„Nur wer suchet, der findet“ – vom Suchen und Finden WOLLEN

In wenigen Tagen jährt sich der „March for Science“: der 14. April steht ganz im Zeichen der Wissenschaft und der Wissenschaftskommunikation. Weltweit, auch in vielen deutschen Städten, versammeln sich wieder Wissenschaftler und Wissenschafts-Freunde, um für die Forschung und einen fakten-basierten Meinungsaustausch einzustehen. In Berlin gibt es dieses Jahr statt einer Demo mit Kundgebung die „Kieznerds“ – Wissenschaftler und „Wissensschaffende“ laden zu ganz unterschiedlichen Themen zu Gesprächen in Kneipen und Cafes in ganz Berlin ein.

Ein Jahr – viele Veränderungen

Ein anderer Tag (letztes Jahr wurde der MfS noch bewusst auf den „Earth Day“, also den 22. April, gelegt), vielerorts ein anderes Format und eine abgewandelte Aussage prägen das „Sophomore-year“ des March for Science: Gingen letztes Jahr noch viele als Reaktion auf die US-Amerikanische Präsidentenwahl bzw. auf die Aussagen des frischgekürten US-Präsidenten auf die Straße, scheint dieses Jahr vielerorts die Wissenschaftskommunikation selbst im Mittelpunkt zu stehen.

Letztes Jahr war ich selbst in Berlin beim March dabei und habe über meine Eindrücke berichtet. Gerade erst frisch zurückgekehrt nach zwei Jahren in den USA, stand ich zwar prinzipiell hinter der Idee, fand die lokale Ausführung aber durchaus verbesserungswürdig.

Die Euphorie und das Medieninteresse im Vorlauf des March haben im Vergleich zum letzten Jahr merklich nachgelassen, und viele Organisatoren rechnen dementsprechend mit deutlich weniger Teilnehmern in diesem Jahr. Hat sich in der Wissenschaft und der Wissenschaftskommunikation im letzten Jahr so viel getan und alles zum Guten gewandelt? Wohl kaum. Doch was hat sich im letzten Jahr getan?

Auch wenn die Forschung und die Forschergemeinde international ist und internationale Kollaborationen an der Tagesordnung sind, so hat jedes Land doch seine ganz eigenen Probleme im Bereich Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation. Dass die Wissenschaft uns wichtige Fakten und Grundlagen für neue Technologien liefert, wird in Deutschland weit weniger bestritten und angezweifelt als beispielsweise in den USA. Insgesamt polarisiert das Thema hierzulande wesentlich weniger, wohl nicht zuletzt auch weil es in Deutschland leider weit weniger publikumswirksame Wissenschaftskommunikatoren gibt. Bill Nye und Neil deGrasse Tyson haben zusammen rund 18 Millionen Twitter-Follower, das wohl bekannteste deutsche Pendant Ranga Yogeshwar hat etwa 84.000 Facebook-Abonnenten.

Die Forschungs- und Kommunikationslandschaften und -gepflogenheiten in den USA und Deutschland sind natürlich sehr unterschiedlich. Und die Wissenschaftskommunikation in Deutschland erscheint momentan im Wandel. Erst kürzlich wurde auf der online Plattform Wissenschaftskommunkiation.de leidenschaftlich darüber diskutiert, ob es der Job der Wissenschaftler sei, ihre Erkenntnisse gut verständlich an die breite Öffentlichkeit zu bringen, oder ob Wissenschaftler nicht besseres zu tun hätten, als ihre Ergebnisse massenkompatibel aufzuarbeiten.

Ein Konsens der an sich widersprüchlichen Beiträge: Die Wissenschaftskommunikation muss sich ändern, Universitäten und andere Forschungseinrichtungen sollten Kommunikationsansätze mehr wertschätzen und es solle mehr Geld bereitgestellt werden, um Kommunikations-Stellen oder ähnliches einzurichten.

Ein Streitpunkt bleibt indes, ob und wie die Wissenschaftskommunikation mehr oder im besten Fall ausnahmslos alle Menschen erreichen kann. Denn es wird immer schwieriger, die Grenzen der Echokammern und „Social-Media-Bubbles“ zu durchbrechen.

Wer sich für Wissenschaft und Forschung interessiert, wird genau aus diesem eigenen Interesse heraus die Berichterstattung bei verschiedenen Medien im TV, Online oder Print verfolgen.

Wie aber kann der weniger interessierte Mensch, der sich nicht selbst auf die Suche nach solchen Informationen und Berichterstattungen macht, erreicht werden? Muss er überhaupt erreicht werden? Muss jeder immer ständig über alles informiert sein?

Nicht jeder interessiert sich für alles – es soll Menschen geben, die sich weder für Fußball oder Motorsport, noch für Geschichte oder Architektur interessieren. Und jeder der schon mal in der Schule war, weiß, dass Interesse nicht erzwungen werden kann. Muss es auch gar nicht.

Das Gefährliche für eine aufgeklärte Gesellschaft sind doch auch gar nicht „Achselzucken“ und „weiterzappen“. Das Gefährliche sind Falschaussagen und Halbwahrheiten.

