Wie lassen sich pyroklastische Ströme vorhersagen?

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Dank eines neuen Modells lässt sich das Verhalten von pyroklastischen Strömen simulieren. Dies kann dabei helfen, die von ihnen ausgehenden Gefahren besser vorherzusagen.

Zerstörerisch und schnell

Auch wenn vielleicht die meisten Menschen mit einem Vulkan glühende Lavaströme als Hauptgefahr ansehen. Vor den meisten Lavaströmen kann man zu Fuß noch gut flüchten.

Pyroklastische Ströme sind deutlich schneller als fließende Lava. Vermutlich sind sie die tödlichste vulkanische Erscheinung auf unserem Planeten. Ein Gemisch aus heißen Gasen und vulkanischer Asche, welches mit hoher Geschwindigkeit die Hänge hinabrast und alles zerstört, was sich in seinem Weg befindet. Die Geschwindigkeiten können dabei 400 km/h problemlos überschreiten und die Temperaturen im Inneren pyroklastischer Ströme liegen zwischen 300 und 800°C.

Wie man aus den erreichten Geschwindigkeiten ablesen kann, ist eine Flucht auch nicht immer so einfach zu bewerkstelligen, sollte man einmal den heißen Atem eines derartigen Stromes im Nacken spüren. Und auch von Wasser lässt sich dieser Strom nicht aufhalten, wie Beispiele vom Ausbruch des Krakatau 1883 gezeigt haben. Vielmehr würden größere Mengen heißer vulkanischer Gesteine in das Wasser gelangen und einen Tsunami auslösen. Das heiße gröbere Material hingegen würde Wasserdampf erzeugen, der wieder den (nun aus leichterem Material bestehenden) pyroklastischen Strom neue Flügel verleiht.

Schwer zu beobachten

Grob gesagt bestehen pyroklastische Ströme aus 2 unterschiedlichen Einheiten. Einen dichten, nicht turbulenten Strom, der sich meist entlang von Tälern oder kleinen Senken bewegt sowie einer turbulenten, weniger dichten aschereichen Wolke, welche auch als Surge bezeichnet wird. Der genaue Aufbau pyroklastischer Ströme entzieht sich meist der direkten Beobachtung. Erst in Modellversuchen konnte man genaueren Einblick gewinnen.

Die Zusammenhänge und Vorgänge im Inneren der pyroklastischen Ströme sind noch immer nicht ganz verstanden. Trotz aller Fortschritte in der Modellierung sind die von ihnen ausgehenden Gefahren noch immer nicht gut vorhersagbar. Das ist ein Problem, auch weil durchaus viele Menschen im Bereich entsprechender Vulkane leben.

Modellierung

Karim Kelfoun (1) von der Université Clermont Auvergne in Clermont-Ferrand ist es jetzt gelungen, eine numerische Modellierung zu entwickeln, die sowohl beide Bereiche des pyroklastischen Stromes als auch ihre gegenseitigen Einflüsse berücksichtigt. Er hat sich dabei an ähnlichen Modellen orientiert, wie sie bei der Simulation von Erdrutschen Verwendung finden. Der Vorteil der neuen Methode liegt darin, dass auch bei bevorstehenden Eruptionen schnelle Ergebnisse liefert und so hilft, entsprechende Gefahrenzonen auszuweisen.

Die Simulationen haben gezeigt, dass sich dichtere Ströme schneller bewegen als dünnere. Sobald ein dichter Strom Geschwindigkeiten von mehr als 25 m/s erreicht, bildet sich eine Surge. Dies erklärt, warum es bei sich verengenden Tälern oder anderen topographischen Änderungen zu Surgeablagerungen kommt.

Test der Simulation

Um den Wert der neuen Simulation zu testen, hat Kelfoun zusammen mit anderen Forschern 2 verschiedene Phasen der gut untersuchten Eruption des Mount Merapi von 2010 in dem Modell durchgespielt (2). Diese Eruption mit ihren mehr als 100 pyroklastischen Strömen kostete trotz frühzeitiger Warnungen rund 367 Menschenleben und verursachte enorme wirtschaftliche Schäden.

Das neue Modell war in der Lage, die Eruptionsphasen wiederzugeben. Dazu gehören die Pfade der pyroklastischen Ströme ebenso wie deren Ablagerungen. Das eingebettete Video zeigt die Simulation.

