste Ideale für sich in Anspruch – und posten dann doch wieder wirre Beschimpfungen. Keiner von uns ist perfekt. Und wenn es „superblöd“ sein soll, das auch zuzugeben – dann verzichte ich lieber darauf, „hyperschlau“ zu sein…

  4. Nein nein, religiöse wie “nichtreligiöse” (alle sind religiös) Ideologie, scheiterte bisher stets an der Hierarchie von Dummheit und Boshaftigkeit – gepflegte Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt und “Individualbewusstsein” im Kreislauf des geistigen Stillstandes seit der “Vertreibung aus dem Paradies” (geistiger Evolutionssprung: Eigenverantwortung, Vernunftbegabung, Verantwortungsbewusstsein, geistig-heilendes Selbst- und Massenbewusstsein, als Mensch/alle OHNE …). Die Bibel ist da zweifelsfrei-eindeutig, solltest selbst Du erkannt haben! 😎

    • @hto

      Wenn „die Bibel zweifelsfrei-eindeutig“ wäre, wieso hat sich dann nie eine gemeinsame Interpretation durchsetzen können?

      Komplexe Texte sind immer interpretierbar und es bilden sich immer neue Interpretationen und Kommentare (im Judentum zum Beispiel Talmud, Mischna etc.).

      Tatsächlich gibt es zwischen den Religionen und Kirchen nicht einmal Einigkeit darüber, welche Schriften zur Bibel gezählt werden sollen.

      Aber ich fürchte, solche wissenschaftlichen Details werden nichts an Ihrer Überzeugung ändern, als Einziger hier die „eindeutige“ Wahrheit gefunden zu haben… 🙂

      Immerhin schön, wenn Sie dabei mal niemanden beschimpfen müssen.

      Alles Gute Ihnen! 🙂

  5. @Blume, wie du ja weißt, stammt das “Christentum” vom Judentum ab, und die haben schon Moses den “kalten Rücken” gezeigt, wo es um “auserwähltes Volk” und Vernunftbegabung zu Verantwortungsbewusstsein gehen sollte!? Jesus hat es anders versucht und ist gescheitert, an imperialistisch-faschistischer Dummheit und Boshaftigkeit.

    Tja, mit “wieso?” entstehen superblöde Fragen, bzw. die hinterhältigen Sätze/Beschwörungsformeln der “blutleeren Lakaien der Orthodoxie” 😎

    • @hto

      Aus jüdischer Perspektive haben sich die Christen abgespalten, nicht zuletzt auf Basis der griechischen Bibelübersetzung, der Septuaginta.

      Aber auch die Christen hatten es nicht so mit der „Eindeutigkeit“ der Bibel: Bis heute pflegen evangelische, katholische und diverse orthodoxe und altorientalische Kirchen eigene Bibeltexte; es gibt nicht „die“ allen gemeinsame Bibel.

      Und dann kam auch noch der Koran und später die Schriften von Joseph Smith (Mormonen) und von Baha‘ullah, jeweils mit höchstem Lob für Jesus.

      Sie mögen feste daran glauben, höchstpersönlich die eine und einzige, vermeintlich „eindeutige“ Interpretation der Bibel gefunden zu haben – doch sollte Sie eher verhaltene Resonanz dann nicht so arg betrüben…

      Ihnen alles Gute!

  6. Blume: “… jeweils mit höchstem Lob für Jesus.”

    Was haben die denn so gelobt???

    Im Christentum ist es ja Meinung: Gottes Wege sind unergründlich und Jesus ist für uns als Sündenbock gestorben – man singt ja auch heute noch: “Danke für meinen Arbeitsplatz”!!!

    • @hto

      Oh, im Koran wird Jesus unter anderem als Messias, als Wort von Gott und Geist von Gott gerühmt – nach seiner Mutter Maria ist gar eine eigene Sure benannt. Die Mormonen verstehen ihre Kirche als jene “Jesu Christi” und die Bahai rühmen Jesus als bedeutenden Gottesoffenbarer Seiner Zeit.

      Und in dieser Erklärung und diesem Sammelband würdigen auch orthodoxe Rabbiner Jesus als G’ttesboten im Kontext des Noahbundes:
      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/samen-des-friedens-hin-zu-einer-partnerschaft-zwischen-juden-christen-und-muslimen/

      Kurz: Sowohl die Bibel(n) wie auch die Person Jesu werden von unterschiedlichen, religiösen Traditionen und Personen sehr unterschiedlich interpretiert und verstanden. Anstatt das jeweils eigene Textverständnis absolut zu setzen, bietet sich also ein vertieftes Verstehen und ein gegenseitiger, in Respekt geführter Dialog an. Oder wenigstens ein Mindestmaß an Toleranz.

  7. hto
    Moses ist nicht gescheitert und Jesus ist nicht gescheitert.
    Der Dekalog (die 10 Gebote) sind die Grundlage jeder Rechtssprechung weltweit.
    Die Nächstenliebe findet sich in der Sozialgesetzgebung in vielen Staaten.
    Die Ächtung der Blutrache und der Todesstrafe sind eine Folge des Christentums.
    Jetzt treten Sie mal aus dem Schatten der imperalistisch-faschistischen Dummheit und lassen die Sonne auf sich scheinen. Von jetzt an kann es nur noch aufwärts gehen.

  8. Da schreibt jemand ein Buch und in den Kommentaren redet kaum einer darüber ;):

    Dabei ist es gar nicht mal solange her, da war es hierzulande undenkbar, dass Katholiken und Protestanten untereinander heirateten. Meine Schwiegereltern z.B. waren das erste Paar im Dorf, dass diesen Schritt wagte. Die Kirche war damals berstend voll, weil jeder sehen wollte, wie der Ritus ablaufen und ob der Herrgott nicht doch einen strafenden Blitzschlag herabsenden würde. Letzteres blieb jedoch – sehr zum Bedauern der Hardliner auf beiden Seiten – aus. Die Ehe hielt und meine Schwiegereltern wurden gewissermaßen zu einem ökomenischen Schanier zwischen Katholiken und Protestanten – und das ist im z.T. sehr pietistischen Baden-Württemberg sicher nicht einfach gewesen.

    Warum sollte etwas Ähnliches nicht auch zwischen Christen und Muslimen funktionieren?
    Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf das Buch. Da meine Leseliste weihnachtsbedingt noch recht lang ist, wird es eine Weile dauern, bis ich dazu komme, aber lesen werde ich es auf jeden Fall.

    • Vielen Dank, @UJ. Tatsächlich hoffen und glauben wir auch, dass christlich-islamische und generell interreligiöse Ehen einmal so alltäglich werden wie es christlich-ökumenische Ehen schon sind. Religion sollte Liebe und Freiheit fördern, nicht ersticken.

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