Was die Wissenschaft und die Wissenschaftskommunikation also machen kann und machen sollte, ist korrekte Informationen bereitstellen. Es muss sichergestellt sein, dass möglichst viel und möglichst korrekte Information allgemein und einfach zugänglich ist.

Und genau dafür sind Veranstaltungen wie die Kieznerds in Berlin perfekt: interessierte Menschen können sich „an der Quelle“ zu einem bestimmten Thema informieren und diese dann gegebenenfalls weitertragen.

Und noch etwas können wir alle tun – in der Familie, in der Schule, bei Freunden oder Kollegen: Neugier wecken und fördern. Denn wer neugierig ist und Interesse an der Welt um sich herum hat, der macht sich auf die Suche nach Erklärungen und Fakten. Und wenn die Wissenschaftskommunikation dann den „fake news“ und „alternativen Fakten“ keinen Raum lässt, dann finden die Suchenden auch die fachlich richtigen Antworten.

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Judith M. Reichel hat ihre Doktorarbeit auf dem Themengebiet der Neurobiologie/ Neuropsychiatrie absolviert und ging anschließend für eine Postdoc-Stelle nach New York. Dort angekommen verschob sich ihr Interesse immer mehr in Richtung Wissenschaftskommunikation, und sie sammelte erste Erfahrungen als Gast-Bloggerin für verschiedene etablierte Seiten. Schließlich entschloss sie sich dem Labor den Rücken zu kehren und kam als Wissenschaftsredakteurin zurück nach Deutschland. Inzwischen arbeitet Sie als wissenschaftliche Referentin im Bundesforschungsministerium (BMBF), schreibt hier aber privat. Judith twittert als @worklifesthg und ist auf LinkedIn zu finden.

4 Kommentare

  1. Es sollte keine wissenschaftliche Forschung aus reiner Neugierde geben. Sondern wissenschaftliche Forschung, die sich im Einklang mit der Natur befindet, und der Abwehr von Krankheiten und Unglücksfällen dient. Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).

  2. „What I cannot create I do not understand“ – vom Geben und Nehmen WOLLEN

    Judith Reichel schrieb (12. April 2018):
    > Was die Wissenschaft und die Wissenschaftskommunikation also machen kann und machen sollte, ist korrekte Informationen bereitstellen. Es muss sichergestellt sein, dass möglichst viel und möglichst korrekte Information allgemein und einfach zugänglich ist.

    Ob und in wir fern das, was ggf. einfach zugänglich bereitgestellt wurde, “korrekte Information” darstellt, oder eher das Gegenteil, erweist sich aber nicht zuletzt daran,

    – dass die jeweilige Methode festgesetzt und zugänglich gemacht ist, nach der die betreffende Information als “korrekt” bewertet würde (auch wenn es nicht unbedingt für jeden “einfach” sein mag, diese Anzuwenden und die Bewertung dadurch nachzuvollziehen), und

    – dass die Darstellungen eventueller Bemühungen von jenen, denen die betreffende Methode (noch) nicht nachvollziehbar wäre (oder die damit sogar eine gegenteilige Bewertung erhielten), vergleichbar einfach zugänglich bzw. auffindbar sind.

  3. Die Frage ist immer, was ein Wissenschaftsblogger oder – kommunikator der Öffentlichkeit mitteilen soll: Soll er inhaltlich über sein Forschungsgebiet, die -methoden und -resultate berichten oder soll er über die Bedeutung seiner Forschung für die Gesellschaft/sein Fachgebiet berichten.
    Wenn man Bill Nye als Massstab nimmt, dann würde Wissenschaftskommunikation vor allem Popularisierung bedeuten (Wikipedia: Known for its “high-energy presentation and MTV-paced segments und Nye has made frequent media appearances, including on Dancing with the Stars, The Big Bang Theory and Inside Amy Schumer). Nyes Form der Popularisierung ist wohl besser auf die USA als auf Deutschland und deutsche Forscher zugeschnitten, denn das showmässige seiner Show und seines Stils kollidiert etwas mit der Ernsthaftigkeit des typisch deutschen Wissenschaftlers.

    • Martin Holzherr schrieb (13. April 2018 @ 18:13):
      > Die Frage ist immer, was ein Wissenschaftsblogger oder –kommunikator der Öffentlichkeit mitteilen soll: Soll er inhaltlich über sein Forschungsgebiet, die -methoden und -resultate berichten […]

      Davon, dass Wissenschaft und insbesondere Wissenschaftskommunikation betrieben würde, kann allerdings nur die Rede sein, sofern jemand nicht nur über sein Forschungsgebiet, die -methoden und -resultate berichtet, sondern auch Berichte bzw. Nachfragen anderer über das betreffende Forschungsgebiet, dessen Methoden und eventuelle Resultate ermöglicht und zur Kenntnis nimmt.

      Die Frage ist daher immer und vor allem, in wie fern diejenigen, denen kein SciLog (oder vergleichbar auffindbares und Barriere-frei nutzbares Medium) geboten ist, überhaupt mit denjenigen wissenschaftlich kommunizieren, die dieses Privileg genießen.

      > oder soll er über die Bedeutung seiner Forschung für die Gesellschaft/sein Fachgebiet berichten.

      Wer das nicht auch noch machen kann oder mag, kann das ja gern diversen Gesellschaftsreporten überlassen …

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