Es fanden sich aber auch deutliche Unterschiede zwischen der simulierten Eruption und der historischen. Dennoch stellt das neue Modell wohl einen guten Fortschritt im Verständnis und der Vorhersage pyroklastischer Ströme dar. Bedenkt man, wie viele Menschen in Reichweite entsprechender Vulkane leben, ist das ein Schritt in die richtige Richtung.

Video der Simulation des Marapi-Ausbruchs von 2010. In rot ein konzentrierter Aschen-und-Blockstrom, ein verdünnter Aschenstrom in blau. Die gelben und grünen Farben stellen die Mächtigkeit der Surgeablagerungen dar. Eine Sekunde im Video entspricht 50 Sekunden in der Realität.

 

(1) Kelfoun, K. (2017), A two-layer depth-averaged model for both the dilute and the concentrated parts of pyroclastic currents, J. Geophys. Res. Solid Earth, 122, 4293–4311, doi:10.1002/2017JB014013.

(2) Kelfoun, K., V. Gueugneau, J.-C. Komorowski, N. Aisyah, N. Cholik, and C. Merciecca (2017), Simulation of block-and-ash flows and ash-cloud surges of the 2010 eruption of Merapi volcano with a two-layer model, J. Geophys. Res. Solid Earth, 122, 4277–4292, doi:10.1002/2017JB013981.

 

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

2 Kommentare

  1. Der Merapi wird scheinbar schon lange intensiv seismisch überwacht. Vor dem Ausbruch 2010 gab es Warnungen und Evakuierungsempfehlungen, die aber nicht von allen Bewohnern des Gebiets befolgt wurden. Eine noch bessere Überwachung und bessere Vorhersagemöglichkeiten wird möglicherweise nicht viel an der Situation ändern. Besser wäre wohl die Besiedlung in der Nähe des Merapi völlig aufzugeben.

    • Pyroklastische Ströme sind mörderisch

      Leidvoll erfahren mussten dies zum Beispiel folgende Personen:

      im Jahre 79 beim Ausbruch des Vesuv:
      die Bewohner von Pompejii und Herculaneum

      1980 beim Ausbruch des Berg St. Helens:
      Harry R. Truman, der sich der Evakuierung verweigert hatte und dies mit seinem Leben bezahlte.
      Der Vulkanologe David A. Johnston, der in einer Entfernung von 10 km den Vulkan beobachtete. 10 Kilometer! Die waren nicht genug, denn der Pyroklastische Strom verwüstete ein fächerförmiges, 37 km breites und 30 km tiefes Gebiet völlig. Bei einer angenommenen Geschwindigkeit von 400 – 800 km/std. hatte Johnston keine Chance, zu entkommen. Seine Leiche wurde nie gefunden.
      Weitere 57 Holzfäller, Wanderer und Camper.

      1991 beim Ausbruch des Unzen:

      Neben 40 weitern Personen, in der mehrzahl Journalisten starben:
      Der Vulkanologe Harry Glicken, der 1980 dem Tod am St. Helens entkommen war, weil er am Tag des Ausbruchs für einen Termin in Kalifornien weilte. David A. Johnston, der der Leiter der Beobachtung war, hatte für ihn die Beobachtung übernommen.

      Die Vulkanologen Katia und Maurice Krafft. Wer mehr über diese beiden wissen möchte, lese mindestens den Beitrag im deutschen Wiki, es lohnt sich!

      Wie können nun Vulkanologen, die sich mit ihrem Forschungsfeld auskennen, ums Leben kommen? Nun – Sie wissen eben auch nicht alles und spielen in einem für sie vertretbaren Risikobereich mit der Gefahr.
      Wäre am Unzen ‘nur’ die Grundlawine abgegangen, so wäre an der Beobachtungsstelle niemand gestorben. Aber das aufliegende Gas-Asche-Gemisch reicht an jenem Tag um 800 Meter über die Grundlawine heraus und hüllte den Beobachtungsort mit ein. Der Pyroklastische Strom war so schnell, dass es in dem Augenblick, als er ausgelöst wurde, kein Entrinnen mehr gab.

      Wenn also in Zukunft die Forschung so weit gedeiht, dass nicht nur das Verhalten der Pyroklastischen Ströme sicher vorhergesagt werden kann sondern auch der Zeitpunkt des Ausbruchs, so können dann doch wohl die meisten der gefährdeten Menschen in Sicherheit gebracht werden.
      Bis auf jene natürlich, die sich weigern oder die sich zum Zwecke der Forschung oder aus Neugierde absichtlich dort aufhalten wollen.

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